Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Chronik Afghanistan

Januar 2011


Samstag, 1. Januar, bis Sonntag, 2. Januar
  • Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Michael Steiner, hat ein Zusammenstehen der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan angemahnt. "Wir müssen die gemeinsam vereinbarte Strategie auch gemeinsam zu Ende führen", sagte Steiner der Nachrichtenagentur AFP (veröffentlicht am 1. Jan.) mit Blick auf den schrittweisen Abzug der internationalen Truppen, der bis Ende 2014 abgeschlossen sein soll. Der vereinbarte Zeithorizont von vier Jahren sei "ehrgeizig", aber möglich. Auch für die deutsche Bevölkerung sei es wichtig zu sehen, dass "wir kein militärisches Dauerengagement eingehen". Die internationale Strategie, die eine Sicherheitsübergabe an die Afghanen in den kommenden vier Jahren vorsieht, funktioniert laut Steiner nur, wenn die Ausbildung der afghanischen Soldaten und Polizisten "mit großem Nachdruck" weiterbetrieben wird. Gleichzeitig müsse der politische Prozess zu Ergebnissen geführt werden, um das Land zu stabilisieren.
    Psychologisch wahrscheinlich entscheidend sei aber, dass die Afghanen nicht das Gefühl bekämen, sie würden von der internationalen Gemeinschaft nach 2014 fallengelassen, sagte Steiner. Daher müsse den Menschen glaubhaft gemacht werden, "dass wir mit wirtschaftlicher Hilfe, mit Ausbildungshilfe, Ausrüstung weiter bei ihnen sein werden".
    Nach Fehlern in der Vergangenheit habe sich die internationale Gemeinschaft inzwischen auf eine "realistische Zielsetzung" geeinigt, sagte der Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan. "Wir wollen in Afghanistan hinreichende Sicherheit erzielen und die Gewährleistung fundamentaler Menschenrechte." Das könne nicht nur mit militärischen Mitteln und durch zivilen Aufbau erreicht werden, dafür brauche es auch einen politischen Prozess, sagte Steiner unter Verweis auf den Prozess der Versöhnung und Wiedereingliederung von Gegnern der Kabuler Regierung. Die vom sogenannten afghanischen Hohen Friedensrat geführten Gespräche mit den Taliban hätten jedoch gerade erst begonnen. Die internationale Gemeinschaft müsse dies nach Kräften fördern.
    Bei der internationalen Afghanistan-Konferenz Ende 2011 in Bonn wird es nach Angaben Steiners nicht um eine Konferenz "um der Konferenz willen", sondern darum gehen, die dann noch verbleibenden drei Jahre der Sicherheitsübergabe zu "strukturieren". Zudem werde die internationale Gemeinschaft ihr langfristiges Engagement nach 2014 konkretisieren müssen. Die Konferenz solle einen kräftigen Impuls für den politischen Prozess in Afghanistan geben.
  • Bei mehreren US-Drohnenangriffen sind im Nordwesten Pakistans mindestens elf mutmaßliche Aufständische getötet worden. Bei einem ersten Angriff hätten zwei Drohnen in Mandi Khel im Stammesgebiet von Nord-Waziristan vier Raketen abgefeuert und sieben Extremisten getötet, sagten pakistanische Sicherheitskräfte in Miranshah der Nachrichtenagentur AFP am 1. Jan. Als Aufständische versucht hätten, die Toten und Verletzten zu bergen, habe eine US-Drohne erneut zwei Raketen abgefeuert und dabei mindestens vier Aufständische getötet. Den Angaben zufolge waren unter den Toten möglicherweise auch Ausländer.
  • Deutschland sitzt in diesem und dem kommenden Jahr im UN-Sicherheitsrat. Das Gremium ist quasi der Aufsichtsrat der Vereinten Nationen. Deutschland will sich im Sicherheitsrat vor allem für den Friedensprozess in Afghanistan einsetzen. Die Verantwortung für das Land müsse in afghanische Hände übergeben werden, sagte Außenminister Guido Westerwelle laut dpa vom 1. Jan. Die deutschen Soldaten könnten nicht endlos dort bleiben. Mit anderen Staaten strebt Deutschland eine Umbildung des Sicherheitsrates an, die den Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens mehr Gewicht gibt.
  • Der Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Martin Dutzmann, hat laut AFP vom 2. Jan. mangelndes Interesse der Deutschen am Einsatz in Afghanistan beklagt. Sein Eindruck sei, dass die Truppe ein solche Interesse vermisse, sagte Dutzmann im NDR. Besonders dramatisch sei dies, wenn ein Soldat verwundet, etwa im Rollstuhl oder blind, aus Afghanistan zurückkomme. "Wenn der Soldat sich dann sagen lassen muss, naja, du hättest ja auch einen weniger gefährlichen Beruf lernen können. Das ist dann schon bitter", sagte Dutzmann.
    Grund für das fehlende Interesse sei, dass den Menschen in Deutschland "das Gefühl für militärische Bedrohung abhanden gekommen" sei, sagte Dutzmann. Dies sei in den achtziger Jahren angesichts des Kalten Krieges anders gewesen. Heute sei Deutschland von Freunden umgeben. "von daher muss man natürlich in der Bevölkerung klar machen, was heißt es jetzt, Verantwortung in anderen Teilen der Welt zu übernehmen", sagte Dutzmann. "Und dieser Prozess ist nicht besonders weit entwickelt", fügte er hinzu. Zu den verbreiteten Sorgen der Soldaten zählten neben dem Trennungsschmerz und privaten Schwierigkeiten inzwischen immer stärker die zunehmende Bedrohung. Die Soldaten fragten sich: "Was ist, wenn mir etwas passiert, wenn ich verwundet, oder womöglich gar nicht nach Hause zuückkomme", sagte Dutzmann. "Aber dann auch ganz massiv die Frage: Was ist, wenn ich jemand anderen verletzen oder gar töten muss?"
  • Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat sich gegen Forderungen der Opposition nach konkreten Terminen für den Rückzug der Bundeswehr aus den afghanischen Provinzen gestellt. "Mit Blick auf mögliche Strategien des Gegners und im Interesse der Sicherheit unserer Soldaten und der Menschen in Afghanistan" sollten keine konkreten Termine für einen Rückzug genannt werden, sagte Seehofer der "Bild am Sonntag" (2. Jan.). Es gehe zunächst darum, den afghanischen Sicherheitsbehörden Verantwortung zu übertragen. Erst danach ergebe sich die "Option zu einem schrittweisen Rückzug".
    Auch anderen Politiker von CSU und FDP sprachen sich gegen die Nennung konkreter Abzugstermine aus. "Wenn wir jetzt für Provinzen Abzugsdaten festlegen, hätte das für das Land eine fatale Wirkung", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich dem "Hamburger Abendblatt". Der FDP-Verteidigungsexperte Christoph Schnurr sagte der Zeitung, das Nennen eines Abzugsdatums wäre "nur eine Einladung an die Taliban, bis nach dem Tag X zu warten und dann erst zuzuschlagen".
  • Durch Anschläge und Kämpfe in Afghanistan sind im vergangenen Jahr mehr als 10.000 Menschen getötet worden. Unter den Opfern der Gewalt waren rund 2000 Zivilisten, wie die Nachrichtenagentur AFP auf Grundlage offizieller Zahlen und der Angaben der unabhängigen Website icasualties.org berechnete. Das afghanische Innenministerium gab die Zahl der getöteten Zivilisten, Polizisten und Aufständischen mit 8560 an. Das Verteidigungsministerium in Kabul registrierte im vergangenen Jahr 810 tote afghanische Soldaten. Laut icasualties.org kamen zudem 711 ausländische Soldaten im vergangenen Jahr ums Leben, das das blutigste seit Beginn des internationalen Einsatzes in Afghanistan 2001 ist.
    Laut einem Sprecher des afghanischen Innenministeriums wurden 2043 Zivilisten bei Attentaten von Rebellen oder Militäreinsätzen gegen die Aufständischen getötet. Die UNO geht von einer höheren Opferzahl aus: In einem im Dezember veröffentlichten Bericht schätzte sie die Zahl der getöteten Zivilisten zwischen Januar und Oktober auf 2412, das entspricht einer Steigerung um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Laut dem Ministeriumssprecher wurden im vergangenen Jahr 1292 afghanische Polizisten getötet, 5225 Aufständische seien ums Leben gekommen. (AFP, 2. Jan.)
Montag, 3. Januar, bis Sonntag, 9. Januar
  • Die NATO-geführte ISAF-Truppe in Afghanistan hat die Zunahme der Gewalt im vergangenen Jahr als notwendigen Begleitumstand ihrer Strategie im Kampf gegen den Terrorismus bezeichnet. Nach der Aufstockung der US-Truppen seit dem Jahr 2009 auf 30.000 Soldaten habe die ISAF den Kampf gegen die Taliban auf größere Teile des Landes ausgeweitet, was zu einem erwartbaren Anstieg der Gewalt geführt habe, sagte der deutsche Brigadegeneral Josef Blotz am 3. Jan. in der Hauptstadt Kabul. Die erlittenen Verluste seien kein Beleg für eine fehlerhafte Strategie.
  • Aufständische haben in einer Moschee im Norden Afghanistans vier Gläubige erschossen. Zwei bewaffnete Männer seien am 3. Jan. in das Gotteshaus in der Provinz Baghlan nördlich der Hauptstadt Kabul eingedrungen und hätten das Feuer auf die betenden Gläubigen eröffnet, teilte die internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) mit. Zwei weitere Menschen wurden demnach verletzt. Ein ISAF-Sprecher nannte den Angriff einen "verabscheuungswürdigen Mord unschuldiger Zivilisten". Die NATO-Truppe werde weiter mit der afghanischen Regierung daran arbeiten, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt würden.
  • Die NATO sieht Fortschritte beim Aufbau der Sicherheitskräfte in Afghanistan. Die Allianz sei dem Zeitplan deutlich voraus, sagte der Oberkommandeur der NATO-Truppe ISAF, General David Petraeus, der in Düsseldorf erscheinenden Zeitung "Rheinische Post" (Ausgabe vom 5. Jan.). In der südlichen Provinz Kandahar etwa übersteige die Zahl der eingesetzten afghanischen Truppen teilweise bereits die der NATO-Kräfte. "Das geht genau in die richtige Richtung", fügte Petraeus hinzu. Auch im Kampf gegen Aufständische habe die NATO Fortschritte gemacht, sagte Petraeus. "In mehreren besonders wichtigen Landesteilen, zu denen Kandahar und Helmand, aber auch die Provinz Urusgan und besonders die Region Kabul gehören, ist es uns nachweislich gelungen, die Initiative der Aufständischen nicht nur zu stoppen, sondern auch umzukehren", führte er aus. Ermutigend angelaufen sei auch die Wiedereingliederung ehemaliger Taliban-Kämpfer in die Gesellschaft.
  • Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, bleibt bei ihrer Kritik am Afghanistan-Einsatz. Die Theologin sagte bei einem Treffen mit der Bundestags-CSU im bayerischen Wildbad Kreuth am 5. Jan., sie denke, dass sich die Lage in Afghanistan nicht fundamental verbessert habe. Sie schränkte zwar ein, sie sei keine Afghanistan-Expertin. Sie betonte aber auch, es sei für sie völlig normal, dass Menschen aus der Kirche immer wieder die Friedensfrage stellen.
  • Die internationale Afghanistan-Truppe ISAF steht im umkämpften Norden des Landes nach Ansicht von Regionalkommandeur Hans-Werner Fritz vor entscheidenden Wochen. "Ich glaube schon, dass wir uns einer Art Kulminationspunkt nähern", sagte der Bundeswehr-General der "Saarbrücker Zeitung" (Ausgabe vom 6. Jan.). "Wir sind noch nicht an der Spitze angekommen." In den bevorstenenden Wochen und Monaten könne es "noch harte Gefechte geben", sagte Fritz, dem 11.500 NATO-Soldaten unterstehen, darunter 5000 deutsche und 5000 US-Soldaten. "Wir müssen darauf eingestellt sein, dass es durchaus noch schlimmer kommen kann. Aber wenn dieser Punkt überschritten ist, sind wir auf der anderen, der besseren Seite des Berges."
  • Vor dem Beginn des Rückzugs ihrer Truppen aus Afghanistan will die US-Regierung einem Bericht zufolge ihre dort stationierten Streitkräfte noch einmal verstärken. Verteidigungsminister Robert Gates habe die Entsendung von 1400 Marine-Infanteristen genehmigt, um einer im Süden befürchteten Offensive der radikalislamischen Taliban begegnen zu können, berichtete das "Wall Street Journal" am 6. Jan. unter Berufung auf Pentagon-Kreise. Sie sollen demnach ab Mitte Januar in der südlichen Region Kandahar stationiert werden. Gates-Sprecher Geoff Morrell wurde in dem Bericht mit den Worten zitiert, die Fortschritte der vergangenen Monate sollten genutzt und der "Druck auf den Feind" erhöht werden.
    Die US-Regierung will vor dem geplanten Beginn des Truppenrückzugs aus Afghanistan ihre Streitkräfte am Hindukusch noch einmal um 1400 Soldaten aufstocken. Das teilte das US-Verteidigungsministerium am 6. Jan. mit und bestätigte damit einen Bericht des "Wall Street Journal". Dem Pentagon zufolge sollen die zusätzlichen Marinesoldaten im Süden des Landes stationiert werden und dort gegen die radikalislamischen Taliban kämpfen.
  • Mit der Übernahme eines nicht-ständigen Sitzes im UN-Sicherheitsrat hat Deutschland in dem Gremium auch die Federführung für das Afghanistan-Dossier übernommen. Wie das Auswärtige Amt am 6. Jan. in Berlin mitteilte, hat Deutschland zudem seit Mittwoch den Vorsitz des Sanktionsausschusses für El Kaida und die Taliban sowie der Arbeitsgruppe zu Kindern und bewaffneten Konflikten inne.
  • Pakistan und Afghanistan haben sich auf die Organisation einer gemeinsamen Friedensdschirga geeinigt. Die Versammlung mit Vertretern beider Länder solle in den kommenden Monaten stattfinden, sagte der Sprecher des pakistanischen Außenministeriums, Abdul Basit, am 6. Jan., ohne weitere Angaben zur genauen Zeit oder dem genauen Ort des Treffens zu machen. Die Entscheidung zu der Dschirga sei während des Besuchs einer Delegation des afghanischen Friedensrats unter der Führung des früheren Präsidenten Burhanuddin Rabbani getroffen worden, ergänzte er.
  • Sechs Monate nach dem Abzug der niederländischen Soldaten aus Afghanistan hat die Regierung in Den Haag einen neuen Einsatz zum Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte beschlossen. Bis 2014 sollen sich an der Mission insgesamt 545 Männer und Frauen beteiligen, darunter 225 Polizeiausbilder, sagte Regierungschef Mark Rutte am 7. Jan. im Anschluss an eine Kabinettsitzung. Eine Beteiligung an militärischen Einsätzen sei nicht vorgesehen. Es gehe um die Ausbildung von Polizisten, die Stärkung des Justizwesens und die Förderung des Verfassungsstaats. Die Niederlande werde aus Sicherheitsgründen außerdem vier F-16-Kampfjets samt Personal in Afghanistan belassen.
  • Die NATO setzt ab Mitte des Monats AWACS-Aufklärungsflugzeuge zur Überwachung des afghanischen Luftraums ein. Darauf hätten sich die Mitglieder des Bündnisses am 7. Jan. geeinigt, sagte NATO-Sprecherin Oana Lungescu der Nachrichtenagentur AFP in Brüssel. Der AWACS-Einsatz am Hindukusch solle Mitte Januar beginnen und drei Monate dauern, führte die Sprecherin aus.
  • Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) besucht Pakistan. Am 8. Jan. trifft er nach Angaben des Auswärtigen Amtes seinen pakistanischen Kollegen Shah Mehmood Qureshi in Islamabad. Am 9. Jan. will Westerwelle Hilfsprojekte zur Bewältigung der verheerenden Flutkatastrophe im vergangenen Sommer besichtigen.
    Westerwelle hat die Bedeutung der politischen Stabilität Pakistans für den Westen unterstrichen. «Deutschland hat ein ganz großes Interesse daran, dass Pakistan ein stabiles Land ist und bleibt», sagte der Minister nach seiner Ankunft in Pakistan.
    Auf der Fahrt sagte Westerwelle dem Land Unterstützung zu. «Was wir tun können, damit sich Pakistan stabilisiert, sollten wir tun. Auch in unserem eigenen Interesse», erklärte der Minister. Er sprach sich ferner dafür aus, die Märkte in Europa stärker für Produkte aus Pakistan zu öffnen. Pakistan sei auch wichtig, um für den Konflikt in Afghanistan eine politische Lösung zu finden. Es sei wichtig, dass sich die anderen Staaten der Region engagiert im Kampf gegen den Terrorismus beteiligen.
  • Wegen eines mutmaßlichen Drohnenangriffs der USA auf islamistische Extremisten in Pakistan hat ein Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe Strafanzeige gegen den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, gestellt. Dabei gehe es um den Verdacht der Beihilfe zum Mord, berichtete der "Spiegel" am 8. Jan. vorab. Der Richter Thomas Schulte-Kellinghaus will laut "Spiegel" durch die Anzeige klären, ob deutsche Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Drohnenangriffs Informationen an die USA weitergegeben haben. Betroffen sein könnten demnach auch der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Verfassungsschutz. US-Streitkräfte hatten im Oktober mit einer Drohne ein von Islamisten genutztes Haus im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan beschossen. Bei dem Angriff starben offenbar mindestens drei Deutsche, darunter der aus Wuppertal stammende Bünyamin E.
  • Die US-Regierung hat vom Kurznachrichtendienst Twitter die Herausgabe der Nutzerdaten von prominenten Wikileaks-Unterstützern verlangt. Bereits Mitte Dezember ging ein entsprechender Gerichtsbescheid an das Unternehmen, wie die Nachrichtenagentur AFP am 8. Jan. aus US-Gerichtsdokumenten erfuhr. Wikileaks erklärte, sich juristisch gegen die erzwungene Herausgabe der Nutzerdaten wehren zu wollen. Das Bezirksgericht von Alexandria im US-Bundesstaat Virginia forderte Twitter in einem Schreiben vom 14. Dezember 2010 auf, die Nutzerdaten als Beweismittel bereitzustellen. Die US-Regierung habe "spezifische und vertretbare Fakten" vorgelegt, wonach die Informationen für "strafrechtliche Ermittlungen" relevant sein könnten.
  • Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) ist aus Pakistan zu einem nicht angekündigten Besuch in Afghanistan gereist. Westerwelle sei in der Haupststadt Kabul eingetroffen, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am 9. Jan. in Berlin.
  • Deutschland hat Afghanistan alle noch ausstehenden Schulden erlassen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) unterzeichnete nach Angaben des Auswärtigen Amtes am 9. Jan. in Kabul ein Abkommen, mit dem die Bundesregierung auf Forderungen in Höhe von 17 Millionen Dollar (13,1 Millionen Euro) verzichtet. Dies sei ein "Beitrag zur wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung des Landes", sagte Westerwelle. Der Pariser Club der Gläubigerstaaten hatte im Frühjahr erklärt, dass seine 19 Mitglieder Afghanistan die Schulden in Höhe von insgesamt gut einer Milliarde Dollar komplett erlassen würden.
    Westerwelle hat von der Regierung in Afghanistan mehr Anstrengungen gegen Korruption und Drogenhandel verlangt. Bei einem Treffen mit Präsident Hamid Karsai am 9. Jan. in Kabul mahnte Westerwelle auch einen besseren Schutz für religiöse Minderheiten an.
Montag, 10. Januar, bis Sonntag, 16. Januar
  • Vor der Mandatsverlängerung im Bundestag hat Außenminister Guido Westerwelle bei einem Blitzbesuch im Feldlager Kundus um breite Unterstützung für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan geworben. «Hier halten Frauen und Männer ihren Kopf hin, dass wir zu Hause in Freiheit leben können», sagte Westerwelle am 10. Jan. am gefährlichsten deutschen Standort in Nordafghanistan. «Das wird oft genug nicht genug anerkannt.» Der Minister fügte vor der Abstimmung über das Mandat am 28. Januar hinzu: «Es wäre ein gutes Signal, wenn der Bundestag mit einer großen breiten Mehrheit seine Rückendeckung gibt.»
  • Die Nato schickt in den nächsten Tagen mehrere Awacs-Flugzeuge zur Überwachung des zivilen Luftverkehrs nach Afghanistan. Deutsche Soldaten, die ein Drittel der Besatzungen der Flugzeuge stellen, werden nicht teilnehmen. Dies bestätigt ein Nato-Sprecher am 10. Jan. in Brüssel. Für den Einsatz der Bundeswehr-Soldaten wäre ein neues eigenes Mandat des Bundestags erforderlich. Das wird derzeit von der Bundesregierung offensichtlich nicht angestrebt.
  • US-Vizepräsident Joe Biden ist zu einem nicht angekündigten Besuch in Afghanistan eingetroffen. Biden landete am 10. Jan. in der Hauptstadt Kabul, wo er nach Angaben der US-Regierung mit dem afghanischen Staatschef Hamid Karsai zusammentreffen sollte. Außerdem seien Gespräche mit dem Oberkommandierenden der internationalen Truppen, US-General David Petraeus, sowie dem US-Botschafter Karl Eikenberry geplant. Weiterhin werde Biden US-Soldaten treffen und ein Ausbildungslager der afghanischen Armee besuchen.
  • Die SPD-Bundestagsfraktion wird bei der Abstimmung Ende des Monats voraussichtlich der Verlängerung des Bundeswehr-Mandats für den Einsatz in Afghanistan zustimmen. "Der vorliegende Mandatsentwurf der Koalition ist ein Grund für uns, zuzustimmen", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion Rainer Arnold der in Berlin erscheinenden Zeitung "taz" vom 11. Jan. In dem Entwurf sei deutlich genug formuliert, dass der Abzug noch 2011 beginnen werde, sagte Arnold. Dies ist eine zentrale Forderung der Sozialdemokraten für eine Zustimmung.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat vor «leichtsinnigen» Festlegungen bei dem ins Auge gefassten Truppenabzug der Bundeswehr aus Afghanistan gewarnt. Alle hätten ein Interesse daran, dass die Verantwortung schnellst möglich an afghanische Sicherheitskräfte übergeht, sagte Guttenberg der Mediengruppe Madsack am 11. Jan. Aber es dürfe nie leichtsinnig werden. Das Bundeskabinett will am 12. Jan. über eine Verlängerung des Mandats für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan beraten.
  • Der im vergangenen April verstärkte Einsatz von afghanischen und US-Soldaten in der südafghanischen Rebellenhochburg Kandahar hat in der Provinz bisher offenbar Schäden im Wert von rund 100 Millionen Dollar (gut 77 Millionen Euro) angerichtet. Vor allem wegen des Einsatzbeginns "während der Erntesaison" hätten die Schäden diese Höhe erreicht, hieß es in einem am 11. Jan. überreichten Bericht eines afghanischen Untersuchungsgremiums für Präsident Hamid Karsai. Der Staatschef hatte den Verlauf des Militäreinsatzes im November gerügt und die Kommission eingesetzt.
  • Die Bundesregierung beschreibt einem Medienbericht zufolge in ihrem Entwurf für das neue Afghanistan-Mandat der Bundeswehr eine Trendwende für die NATO-Mission in dem Land. "Insgesamt wird sich das internationale Engagement in Afghanistan in den Jahren 2011 bis 2014 entscheidend verändern", zitierte das Nachrichtenportal "Spiegel Online" am 11. Jan. aus einer siebenseitigen Vorlage für die Kabinettssitzung am Mittwoch. Die Kosten für die Mission sollen demnach auf dem Niveau von knapp 1,5 Milliarden Euro pro Jahr verharren.
  • Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hat an die SPD-Bundestagsfraktion appelliert, der Verlängerung des Afghanistan-Mandats nicht zuzustimmen. Vor der Kabinettssitzung am 12. Jan., auf der die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes beschlossen werden sollte, sagte Sellering dem "Hamburger Abendblatt" (Ausgabe vom 12. Jan.), er halte den Weg der schwarz-gelben Regierung für völlig falsch. "Sie will den Militäreinsatz noch auf Jahre fortsetzen. Dem sollte die SPD-Fraktion nicht zustimmen", forderte Sellering.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 12. Jan. auf einem belebten Markt in der afghanischen Hauptstadt Kabul mindestens zwei Menschen mit in den Tod gerissen. Drei weitere Menschen seien verletzt worden, als der Attentäter sein Motorrad in einen Minibus steuerte und Sprengstoff zündete.
  • Die Grünen im Bundestag werden der Verlängerung des Afghanistan-Mandats für die Bundeswehr aller Voraussicht nach mehrheitlich nicht zustimmen. Dies sagte Fraktionschef Jürgen Trittin am 12. Jan. im Deutschlandfunk. Die Regierungspläne seien "nicht zustimmungsfähig", weil der angestrebte Abzugstermin zu vage bleibe. Viele NATO-Partner wie Polen, Schweden und Italien hätten sich ganz klar festgelegt, nur die deutsche Position bleibe "windelweich" und gleiche einem "entschiedenen sowohl-als-auch", kritisierte er.
  • Das Bundeskabinett hat am 12. Jan. das neue Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr beschlossen. Damit soll der Einsatz um ein weiteres Jahr verlängert werden. Die Entscheidung liegt beim Bundestag, der am 28. Januar darüber abstimmen wird. Eine Mehrheit gilt als sicher. Derzeit sind am Hindukusch etwa 4600 deutsche Soldaten stationiert. Erlaubt wäre auch nach dem neuen Mandat der Einsatz von bis zu 5350 Soldaten. Auf einen konkreten Termin für den Abzug der ersten deutschen Soldaten legt sich die Bundesregierung in dem Text weiterhin nicht fest. Angestrebt wird jedoch, dass der Abzug gegen Ende dieses Jahres beginnt. Im Jahr 2014 sollen dann die letzten deutschen Kampftruppen Afghanistan verlassen.
    Wörtlich heißt es in dem Mandat: «Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können.» Dabei werde man «jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden». (Hier geht es zum Antrag der Bundesregierung.)
  • Die Grünen gehen auf deutliche Distanz zu dem von der Regierung geplanten neuen Afghanistan-Mandat der Bundeswehr. Voraussetzung für ein Ja der Grünen dazu sei "ein verlässlicher, termingebundener Abzugsplan", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin am 12. Jan. auf der Klausurtagung der Grünen-Abgeordneten in Weimar. Eine solche konkrete Formulierung finde sich in der Regierungsvorlage jedoch nicht. "Ich sehe vor diesem Hintergrund kaum eine Chance, dass eine Mehrheit meiner Fraktion dieser Mandatsverlängerung zustimmt", sagte Trittin.
  • Der von der Bundesregierung für Ende 2011 angekündigte Beginn des Abzugs deutscher Truppen aus Afghanistan ist nach Ansicht der Linke-Fraktion zu unkonkret. "Wer wirklich abziehen will, muss einen klaren Tag des Beginns und einen klaren Tag des Endes des Abzugs benennen - und zwar unverzüglich", sagte Fraktionschef Gregor Gysi am 12. Jan. in Berlin. Der vage für Ende dieses Jahres angekündigte Beginn des Abzugs sei unter so viele Vorbehalte gestellt, dass er "nur falsche Hoffnungen wecken" könne. Gysi bekräftigte die Absicht der Linken, dem Mandat für eine Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes bei der Abstimmung im Bundestag "mit einem klaren Nein" zu begegnen. "Kein Problem Afghanistans lässt sich mit Krieg lösen", betonte er. Vielmehr könnten die Kosten von jährlich über einer Milliarde Euro für den Kampfeinsatz sowohl in Afghanistan als auch in Deutschland wesentlich nützlicher eingesetzt werden.
  • In Afghanistan sind am 12. Jan. fünf NATO-Soldaten ums Leben gekommen. Vier wurden bei Bombenanschlägen im Osten und Süden des Landes getötet, ein weiterer starb ebenfalls im östlichen Landesteil bei einem Angriff von Aufständischen, wie die NATO-Truppe ISAF mitteilte. Wie üblich machte die NATO zur Nationalität der getöteten Soldaten keine Angaben.
  • Vor einer Zustimmung zum neuen Afghanistan-Mandat besteht die SPD auf Klarheit über den Abzugsbeginn der Bundeswehr: «Wenn das Jahr 2011 für den Beginn des Abzugs der Bundeswehr festgelegt wird, ist die Verständigung mit der SPD über eine Verlängerung des Mandats deutlich wahrscheinlicher». Die SPD werde den Mandatstext zunächst genau prüfen, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der «Passauer Neuen Presse» (13. Jan.).
    Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, kritisierte die Haltung des Verteidigungsministers zum Abzugstermin. «Es ist nicht hilfreich, wenn er immer wieder relativiert und sich damit gegen die Staatengemeinschaft stellt», sagte Arnold der «Mitteldeutschen Zeitung». Es sei Beschlusslage der Nato, 2011 mit dem Abzug zu beginnen und ihn 2014 abzuschließen. Unabhängig davon sprach sich Arnold für eine Zustimmung seiner Partei zur Mandatsverlängerung aus. Im «Hamburger Abendblatt» empfahl er der Fraktion, «hier in der Verantwortung» zu bleiben. «Das ist auch für die Soldaten ein wichtiges Signal.» Ablehnende Stimmen innerhalb der SPD bezeichnete Arnold als «Einzelmeinungen».
  • Der Bundesvorstand des Deutschen Bundeswehr Verbandes hat vor unrealistischen Abzugsfestlegungen aus Afghanistan gewarnt. Es entstehe der Eindruck, dass "bei der Debatte über die Verlängerung des ISAF-Mandates Wahlkampfinteressen im Vordergrund stehen", sagte der Bundesvorsitzende, Oberst Ulrich Kirsch, am 13. Jan. in Bonn. Jeder Soldat wünsche sich ein Ende des Krieges am Hindukusch und eine baldige Rückkehr in die Heimat. "Doch den aktuellen Abzugspopulismus empfinden unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz als wirklichkeitsfremd. Sie erleben täglich in Gefechten, wie weit die afghanischen Sicherheitskräfte davon entfernt sind, die Verantwortung im Land zu übernehmen", verdeutlichte Kirsch. Wenn der gern zitierte "Aufbau einer selbsttragenden afghanischen Sicherheitsarchitektur" Auftrag sei, wäre ein 2011 beginnender Abzug der Bundeswehr Traumtänzerei.
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verabschiedete am 14. Jan. in Hannover 250 Soldaten in den Einsatz nach Afghanistan und auf den Balkan. Der niedersächsische Landtag würdigte in einem Festakt die gefährliche Mission der Bundeswehr und das Engagement der Soldaten. Die Veranstaltung stand unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. (Siehe unseren Bericht: Kampfeinsatz im Landtag.)
  • Angesichts unterschiedlicher Signale aus der Bundesregierung zu einer möglichen deutschen Beteiligung an AWACS-Aufklärungsflügen in Afghanistan vermutet die Opposition eine bevorstehende Ausweitung des Einsatzes. Während die Regierung "im neuen Mandatstext wolkig Abzugsdaten in den Raum stellt, mehren sich die Anzeichen, dass im Hintergrund an einer Ausweitung gefeilt wird", erklärte Linken-Verteidigungspolitiker Paul Schäfer am 14. Jan. in Berlin. Das neue Afghanistan-Mandat, über das der Bundestag in der kommenden Woche erstmals beraten soll, sei "bereits so gut wie überholt".
  • Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg rechnet mit schweren Gefechten für die Bundeswehr in Afghanistan. Dieses Jahr werde ein hochintensives bleiben, sagte er der «Welt am Sonntag» (Ausgabe vom 16. Jan.). Die aufständischen Taliban spürten den zunehmenden militärischen Druck der Bundeswehrtruppen, sagte der Minister. Gleichzeitig seien die Gefechte ein Ausdruck des Erfolges der neuen Strategie der Bundeswehr. Der Bundestag will am 28. Januar über ein neues Mandat für den Afghanistan-Einsatz entscheiden. Damit soll der Einsatz um weitere zwölf Monate verlängert werden.
  • Durch eine Bombe sind im Norden Afghanistans neun Gäste einer Hochzeitsgesellschaft getötet worden, darunter ein Kind. Die Gruppe von Zivilisten war in einem Fahrzeug in der Provinz Baghlan unterwegs, als der Sprengsatz am Straßenrand explodierte, wie Polizei und örtliche Behördenvertreter am 16. Jan. sagten. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand.
  • SPD-Chef Sigmar Gabriel ist am 16. Jan. zu einem Besuch in Afghanistan eingetroffen. Das bestätigte eine SPD-Parteisprecherin in Berlin. Gabriel will sich dort ein Bild von der Lage machen und Gespräche mit deutschen Soldaten führen. In knapp zwei Wochen entscheidet der Bundestag über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan. Die SPD signalisierte dazu Zustimmung, nachdem im Mandatstext ausdrücklich ein Abzugsbeginn für das laufende Jahr angestrebt wird. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) lehnt eine derartige Festlegung allerdings ab.
Montag, 17. Januar, bis Sonntag, 23. Januar
  • Bei der Ende Januar anstehenden Abstimmung des Bundestages über das Afghanistan-Mandat setzt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf breite Unterstützung der SPD. «Ich hoffe, dass es auch aus der SPD-Bundestagsfraktion viele Ja-Stimmen geben wird», sagte Guttenberg der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» (Ausgabe vom 17. Jan.). «Dies wäre eine Rückenstärkung, die unseren Soldaten gut tun würde.» Der CSU-Politiker fügte hinzu, jedermann wisse, «dass es die heutigen Oppositionspolitiker von SPD und Grünen waren, die Verantwortung trugen, als der Afghanistan-Einsatz beschlossen wurde».
    Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), hat bei einer knapp einwöchigen Afghanistan-Reise eindeutige Erfolge der dort eingesetzten deutschen Soldaten festgestellt. Gerade im nördlichen Unruhedistrikt Char Darah sei eine signifikante Verbesserung eingetreten. «Ich habe schon den Eindruck, dass wir in die richtige Richtung marschieren», sagte Königshaus der Zeitung «Die Welt» (Ausgabe vom 17. Jan.) nach Gesprächen mit militärischen Führungskräften in Nordafghanistan. Dennoch warnte er vor einem verfrühten Truppenabzug. «Niemand darf glauben, da ist jetzt Frieden eingekehrt.» Seien diese Ziele nicht erfüllt, könne die Bundeswehr auch nicht Ende dieses Jahres schon mit dem Abzug beginnen. «Entscheidend ist, dass nicht wegen politischer Vorfestlegungen unsere Soldaten gefährdet werden, sagte Königshaus. Der FDP-Politiker war in der Nacht zum 16. Jan. von seiner dritten Afghanistan-Reise als Wehrbeauftragter zurückgekommen.
  • Im Nordwesten Pakistans ist am 17. Jan. ein Anschlag auf einen Tanklastwagen verübt worden, der Treibstoff an die NATO-Truppen in Afghanistan liefern sollte. Nach Angaben der örtlichen Behörden explodierte eine in dem parkenden Fahrzeug versteckte Bombe, wodurch der Lastwagen in Brand geriet. Die Explosion ereignete sich demnach nahe einem Grenzübergang im Bezirk Khyber auf einem Platz, auf dem rund 25 Tanklastwagen geparkt waren. Ein Sicherheitsbeamter bestätigte die Angaben und sagte, weitere Tanklaster seien nicht betroffen gewesen. Verletzt wurde demnach niemand.
  • Die Post von Bundeswehr-Soldaten aus Afghanistan ist auf dem Weg nach Deutschland offenbar systematisch geöffnet worden. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), informierte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) darüber in einem Brief und forderte Ermittlungen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte in Berlin, der Sachverhalt werde "sehr ernst" genommen. Er sei bei seinem jüngsten Besuch in Afghanistan von Soldaten des Ausbildungs- und Schutzbataillons im nordafghanischen Masar-i-Scharif darüber informiert worden, dass deren Briefe nach Deutschland offenbar in großer Zahl systematisch geöffnet worden seien, schreibt Königshaus in einem auf den 17. Januar datierten Brief an Guttenberg. Die Briefe der Soldaten seien bei den Adressaten in der Heimat teilweise mit Inhalt, aber geöffnet, teilweise auch ohne Inhalt angekommen. Es sei bisher nicht bekannt, wo und durch wen die Sendungen geöffnet worden seien. Es gebe "hinreichende Anhaltspunkte" für eine mögliche Straftat. (Agenturen, 18. Jan.)
  • In Afghanistan ist ein renommierter Journalist und Schriftsteller von Unbekannten mit Säure attackiert und schwer verletzt worden. Rasak Mamoon habe Verätzungen im Gesicht und an den Händen erlitten und werde im Krankenhaus behandelt, sagte am 19. Jan. ein Sprecher des Innenministeriums in Kabul der Nachrichtenagentur AFP. Der Angriff ereignete sich demnach am Dienstag, als Mamoon seine Wohnung in der afghanischen Hauptstadt verließ. Aus Sicherheitsgründen wurde er am Mittwoch in ein Militärkrankenhaus verlegt. Rund "zehn Prozent seines Körpers" seien von den Verletzungen betroffen, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.
  • Bei einer Bombenexplosion in Afghanistan sind am 19. Jan. 13 Zivilisten getötet worden. Nach Angaben des afghanischen Innenministeriums explodierte der an einer Straße deponierte Sprengsatz in der Provinz Paktika im Osten des Landes. Unter den Todesopfern waren demnach auch Frauen, Kinder und Ältere. Die Bombe sei von "den Feinden Afghanistans" gelegt worden, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums. Diese Bezeichnung verwenden die Behörden für die radikalislamischen Taliban.
  • Der Bundeswehrsoldat, der in Afghanistan kurz vor dem Weihnachtsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Dezember ums Leben kam (siehe unsere Chronik vom a8. Dezember 2010), ist einem Bericht zufolge durch eine Kugel aus der Waffe eines Kameraden getötet worden. Nach Informationen der "Stuttgarter Nachrichten" (Ausgabe vom 20. Jan.) soll eine Gruppe von neun bis zehn Kameraden in einem Zelt auf fahrlässige Weise mit Schusswaffen hantiert haben. Demnach durchschlug die Kugel den Kopf des getöteten Soldaten, die Zeltwand und ein angrenzendes Zelt.
  • Die afghanischen Taliban haben einen Medienbericht über Herzprobleme und einen damit zusammenhängenden Klinikaufenthalt ihres Anführers Mohammed Omar als unwahr zurückgewiesen. Der Mullah sei bei "bester Gesundheit" und nicht, wie die US-Tageszeitung "Washington Post" am 18. Jan. berichtet hatte, in ein Krankenhaus eingeliefert worden, sagte ein Taliban-Sprecher am 20. Jan. der Nachrichtenagentur AFP. "Er setzt sich unvermindert für den heiligen Krieg in Afghanistan ein", fügte er hinzu. Die Information über eine angebliche Herzoperation in der südpakistanischen Hafenstadt Karachi sei ein "von unseren Feinden gestreutes Gerücht".
    Die afghanischen Taliban wiesen diesen Bericht über Herzprobleme und einen damit zusammenhängenden Klinikaufenthalt ihres Anführers Mohammed Omar zwei Tage später als unwahr zurück.
  • Die Bundesregierung überlegt, die Zusammenarbeit mit der Entwicklungshilfeorganisation AGEF (Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit) einzustellen. Hintergrund sind nach Informationen von des Radioprogramms NDR Info schwere Vorwürfe gegen die AGEF-Geschäftsleitung in Berlin. Laut einer Vorlage für Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse & Coopers zu dem Schluss, dass die AGEF möglicherweise Steuergelder zweckentfremdet hat. Es bestehe ein "nachhaltiger Verdacht", heißt es in dem Papier.
    Pricewaterhouse & Coopers prüft seit November 2010 unter anderem Anschuldigungen, wonach die AGEF Fördergelder für aus Deutschland zurückgekehrte Afghanen falsch abgerechnet haben soll. (Siehe unsere Chronik vom 1. November 2010). Die Kontrolle sei wegen fehlender Belege und Originalunterlagen bisher nur schleppend voran gekommen, heißt es in der Vorlage. Die AGEF ist spezialisiert auf die Wiedereingliederung von Flüchtlingen, die in ihre Heimatländer zurückkehren. Dabei geht es vor allem darum, den Menschen Jobs oder eine Weiterbildung zu verschaffen. Seit 2002 hat die AGEF allein für die Rückkehrerprojekte in Irak und Afghanistan mindestens 20 Millionen Euro an Steuergeldern erhalten.
    Warum insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erst jetzt eine umfangreiche Kontrolle der AGEF-Rückkehrerprojekte durch externe Wirtschaftsprüfer durchgeführt hat, ist unklar. Nach Recherchen von NDR Info gab es seit 2002 lediglich eine interne Prüfung im afghanischen Kabul. Im Jahr 2006 schickte die zuständige "Zentrale Auslands- und Fachvermittlung" der Bundesagentur für Arbeit als durchführende Behörde für die Kontrolle lediglich einen Beamten nach Kabul. Dieser hatte dort jedoch nur drei Tage Zeit, um die Konten und Projekte von einem Zeitraum von vier Jahren zu überprüfen. Eine Schulung im Zuwendungsrecht soll er damals angeblich nicht erhalten haben. Fachleuten zufolge dürfte es ihm unmöglich gewesen sein, sich einen Überblick über die AGEF-Projekte zu verschaffen. Allerdings hätte das BMZ spätestens im Spätherbst 2008 wegen des Geschäftsgebarens der AGEF alarmiert sein müssen. Damals informierten Beamte des dänischen Außenministeriums mehreren Darstellungen zufolge Vertreter des Auswärtige Amtes, dass sie große Zweifel an der AGEF-Arbeit hätten. Diese Information ging demnach auch an das BMZ. Das BMZ selbst sagte dazu, die angeblichen Zweifel hätten auch nach Konsultation der dänischen Behörden nicht bestätigt werden können. Dänemark hatte die Zusammenarbeit mit der AGEF 2009 auslaufen lassen. Offiziell heißt es aus dem Außenministerium in Kopenhagen, das Projekt habe nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Aus ähnlichen Gründen lehnten auch die schwedischen Behörden 2009 eine Vertragsverlängerung mit der AGEF ab. Inoffiziell heißt es von Seiten der Skandinavier unter anderem, dass Abschlussberichte der AGEF nicht akzeptabel gewesen seien. AGEF-Geschäftsführer Klaus Dünnhaupt wies die Vorwürfe, die AGEF habe falsch abgerechnet oder Steuergelder zweckentfremdet, zurück. Dünnhaupt sprach im Interview mit NDR Info von einer Hetzjagd gegen sein Unternehmen. Zudem sei die AGEF seiner Meinung nach ausreichend geprüft worden.
    Quelle: pressemappe ndr
  • Entgegen der Entscheidung des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai hat sich eine Mehrheit der Abgeordneten des neuen Parlaments in Kabul für eine konstituierende Sitzung am Sonntag (23. Jan.) ausgesprochen. Die Parlamentarier hätten bei einer Zusammenkunft entschieden, die Eröffnungssitzung nicht zu verschieben, sagte die einflussreiche Abgeordnete Fausia Kufi am 20. Jan.
    An der Versammlung hatten nach Angaben eines Parlamentsmitarbeiters fast alle 249 offiziell gewählten Abgeordneten teilgenommen. Kufi betonte, die Parlamentssitzung werde "mit oder ohne Präsident" Karsai am 23. Januar stattfinden. Die Abgeordneten würden schließlich vom Volk gewählt und nicht vom Staatschef bestimmt.
    Karsai hatte die Sitzung am Mittwoch (19. Jan.) auf Empfehlung eines Sondergerichts zur Untersuchung von Betrugsvorwürfen bei der Parlamentswahl im September auf den 22. Februar verschoben. Damit sollte eine eventuelle Neuauszählung von Stimmen ermöglicht werden.
  • Der Bundestag beginnt am 21. Jan. mit den Beratungen über das neue Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr. Nach dem Willen der Bundesregierung soll der Einsatz um ein Jahr bis Februar 2012 verlängert werden. Erstmals wird aber auch ein Zeitrahmen für den Abzug der ersten deutschen Soldaten genannt: Wenn es die Lage erlaubt, soll er Ende dieses Jahres beginnen. Abgestimmt wird im Bundestag über das neue Mandat am Freitag nächster Woche (28. Jan.). Erwartet wird eine klare Mehrheit. Die Debatten vom 21. Januar sind hier nachzulesen:
    - Entwicklungspolitische Debatte
    - Sicherheitspolitische Debatte
  • Vor den Beratungen des Bundestags über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr hat die SPD einen verbindlichen Rückzugsplan gefordert. Mit dem von der Bundesregierung für dieses Jahr angekündigten Beginn des Rückzugs entstehe eine Übergangsphase in Afghanistan, an deren Ende die afghanische Regierung selbst die Verantwortung für das eigene Land übernehmen solle, erklärte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier in der "Berliner Zeitung" vom 21. Jan. "Dafür fordern wir von der Bundesregierung bis zur Afghanistan-Konferenz Ende 2011 einen verbindlichen Rückzugsplan."
  • Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat vor Schwarzmalerei beim Wiederaufbau in Afghanistan gewarnt. "Vieles ist besser geworden in Afghanistan", sagte Niebel am 21. Jan. bei seiner Regierungserklärung im Bundestag. Insbesondere bei der medizinischen Versorgung und im Bildungsbereich habe es Fortschritte gegeben, die Rechte von Frauen seien gestärkt worden. Diese Erfolge würden inzwischen auch die afghanische Wirtschaft beflügeln, sagte Niebel. Der Minister rief deutsche Unternehmen auf, sich am Hindukusch zu engagieren: "Afghanistan ist voller Chancen".
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist als erster Staatschef Afghanistans seit dem Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Land vor mehr als 20 Jahren nach Moskau gereist. Bei seinen Treffen mit Staatschef Dmitri Medwedew und Ministerpräsident Wladimir Putin solle es "nicht nur" um russische Unterstützung beim Wiederaufbau seines Landes, sondern auch um "Handel, Investitionen und die wirtschaftliche Kooperation" gehen, sagte Karsai am 21. Jan. dem russischen Fernsehsender Russia Today. Weil Russland "zugleich europäisch und asiatisch" sei, könne Moskau die Situation Afghanistans "leichter verstehen" als andere Staaten, fügte er hinzu. Afghanistan brauche weiterhin jede Unterstützung.
  • Die im Dezember in Afghanistan aufgezeichnete Talk-Show von Johannes B. Kerner hat die Bundeswehr und damit den Steuerzahler einem Zeitungsbericht zufolge rund 17.000 Euro gekostet. "Etwa 12.000 Euro waren Transportkosten", sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums dem Kölner "Express" (21. Jan.). Die Bundeswehr habe die Kosten für zwei der insgesamt 5,78 Tonnen Material übernommen. Hinzu gekommen seien Kosten für die Unterbringung in Wohncontainern, für die Verpflegung in der Lagerkantine sowie für Personal, das beim Auf- und Abbau geholfen habe.
  • Der Befehlshaber der internationalen Schutztruppe Isaf, US-General David Petraeus, hat vor einem vorschnellen Abzug aus Afghanistan gewarnt. In den vergangenen sechs Monaten habe es «enorme Fortschritte» am Hindukusch gegeben, sagte Petraeus der «Süddeutschen Zeitung» (22. Jan.). Allerdings müssten alle Abzugspläne von den Bedingungen vor Ort abhängig gemacht werden.
  • Drei Politiker von Union und FDP wollen nicht für die Verlängerung des Afghanistan-Mandats stimmen. FDP-Fraktionsvize Jürgen Koppelin sowie die CDU-Abgeordneten Wolfgang Börnsen und Manfred Kolbe sagten der Berliner "tageszeitung" vom 22. Jan., sie wollten am 28. Jan. im Bundestag die Fortführung des Einsatzes ablehnen. "Ich werde mit Nein stimmen", sagt Koppelin. "Wir können unseren Soldaten nicht zumuten, dass sie ein korruptes Regime unterstützen." Den Einsatz nannte er "unverantwortlich". Es könne nicht sein, "dass wir Soldaten mit schlechtem Material dorthin schicken".
  • Bei einem Bombenanschlag im Osten Afghanistans sind ein Soldat und ein Sanitäter aus Polen getötet worden. Der Sprengsatz sei am 22. Jan. in der Provinz Ghasni unter einem gepanzerten Fahrzeug der Armee explodiert und habe zwei weitere Menschen verletzt, teilte die Armee nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP mit. Damit starben seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes der polnischen Armee im März 2002 insgesamt 23 polnische Soldaten am Hindukusch. Der Sanitäter war das erste zivile polnische Opfer in Afghanistan. Polen hat dort derzeit 2600 Soldaten stationiert.
  • Im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan sind beim Angriff eines US-Kampfflugzeugs am 23. Jan. mindestens sieben Menschen getötet worden. Die Drohne feuerte zunächst Raketen auf ein Fahrzeug in Nord-Waziristan, später auf ein Motorrad. Die von US-Spezialisten ferngesteuerten Drohnen nehmen in der Stammesregion im Nordwesten Pakistans zumeist radikal-islamische Extremisten aus dem Umfeld des Terrornetzwerks Al-Kaida ins Visier.
  • Mehr als 10.000 Menschen haben nach Polizeiangaben am 23. Jan. in der Stadt Peshawar im Nordwesten Pakistans für ein sofortiges Ende der tödlichen Angriffe mit US-Drohnen demonstriert. Die Aktivisten der fundamentalistischen Partei Jamaat-i-Islami blockierten eine Hauptstraße und hielten eine Protestveranstaltung vor dem Provinzparlament ab. Auf einem Banner hieß es an US-Präsident Barack Obama gerichtet: "Höre, Obama, töte keine unschuldigen Muslime".
  • Das afghanische Parlament und Staatschef Hamid Karsai sind weiter uneins über die konstituierende Sitzung der neuen Volksvertretung. Am 23. Jan., nur einen Tag nach der Einigung auf einen Kompromiss meldeten Abgeordnete weiteren Gesprächsbedarf an. Die Parlamentarier stemmen sich gegen ein Sondergericht, mit denen Karsai Fälschungen bei den Parlamentswahlen im September untersuchen lässt.
    Aus Regierungskreisen verlautete, dass Karsais Teilnahme an der für den 26. Jan. geplanten ersten Sitzung "unwahrscheinlich" sei, sollte das Parlament das Sondergericht nicht anerkennen. Zuvor hatte der Abgeordnete Molawi Rahman Rahmani den Kompromiss in Frage gestellt, auf den sich Präsident und Parlament am Samstag unter internationalem Druck geeinigt hatten: Demnach wäre die konstituierende Sitzung von Karsai persönlich eröffnet worden, während sich die Abgeordneten dazu bereiterklärt hätten, die Entscheidungen des Sondergerichts zu akzeptierten. Rahmani sagte, die Parlamentarier wollten mit Karsai am 24. Jan. noch einmal über den Kompromiss reden.
  • SPD-Chef Sigmar Gabriel hat seiner Bundestagsfraktion erneut empfohlen, einer Verlängerung des Afghanistan-Mandats zuzustimmen. «Die Mandatszustimmung der SPD unterstützt den Strategiewechsel ­ nicht die Bundesregierung», zitiert das «Hamburger Abendblatt» am 23. Jan. aus einem Schreiben.
Montag, 24. Januar, bis Montag, 31. Januar
  • Die NATO will bis Ende März entscheiden, wann sie in diesem Jahr den schrittweisen Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan startet. Auf Grundlage der Entwicklungen vor Ort solle die Entscheidung in den kommenden beiden Monaten getroffen werden, sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am 24. Jan. vor Journalisten in Brüssel. Der NATO-Chef machte jedoch keine Angaben zum Beginn des Abzugs oder zu den Regionen, die zuerst an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben werden sollen.
  • Die Feldpost-Affäre bleibt mysteriös: Nach einer ersten Untersuchung geht die Bundeswehr nicht von einer systematischen Öffnung von Feldpostbriefen in Afghanistan aus. Im Einsatzland seien keine Mängel festgestellt worden, heißt es in einem Zwischenbericht des Einsatzführungskommandos vom 24. Jan. Der Postweg in Deutschland wurde allerdings noch nicht geprüft. Wer für die geöffneten Briefe verantwortlich ist, bleibt weiter ungeklärt. Die Post wies jeden Verdacht zurück, der Fehler könnte bei ihr liegen.
  • In der SPD-Bundestagsfraktion zeichnet sich eine breite Mehrheit für die Verlängerung des Afghanistan-Mandats ab. Nach einem Meinungsbild am 25. Jan. sei ein ähnliches Abstimmungsverhalten wie vor einem Jahr zu erwarten, verlautete nach einer Fraktionssitzung in Berlin. Damals hatten 24 der 146 SPD-Parlamentarier mit Nein gestimmt.
  • US-Truppen haben in Afghanistan einen Deutschen festgenommen. Das Auswärtige Amt bestätigte in der Nacht zum 26. Jan. Berichte der «Süddeutschen Zeitung». Der Mann befinde sich derzeit in Bagram in US-Gewahrsam. Die Bundesregierung bemühe sich intensiv um Zugang zu dem deutschen Staatsangehörigen, sagte ein Ministeriumssprecher. Laut «Süddeutscher Zeitung» (26. Jan.) wurde der Mann ins US-Militärgefängnis Bagram gebracht. Der 23-jährige Student Haddid N., ein Deutsch-Afghane aus Frankfurt am Main, stehe unter Terrorverdacht. Gründe für die Festnahme seien den Angehörigen in Frankfurt nicht genannt worden.
  • Fast 200 bei den Parlamentswahlen in Afghanistan unterlegene Kandidaten haben in der Nacht zum 26. Jan. den Präsidentenpalast in Kabul besetzt und damit gegen die geplante konstituierende Sitzung des Parlaments protestiert. Wie ein Sprecher von Präsident Hamid Karsai sagte, empfing der Staatschef rund 300 von ihnen zu Gesprächen in dem hochgradig geschützten Gebäude. Seitdem hätten sich "zwischen 180 und 200" unterlegene Kandidaten geweigert, den Präsidentenpalast wieder zu verlassen und die Nacht in einem großen Saal verbracht.
    Dem Sprecher zufolge protestieren die Wahlverlierer mit ihrer Aktion gegen die Entscheidung des Präsidenten, für den 26. Jan. die erste Sitzung der neuen Volksvertretung anzusetzen. Die Parlamentswahl vom September war von Betrugsvorwürfen überschattet gewesen, rund ein Viertel der fünf Millionen abgegeben Stimmen wurde für ungültig erklärt.
  • Vier Monate nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl in Afghanistan sind die Abgeordneten am 26. Jan. zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Vor Präsident Hamid Karsai legten die Parlamentarier einen Eid auf den Koran ab.
  • Die SPD beharrt in der Debatte über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auf einem konkreten Abzugsdatum. Bei künftigen Abstimmungen müsse die Regierung einen Termin für den Rückzug nennen, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am 27. Jan. im Deutschlandradio Kultur. "Wenn sie es nicht tut, dann wird es mit einer Zustimmung mit der SPD beim nächsten Mandat schwierig." Wenn das Enddatum des Kampfeinsatzes wie von der NATO anvisiert 2014 sein solle, dann müssten nun die Weichen dafür gestellt werden.
  • Ein halbes Jahr nach dem Abzug ihrer Soldaten aus Afghanistan haben die Niederlande einen neuen Einsatz am Hindukusch beschlossen. Nach einer hitzigen Debatte, die bis in die frühen Morgenstunden am 28. Jan. andauerte, billigte eine knappe Mehrheit des Parlaments die von der Regierung beschlossene Entsendung von Polizei-Ausbildern. Bis 2014 sollen demnach 545 Männer und Frauen nach Afghanistan geschickt werden, darunter neben Ausbildern auch Soldaten, die für die medizinische Versorgung und die Logistik des neuen Einsatzes zuständig sein sollen. Sie sollen hauptsächlich in der Provinz Kundus stationiert sein, wo auch die Bundeswehr ihr Einsatzgebiet hat.
  • Der Bundestag hat am 28. Jan. mit großer Mehrheit für die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr gestimmt.
    Hier geht es zur Debatte und hier zum Abstimmungsergebnis.
  • Die Friedensbewegung hat die im Bundestag beschlossene Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan scharf kritisiert. "Es ist nur schwer auszuhalten, dass der Bundestag abermals mit über 70 Prozent der Abgeordneten einem Kriegseinsatz zustimmt, der von 70 Prozent der Bevölkerung abgelehnt wird", erklärte am 28. Jan. in Berlin der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski. Er sprach von einer "neuerlichen eklatanten Missachtung des Wähler- und Bürgerwillens". Hier lägen die Ursachen nicht nur für den viel beschworenen "Wutbürger", sondern auch für die zunehmende Politikerverdrossenheit der Menschen. Schwer auszuhalten sei auch, dass die Bundeswehr weiterhin in einen Krieg geschickt werde, "der durch nichts legitimiert ist und der kein einziges positives Ergebnis zeitigen wird". Garantiert werden könne nur eine weitere Eskalation des Krieges mit all seinen Schrecken und Gefahren - insbesondere für die afghanische Zivilbevölkerung. (Hier geht es zur ganzen Erklärung.)
  • In der südafghanischen Taliban-Hochburg Kandahar ist der Vizegouverneur der Provinz am 29. Jan. bei einem Selbstmordanschlag getötet worden. Nach Angaben von Gouverneur Turjalai Weesa hatte sein Stellvertreter Abdul Latif Aschna gerade sein Haus in der Provinzhauptstadt verlassen, um zu seinem Büro zu fahren, als ein Selbstmordattentäter auf einem Motorrad sich in der Nähe seines Fahrzeugs in die Luft sprengte. Der Fahrer des Vizegouverneurs, einer der Leibwächter sowie zwei Passanten seien verletzt worden. Ein Sprecher der radikalislamischen Taliban bekannte sich gegenüber der Nachrichtenagentur AFP im Namen der Gruppe zu dem Anschlag.
  • Der seit mehreren Wochen in Afghanistan von US-Kräften festgehaltene deutsche Student befindet sich in deutscher Obhut. Das Auswärtige Amt teilte am 29. Jan. in Berlin mit, die deutsche Botschaft unterstütze den Mann in seinem Wunsch "einer möglichst schnellen Ausreise nach Deutschland". Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" war der 23-jährige Deutsch-Afghane aus Frankfurt am Main am 8. Januar in Kabul von US-Soldaten aufgegriffen worden.
    Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) telefonierte am 28. Jan. mit seiner US-Kollegin Hillary Clinton. "Ich bin erleichtert über die Lösung des Falls und danke der amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton für ihr Engagement", erklärte Westerwelle.
  • Bei einem Sprengstoff-Angriff auf eine deutsche Patrouille der internationalen Afghanistan-Truppe ISAF sind am 29. Jan. zwei Soldaten verletzt worden. Wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mitteilte, wurde die Patrouille etwa neun Kilometer westlich des Feldlagers des Regionalen Wiederaufbauteams Kundus mit einer improvisierten Sprengstoffvorrichtung angegriffen. Die bei dem Angriff verwundeten Soldaten wurden den Angaben zufolge medizinisch betreut, Lebensgefahr bestand nicht. Während der Explosion befanden sich die Soldaten demnach mit drei Kameraden in einem Fahrzeug vom Typ Dingo. Diese blieben unverletzt.
  • Wenige Wochen nach dem tödlichen Schießunfall in Afghanistan soll ein Soldat aus derselben Bundeswehreinheit einen Kameraden mit seiner Pistole bedroht haben. Das Verteidigungsministerium unterrichtete am 31. Jan. die Fachleute der Bundestagsfraktionen über den Vorfall. Ein Stabsgefreiter soll einem Hauptgefreiten am 28. Jan. während einer Patrouille in Nordafghanistan im Streit dessen Waffe an den Kopf gehalten haben. Der bedrohte Soldat habe die Pistole weggeschlagen. Mitte Dezember war ein Soldat durch einen Schuss aus der Waffe eines Kameraden getötet worden.
  • Eine deutsche Patrouille ist am 31. Jan. in der Nähe des nordafghanischen Kundus mit Mörsern beschossen worden. Wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Postdam mitteilte, wich die Patrouille nach Norden aus und setzte ihren Auftrag fort. Bei dem Vorfall, der sich rund 17 Kilometer südlich des Stützpunkts des regionalen Wiederaufbauteams Kundus ereignete, wurde demnach niemand verletzt.


Zurück zur Kriegschronik

Zu weiteren Beiträgen über Afghanistan

Zurück zur Homepage