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Kampfeinsatz im Landtag

Hannover: Guttenberg und Generäle verabschieden Soldaten in den Krieg. Linke-Abgeordnete von Feldjägern und Polizei in Schach gehalten

Von Rüdiger Göbel *

Gespenstische Szenen am Freitag (14. Jan.) im niedersächsischen Landtag in Hannover: Während Feldjäger und Polizei Kriegsgegner, darunter gewählte Parlamentarier, draußen auf Abstand halten, werden im Plenarsaal von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg 250 Soldaten mit Tschingderassabum und Nationalhymne in den Krieg verabschiedet. An der Seite des Freiherrn Generalmajor Markus Kneip, Kommandeur der 1. Panzerdivision, die seit diesem Monat als sogenannte Leitdivision die Führung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr innehat. »Ihre Einsätze sind in ihrer Wichtigkeit kaum zu beschreiben«, rief der Minister den in Sonntagsuniform in den Landtag eingerückten Soldaten zu. Die Situation in Afghanistan dürfe man nicht »weichzeichnen«, sondern müsse sie klar als Krieg benennen.

Ginge es nach Guttenberg, sollten die Truppen künftig immer aus dem Plenarsaal heraus ins Einsatzgebiet geschickt werden – neben Afghanistan nach Bosnien-Herzegowina und in den Kososo. Noch ist Niedersachsen das einzige Bundesland, das ein solches »Festakt« genanntes Spektakel inszeniert. Die »Feier« am Freitag war die fünfte ihrer Art. Guttenberg dankte dem Bundesland für diese »schöne, bewährte Tradition«. An ihr sollten sich andere ein Beispiel nehmen. »Es wäre schön, wenn das Schule machen würde«, so der Bundesminister.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister und Landtagspräsident Hermann Dinkla (beide CDU) überreichten – wie in einem schlechten Hollywood-Film – Generalmajor Kneip, jeweils eine Landesflagge für den Einsatz. »Kommen Sie heil nach Hause, wir brauchen sie«, zitierte die Nachrichtenagentur dapd den Regierungschef. Den Uniformen im Parlament hatten neben Vertretern der CDU und FDP auch Abgeordnete von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Reverenz erwiesen. Einzig die reservierten Plätze für Die Linke blieben leer. Deren Abgeordnete protestierten vor dem Landtag mit Friedensaktivisten gegen die Verlängerung des Krieges. Am Ausrollen eines Transparents mit der Aufschrift »Friedenstauben statt Soldaten nach Afghanistan« wurden sie gewaltsam durch Polizei und Feldjäger gehindert.

»Wir wollen, daß sich die Bundeswehr unverzüglich aus Afghanistan zurückzieht«, erklärte der niedersächsische Landesvorsitzende der Linkspartei, Manfred Sohn. »Wir wollen, daß die dort eingesetzten niedersächsischen Soldaten und Polizisten gesund und lebendig in unsere Heimat zurückkommen und nicht im Zinksarg, verletzt, gewalt-gewöhnt oder traumatisiert. Dort werden weder der Frieden noch Frauenrechte verteidigt, sondern deutsche Großwahninteressen.« Besonders betroffen zeigte sich der niedersächsische Linke-Chef über die Bereitschaft der SPD, der Verlängerung des Kriegseinsatzes im Bundestag Ende des Monats abermals zuzustimmen: »Die SPD hat ihre Wurzeln zur Friedenspolitik Willy Brandts gekappt. Sie bleibt – was wir furchtbar finden – Kriegspartei.« Ernüchternd sei auch, daß die Grünen weiterhin erwägen, der Mandatsverlängerung zuzustimmen oder sich im Bundestag wie im Vorjahr der Stimme zu enthalten. Die Frage Krieg oder Frieden sei »einer Enthaltung nicht zugänglich«, so Sohn.

* Aus: junge Welt, 15. Januar 2011


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