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Guttenberg: "Wir gehen unseren Weg zum Abzug" / Schäfer (Linke): "Ein eindeutiger, unmissverständlicher Abzugsplan sieht anders aus"

Im Wortlaut: Der Bundestag debattierte in erster Lesung über die Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes

Am 21. Januar 2011 debattierte der Deutsche Bundestag gleich zwei Mal über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Das erste Mal - in der Vormittagssitzung - unter entwicklungspolitischen, das zweite Mal - am Nachmittag - unter außen- und sicherheitspolitischen Aspekten. Die entwicklungspolitische Debatte haben wir hier dokumentiert: Afghanistan-Debatte im Deutschen Bundestag unter entwicklungspolitischen Aspekten.
Im Folgenden dokumentieren wir die Nachmittagsdebatte, die mit einer Rede des Außenministers Guido Westerwelle eröffnet wurde.
Die Redner/innen zu diesem Tagesordnungspunkt sprachen in dieser Reihenfolge:

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1943 (2010) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Drucksache 17/4402

(...)

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle das Wort.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist kein Zufall, dass der heutige Tag mit seinen Debatten über Afghanistan und über die Lage in Afghanistan mit einer Regierungserklärung des Ministers Niebel begonnen hat. Das bringt klar zum Ausdruck, dass wir vordergründig nicht nur das militärische Engagement sehen dürfen, das von unseren Frauen und Männern der Bundeswehr dort geleistet wird. Da Soldaten in so großer Anzahl anwesend sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich im Namen des ganzen Hauses bei Ihnen und Ihren Kameradinnen und Kameraden für das, was Sie in Afghanistan leisten, sehr herzlich zu bedanken.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen natürlich auch – die Soldatinnen und Soldaten wissen das ganz besonders –, dass wir in Afghanistan nicht erfolgreich sein werden, wenn wir auf eine militärische Lösung setzen. Unser militärisches Engagement dient der Absicherung der Stabilität in Afghanistan. Die Fortschritte beim zivilen Aufbau in Afghanistan, die zu erkennen sind, sind sehr bemerkenswert. Noch nie hat sich eine Bundesregierung beim zivilen Aufbau in Afghanistan so umfangreich engagiert wie diese Bundesregierung. Noch nie hat eine Bundesregierung so viel für den Aufbau und für das Training der Sicherheitskräfte vor Ort getan wie diese Bundesregierung. Ich bitte, dies bei all Ihrer Kritik zu berücksichtigen. Die Lage war anders, als Sie regiert haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Aber der zivile Aufbau und seine Absicherung im Interesse der Stabilität des Landes werden natürlich nur ein Teil der Lösung sein können. Entscheidend ist die politische Lösung. Diese Einsicht ist der eigentliche Strategiewechsel, der vor ziemlich genau einem Jahr auf der Londoner Afghanistan-Konferenz stattgefunden hat. Damals war dieser Wechsel noch sehr umstritten, auch in diesem Hause. Aber es zeigt sich, dass das, was die Bundesregierung mit unseren Bündnispartnern in London ausverhandelt hat, eine richtige Entscheidung gewesen ist. Wir werden in Afghanistan den Frieden nicht militärisch schaffen, sondern nur durch eine politische Lösung. Das Ziel unseres internationalen Engagements ist es daher, eine politische Lösung zu erreichen, um Afghanistan nachhaltig und dauerhaft zu stabilisieren, damit es auch in der Zeit nach unserem Engagement nicht wieder Hort und Rückzugsort des Terrorismus gegen die Welt werden kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Für diesen politischen Prozess ist es von großer Bedeutung, dass wir alle einbinden. Deswegen ist nicht die Bedeutung dessen zu unterschätzen, dass auch die regionale Einbindung, das heißt die Einbindung insbesondere der betroffenen Nachbarländer, mehr und mehr gelingt. In London hat es mit der Afghanistan-Konferenz angefangen. Dann gab es in Kabul zum ersten Mal eine Afghanistan- Konferenz im Land selbst. Dort waren alle Beteiligten dabei. Darunter befanden sich übrigens auch die Nachbarländer, die jahrelang nicht mitgewirkt haben. Diese Konferenz wurde begleitet von Abkommen zwischen Afghanistan und Pakistan. Solche Handelsabkommen kann man von Mitteleuropa aus als leicht machbar ansehen. Wer aber den Hintergrund der Beziehungen zwischen den beiden Ländern kennt, der weiß, dass sie in Wahrheit einen großen Fortschritt darstellen. Iran: Es gibt viele Fragen – ich nenne zum Beispiel Fragen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel –, die nur mit der Einbindung der Nachbarländer und mit einer entsprechenden Vernetzung beantwortet werden können. All das hat stattgefunden.

Im Herbst des letzten Jahres gab es den Gipfel in Lissabon. Er bedeutete eine wirkliche Wegmarke. Ich will noch einmal die vier Daten – es sind nicht drei Eckpunkte – unseres Zeitplans, unserer perspektivischen Strategie nennen:

Erstens. In der ersten Hälfte dieses Jahres wollen wir damit beginnen, die Sicherheitsverantwortung vor Ort in Distrikten oder Provinzen zu übergeben.

Zweitens. Wir sind zuversichtlich, zum Ende des Jahres in der Lage zu sein, dass zum ersten Mal auch die Präsenz unserer Bundeswehr zurückgeführt werden kann.

(Thomas Oppermann [SPD]: Unser Punkt!)

Drittens. Im Jahre 2014 soll es uns gelungen sein, dass die Sicherheitsverantwortung vollständig an Afghanistan übertragen ist. Das ist nicht nur unser Ziel, es ist ausdrücklich auch das Ziel der afghanischen Regierung, dass es dann keine Kampftruppen von uns mehr im Lande geben muss.

Der vierte Punkt wird regelmäßig vergessen. Auch nach dem Jahr 2014 muss sich Deutschland für die nachhaltige Sicherheit in Afghanistan engagieren. Täten wir das nicht, hätten die Taliban sofort wieder das Sagen. Sie brächten ihre Saat des Terrorismus in die Welt, und das gesamte Engagement, zum Beispiel der Frauen und Männer der Bundeswehr, wäre vergeblich gewesen. Wir wären da, wo wir waren. Es darf kein zweites Mal ein Vakuum in Afghanistan hinterlassen werden. Das ist das, worum es uns geht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich habe in der Regierungserklärung im Dezember 2010 ausführlich dazu Stellung bezogen. Entgegen dem, was dort hineingeheimnisst wird, ist es doch völlig klar, dass jeder Zeitplan natürlich immer auch unter dem Vorbehalt steht, dass dann die Lage tatsächlich auch so ist. Das ist übrigens nicht erstmalig in dieses Mandat textlich aufgenommen worden, sondern das ist wörtlich das, was ich im Dezember im Namen der Bundesregierung in der Regierungserklärung auch gesagt habe.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das macht es aber nicht besser!)

Mit anderen Worten: Ende 2011 wollen wir erstmalig die Präsenz der Bundeswehr reduzieren. Aber es ist doch selbstverständlich, dass wir alles unter den Vorbehalt stellen müssen: soweit es die Lage erlaubt und insbesondere unsere Soldatinnen und Soldaten vor Ort nicht gefährdet werden. Denn wir wollen einen unumkehrbaren, nachhaltigen Prozess der Übergabe der Verantwortung. Das ist das Ziel.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn wir das übrigens nicht tun, wie es klar in dem Antrag der Bundesregierung steht, – –

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Da steht gar nichts drin!)

– Lesen Sie es nach, dann wissen Sie es. Ich kann es Ihnen noch einmal vorlesen:

Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können, und wird dabei jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wenn nicht?)

Man muss kein Militärexperte sein, es reicht, wenn Sie Ihren Menschenverstand einschalten, dann wissen Sie, dass das der vernünftige Weg ist. Und darauf kommt es auch an.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Bundesminister, der Kollege Nouripour von den Grünen würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Sehr gerne, bitte sehr.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Außenminister, Sie haben gerade beschrieben, dass, wenn es möglich ist und die Sicherheitslage es erlaubt, am Ende dieses Jahres die Kontingente der deutschen Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan reduziert werden sollen. Meine Frage ist: Schließen Sie damit aus, dass zwischenzeitlich durch den Einsatz der AWACSFlugzeuge die Mandatsobergrenze angehoben oder die flexible Reserve dadurch angebrochen wird?

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Ich unterstütze die Haltung des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in diesem Punkt, und ich empfehle sie Ihnen auch einmal zur Aufmerksamkeit.

(Heiterkeit bei der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Was sagt der?)

Der SPD-Vorsitzende Herr Gabriel – man merkt, ganz allgemein gesprochen, dass Reisen läutert – hat heute in einem Interview erklärt, das seien zwei unterschiedliche Vorgänge. Deutschland hat erklärt, dass wir uns derzeit an diesem AWACS-Einsatz nicht beteiligen,

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt „derzeit“?)

weil unser Schwerpunkt auf dem Training und der Ausbildung liegt. Ansonsten ist es selbstverständlich, dass wir in regelmäßigen Abständen mit unseren Bündnispartnern alles besprechen und alles überprüfen. Deswegen ist eine Frage, ob ich etwas ausschließe, vielleicht nett für den parteipolitischen Hickhack, in der Sache ist es absolut unangemessen, wenn man weiß, dass wir nur in einem Bündnis gemeinsam erfolgreich sein können – absolut unangemessen!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen das auch, Herr Kollege, weil ich glaube, dass Sie sich von der größeren Oppositionspartei, der SPD, wirklich eine Scheibe abschneiden könnten.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesülze!)

Diese sozialdemokratische Partei ringt mit sich, diskutiert, wägt die Argumente ab und erklärt öffentlich auf den Antrag der Bundesregierung hin, dass sie die Absicht habe, die Soldatinnen und Soldaten nicht alleinezulassen, und sie ihnen den Rücken stärken wolle.

Bei Ihnen ist das ganz anders. Es hat noch niemals ein Außenminister so viele Soldaten in Auslandseinsätze geschickt wie der grüne Außenminister, nur, dass Sie davon nichts mehr wissen wollen, kaum dass Sie in der Opposition sitzen.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Blödsinn! Wann?)

Es ist verantwortungslos, was Sie hier machen, verantwortungslos!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren viel weniger!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Bundesminister, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Stefan Liebich von der Linken?

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Ja.

Stefan Liebich (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Außenminister, Sie haben gerade ein paar Passagen aus dem Text vorgelesen, der hier zur Abstimmung steht, allerdings nicht aus dem Teil, über den abgestimmt werden soll. Können Sie bestätigen, dass die Bedingung, die die SPD für ihre Zustimmung gestellt hat, im Beschlusstext des Antrags der Bundesregierung überhaupt nicht erfüllt wird und dass das, was Sie hier vorgelesen haben, sowie jede Zahl, die einen Abzug andeutet, lediglich in der Begründung des Regierungsantrags stehen?

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Ich will Ihnen kurz antworten. Sie sind doch nicht erst seit ein paar Wochen, sondern schon seit ein paar Monaten im Deutschen Bundestag.

(Michael Brand [CDU/CSU]: Viel zu lange! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht so arrogant!)

Sie müssen doch wissen, Herr Kollege, bei allem Respekt, dass es immer so gewesen ist, dass wir einen Antragstext vorlegen und dass die Begründung natürlich auch die politische Einbettung dieses Antragstextes darstellt. Soll denn der Deutsche Bundestag ernsthaft beschließen, dass die Bundesregierung zuversichtlich sei? Ich glaube, hier sollte der Deutsche Bundestag etwas selbstbewusster sein. Wir haben eine Parlamentsarmee und keine Regierungsarmee. Deswegen hat dieser Deutsche Bundestag das letzte Wort; alles andere ist surreal.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben dann die Aufgabe, den Prozess, den wir hier hoffentlich gemeinsam oder jedenfalls mit großer Mehrheit verabschieden werden, in diesem Jahr handwerklich voranzubringen. Für die politische Lösung, die wir anstreben, haben wir im letzten Jahr drei wichtige Wegmarken gehabt: London, Kabul und die Konferenz in Lissabon. In diesem Jahr werden wir eine sehr wichtige Wegmarke bei uns in Deutschland haben, nämlich die Afghanistan-Konferenz in Bonn. Ich sage Ihnen voraus, dass diese Konferenz, die am Ende des Jahres stattfinden wird, die Schwerpunkte haben wird, um die es geht: die politische Lösung, Reintegration, auch Aussöhnung, den Dialog. In den Mittelpunkt dieser Afghanistan- Konferenz muss aber auch die Zeit ab 2014 rücken. Das war der Gedanke, bevor die Zwischenfragen gestellt worden sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer heute in Afghanistan den Eindruck hinterlässt, ab 2014 sei man dort auf sich allein gestellt, weil wir uns für die Menschen dort nicht mehr interessieren, sie könnten machen, was sie wollen, und sollten zusehen, wie sie klarkommen, der wird nur erreichen, dass es weder Fortschritte bei der guten Regierungsführung sowie bei der Bekämpfung des Drogenhandels und der Korruption noch Fortschritte im demokratischen Prozess geben wird, den wir alle wollen. Dann riskiert man, dass genau die Partner, die wir brauchen, um das Land auf Dauer sicher aufzubauen, nichts mehr mit uns zu tun haben wollen, weil sie anschließend um ihr Leben und das ihrer Familien fürchten müssen.

Weil so etwas keine verantwortungsvolle Politik wäre, wollen wir einen Prozess der Übergabe der Verantwortung in Verantwortung. Man bringt etwas verantwortungsvoll zu Ende, was man gemeinsam im Bundestag beschlossen hat, und man enttäuscht nicht die Freunde, die man braucht, um mit Blick auf Terrorismus auch unsere eigene Sicherheit hier in Deutschland vergrößern zu können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir haben im Rahmen unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Koordination für Afghanistan übernommen. Ich werde deswegen regelmäßig hier im Deutschen Bundestag zu diesem Thema sprechen. Ich gehe davon aus, dass wir darüber regelmäßig in den Ausschüssen diskutieren werden. Ich kann Ihnen zusagen, dass ich Sie – Ihre Obleute und Ihre Repräsentanten –, wo immer ich kann, über die Fortschritte parlamentarisch auf dem Laufenden halten werde. Ich glaube, das konnten Sie in den letzten Monaten verfolgen; das soll so fortgesetzt werden. Ich glaube nämlich, dass eine breite Mehrheit im Deutschen Bundestag viel weniger eine Angelegenheit der Politik als eine klare Rückendeckung für die Frauen und Männer der Bundeswehr ist, die in Afghanistan ihren Kopf für unsere Freiheit und unsere Sicherheit hinhalten.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gesehen!)

Eine solche breite Mehrheit ist auch für unsere internationalen Verbündeten, für unsere Bündnispartner wichtig, damit sie wissen: Das wird von der Politik in der Breite getragen.

Man muss in der Politik bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn es einen in den Umfragen vielleicht das eine oder andere Prozentpünktchen kostet.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das brauchen Sie uns nicht zu sagen!)

Es geht erst einmal um die Sicherheit, die Freiheit, die Zukunft unseres Landes und Afghanistans. Meine Damen und Herren von der Opposition, von den Grünen, Sie sollten sich ein Beispiel an den Sozialdemokraten nehmen. Wenn ich das sage, sollte Sie das nachdenklich machen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Rolf Mützenich von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Rolf Mützenich (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesaußenminister, ich weiß nicht, ob Sie gedacht haben, dass Sie die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, insbesondere deren Redner, mit so viel Lob irritieren könnten. Ich möchte aber zu Beginn sagen: Wir sollten bei solch einer bedeutenden Debatte schon den wichtigen Versuch unternehmen, gegenseitig Brücken zu bauen; das scheint mir bei dieser Frage dringend notwendig.

Wir haben hier im Deutschen Bundestag schwierige Debatten über das Bundeswehrmandat erlebt; aber das, was sich die Bundesregierung in den letzten Wochen bei der Entwicklung dieses Mandates geleistet hat, war beispiellos:

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So gut?)

Sie haben irritiert und provoziert; Sie haben sich in der Regierung zerstritten. Frau Bundeskanzlerin, ich frage Sie: Haben Sie in diesem Kabinett eigentlich eine ordnende Hand?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie werden Sie der Verantwortung gerecht, dass Sie bei dieser wichtigen internationalen Frage die Führung übernehmen müssen? Ich finde, Sie haben nicht nur das Parlament verunsichert, sondern auch die Bündnispartner. Das hat die deutsche Politik im letzten Jahr ausgemacht: Nach der Formulierung des Mandatstextes sind zwei Pressekonferenzen durchgeführt worden, auf denen zwei unterschiedliche Interpretationen vorgetragen wurden. Das halte ich bei diesem wichtigen Mandat nicht nur für ungewöhnlich, sondern auch für eine Zumutung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe mich schon gefragt: Wollen Sie wirklich eine breite Zustimmung des Parlaments erreichen? Herr Bundesaußenminister, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie heute hier wichtige Feststellungen – hoffentlich für die gesamte Bundesregierung – getroffen haben. Wir werden in den Ausschussberatungen darüber reden. Leider waren Sie bisher nicht stark genug, um Querschüsse, insbesondere des Verteidigungsministers, zu verhindern.

Ich habe mich gefragt, ob das Primat des Politischen, das beim Afghanistan-Mandat bisher Vorrang vor allem anderen hatte, im Kabinett einem Primat des Militärischen gewichen ist. Ich finde, hier müssen Sie das Vertrauen wiederherstellen. Es kann doch nicht sein, dass sich ein Verteidigungsminister hinstellt und sagt: „Ein Kabinettsbeschluss ist mir wurscht.“ Was ist das denn für ein Umgang mit der Öffentlichkeit, aber auch mit Ihnen im Kabinett!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Ich sage Ihnen: Am Ende ist es dieses Parlament, das die Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan zurückführt, nicht irgendein einzelner Minister. Es handelt sich um eine Parlamentsarmee; das wird auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Sozialdemokraten war Afghanistan immer mit politischen Zielen verknüpft. Wir wollten, dass die Afghanen die Möglichkeit, auch die Chance haben, nach verheerenden Jahrzehnten sowjetischer Besatzung, Bürgerkrieg und Interventionen Afghanistan wieder aufzubauen. Aber das sind politische Ziele.

Wir haben die Chance gesehen, dass diese politischen Ziele mit Präsident Obama und dann auch mit der Londoner Konferenz verbindlich werden und dann das Militärische dem untergeordnet wird. In dem wichtigen Beschluss, der noch gilt und jetzt durch das neue Mandat abgelöst werden soll, ist genau das aufgenommen worden, was wir diskutiert haben. Hier gebe ich Ihnen recht, Herr Bundesaußenminister: Das war für uns in der sozialdemokratischen Partei eine schwierige Debatte. Aber wir haben auf unseren Konferenzen über den zivilen Wiederaufbau gesprochen, wir haben über die Polizeiausbildung gesprochen. Wir wollten, dass die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Streitkräften, den afghanischen Behörden übergeben wird, wir haben über Korruption gesprochen und viele andere Dinge. Das ist in den Beschluss aufgenommen worden. Nicht das Militärische hat im Vordergrund gestanden, sondern wir haben eine Verknüpfung haben wollen. Genau das, glaube ich, ist doch der Kern der Diskussion.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Krieg ist der Kern!)

Leider, Herr Bundesverteidigungsminister, haben Sie davon abgelenkt.

Ein Abzugsplan mit militärischen Zielen, das ist doch das Wichtige. Wir haben ein Signal in die Region, aber auch an die afghanische Regierung geben wollen: Sie müssen davon ausgehen, dass die internationale Gemeinschaft irgendwann die Verantwortung übergeben will. Das wird bis 2014 der Fall sein. Dieser Abzugsplan wird in den nächsten Tagen auch bei den Beratungen in den Ausschüssen eine Rolle spielen.

(Beifall bei der SPD)

Dann kommen Sie daher und sagen, ein solcher Abzugsplan sei leichtfertig. Wollen Sie wirklich den Bündnispartnern Kanada, den Niederlanden und den USA, dem amerikanischen Präsidenten, Leichtfertigkeit unterstellen, wenn sie einen solchen Abzugsplan unterstützen? Diese Frage müssen Sie hier beantworten, und ich hoffe, dass der Verteidigungsminister dies gleich tun wird.

Herr zu Guttenberg, ich glaube, Ihr Problem bei Afghanistan ist, dass Sie nur noch durch die militärische Brille schauen und versuchen, in der Öffentlichkeit allein ein militärisches Bild darzustellen. Das ist nicht mein Verständnis von einem Verteidigungsminister. Sie sind ein Zivilist, der aus meiner Sicht an dieser Stelle moderne Sicherheitspolitik mit den politischen Zielen verbinden müsste, die die internationale Gemeinschaft will.

Diesen Eindruck hatte man beispielsweise bei Ihrem Auftritt bei Kerner – mir zumindest ist es so gegangen, als ich mir das angeschaut habe – nicht. Da ging es eben nicht um Kunduz, da ging es nicht um die Polizeiausbildung, da ging es nicht um die Skepsis der Afghaninnen und Afghanen. Das gehörte nämlich nicht zu Ihrer Show. Und das ist der entscheidende Punkt, den ich hier kritisiere. Ich glaube, Sie sind kein guter Sicherheitspolitiker, sondern Sie wandeln nur auf den Wegen alter Militärpolitik.

(Zuruf von Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU])

Ich glaube, das führt auch Sie in der Regierungskoalition auf einen falschen Weg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Sie zum Schluss Folgendes fragen: Sie haben sich ja sozusagen – ich weiß nicht, woran es liegt – diesem Trend ein bisschen unterworfen. Vielleicht hat das auch etwas mit Meinungsumfragen zu tun. Aber auch Sie scheuen sich ja nicht, das Wort „Krieg“ zu nennen, auch als Sie damals in Afghanistan gewesen sind. Der Bundesaußenminister hat im letzten Jahr nach meinem Dafürhalten zu Recht erklärt, dass es sich hier um einen bewaffneten internationalen Konflikt handelt, wenn man das Völkerrecht als Grundlage nimmt. Ich glaube, Sie sollten sich doch einmal die Frage stellen, ob Sie nicht eine Tendenz in der öffentlichen Diskussion unterstützen, die nach meinem Dafürhalten genau in die falsche Richtung geht. Wenn zum Beispiel der Vorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbandes, Herr Kirsch, sagt: „Was interessieren mich verfassungsrechtliche Spitzfindigkeiten?“, dann müssen wir doch dagegenhalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die völkerrechtlichen Fragen stehen doch im Vordergrund einer solchen Diskussion. Ich glaube, das muss doch auch einer Kanzlerin ein bisschen durch den Kopf gehen.

Wir werden in den kommenden Tagen streng darauf achten, ob Sie glaubhaft die politischen Ziele mit einem verbindlichen militärischen Abzugsplan verbinden wollen. Dann und nur dann können Sie mit einer breiten Unterstützung durch die SPD rechnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundesminister der Verteidigung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Mützenich, das Rednerpult scheppert noch. Ich danke Ihnen für die Feststellung, ein Zivilist zu sein. Das ist richtig.

Bevor ich auf die Diskussion über das ISAF-Mandat und gerne auch auf die Punkte, die Sie, Kollege Mützenich, genannt haben, eingehe, darf ich noch einige Sätze zu drei Fällen sagen, die die Bundeswehr, aber auch die Öffentlichkeit in diesem Land beschäftigen. Hier gilt der ganz klare Anspruch, dass man rückhaltlos aufklärt, dass man die Dinge bewertet und man sie, wenn die Vorwürfe Tatsachen entsprechen sollten, abstellt und die entsprechenden, notwendigerweise harten Konsequenzen zieht. Das ist die Herangehensweise. Ich glaube, so sollte man solche Punkte angehen: nicht mit Vorverurteilungen, nicht mit irgendwelchen Mutmaßungen oder Vermutungen, sondern auf der Grundlage von Tatsachen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Aber es muss schnell festgestellt werden!)

In diesem Kontext darf ich auch sagen – auf der Tribüne sitzen heute Soldaten; sie wurden vom Kollegen Westerwelle bereits begrüßt –, dass in der Bundeswehr mehr als 300 000 Menschen arbeiten. Es ist nie auszuschließen, dass es auch mal zu Verfehlungen und zu Fehlern kommt. Daraus ein Pauschalurteil abzuleiten und gleichzeitig die großartigen Leistungen der anderen hinunterzuziehen, wäre aber vermessen. Auch das können wir nicht machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Wer tut denn das?)

Ich darf auch deutlich machen, dass ich mich mit aller Entschiedenheit gegen Vorwürfe verwahre, meine Mitarbeiter oder ich hätten das Parlament vorsätzlich getäuscht oder Tatsachen vertuscht. Solche Verdächtigungen sind infam und fallen letztlich auf diejenigen zurück, die sie abgeben. Es geht auch weiterhin darum, dass wir die Dinge mit größtmöglicher Offenheit ansprechen und vortragen

(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wie bei Kunduz!)

und man einen vertrauensvollen Umgang miteinander pflegt. Diesen haben wir in den letzten Jahren grundsätzlich entwickelt. Auch heute fand diesbezüglich eine Obleuteunterrichtung statt. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Kommen Sie einmal zu Afghanistan! Es wird Zeit!)

– Ein Fall betrifft Afghanistan. Wenn man über Afghanistan spricht, ist es wichtig, über Tatsachen und nicht über Mutmaßungen zu sprechen, insbesondere dann nicht, wenn der Schutz eines Soldaten, der gerade Ermittlungen ausgesetzt ist, deswegen gefährdet sein könnte. Ich glaube, es ist notwendig, auch das zu sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Was das ISAF-Mandat anbelangt, hat Kollege Westerwelle völlig zu Recht darauf hingewiesen, wie wichtig und stark das Signal ist, das wir heute geben; das begann mit der Regierungserklärung des Kollegen Niebel. Zum Bezugspunkt, lieber Kollege Mützenich: Es wäre verwegen, die Zukunft Afghanistans und die zukünftige Gestaltung Afghanistans nur durch die militärische Brille zu betrachten. Das würde zeigen, dass man glaubt, die Ziele in Afghanistan allein militärisch erreichen zu können. Das ist eine schiere Illusion. Das ist nicht machbar und nicht darstellbar. Das geht nur durch ein Zusammenwirken der Kräfte. Das geht nur, wenn die Entwicklungshilfe, also die zivile und diplomatische Herangehensweise, eine wirklich starke Säule darstellt. Ich kann nur sagen: Die ressortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb des Kabinetts in den letzten Monaten ist besser als das, was wir in den Jahren vorher erlebt haben.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auweia!)

Dafür danke ich den Kollegen noch einmal. Das Zusammenwirken hinsichtlich der Zielsetzung Afghanistan ist erstklassig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Selbstbeweihräucherung! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum führen Sie dann Krieg?)

Im Übrigen führt der Verteidigungsminister die Truppe natürlich nicht heim. Das würde ich mir auch nie anmaßen, lieber Herr Kollege Mützenich. Es ist interessant, welche Zitatbrocken vermengt wurden. Aber der Verteidigungsminister gibt während eines Mandates immer wieder eine militärische Bewertung ab, so wie der Minister des Auswärtigen eine Bewertung der anderen Punkte – auch eine übergreifende Bewertung – vornimmt, so wie der Entwicklungsminister eine entwicklungspolitische Bewertung abzugeben hat. Das entspricht der Erwartungshaltung, die letztlich auch Sie an uns haben.

Die NATO hat den in Lissabon und auf den Konferenzen in Kabul und London beschlossenen Strategiewechsel mittlerweile umgesetzt. Dieser Strategiewechsel trägt in meinen Augen erste Früchte. Das kann man wirklich sagen.

Über meinen Fachbereich haben wir auch im letzten Jahr intensive Diskussionen geführt, etwa was das Konzept des Partnerings anbelangt. Das Konzept des Partnerings – als ein Ausbildungskonzept, als ein Schutzkonzept,

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Offensivkonzept!)

ja, auch als ein Konzept, um die Aufständischen letztlich aus ihren schon ergriffenen Räumen in andere Räume zu verdrängen – ist eines, das erfolgreich läuft. Mit den Ausbildungsleistungen sind wir im Zeitplan. Es ist sogar so, dass wir vor dem Zeitplan liegen. Ich glaube, das kann als ein Erfolg gewertet werden. Das ist ein Erfolg der Leistungen der militärischen wie der zivilen Kräfte vor Ort, ein Erfolg des Zusammenwirkens, und das funktioniert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben natürlich Zielsetzungen zu erfüllen, auch ehrgeizige, ambitionierte Zielsetzungen. Wir haben in den letzten Monaten und im letzten Jahr gottlob auch eine Diskussion über realistische Ziele geführt: Was ist in Afghanistan erreichbar? Wann ist es erreichbar? Mit welchen Partnern ist es erreichbar?

Vor diesem Hintergrund sage ich: Ja, 2011 wird für uns ein forderndes Jahr werden.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie letztes Jahr auch schon gesagt! Nichts Neues!)

Präsident Karzai hat gesagt, er will diesen Prozess der Übergabe in Verantwortung, von dem der Kollege Westerwelle gesprochen hat, bis zum Jahr 2014 abschließen. Natürlich unterstützen wir ihn nachdrücklich in diesem Vorhaben; das versteht sich von selbst.

Das Jahr 2011 steht für den Gedanken, dass niemand dauerhaft in Afghanistan bleiben will. Das ist ein Gedanke, der nicht nur uns und die Bevölkerung in diesem Lande umtreibt, sondern dieser Wunsch erfüllt natürlich auch die Menschen in Afghanistan. Gleichzeitig wäre es aber verantwortungslos, wenn wir jetzt unmittelbar und übereilt abziehen wollten. Das würde die jungen afghanischen Sicherheitskräfte zum jetzigen Zeitpunkt noch überfordern. Deswegen ist der Plan, die Ausbildung bis 2014 konsequent abzuschließen.

Wir liegen im Plan; das habe ich Ihnen gesagt. Wir gehen unseren Weg zum Abzug. Ich teile ganz ausdrücklich die geäußerte Zuversicht, dass wir bereits in diesem Jahr mit einem ersten Abzug beginnen können.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aber davon steht nichts im Mandat!)

Den Satz, den Guido Westerwelle vorhin verlesen hat,

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aus der Begründung!)

kann man, wenn man irgendwo einen Streit hineinbringen will, so und so deuten.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja! Allerdings!)

Wir haben uns auf diesen Satz geeinigt. Er ist die Position der Bundesregierung.

(Lachen bei der SPD und der LINKEN – Stefan Liebich [DIE LINKE]: In der Begründung!)

Die Position der Bundesregierung enthält das Ziel und die Zuversicht, in diesem Jahr mit dem Abzug zu beginnen. Guido Westerwelle hat auch klar gesagt – das ist ein völlig logischer Ansatz –: wenn es die Lage erlaubt.

(Thomas Oppermann [SPD]: Ist die Jahreszahl denn jetzt zu hoch oder nicht?)

Wir tun alles dafür, dass es die Lage erlaubt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich glaube, dieser Ansatz ist ehrgeizig. Lieber Kollege Mützenich, dieser Ansatz wird auch vom Zivilisten Karl-Theodor zu Guttenberg mitgetragen, und zwar aus Verantwortung für unsere Soldatinnen und Soldaten, denen ich von dieser Stelle aus für ihren Dienst ausdrücklich danken will. Sie haben die Anerkennung in diesem fordernden Einsatz verdient.

Dieser Ansatz ist von der Verantwortung mitgetragen, dass wir immer auch sagen: Verantwortung haben wir auch für diejenigen, die dort verbleiben. Auch daran haben wir unsere Entscheidungen auszurichten. Es werden gemeinsam getragene und kluge Entscheidungen sein, die wir treffen, und solche, die endlich auch einer Perspektive für Afghanistan, die das Land verdient hat, die aber auch unsere Soldaten und unsere zivilen Helfer verdient haben, Ausdruck geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Paul Schäfer von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Sprachrepertoire der Bundesregierung hat sich in den letzten Monaten beträchtlich erweitert. Da hört man Worte, für die die Linke in der Vergangenheit heftig angegangen worden ist; „weltfremd“ sind wir genannt worden: „Abzug der Truppen“, „Versöhnungsprozess“, „regionale Lösung“, „Selbstbestimmung“, ja, selbst „Verhandlungen mit den Taliban“ sind kein Tabu mehr. Aber wenn es um Afghanistan und die Menschen dort geht, dann muss eines klar sein: Rhetorische Wendungen sind nicht angesagt. Die Politik muss sich ändern, und zwar gründlich. Darauf kommt es an.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider findet man das im Handeln dieser Regierung nicht.

Mit der jetzt zu beschließenden Entsendung der Bundeswehr wird der Eindruck erweckt, man verfolge einen Abzugsplan. Vorsicht! Man sollte das Kleingedruckte genau lesen. Nach 2014 möchte man nur keine Kampftruppen mehr im Lande haben. Ausbildungseinheiten sollen bleiben. Wie viele? Nobody knows. Es ist doch so, schon jetzt sollen sich die Truppen auf die Ausbildung der afghanischen Armee konzentrieren. Wo also liegt der Unterschied?

Einen Generalvorbehalt hat man auch eingebaut. Der Abzug soll nur dann stattfinden, wenn bestimmte – in meinen Augen nicht sehr klare – Bedingungen erfüllt sind, zum Beispiel eine stabile Regierung in Kabul. Der Verteidigungsminister hat jetzt gesagt, ihm sei es völlig wurscht – ja, er hat wirklich „wurscht“ gesagt –, ob der Rückzug 2014 oder 2013, 2010 oder 2011 stattfinde, auf die Konditionierung komme es an.

Im Klartext: Das kann noch um einiges länger dauern. Ich kann nur sagen: Ein eindeutiger, unmissverständliche Abzugsplan sieht anders aus,

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und der müsste hier auch beschlossen werden. Es geht nicht um vage Ankündigungen und Versprechungen, sondern es geht darum, hier etwas konkret festzulegen und zu beschließen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Man sieht daran auch, dass Ihre Politik nach wie vor auf der falschen Annahme basiert, die Rückholung der Truppen stünde am Ende eines politischen Friedensprozesses. Wenn es aber richtig ist, dass die Aufstandsbewegung so stark geworden ist, weil sie propagieren kann, sie wolle die Fremden aus dem Land werfen, und weil es eine Regierung gibt, die mit dieser im Bunde ist, die zudem noch sehr korrupt ist, dann wird umgekehrt ein Schuh daraus. Der unzweideutige Sofortabzug der NATO-Truppen ist Voraussetzung für eine politische Lösung. Und der sollte unverzüglich eingeleitet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre verantwortliche Politik, lieber Kollege Westerwelle.

Alle sagen jetzt, man könne diesen Krieg nicht militärisch gewinnen. Der Widersinn ist nur: Trotzdem setzen Sie weiter auf die militärische Karte, auf die offensive Aufstandsbekämpfung. Am Anfang waren es ein paar Tausend Soldaten in Afghanistan, zu Beginn des letzten Jahres waren es 90 000, heute sind es über 140 000 NATO-Soldaten. Auch die Bundeswehr hat immer mitgezogen, zuletzt die Aufstockung auf über 5 000, dann schwere Artillerie, bald auch Kampfhubschrauber. Vieles spricht dafür, dass das Bundeswehrkontingent bald auch noch um AWACS-Besatzungen aufgestockt werden wird und wir also ein Zusatzmandat bekommen. Um die Zustimmung des Hauses jetzt nicht zu gefährden, hat man gegenüber der NATO erst einmal abgewunken und gesagt: jetzt nicht. Aber das wird kommen.

An der Stelle ein Wort an die lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Es genügt nicht, nur vor der Salamitaktik dieser Regierung zu warnen, man muss diese Strategie und diese Taktik auch einmal durchkreuzen, indem man Nein zu einem solchen Mandat sagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist einfach nicht nachvollziehbar, dass man davon redet, jetzt müsse der politische Prozess in den Vordergrund gerückt werden, das Verhältnis Militär/Politik neu justiert werden, und dann mit Truppenaufwuchs, Aufrüstung und Kampfwertsteigerung um die Ecke kommt. Das geht einfach nicht. Offensive Aufstandsbekämpfung heißt eben auch: noch mehr Gefechte, noch mehr Waffeneinsatz, mit anderen Worten, noch mehr Tod und Zerstörung. Im letzten Jahr ist die Zahl der Toten und Verletzten noch einmal beträchtlich nach oben gegangen, nach den Zahlen der UNO allein bei den zivilen Opfern bis Oktober um 20 Prozent. Der Verteidigungsminister hat jetzt schon angekündigt, es werde noch heftigere Kämpfe geben, um die deutsche Öffentlichkeit auf diese Lage einzustimmen. Herr Minister, so wird das nichts mit dem Friedensprozess in Afghanistan.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister, man wird den Krieg auch nicht dadurch gewinnen, dass man ihn gewissermaßen „afghanisiert“. Sehen wir einmal davon ab, was es bedeutet, in einem Land mit einer extrem schwachen Regierung einen Sicherheitsapparat von 400 000 Mann aus Militär und Polizei aufzubauen. Das wäre noch einmal ein gesondertes Thema. Entscheidend ist, dass diese Truppen auf ganz lange Sicht von außen – namentlich den USA – bezahlt werden müssen und dass sie natürlich auch als entscheidendes Machtinstrument des dortigen Regimes, des Karzai-Regimes, angesehen werden. Deshalb ist die Warnung nicht unbegründet, die da sagt: Dieser Plan kann sich als Roadmap für einen fortgesetzten Bürgerkrieg erweisen. Deshalb sind wir entschieden dagegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle reden inzwischen davon, dass man mit den Gegnern reden müsse, sie in einen auszuhandelnden Friedensprozess einbinden müsse. Aber trotz dieser schönen Rhetorik klammern Sie sich an diese trügerische Hoffnung, mit militärischer Stärke könne man eine solche Lösung herbeizwingen. Anders wäre dieser Truppenaufwuchs nicht zu erklären.

Und es bleibt eine Tatsache: Wenn Sie die Anführer nachts mit Drohnen und Spezialkommandos jagen, werden sie sich tagsüber nicht an den Verhandlungstisch setzen. Das ist widersinnig und muss beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wäre also klug, sich stattdessen auf eine Verhandlungslösung zu fokussieren, die mit Waffenstillstandsvereinbarungen lokal und zentral eingeleitet werden müsste, um dann zu einem Gesamtarrangement zu kommen, das uns allen hier nicht schmecken wird. Das würde aber nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als dass endlich die Waffen schweigen und ein kontinuierlicher Aufbau im Land entstehen kann. Das ist die Voraussetzung dafür. Es geht also um eine langfristig angelegte Entwicklungsarbeit mit den Schwerpunkten Bildung und Ausbildung. Das alles wird aber nur funktionieren, wenn der Krieg beendet wird. Das ist das A und O.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen: Das ist ein mühsamer Prozess, der jetzt in Gang gebracht werden muss. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die UNO nicht länger mit einem Beobachterstatus auf der Rückbank sitzt. Es geht eben nicht nur um einen Deal zwischen der NATO und den Taliban, sondern es geht um einen umfassenden Friedensplan bzw. Friedensprozess, der alle Akteure und Kräfte in Afghanistan umfassen muss und ohne die sicherheitspolitische Einbindung der Anrainerstaaten nicht gelingen wird. Dies zu organisieren, sollte den Vereinten Nationen und niemandem sonst obliegen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist üblich geworden, einzugestehen, dass man Fehler gemacht hat.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Dann tun Sie es doch!)

Jetzt müssen praktische Schlüsse daraus gezogen werden, die darin bestehen – das sagt auch eine stabile Mehrheit in der Bevölkerung –, die Bundeswehr zurückzuziehen und sich auf den zivilen Aufbau und eine internationale politische Lösung zu konzentrieren. Das ist aussichtsreich. Ich finde, die Leute haben recht. Hören Sie auf sie!

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Frithjof Schmidt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Herr zu Guttenberg, als Reaktion auf Ihre Vorbemerkung eben: Wir glauben, dass wir als Parlament im Fall des toten Soldaten in Afghanistan vom Ministerium objektiv falsch unterrichtet worden sind,

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So ist es!)

und wir wollen wissen, warum.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das wird noch weiter aufzuklären sein. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was Sie hier erklärt haben, genügt uns nicht. Das reicht nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich zur Debatte des heutigen Tages. Ich finde es wichtig, dass wir uns heute Morgen viel Zeit genommen haben, um über den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan zu sprechen. Das kommt oft zu kurz. Dabei sind gerade diese Anstrengungen entscheidend für die Zukunft Afghanistans. Herr Außenminister, etwas anderes ist dabei aber auch deutlich geworden: Durch diese merkwürdige Zweiteilung der Debatte, die wir heute hier erlebt haben – vormittags Entwicklungspolitik und ziviler Wiederaufbau, nachmittags, getrennt davon, militärisches Mandat –, wird eine Menge über die Koordinationsprobleme der Regierung ausgesagt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Ach du liebes bisschen!)

Dass Sie es nach einem weiteren Jahr nicht geschafft haben, ein integriertes Mandat vorzulegen, in das auch die zivile und die politische Dimension aufgenommen wird, ist ein politisches Versagen; es tut mir leid.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Mir tut die Aussage leid!)

Ich sage auch: Hätten Sie dem Vorschlag von uns und den Sozialdemokraten für eine gemeinsame, unabhängige Evaluierung des Einsatzes keine Absage erteilt, dann hätten wir nun wenigstens eine gemeinsame Lageeinschätzung. Ihre Absage an uns ist und bleibt ein schwerer Fehler.

Nun zur politischen Frage, ob die Bundeswehr ein weiteres Jahr in Afghanistan bleiben soll. Unsere Antwort ist klar: Ja, das soll sie. Ein Sofortabzug der internationalen Truppen ist und bleibt unverantwortlich. Das wäre ein Treibsatz für einen offenen Bürgerkrieg in Afghanistan. Herr Außenminister, dass Sie meinen, ausgerechnet uns Grünen vorwerfen zu müssen, wir würden es uns in dieser Frage leicht machen, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absurd!)

ist sehr billig. Das sollten Sie eigentlich wirklich nicht nötig haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber so ist er!)

Trotz dieser Einschätzung sage ich: Ich – das gilt wohl auch für die Mehrheit meiner Fraktion – kann Ihrem Mandatstext, wie schon im letzten Jahr, nicht zustimmen.

Wir sind mit einer Reihe von Punkten, wie sie im Mandat stehen – manches fehlt auch – nicht einverstanden. Vor einem Jahr sprach die Bundesregierung davon, man müsse sich eine Abzugsperspektive erarbeiten. Ein Jahr später streiten sich die zuständigen Minister darüber, und zwar öffentlich und ohne Ende. Was Sie sich als Bundesregierung in den letzten Wochen geleistet haben, ist schon einmalig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Außenminister, Sie haben ausgeführt, dass Sie 2011 mit dem Abzug beginnen wollen. Das nehmen wir sehr wohl zur Kenntnis. Der Verteidigungsminister hat Sie daraufhin quasi vom Feldherrenhügel herab abgekanzelt und erklärt, das sei ihm wurscht, nach dem Motto: Wann und wie meine Truppen abziehen, das bestimme doch wohl eher ich. Da lasse ich mir auch nicht von einem angeschlagenen Außenminister hineinreden.

(Dr. Bijan Djir-Sarai [FDP]: Ganz schlecht!)

Im Mandat haben Sie einen Satz aus 49 Wörtern gebastelt, um diesen Konflikt zu übertünchen. Sie haben ihn dankenswerterweise noch einmal vorgelesen. Am Ende dieses Satzes steht nur fest, dass bei Ihnen gar nichts feststeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Hier ist Plenum und keine Märchenstunde!)

„Die Bundesregierung ist zuversichtlich …, Ende 2011“ mit dem Abzug beginnen zu können, allerdings mit der Einschränkung: „soweit die Lage dies erlaubt“. Sie sind Könige des Konjunktivs.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können nicht weiter ausweichen. Seit über einem Jahr beschwören Sie eine Abzugsperspektive. Legen Sie endlich einen konkreten, verlässlichen Plan vor. In anderen Ländern geht das doch auch. Sagen Sie, was Sie zwischen 2011 und 2014 machen wollen. Sagen Sie, wie die konkreten Schritte 2012 und 2013 aussehen sollen. Das wollen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wissen. Nur so werden wir Druck auf die afghanische Regierung erzeugen, ihre Seite des Fahrplans einzuhalten. In Interviews sprechen Sie durchaus an, Herr Außenminister, dass dieser Mechanismus notwendig ist. Sie wissen es doch besser. Warum haben Sie sich in der Regierung auf den Kompromiss eingelassen? Nur so setzen wir der mittlerweile wohlbekannten Floskel „Dieses Jahr sind wir noch nicht so weit, aber im nächsten wird es besser“ ein strategisches Ende.

Hören Sie im Übrigen auf, Unsicherheit über Ihre Absichten zu produzieren. Was ist denn nun mit dem Einsatz der AWACS-Flugzeuge? Sie, Herr Westerwelle, lassen erklären, das Thema sei für dieses Jahr vom Tisch, es folgt also kein Mandatsnachklapp in drei Monaten. Das ist doch die politische Frage. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es, im Frühjahr dieses Jahres stehe eine erneute Prüfung an, also gibt es vermutlich doch einen Mandatsnachklapp in drei Monaten. Was gilt denn nun? Wir reden über ein Mandat, für das wir die Zustimmung für ein ganzes Jahr erteilen sollen. Bei dieser Frage spielen Sie ein Spiel. Das alles sieht nach Salamitaktik für eine mögliche Truppenaufstockung aus. Das ist das Gegenteil von Transparenz und Seriosität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Herr Außenminister, Sie haben vor einem Jahr das Partnering neu in das Mandat eingeführt, ohne es klar zu definieren. Dazu war seitdem in Ihren Erklärungen kein Wort zu hören. Wir hatten die Befürchtung, dass das ein Prozess der schrittweisen Veränderung des Mandats für die Bundeswehr bedeutet, nämlich die Abkehr von ISAF als Stabilisierungseinsatz hin zu einer Strategie der offensiven Aufstandsbekämpfung. Ich muss leider feststellen: Diese Befürchtung hat sich weitgehend bewahrheitet. Damit haben Sie den deutschen Einsatz in Afghanistan auf einen falschen Weg gebracht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt keine ausreichende Klarheit über den militärischen Auftrag und die politischen Ziele. Auch bei der Hilfe für den zivilen Aufbau gibt es höchstens bis 2013 Klarheit. Unsere Verantwortung für Afghanistan endet aber nicht mit einem Abzug der internationalen Truppen. Dafür brauchen wir eine Strategie, ein Konzept für die Fortsetzung der zivilen Unterstützung nach 2014. Statt ihres ewigen Streites könnte die Bundesregierung Initiative zeigen. Das wäre ein sinnvoller Beitrag für die Vorbereitung der Bonn-II-Konferenz Ende dieses Jahres.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner von der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Rainer Stinner (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Mützenich, ich habe heute von Ihnen eine neue Form der politischen Debatte gelernt, nämlich die entrüstete Zustimmung.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das finde ich sehr interessant. Für Ihre Entrüstung habe ich politisch sehr großes Verständnis. Wir alle müssen sozusagen unsere Kartoffeln zusammenkriegen. Für die Zustimmung bedanke ich mich bei Ihnen ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Nicht ganz so überheblich, Herr Stinner!)

Wir sind jetzt zum zehnten Mal dabei, ein Mandat zu verlängern. Ich möchte an alle Kollegen und auch an die Öffentlichkeit sowohl hier, als auch andernorts, wo die Debatte verfolgt wird, appellieren, Folgendes zu verstehen: Wir verlängern nicht einfach ein weiteres Mal das Mandat für Afghanistan wie vielleicht 2006 oder 2007.

(Zuruf von der LINKEN: Genau so!)

– Nein, das ist eindeutig nicht der Fall. Das möchte ich begründen.

Wir haben heute, im Januar 2011, eine grundsätzlich andere Situation als vor einem Jahr. Mit den Stichworten London, Kabul und Lissabon haben wir in der NATO durch Versammlungen und Meinungsbildung auf der Ebene der Organisationen erstmals den Dreiklang einer gemeinsamen Vision, eines gemeinsames Ziels und gemeinsamer Strategien.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und einen gemeinsamen Krieg!)

Wir definieren gemeinsame Maßnahmen, die wir auch durchführen. Es ist insofern ein Vierklang. Das ist neu. Deswegen gibt es jetzt auch erstmals die Perspektive eines Endes unseres militärischen Einsatzes, was Kampftruppen angeht.

(Zuruf von der LINKEN: Aber die steht nicht im Beschlusstext!)

Diese Differenzierung ist wichtig. Sie ist hier auch gemacht worden. Das ist völlig richtig. Das ist neu. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür – ich gebe zu: ein marginales Verständnis –, dass man von Anfang an sagt, eine Beteiligung sei unter allen Umständen ausgeschlossen, weil wir nicht wissen, wann es zu Ende geht. Aber diejenigen, die eine verantwortliche deutsche Außen- und Sicherheitspolitik betreiben wollen, müssen spätestens jetzt erkennen: Die Bundesregierung hat getan, was sie tun konnte. Sie hat eine Perspektive entwickelt, wann der Einsatz zu Ende ist.

Ich bitte Sie alle herzlich, dafür zu sorgen, dass wir diesen Entwicklungspfad der schrittweisen Entscheidungen von London Anfang 2010 bis zum 31. Dezember 2014 gemeinsam verantwortungsvoll gehen. Auf diesem Entwicklungspfad von London 2010 bis Ende 2014 gibt es bestimmte Zwischenstufen.

Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Wichtig ist für mich die Perspektive 2014. Deshalb halte ich es fachlich und sachlich nicht für geboten, Herr Kollege Schmidt, dass Sie jetzt von der Bundesregierung verlangen, zu sagen, was sie im September 2013 machen will, und dass Sie verlangen, dass uns der Verteidigungsminister und der Außenminister sagen, welche Kapazitäten wir im Jahre 2013 brauchen.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: 2011 nicht einmal!)

Ich sage Ihnen ganz offen, Herr Schmidt: Das weiß die Bundesregierung nicht, und ich weiß es auch nicht. Ich weiß aber eines: Auch Sie wissen es nicht. Deshalb ist es völlig unsolide, dies zu tun.

(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Herr Stinner, halten Sie sich zurück!)

Deshalb müssen wir den Pfad verfolgen, den wir gemeinsam in der Koalition beschlossen haben und dem Sie auch zustimmen können.

Ich kann mich sehr gerne auf das beziehen, was ich im vergangenen Monat aus Ihren Reihen gehört habe, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD. Herr Erler hat sich dazu eingelassen, dass er bei einem Besuch in Afghanistan – ich glaube, es war im letzten Herbst – gesehen hat: Jawohl, es hat sich etwas verändert.

Ich habe mit großem Interesse heute das Interview von Herrn Gabriel gelesen. Ich merke, dass das in Ihren Reihen diskutiert wird und dass Sie zu dem Schluss gekommen sind, mehrheitlich diesem Mandat zuzustimmen.

Selbstverständlich wird auch in dieser Bundesregierung darüber diskutiert, was der richtige Weg ist. Es wird auch in dieser Bundesregierung und in dieser Koalition darüber diskutiert, wie die Worte im Mandat gewählt werden sollen. Das machen Sie doch genauso. Wichtig ist aber, wie Helmut Kohl sagte, was am Ende herauskommt.

(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Wie es ausgeht, wissen wir!)

Am Ende kommt heraus, dass das Mandat der Beschreibung entspricht und dass der Außenminister und der Verteidigungsminister heute wortgleiche Sätze vortragen und ein gemeinsames Konzept haben, das sie offensiv nach außen vertreten.

(Beifall des Abg. Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU])

Das müssen wir im Deutschen Bundestag wissen. Darauf haben nicht nur Sie ein Anrecht, sondern auch wir, Herr Mützenich. Wir haben dasselbe Interesse, und wir sehen, dass die Bundesregierung nach Diskussionen hier gemeinsam auftritt. Insbesondere die Soldaten der Bundeswehr, aber auch die Öffentlichkeit haben einen Anspruch darauf, dass die Bundesregierung ein Konzept und einen Gesamtrahmen vorlegt, dass sie innerhalb dieses Gesamtrahmens verantwortungsvoll einzelne Schritte abarbeitet und etwas tut, was in der Vergangenheit nie in der Weise geschehen ist, nämlich in Zwischenberichten kritisch und selbstkritisch zu beobachten und beleuchten, was geschehen ist. Auch das ist im letzten Jahr erstmals geschehen.

Insofern kann ich sagen: Meine Fraktion wird aufgrund dieser Situation diesem Mandat heute in voller Übereinstimmung zustimmen. Es wird einige geben, die sich anders verhalten werden; das wissen wir. Aber wir glauben, dass wir auf einem richtigen Pfad sind. Die Bundesregierung hat erstmals etwas erreicht, das es zuvor nicht gab. Das ist ein Fortschritt. Die Welt in Afghanistan ist nicht schön. Sie kann aber besser werden. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Arnold, da Sie schon am Rednerpult stehen: Normalerweise werden die Redner aufgerufen.

(Rainer Arnold [SPD]: Ich bitte um Entschuldigung! Das Wasser hat mich so gelockt!)

Ich habe Verständnis für Ihren Durst. Aber Sie sollen jetzt reden.

(Heiterkeit – Rainer Arnold [SPD]: Ich bitte um Nachsicht!)

Herr Kollege Arnold von der SPD-Fraktion hat jetzt das Wort.

(Heiterkeit)

Rainer Arnold (SPD):

Herr Präsident, bitte gehen Sie gnädig mit mir um. Ich bitte um Entschuldigung.

Herr Kollege Stinner, Sie haben mit der „entrüsteten Zustimmung“ einen netten Begriff geprägt, der deutlich machen soll, wie Sozialdemokraten dem Mandat zustimmen. Darf ich Ihnen etwas dazu sagen? – Meine Partei kann stolz darauf sein, wie sie mit der ernsten Situation in Afghanistan und dem schwierigen Auftrag der Soldaten umgeht. Ja, wir ringen mit uns – und zwar in der ganzen Breite unserer Partei –, manchmal sogar ein bisschen stellvertretend für unsere Gesellschaft und andere Parteien, denen es guttäte, genauer zu diskutieren. Ich komme noch darauf zurück.

Aus der Diskussion ist bei uns die Erkenntnis erwachsen: Ja, auch im elften Jahr ist der Einsatz in Afghanistan nicht nur in militärischer, sondern vor allen Dingen auch in ziviler Hinsicht notwendig, weil er im Interesse der Welt und damit auch im Interesse Deutschlands liegt. Niemand will sich ausmalen, was in dieser ohnehin schon fragilen Region – unter anderem mit Pakistan als Nachbar und gefährdeten zentralasiatischen Staaten – passieren würde, wenn Afghanistan zum zerfallenden Staat wird. Die Instabilität geht uns daher etwas an. Es ist richtig, unserem Auftrag dort gerecht zu werden. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken: Die Idee, dass die UNO Verantwortung in Afghanistan übernimmt und die Staatengemeinschaft beauftragt, in ihrem Auftrag dort zu handeln, bleibt richtig. Sie darf nicht diskreditiert werden. Das ist für uns genauso wichtig.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Arnold, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stefan Liebich von der Linken?

Rainer Arnold (SPD):

Ja, gerne.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte, Herr Liebich.

Stefan Liebich (DIE LINKE):

Herr Kollege Arnold, Sie haben auf das Ringen innerhalb der SPD hingewiesen. Deshalb möchte ich Ihnen gerne die gleiche Frage stellen wie vorhin dem Bundesaußenminister. Die SPD hat – für die Öffentlichkeit relativ klar – gesagt, dass sie einer Mandatsverlängerung erneut zustimmen wird, wenn diese beinhaltet, dass der Abzug im Jahr 2011 beginnt. Nun habe ich gedacht, dass ich etwas von dieser Bedingung in dem Beschlusstext – ich meine nicht die politische Einbettung –, über den wir abstimmen werden, wiederfinden werde. Ich habe davon nichts wiedergefunden. Deshalb interessiert mich, wie Sie nach Ihrem Ringen zu der Einschätzung gekommen sind, dass Sie nunmehr, nachdem Ihre Bedingung nicht erfüllt wurde, der Mandatsverlängerung zustimmen wollen.

Rainer Arnold (SPD):

Herr Kollege, Sie müssten eigentlich wissen, dass erstens zum Beschluss auch die Begründung gehört und dass das zweitens Beschlusslage der NATO ist, auch die Zielperspektive 2014. Die Amerikaner haben als größter Truppensteller diese Perspektive sehr deutlich aufgezeigt und werden Mitte des Jahres beginnen. Die Karzai- Administration hat ebenfalls dieses Ziel formuliert. Zum Glück liegt es nicht im Ermessen des Bundesministers der Verteidigung, ob wir den Einstieg in den Rückzug schaffen, sondern an der Beschlusslage und in der Einsicht der Staatengemeinschaft. Deshalb bin ich ganz gelassen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir ja nach Hause gehen!)

Die Bundesregierung hat eine Brücke gebaut. Natürlich kann man immer darüber streiten, ob eine Formulierung nicht noch verbessert werden kann. Herr Außenminister, wir könnten uns im Vorfeld von Mandatsdiskussionen durchaus eine größere Gesprächsbasis vorstellen. Da sind wir bisher nicht immer ganz glücklich. Aber dieses Mandat zeigt die richtige Richtung auf.

Im Übrigen, Herr Kollege, ist 2014 das entscheidende Jahr. Dies ist auch nicht konditioniert,

(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das steht auch nicht drin!)

sondern Beschlusslage der Staatengemeinschaft. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Doch, das hat er gesagt: konditioniert!)

– Nein. Ich brauche nicht den Außenminister zu verteidigen.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Da hat der Außenminister etwas anderes erzählt!)

Herzlichen Dank für Ihre Zwischenfrage, Herr Liebich.

Ich komme auf meine Rede zurück. Eines wurde heute schon sichtbar – viele Vorredner haben darauf hingewiesen –: Ein einfaches Weiter-so in Afghanistan würde nicht zum Erfolg führen. London und die folgenden Konferenzen haben doch dazu geführt, dass endlich Ernst gemacht wird, dass alle bei allem mehr tun, dass man nicht mehr auf den anderen wartet, dass er das liefert, was er zugesagt hat. Allerdings ist auch ganz wichtig, dass wir erkennen: Unsere Anstrengungen im Zuge dieser veränderten Strategie brauchen auch das Jahr 2011, um zu greifen. Wir brauchen Zeit dafür. In diesem Jahr wird man sehen, ob die Weichenstellungen in die Richtung führen, die wir uns alle wünschen, nämlich hin zu mehr Stabilität und hin zu mehr Möglichkeiten des Aufbaus.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie aber auch letztes Jahr schon gesagt!)

Ganz wichtig ist auch, dass man bei der London-Konferenz endlich erkannt hat, dass es nicht nur um die Säulen der Stabilität und des zivilen Aufbaus geht, sondern im Zentrum die dritte Säule steht, nämlich der politische Prozess. Dies gilt sowohl für den regionalen Prozess in Afghanistan – dabei können wir uns mehr Aktivitäten der Regierung vorstellen – als auch für den Versöhnungsprozess, den die Gesellschaft in Afghanistan selbstverständlich braucht, damit sie Menschen, die des Geldes wegen bei den Aufständischen schießen, zurückgewinnen kann. All dies sind also vernünftige Entscheidungen.

Interessant ist allerdings Folgendes. Die Debatte, in der wir Sozialdemokraten dies alles vor einem Jahr hier in Berlin diskutiert haben, in der wir definiert haben, dass man im Jahr 2011 den Einstieg schaffen und im Jahr 2014 den Prozess abschließen muss, hat der Bundesverteidigungsminister als leichtsinnig bezeichnet. Dies haben Sie, Herr Minister, in vielen Interviews gesagt. Ist also Obama, ist also die Staatengemeinschaft leichtsinnig? Wie gehen Sie eigentlich mit diesem Thema um? Wenn wir zustimmen, stimmen wir nicht wegen des Verteidigungsministers, sondern trotz des Verteidigungsministers zu.

(Beifall bei der SPD)

Kann man von einem Verteidigungsminister, der erklärt, ihm sei all das wurscht, ernsthaft erwarten, dass er sich anstrengt, dass all das, was wir hier miteinander diskutieren, dann tatsächlich zum Tragen kommt? Herr Minister, um Erfolg in Afghanistan zu haben, ist auch Vertrauen in den Prozess nötig, und zwar bei den Menschen hier in Deutschland und vor allen Dingen bei den Menschen in Afghanistan. Sie müssen wissen, was bei der Verantwortungsübernahme auf sie zukommt. Deshalb darf ein Minister nicht sagen, dieser Prozess und die Frage, ob auf politische Aussagen Verlass sei, seien ihm wurscht.

Herr Minister, Sie selbst haben heute diese drei aktuellen Fälle bei der Bundeswehr angesprochen. Ja, es sind Einzelfälle. Es genügt aber nicht, wenn der Verteidigungsminister auffordert, diese Fälle aufzuklären. Der Verteidigungsminister und kein anderer ist der Verantwortliche für die Aufklärung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Minister, wir haben ja heute Morgen in dem von Ihnen angesprochenen Obleutegespräch miteinander diskutiert. Sie sagen, im Prinzip hätten Sie die Öffentlichkeit richtig informiert, und in den Fällen, in denen das Parlament unvollständig informiert wurde, hätten zwei führende Militärs die Verantwortung übernommen. Jenseits der Frage, wie man die schlechte Informationspolitik ganz genau bezeichnet, ist festzuhalten: Das ist typisch für Ihre Vorgehensweise. Wenn es unbequem wird, legen Sie die Verantwortung anderen auf die Schulter.

(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Jetzt hören Sie doch einmal auf!)

Herr Minister, eine unvollständige Information ist eine Halbwahrheit. Das ist für uns ein sehr ernstes Thema, auch wegen Afghanistan. Wir Sozialdemokraten wollen mithelfen, das über das Thema Afghanistan in der deutschen Gesellschaft diskutiert wird. Wir wollen die Menschen möglichst mitnehmen und ihnen erklären, dass dieser Einsatz richtig und notwendig ist. Das wird uns aber nur dann gelingen, wenn die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck haben, dass wir als Parlamentarier – dabei sind Sie genauso angesprochen wie wir – wissen, über was wir reden, und dass die Bundesregierung uns zeitnah, korrekt und umfassend informiert. Dann schaffen wir Vertrauen in den Afghanistan-Einsatz. Dies hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen leider nicht geleistet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

Entscheidend ist, dass das Vorhaben in Afghanistan gelingt. Ich sehe eine ernsthafte Chance, dass die beschlossenen Maßnahmen in den nächsten Monaten weitere Erfolge zeitigen werden. Afghanistan ist nämlich nicht überall schlecht. Afghanistan muss man sehr differenziert betrachten: Es gibt sehr negative Nachrichten, aber auch Entwicklungen, die Hoffnung und Mut machen. Dies bestätigen die Menschen auch bei den Umfragen in Afghanistan.

Ich sage ganz eindeutig: Könnten wir eigentlich einem Mandat zustimmen, wenn wir nicht eine ernsthafte Chance auf Erfolg sehen würden? Es wäre nicht zu verantworten, Soldaten, denen wir Respekt und Anerkennung schuldig sind, in einen Einsatz zu schicken, wenn wir nicht die Perspektive hätten, dass es am Ende gelingt. Das Gelingen muss man allerdings richtig definieren. Dabei gab es in den vergangenen zehn Jahren das eine oder andere Missverständnis. Gelingen in Afghanistan heißt nicht, militärisch den Terror zu besiegen. Das wird nicht gelingen. Gelingen in Afghanistan heißt, Terror zurückzudrängen, jetzt zunehmend zusammen mit den Afghanen; dort ist man schon so weit. Gelingen in Afghanistan heißt außerdem, die Zeit zu nutzen und den Afghanen zu helfen, damit sie im Jahr 2014 mit den Problemen, die es dort dann selbstverständlich noch geben wird, selbst umgehen können. Das ist das Ziel. Ich glaube, dieses Ziel ist erreichbar. Dass es erreicht wird, ist für uns alle extrem wichtig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Friedrich von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schmidt, ich möchte zunächst einmal in aller Form, aber ganz klar Ihre Unterstellung zurückweisen, der Minister habe hier das Parlament falsch unterrichtet.

(Rainer Arnold [SPD]: „Unvollständig“ hat er gesagt, Herr Kollege!)

– Nein, er hat gesagt, er habe es falsch unterrichtet. Herr Arnold, Sie haben von unvollständig gesprochen. Weder das eine noch das andere ist richtig. – Der Minister hat das Parlament und die Öffentlichkeit vollständig über die Tatsachen unterrichtet, die ihm vorlagen und die bisher ermittelt worden sind.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das kennen wir schon! Das ist nicht das erste Mal!)

Ich möchte insbesondere darauf hinweisen, dass nach dem Tod des jungen Soldaten am 17. Dezember bereits am 18. Dezember in Afghanistan, während der Herr Minister noch vor Ort war, die Unterrichtung erfolgt ist und dass jetzt zunächst einmal die Staatsanwaltschaft ermittelt. Sie versucht, die Tatsachen herauszufinden. Das muss abgewartet werden. Erst wenn das geschehen ist, ist der Zeitpunkt da, an dem der Minister über weitere Tatsachen unterrichten kann. Ich erwarte von einem Minister, dass er das Parlament nicht über Spekulationen unterrichtet, sondern dass er über Fakten spricht. Das hat er zu jedem Zeitpunkt getan.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Friedrich, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Keul?

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Ich erlaube keine Zwischenfrage.

Herr Schmidt, lassen Sie mich noch etwas zu dem Thema AWACS sagen. Die NATO hat beschlossen, die Luftraumüberwachung in Afghanistan zunächst für 90 Tage mit AWACS-Flügen zu verbessern. Der erste Flug hat bereits am 15. Januar stattgefunden. Zurzeit gibt es aber keinerlei Notwendigkeit dafür, dass sich Deutschland mit Personal an diesem Einsatz beteiligt. Insofern ist es auch gar nicht notwendig, dass wir ein Mandat für diesen Bereich erteilen oder darüber diskutieren.

Ich will nun das aufgreifen, was der Kollege Arnold am Schluss gesagt hat. Natürlich müssen wir bei jeder Mandatsverlängerung hier im Deutschen Bundestag auch die Fragen der Öffentlichkeit beantworten. Die eine lautet: Was sind die Abzugsperspektiven? Das ist heute schon erörtert worden. Wir müssen aber auch immer wieder fragen, wie Herr Kollege Arnold es getan hat: Warum sind wir eigentlich in Afghanistan?

Es gilt unverändert das Ziel, das schon vor fast zehn Jahren vonseiten des grünen Außenministers Fischer und des damaligen SPD-Bundeskanzlers Schröder umrissen worden ist: Mit Blick auf die Menschen, die über viele Jahre unter diesem grausamen Regime gelitten haben, ist unbedingt zu vermeiden, dass das Unrechtsregime der Taliban nach Afghanistan zurückkommt.

Kollege Arnold hat auf ein zweites wichtiges Ziel hingewiesen. Afghanistan liegt an einem Knotenpunkt zwischen vier Atommächten: Russland, China, Indien und Pakistan, wobei Pakistan sich in einer außerordentlich schwierigen, höchst fragilen politischen Situation befindet. Es liegt nicht nur im Interesse der Mächte vor Ort, sondern auch im weltweiten Interesse, dass diese Region stabil wird und in Zukunft stabil bleibt.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie tun alles, damit dies nicht der Fall ist!)

Das ist ein entscheidender Punkt. Er hat dazu beigetragen, dass die Völkergemeinschaft – dazu gehören nicht nur die Deutschen, die Amerikaner, die Franzosen und die Engländer – die Entscheidung getroffen hat, mit dem Mandat, das im Oktober vergangenen Jahres noch einmal bekräftigt worden ist, 46 Nationen zu beauftragen, in Afghanistan für die Stabilität zu sorgen, die notwendig ist, um weltweit Sicherheit, also auch in Deutschland, garantieren zu können. Ich glaube, das ist etwas, was man bei der Diskussion um Afghanistan immer wieder in den Vordergrund stellen muss.

Es geht aber auch um die Übergabe in Verantwortung, so wie es im Grunde in London zu Recht als nächster Schritt der Stabilisierung vereinbart worden ist. Diese Übergabe in Verantwortung findet statt. Der Minister hat das, glaube ich, sehr umfangreich ausgeführt.

Oft wird gesagt: Nichts ist gut in Afghanistan. – Es ist vieles in Afghanistan gut geworden. Es ist gut, dass es, nachdem die Schulen zerstört waren und Mädchen und Frauen bis 2001 keinen Unterricht in Schulen erhalten konnten, jetzt gelungen ist, 3 500 Schulen zu bauen, und dass sich die Zahl der Schüler auf 7 Millionen verfünffacht hat, darunter ein Drittel Mädchen. Wir haben heute Morgen in einer langen Debatte gehört, was in Afghanistan alles gut geworden ist. Es ist noch nicht alles gut, und es muss noch an vielem gearbeitet werden, aber vieles ist gut geworden, auch dank unserer Soldatinnen und Soldaten. Ihnen gebührt unser Dank, den wir ihnen immer wieder ausdrücken sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was die Abzugsperspektive angeht: Sie ist sehr konkret und sehr klar.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja?)

Abzug findet in dem Maße statt, wie es möglich ist, Verantwortung auf die afghanischen Kräfte zu übertragen.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Der Gipfel an Konkretheit und Klarheit! Nichts Genaues weiß man nicht!)

Es geht darum, dass eine Armee von 171 000 Soldaten aufgebaut wird. Das wird zu schaffen sein im Rahmen des jetzt zu erteilenden Mandates. Es geht darum, dass 134 000 Polizisten in Amt und Würden eingesetzt werden und ihre Aufgabe wahrnehmen können.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Richtig!)

Das wird sich in den nächsten zwölf Monaten im Rahmen des Mandats realisieren lassen. Dann kommt es auf die Entwicklung vor Ort an.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Auch da: völlig eindeutig und klar!)

Es wäre schön, meine Damen und Herren, wenn Sie sich ein bisschen in die Situation der Bevölkerung von Afghanistan versetzen würden.

(Rainer Arnold [SPD]: Wie oft waren Sie schon da, Herr Kollege?)

Der Außenminister hat heute versucht, Sie ein bisschen in die Gedankenwelt der Menschen einzuführen, die auch durch Gerede im Westen über Abzugsperspektiven und Zeitpunkte verunsichert werden, ohne dass dies davon abhängig gemacht wird, dass Fortschritte erreicht wurden und die Sicherheit der Menschen dort gewährleistet ist. Das muss das entscheidende Kriterium sein. So gehen wir auch vor.

Wir stehen hinter dem Einsatz unserer Soldaten, die mit sehr viel persönlichem Engagement und persönlichem Risiko, aber auch mit hoher Professionalität dort agieren. Angesichts dessen, dass sich die Soldaten dort mit der Kultur des Landes und dem Denken der Menschen auseinandersetzen, merkt man, dass sie ihre Aufgabe verinnerlicht haben und sie ernst nehmen, eine Aufgabe, die dem Frieden und der Freiheit der Menschen dort und in der ganzen Welt dient.

Ich bin sehr froh – das möchte ich ausdrücklich in Richtung der Sozialdemokraten sagen –, dass es uns über die Grenzen der Koalition hinaus gelingen kann, eine Zustimmung zu diesem Mandat zu bekommen; denn wir müssen bei allem innenpolitischem Hickhack, das zwischen Regierung und Opposition notwendig ist, gemeinsam an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, festzustellen, was die sicherheits- und außenpolitischen Interessen unseres Landes sind. Das muss über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg möglich sein. Insofern bedanke ich mich für die verantwortungsvolle Debatte, die vonseiten der Sozialdemokraten geführt wird. Ich hoffe, dass wir am 28. Januar, wenn es zur Abstimmung kommt, als Demokraten zusammenstehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin Katja Keul von Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte schön.

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Herr Kollege Friedrich, Sie hatten zu Beginn Ihres Debattenbeitrags gesagt, die Opposition beschwere sich zu Unrecht, dass das Parlament falsch über den Vorfall vom 17. Dezember informiert worden sei. Das sei möglicherweise lediglich unvollständig, aber nicht falsch gewesen. Ich möchte Sie daher darüber aufklären, dass es in dem Wortlaut der Unterrichtung des Parlaments vom 21. Dezember dazu wörtlich heißt:

Am Abend des 17.12.2010 wurde in einem Außenposten des PRT in Pol-i-Khumri ein deutscher Soldat mit einer Schusswunde aufgefunden.

Uns wurde dazu erklärt, es habe sich dabei möglicherweise um einen Unfall beim Reinigen einer Schusswaffe gehandelt.

Wenn davon gesprochen wird, dass jemand aufgefunden worden ist, dann wird damit etwas anderes angedeutet, als dass jemand in Anwesenheit von zehn Augenzeugen durch Fremdverschulden zu Tode gekommen ist. Zu dem Zeitpunkt, als wir diese Unterrichtung bekommen haben, wusste Minister Guttenberg bereits – das hat er inzwischen erklärt –, dass es sich um ein Fremdverschulden und nicht um ein Eigenverschulden handelte. Was ist das also anderes als eine Fehlinformation?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falschinformation!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Kollege Friedrich zur Erwiderung. – Bitte schön.

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):

Liebe Frau Kollegin, ich weiß nicht, ob Sie hin und wieder auch die Zeitung lesen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zeitung?)

Ich habe bereits am 18. Dezember in der Zeitung gelesen – das wurde auch von keiner Seite bestritten –, dass der Soldat durch Fremdeinwirkung zu Tode gekommen ist. Was wollen Sie denn noch?

(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Dass wir völlig anders informiert wurden!)

Die deutsche Öffentlichkeit ist insgesamt über diesen Umstand der Fremdeinwirkung unterrichtet worden.

(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das ist völlig belanglos! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann am 21. so eine Unterrichtung?)

Dass natürlich Einzelheiten, die am Ende auch strafrechtlich relevant sein können, zunächst von der Staatsanwaltschaft untersucht werden und dass man zunächst einmal in internen, nur für den Dienstgebrauch vorgesehenen Dokumenten der Sache nachgeht, ist doch eine Selbstverständlichkeit.

(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Lenken Sie jetzt nicht ab!)

Ich erwarte auch, dass wir den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen, sondern ihr Raum geben, das zu tun, was ihre Aufgabe ist. Darauf kommt es an. Das alles ist erfolgt. Insofern gibt es da keine Versäumnisse.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Was reden Sie denn für einen Unsinn?)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich das Wort dem Kollegen Philipp Mißfelder von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Philipp Mißfelder (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich werbe, wie meine gesamte Fraktion und die Kolleginnen und Kollegen der Liberalen, für eine möglichst breite Unterstützung dieses Hauses. Wir haben den Einsatz auch in verschiedenen Ausprägungen von Mandaten durchweg unterstützt. Aber wir haben auch immer ein Fragezeichen hinter die Grundsatzentscheidung gesetzt, durch die dieser Einsatz zustande kam.

Zumindest für die diejenigen in der Union, die sich damit heute im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik federführend beschäftigen, kann ich hier feststellen: Unsere Aufgabe ist es jetzt nicht, den Einsatz auszuweiten, sondern unsere Aufgabe ist es jetzt, einen Einsatz, der kopflos mit einem Einmarsch begonnen hat, heute besonnen zu Ende zu führen. In diesem Spagat bewegt sich auch dieses Mandat.

Die schwierige Aufgabe, die sich stellt, ist natürlich der schwierigen Situation in Afghanistan geschuldet, aber auch den früheren Versäumnissen. Für Einsätze, die dieses Haus vielleicht zukünftig beschließt, ist es demnach eine wichtige Sache – das betrifft uns alle hier, aber insbesondere natürlich die Fraktionen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung die Regierungsverantwortung tragen –, sich zu Beginn eines Einsatzes deutlich vor Augen zu führen, welche Exit-Strategie man hat und unter welchen Konditionen man wieder aus der Aufgabe herauskommt.

(Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Auch das Ende bedenken!)

Das ist eine der wichtigen Lehren, die man bereits heute aus dem Afghanistan-Einsatz ziehen kann. Das hätte man bei dem Mandat damals schon bedenken können.

(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Da hat er recht! Heftiger Applaus bei der CDU/CSU!)

Ich war überrascht, dass vorhin kritisiert worden ist, dass es in der heutigen Plenarsitzung zwei Debatten zu Afghanistan gibt. Herr Schmidt hat gesagt, man hätte das irgendwie zusammenfassen können. Wenn das so gesehen wird, können wir uns eigentlich die Debatte in der nächsten Woche sparen.

Am 16. Dezember letzten Jahres haben wir den Fortschrittsbericht diskutiert. Heute morgen haben wir ausführlich und unter großer Beteiligung über den zivilen Aufbau diskutiert, und jetzt diskutieren wir in erster Lesung über das Mandat. Diese Diskussion werden wir in der nächsten Woche fortsetzen. Ich finde es gut – ich glaube, dass das zur Demokratie und gerade auch unserer parlamentarischen Tradition gehört –, dass bei einer so schwierigen Fragestellung wie der der Entsendung von Soldaten ins Ausland das Parlament sich fortlaufend mit allen Aspekten beschäftigt und so ein Höchstmaß an Transparenz der Entscheidungsfindung gewährleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Von Herrn Arnold wurde gesagt, er würde sich mehr regionale Kooperation und auch politische Initiativen in dieser Hinsicht wünschen. Es hat in den vergangenen zwölf Monaten starke Initiativen gegeben! Die Wahrheit ist doch, dass es heute kaum eine außenpolitische Diskussion gibt, die wir als Politiker bzw. als Parlamentarier mit Partnern und Freunden, auch mit strategischen Partnern im Ausland, führen, in der nicht über die Frage von Afghanistan gesprochen wird. Selbstverständlich spielt das bei nahezu allen wichtigen internationalen Konferenzen eine große Rolle. Die Deutschen sind dabei führend. Es wird auch wahrgenommen, dass unser Strategiewechsel Erfolg hat.

Gerade das, was wir Deutsche in den Bereichen Ausbildung und ziviler Wiederaufbau leisten, wird weltweit anerkannt und mit Respekt bedacht, gerade von unseren Partnern in der NATO.

Wie erklären Sie sich sonst, dass Länder, die eigentlich angekündigt hatten, dass sie aufgrund des innenpolitischen Drucks nicht mehr mitmachen wollen, jetzt sagen: „Wir unterstützen die von den Deutschen ausgegebenen Ziele, und deshalb sind wir bereit, uns weiterhin an dem Einsatz zu beteiligen und ihn zu unterstützen“? – Für ihre Unterstützung bedanke ich mich natürlich bei diesen Ländern.

Es ist von daher wichtig, hier ein kraftvolles Zeichen zu setzen. Ich hoffe, dass wir mit einer großen Mehrheit in der nächsten Woche das Mandat verlängern. Damit untermauern wir den Strategiewechsel und vergrößern unsere Erfolgsaussichten in Afghanistan.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/4402 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 85. Sitzung Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 (Plenarprotokoll 17/85), S. 9603-9618


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