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Urteil des Internationalen (inoffiziellen) Tribunals über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien
Wir dokumentieren im Folgenden das Urteil des Internationalen Tribunals im vollen Wortlaut. Die umfangreiche Anklageschrift ist hier aufzurufen:
Anklageschrift gegen die NATO
Das Urteil vom 3. Juni 2000 im Wortlaut:
Schuldig durch den Angriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien vom 24.März bis
10. Juni 1999 der schweren Völkerrechtsverletzung
-
wegen Verstoßes gegen das absolute Gewaltverbot gegen Art. 2 Ziff.4 UNCH,
Verletzung der territorialen Souveränität an Prinzipiendeklaration i. V. mit dem
Aggressionsverbot der UN Res. 3314...
Ohne von der BRJ angegriffen zu sein und unter bewusster und zielgerichteter
Umgehung eines Mandats des UN Sicherheitsrates nach Art. 39, 42, 53 UNCH haben
die Staaten der NATO einen souveränen Staat militärisch angegriffen, was ein
schwerer Verstoß gegen geltendes zwingendes Völkerrecht bedeutet.
Diese Aggression war auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass es sich - wie sich
die Bundesrepublik. Deutschland und andere Regierungen der NATO eingelassen haben
- um einen Akt der Nothilfe mittels einer sog. humanitären Intervention handelte.
Abgesehen davon, dass es im geltenden Völkerrecht nur eine Nothilfe für einen
angegriffenen Staat im Rahmen des Art. 51 UNCH gibt, was hier nicht vorlag -,
ermangelte es nach Ansicht des Tribunals, die es sich nach intensiver
Auseinandersetzung mit den vorgelegten Beweismitteln und den Vorträgen der
Sachverständigen gebildet hat, schon der tatsächlichen Voraussetzungen einer
solchen humanitären Intervention. Das Tribunal ist zu der Überzeugung gelangt,
dass es eine humanitäre Katastrophe, wie sie insbesondere von den deutschen
Ministern Fischer und Scharping beschworen worden ist, nicht gegeben hat. Zwar
hat der vor allem im Kosovo zwischen den separatistischen Verbänden der UCK und
der jugoslawischen , Polizei und Armee entbrannten Bürgerkrieg zu großen
Verlusten an Menschenleben auf beiden Seiten, Zerstörung von Häusern und
Ortschaften und Vertreibungen von Menschen und zwar sowohl Albaner, wie Serben,
Kroaten und Roma sowie zu Menschenrechtsverletzungen geführt. Diese
beklagenswerten Opfer rechtfertigen jedoch nicht die ganz außergewöhnliche
Charakterisierung einer ähumanitären Katastrophe". Die NATO und ihre Regierungen
konnten zahlloser Übertreibungen, Dramatisierungen und Verfälschungen überführt
werden.
Aber selbst wenn das Tribunal - was es nicht tut - die Situation einer
"humanitären Katastrophe" in den Jahren 1998 und 99 vor der Bombardierung
annehmen würde, ergäbe dies noch nicht die Legitimation für eine militärische
Intervention derart, wie sie die NATO unternommen hat. In der Praxis der Staaten,
die das Völkergewohnheitsrecht begründet und in der ganz überwiegenden Meinung
der Völkerrechtslehre, ist die humanitäre Intervention nicht als eine Institution
anerkannt, die eine Ausnahme vom absoluten Gewaltverbot erlaubt. Es gilt nach wie
vor, was der IGH im Rechtsstreit Nikaragua gegen die USA in seinem Urteil von
1986 zur humanitären Intervention gesagt hat.: "Die Anwendung von Gewalt kann
keine geeignete Methode sein, die Achtung der Menschenrechte zu überwachen oder
zu sichern. Hinsichtlich der angegriffenen Maßnahmen (ist festzustellen), dass
der Schutz der Menschenrechte , ein strikt humanitäres Ziel, unvereinbar ist mit
der Verminung von Häfen, der Zerstörung von Ölraffinerien... Das Gericht kommt zu
dem Ergebnis, dass das Argument, das von der Wahrung der Menschenrechte in
Nikaragua hergeleitet wird, keine juristische Rechtfertigung für das Verhalten
der USA liefern kann."
An diesem Stand des Völkerrechts hat sich entgegen der Behauptungen so mancher
bis heute nichts geändert.
Aber auch für den Fall, dass man von der humanitären Intervention als
gerechtfertigter Ausnahme von dem absoluten Gewaltverbot ausgeht - was das
Tribunal nicht tut - kann man nicht davor die Augen verschließen, dass die NATO
ihr angestrebtes Ziel der Wiederherstellung erträglicher
Menschenrechtsverhältnisse nicht nur nicht erreicht hat, sondern die ohnehin
prekäre Situation noch dramatisch verschlechtert hat. Die Zahl der Flüchtlinge
und Vertreibungen wie die der Toten, Verletzten und ihres ganzen Hab und Guts
Beraubten ist mit Beginn der Bombardierungen um ein Vielfaches gestiegen. Hierfür
bleibt die NATO dem jugoslawischen Volk voll verantwortlich. -
Die Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien durch die NATO hat aber auch
den NATO-Vertrag selbst gebrochen. Nach Artikel 5 ist die ausschließliche
Funktion der NATO die Verteidigung, nicht aber die militärische Intervention in
Regionen des Bürgerkriegs und innerstaatlichen Auseinandersetzungen. Zur
Prävention oder nachträglicher Befriedung krisenhafter Gebiete stehen dem Staate
vielfältige friedliche politische und ökonomische Instrumente im Rahmen der UNO
und der OSZE zur Verfügung, die aber bewusst umgangen worden sind. Der
NATO-Vertrag gibt kein Mandat für eine militärische Intervention außerhalb der
Verteidigung des Bündnisgebietes.
-
Darüber hinaus hat sich insbesondere die Bundesrepublik Deutschland einer
Verletzung des 2 plus 4 Vertrages schuldig gemacht, indem sie sich noch 1990 dazu
verpflichtet hat, dass von ihrem Gebiet nie wieder ein Krieg ausgehen werde und
sie alle militärischen Maßnahmen nur in voller Übereinstimmung mit den
Vorschriften der UNO Charta vornehmen werde. Diese Verpflichtung hat sie mit
ihrer maßgeblichen Beteiligung am Jugoslawien-Krieg bewusst gebrochen.
-
Das Tribunal ist ferner der Ansicht, dass die von der Anklage vorgetragenen
Verletzungen des Grundgesetzes und des deutschen Strafgesetzes durch die
Bundesregierung vorliegen. Dies hat auch der Vortrag des Sachverständigen
bestätigt. Desgleichen lassen gute Gründe die Verletzung des Soldatengesetzes
durch die Bundeswehr als wahrscheinlich erscheinen. Das Tribunal sieht sich
jedoch durch den rechtlichen Rahmen, den das Statut ihm vorgibt, daran gehindert,
zu diesen Rechtsverletzungen einen Schuldspruch auszusprechen. Es möchte diesen
Komplex jedoch weiteren Untersuchungen und Tribunalen für die Rechtsordnung aller
beteiligten Länder (Deutschland, Frankreich, England, Italien) übertragen und
dazu aufrufen, die Suche nach der Wahrheit dieses Krieges nicht für beendet zu
erklären, sondern weitere Untersuchungen zu veranlassen und selbst
voranzutreiben.
-
Schließlich möchte das Tribunal seiner Befürchtung Ausdruck geben, dass der
Krieg gegen Jugoslawien in der Formulierung des neuen Strategiekonzeptes vom
April 1999 eine geostrategische Bedeutung erlangt hat, die ihn weit über den
Balkan hinaus in den euroasiatischen Raum hinaus zu einem Modell zukünftiger
militärischer Weltordnung macht. Um eine solche Globalisierung militärisch
imperialer Instrumente zu verhindern, ist es unbedingt notwendig, Vorbedingungen,
Zielsetzungen und Auswirkungen des Krieges gegen Jugoslawien weiter zu
untersuchen und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf die mögliche geostrategische
Perspektive zu lenken.
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Das Tribunal ist nach umfangreichen Zeugenaussagen und Gutachten von
Sachverständigen zu der Überzeugung gekommen, dass die Kriegsführung der
Angeklagten in schwerem und widerholtem Maße gegen das humanitäre Völkerrecht
verstoßen hat, wie es im Statut des Tribunals zu Grunde gelegt worden ist. Das
Tribunal hat intensiv diskutiert, ob die Verantwortlichkeit für die
völkerrechtswidrige Kriegsführung die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
ebenso trifft, wie die Regierungsmitglieder, die die kontinuierliche Ausweitung
der Bombardierung von ursprünglich rein militräischen Zielen auf zivile Objekte
(sog.Drei-Stufen-Plan) angeordnet haben. Die Mitglieder des Tribunals konnten
allerdings nicht an der Tatsache vorbeisehen, dass die Abgeordneten,
selbst wenn sie auch nicht an den Kriegsentscheidungen beteiligt waren,
dennoch nichts unternommen haben, die groben Rechtsverstöße zu verhindern, als
sie die Auswirkungen der Bombardierungen erkannten.
-
Das Tribunal konnte sich nicht von der Verteidigung der NATO und ihrer
Regierungen überzeugen, dass es sich bei den schweren Beschädigungen an
zivilen Objekten lediglich um unbeabsischtigte Kollateralschäden gehandelt
hätte. Alle Zeugen und Sachverständigen bestätigten, dass die Kliniken, Dörfer
oder die Radiostation RTS mehrmals angegriffen worden seien, was bei der
immer wieder hervorgehobenen Präzision der Bomben und Lenkwaffen nicht auf
Irtümer zurückzuführen ist. Die Anklagevertretung hat genügend
Stellungnahmen hoher Militärs und Regierungsbeamten vorgelegt,die den
strategischen Plan der Zerstörung ziviler Einrichtungen belegen, um die
Bevölkerung unter Druck zu setzen, sich der Regierung Milosevic auf die eine oder
andere Weise entgegenzustellen. Lediglich im Falle des Luftangriffs auf
das Dragisa Misovic Krankenhauszentrum in Belgrad (Anklagepunkt 3) konnten
keine Beweise für wiederholte Bombardierung vorgelegt werden. Dafür
berichtete jedoch der Zeuge Sumkar von mehreren Angriffen auf sein
Krankenhaus in Belgrad.
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Das Tribunal konnte sich auch davon überzeugen, dass keines der in der
Anklage aufgeführten und zusätzlich von den Sachverständigen und Zeugen
benannten zivilen Objekte militärische Einrichtungen beherbergte oder sich
in unmittelbarer Umgebung eines solchen befand. Nur in einem Fall wurde von
einer Polizeiakademie in etwa 600 bis 800 m Entfernung berichtet - das bombardierte
Krankenhaus war jedoch durch Rotkreuzzeichen auch aus der Luft kenntlich.
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Die Verhandlungen haben ergeben, dass die von der Anklage ausgewählten
Beispiele von Angriffen auf zivile Objekte nur exemplarisch sind für eine
Kriegsführung die offensichtlich in ihrer 3. Stufe planmäßig die
Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft zog, um ihr politisches Ziel der
Beseitigung der Regierung von Präsident Milosevic zu erreichen. Diese
Kriegsführung verstößt eindeutig gegen zentrale Vorschriften der Genfer
Konventionen von 1949 unfd der Zusatzprotokolle von 1977.
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Ein besonders schwerer Verstoss ist die Verwendung abgereicherten Urans
und sog. Streubomben. Nach aktuellen Angaben soll die NATO etwa 10 to
abgereicherten Urans über Jugoslawien abgeladen haben. Nach den Erkenntnissen
die die Benutzung derartigen Materials im Irag durch die Vereinigten Staaten
und Großbritannien erbracht haben, bedeutet dieses Waffenerbe eine Zeitbombe
an Gesundheitschäden, welches in seinem ganzen Ausmaß noch nicht
überschaubar ist. Derartige Waffen sind nach den Geboten der Vermeidung
unnötiger und langandauernder Leiden und dem Verbot unterschiedslos wirkender
Waffen absolut unzulässig. Ihr Gebrauch stellt eine schwere Verletzung des
humanitären Völkerrechts der Genfer Zusatzprotokolle dar. Das gleiche gilt für
die so genannten Streubomben, deren am Boden noch liegenden und bisher noch nicht
explodierten Reste wie Minen wirken und absolut verboten sind. Beide
Waffenarten stehen zusätzlich unter dem Verbot giftiger und besonders
grausamer Waffen.
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Der Angriff auf die Radiostation RTS stellt über den verbotenen Angriff
auf ein ziviles Objekt - welches, wie der Zeuge bestätigte, niemals für
militärische Kommunikation verwendet worden ist - einen Eingriff in die
Informationsfreiheit dar. Es war eines der von der NATO mit Fortschreiten
der Bombardierung immer stärker in den Vordergrund gerückten Ziele, nicht
nur die jugolsawische Bevölkerung sondern auch die Zuschauer im Ausland
von den Informationen der jugoslawischen Regierung abzuschneiden. Die Frage
der Objektivität derartiger Informationen ist dabei nicht von Bedeutung und wird
sich im Endeffekt auch kaum anders beantworten lassen wie bei der
Information durch die NATO und die Sender der NATO-Staaten.
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Das Tribunal ist sich bewusst, dass die von der Anklage vorgestellten und
die in der Verhandlung ergänzend hinzugekommenen Fälle nur ein Ausschnitt
aus einem kriegerischen Szenario von 78 Bombentagen ist, welches sich mit
der zunehmenden Erkenntnis von seiner Erfolglosigkeit immer mehr von den
Gesetzen des humanitären Völkerrechts entfernte und letztlich Gewalt vor
Recht setzte. Dass die Propaganda der NATO soviele Menschen zu einer passiven
wie auch aktiven Unterstützung dieses gesetzlosen Krieges verführte ist ein
besonders trauriger Aspekt. Wir können auch nicht unerwähnt lassen, dass
zahlreiche Nachbarstaaten Jugoslawiens wie Makedonien, Bulgarien, Rumänien,
Albanien Bosnien-Herzegowina u.a. sich durch die Gewährung von
Überflugrechten, der Zurverfügungstellung von Stützpunkten u.ä. zumindest der
Beihilfe zu den Rechtsver4stößen schuldig gemacht haben.
Dieses Tribunal darf nicht den Abschluss der Bemühungen um die Wahrheit über den
Krieg gegen Jugoslawien bilden. Zu schwer und noch vollkommen ungelöst sind die
Probleme, die dieser Krieg der ganzen Region gebracht hat. Nicht nur die
physischen und materiellen Schäden sondern auch die psychischen Verwundungen, die
Demütigungen müssen weiter erforscht und der Öffentlichkeit deutlich gemacht
werden.Dieser Krieg darf nicht das Modell für einen neue Weltordnung abgeben. Wir
müssen endlichen den Politikern und Militärs klar machen, dass mit Krieg weder
Menschenrechte noch die Zivilisation zu retten ist, dass Krieg kein Mittel der
Politik mehr sein darf.
Anklageschrift gegen die NATO
Presseerklärung zum Abschluss des Tribunals
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