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Wieder mal auf dem Weg zum Platz an der Sonne

Notizen zur "Koalitionsvereinbarung CDU, CSU und SPD: AG Auswärtiges, Verteidigung, Entwicklungspolitik und Menschenrechte"

Vom Büro Alexander Neu, MdB Die Linke

Der folgende Text aus dem Büro des Bundestagsabgeordneten Dr. Alexander Neu bezieht sich auf den außen- und sicherheitspolitischen Teil der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD (Stand: 19.11.2013).

Präambel/Deutschlands Zukunft in Europa/Transatlantische Partnerschaft & NATO

Bereits in der Prämisse wird deutlich, dass die Koalition Deutschland weiterhin zu einem Global Player aufwerten will. Der explizit formulierte globale Gestaltungsanspruch wird mit der klassischen Formel legitimiert: „Deutschland stellt sich seiner Verantwortung“. Die „Verantwortung“ wird ebenso quasi-axiomatisch formuliert, wie die eindimensionalen Instrumente zur Wahrnehmung derselben: anachronistische Machtpolitik – auch mit militärischen Mitteln zur Sicherung deutscher Interessen. Die Ambitionen, Deutschland zu einem Global Player zu befördern, stehen nicht im Widerspruch zur ebenfalls beteuerten Bündnissolidarität und der EU-Integration. Deutschland als dominantes Mitglied nutzt die gemeinsame ökon. Kraft der EU als machtpolitisches Vehikel. Die US-dominierte NATO hat für Deutschland eine doppelte Funktion:

Erstens: Nicht den Eindruck entstehen zu lassen, Deutschland verfolge erneut einen „Sonderweg“. Die Mitgliedschaft im Bündnis sowie in der EU ist somit auch eine Art „Beruhigungspille“ für die Nachbarn.

Zweitens: In den Fällen, in denen sich die geo-strategischen und geo-ökonomischen Interessen Deutschlands mit den Interessen führender NATO-Staaten decken, operiert man gemeinsam.

Die enge Anbindung der EU an die USA in Form des anvisierten Freihandelsabkommens macht diesen Wirtschaftsraum zum potentesten der bislang bestehenden als Antwort auf die ökon. Entwicklung Südost-Asiens und der BRICS-Staaten. Darüber hinaus schafft sie eine weitere, nämlich nicht-militärische, transatlantische Bindung neben der bisherigen sicherheits- und militärpolitischen Bindung (NATO). Dieser Aspekt erscheint umso wichtiger, als dass die Formeln von „gemeinsamen Werten“ sich als substanzarm und zunehmend -ärmer erweisen – zumal die „Werte“-Verhaftung (bspw. Menschenrechte) westlicher und auch nur deutscher Außenpolitik in erster Linie die Verfolgung nationaler Interessen moralisch überdecken soll.

Russland

Die neue Große Koalition will die Modernisierungspartnerschaft mit Russland erneuern (230-236), den Petersburger Dialog ausbauen (237-239), die genehmen Teile der Zivilgesellschaft fördern (239-244), die Visafreiheit ausbauen (250-251), auf Einhaltung der WTO-Verpflichtungen drängen (248-249), mehr Kohärenz in der EU-Politik gegenüber Russland (254-260) und von Russland mehr Engagement in der Transnistrienfrage (261-264).

Die von der vergangenen Großen Koalition vor allem auf Druck der SPD aus der Taufe gehobene Modernisierungspartnerschaft galt in den vergangenen Jahren als ins Stocken geraten. Unterschiedliche Vorstellungen [1] erschwerten die Zusammenarbeit. Durch Verständigung sollen diese Probleme nun gelöst werden. Grundlegend ist das schwammig formulierte Anliegen zu begrüßen – wobei generell auf einen deutschen Technologietransfer zu setzen ist.

Das Forum des Petersburger Dialogs hatte zuletzt mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen. Eine Ausweitung des deutsch-russischen Dialogs ist generell zu begrüßen, wobei wir auf eine Partnerschaft auf Augenhöhe setzen und nicht eine Unterordnung anstreben, wie es einige Hardliner in CDU und SPD wollen.

Teile der deutschen Außenpolitik setzen mittelfristig auf neue liberale Kräfte aus der erstarkten Mittelschicht, da die alten Liberalen (z.B. Kasparow) gesellschaftlich vollkommen marginalisiert sind. Die Linke sollte sich nicht solchen Forderungen anschließen und besser den Dialog mit den gesellschaftlich relevanten Kräften der KPRF sowie der Partei ‚Gerechtes Russland‘ suchen.

Die russische Forderung nach einer umfassenden Visafreiheit will die neue Koalition weiterhin nicht erfüllen, signalisiert aber ein Entgegenkommen mit der Lockerung der Visaregeln. Zum Ausbau der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sollte die Linke die Forderung nach Visafreiheit unterstützen.

Im Sommer 2012 trat Russland der WTO bei, genießt den erleichterten Zugang zu neuen Märkten, hält sich aber nicht an die Liberalisierungsdogmen dieser Organisation. Die Linke sollte sich gegen das Drängen auf Einhaltung der WTO-Regelungen aussprechen.

Gemeinsame Projekte Russland-EU sind in den vergangenen Jahren vor allem an den atlantischen Regierungen Litauens, Polens, Rumäniens und Großbritanniens gescheitert. Projekte wie im „Meseberg-Memorandum“ niedergeschrieben gelten mittlerweile als gescheitert. Zerwürfnisse innerhalb der Regierung Merkel [2] haben dabei auch nicht geholfen. Eine kohärente Außenpolitik gegenüber Russland sollte die Linke unterstützen. Die Kohärenz sollte dabei aber bei der Bundesregierung anfangen, beim Weimarer Dreieck [3] weitergehen und generell auch in der EU anzustreben sein.

Im Meseberg-Rahmen strebten die russische und die deutsche Regierung 2010 eine Lösung des seit über 20 Jahren schwelenden Transnistrienkonfliktes in Moldawien an. Durch Blockaden in der EU sowie deutsches Nichtstun liefen die jüngsten Konfliktlösungsbemühungen ins Leere. Die Linke sollte auf ein engagiertes Einsetzen Deutschlands in der Transnistrienfrage drängen. Der Meseberg-Rahmen, welcher eine nachhaltige Lösung dieses Konfliktes vorsah, ist zu begrüßen und sollte wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden.

„Neue Dynamik für Abrüstung und Rüstungskontrolle“

Der Abschnitt enthält eine korrekte Erkenntnis – nämlich, dass Abrüstung und Nichtverbreitung von Waffensystemen wesentlich zum Frieden beitragen. Die Koalitionäre in spe treten jedoch ausschließlich formal für eine weltweite Abrüstung und Rüstungskontrolle von konventionellen und Massenvernichtungswaffen ein. Als Zwischenschritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt will sich die Koalition dafür einsetzen, die „Rolle“ von Nuklearwaffen zu „reduzieren“ – daraus abgeleitet wird ein Anspruch auf deutsche Teilhabe an strategischen Diskussionen und Planungsprozessen. Die Koalitionäre wollen, dass Verhandlungen zwischen den USA und Russland aufgenommen werden zur vollständigen Abrüstung im substrategischen Bereich – also der taktischen US-Atomwaffen, die in einigen europäischen Staaten, u.a. in der BRD (Büchel) stationiert sind und z.B. von deutschen Tornados abgeworfen werden können. Im Bereich konventioneller Abrüstung setzt man sich für eine Modernisierung der Rüstungskontrollarchitektur in Europa ein. Deutschland soll regionale Abmachungen zu massenvernichtungswaffenfreien Zonen unterstützen.

Die Koalition will sich zudem im internationalen Bereich für eine Implementierung des UN-Kleinwaffenabkommens einsetzen. Deutschland selbst soll die Konvention umsetzen, indem „alle im nichtstaatlichen Bereich in Deutschland gehandelten und geführten sowie für den Export vorgesehenen“ vom ATT umfassten Klein- und Leichtwaffen mit unauslöschlichen Markierungen versehen werden, um eine Nachverfolgbarkeit zu ermöglichen. Diese Regelung soll also ersichtlich bspw. für Ausstattungsgegenstände der Bundeswehr nicht gelten.

Exporte „dual use“-fähiger chemischer Substanzen und Anlagen in Nicht-CWÜ-Staaten sollen einer besonders strikten Kontrolle unterzogen werden.

Und die Koalition will sich einsetzen für eine vollständige Implementierung des ‚Open Skies‘-Vertrags –gewährleistet werden soll das durch verfügbare Beobachtungsplattformen; dazu soll eine deutsche ‚Open Skies‘-Fähigkeit geschaffen werden. (Zeilen 265-306)

Das Plädoyer der zukünftigen Koalitionspartner für eine weltweite Abrüstungspolitik bleibt formal.

Gefordert wird nicht etwa der umgehende weltweite Verzicht auf Nuklearwaffen oder ggf. auch einseitige Abrüstungsbemühungen. Die stattdessen erhobene Forderung nach einer deutschen Teilhabe an strategischen Diskussionen und Planungsprozessen steht ganz im Sinne des immer vehementer erhobenen Anspruchs, international eine herausgehobene Rolle zu spielen. Die Forderung nach Verhandlungen zwischen Russland und den USA bzgl. der substrategischen Nuklearsysteme bleibt noch hinter einer Initiative der letzten Bundesregierung zurück, in der Westerwelle sich zusammen mit anderen europäischen Außenministern bereits für einen (einseitigen) Abzug dieser substrategischen Waffen der USA aus Europa eingesetzt hatte. Auch mit Blick darauf ist die angekündigte Initiative für den Abschluss regionaler Vereinbarungen zu massenvernichtungswaffenfreien Zonen heuchlerisch – ein Abzug der in Deutschland stationierten Waffen wird nicht gefordert.

Die Positionierung in Hinblick auf Klein- und Leichtwaffen ist unzureichend und inkongruent: Es wird nicht auf weitere Exporte verzichtet, sondern allein eine Markierung verlangt, um eine Nachverfolgbarkeit zu ermöglichen (und auch das nur bzgl. der nicht von deutschen staatlichen Stellen genutzten Waffen). Die meisten Opfer bewaffneter Gewalt werden mit Klein- und Leichtwaffen getötet. Deutschland als eine der größten Exportnationen exportiert diese auch laut dem neuesten Rüstungsexportbericht weiterhin weltweit breit. Es ist nicht ersichtlich, dass die zukünftige Bundesregierung Anstrengungen unternehmen soll, daran etwas zu ändern.

Wir fordern ein Ende aller Waffen- und Rüstungsgüterexporte Deutschlands. Wir fordern eine nötigenfalls auch einseitige Abrüstung von Nuklearwaffen, und einen Abzug in Deutschland stationierter Systeme. Darüber hinaus fordern wir den aktiven Einsatz für eine Nichtverbreitung unbemannter Systeme (u.a. Kampf- und Spähdrohnen), u.a. weil hierdurch eine neue Rüstungsspirale in Gang gesetzt wird.

„Mit Partnern und im Dialog weltweit“

Die neue Koalition will sich weltweit für „Sicherheit und Frieden“ einsetzen, strategische Partnerschaften „konsequent fortentwickeln“, den G8-Gipfel 2015 „zu einem Erfolg führen“ und sich im G20-Format konsequent engagieren. (307-319)

Durch so genannte „Strategische Partnerschaften“ mit Groß- sowie Mittelmächten und Schlüsselpartnern in einigen Weltregionen versuchen die deutschen Regierungen der vergangenen 15 Jahre eine Großmachtrolle für Deutschland zu etablieren, da ein UN-Sicherheitsratssitz der BRD weiterhin verwehrt bleibt.[4] Solcherlei Bündnisse gehen meist mit einem Ausbau der bilateralen Handelsbeziehungen und einer vertieften Militärkooperation einher.

Dass eigentlich seit mehreren Jahren schon totgeglaubte Forum der G8-Staaten scheint im neuen Koalitionsvertrag lebendig wie schon lange nicht mehr. Konkretes bleibt dabei aus. Das G20-Forum, welches seit dem Beginn der aktuell anhaltenden Weltwirtschaftskrise zum eigentlichen Großmächte-Format geworden ist, wird interessanterweise erst nach dem G8-Format erwähnt. Da die G20 den politischen Ambitionen einiger Staaten des globalen Südens mehr Rechnung trägt, stellt das einen Rückschritt dar.

Die Linke lehnt alle wie auch immer gearteten Großmächte-Foren ab. Globale Probleme sollten in dem größtmöglichen internationalen Rahmen besprochen werden. Militärpartnerschaften und ökonomische Bündnisse die lediglich auf ein Freihandelsdogma setzen sind ebenso politisch abzulehnen.

Außenwirtschaftspolitik und Rohstoffpartnerschaften

„Die Förderung der deutschen Außenwirtschaft ist eine Kernaufgabe auch deutscher Außenpolitik“, so die Kernaussage des Papiers. Diese Weisheit erhält – mit bislang in dieser Deutlichkeit noch nicht verfasste Formulierung – einen offiziellen Charakter. Es geht dabei nicht nur um die Sicherung von Absatzmärkten (Exportnation Deutschland), sondern auch um die Rohstoffsicherung zur Stabilisierung des gesamten Wirtschaftskreislaufs Deutschlands. Hierbei wird auch der „Entwicklungszusammenarbeit“ eine größere Rolle zugewiesen. Mit anderen Worten: Quantität und Qualität der Entwicklungszusammenarbeit bemisst sich an dem Wohlverhalten des globalen Südens in der Rohstofffrage.

LINKE Position: Außenwirtschaftspolitik ist legitim. Allerdings muss sie darauf abzielen, einen substanziellen Beitrag zur Schaffung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung zu leisten, um ökonomische Asymmetrien abzuflachen (Zentrum-Peripherie-Phänomen). Die fortgesetzte Deregulierung der Weltwirtschaft verschärft hingegen die Widersprüche zwischen dem Westen und dem globalen Süden auf Kosten des Letzteren und erhöht somit die Konfliktpotenziale.

Vereinte Nationen

„Den Vereinten Nationen kommt weiterhin eine Schlüsselrolle für die Wahrung des Friedens und zur Bewältigung von globalen Herausforderungen zu“.

Die mit dem völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 vorgenommene Neu-Hierarchisierung von internationalen Regierungsorganisationen wird zementiert. Der UNO wird nicht mehr die Schlüsselrolle, sondern (Charta-widrig) nur „eine Schlüsselrolle“ zugestanden, womit die Weltorganisation zu einem Forum neben vielen institutionalisierten Foren (NATO, EU) oder ad-hoc-Foren („Koalition der Willigen“, „Kontaktgruppen“, „Freundeskreise“ etc.) degradiert wird. Reformnotwendigkeiten des UN-Systems werden angesprochen, verbleiben aber im Nebulösen. Hingegen wird eine Reform des UN-Sicherheitsrates konkret eingefordert, einschließlich der Ambition, ständiges Mitglied werden zu wollen. Hinzu kommt der völkerrechtlich nicht-mögliche und machtpolitisch absurde Klassiker der Perspektive eines EU-Sitzes.

Das DPKO (Department for Peace-keeping Operations) der UNO solle eine angemessene Ausstattung erhalten um eine „effektive Friedenspolitik“ betreiben zu können. Problematisch ist in der Tat die Ausstattung. Kern des Problems ist jedoch vielmehr die mangelnde politische Bereitschaft, die UNO tatsächlich handlungsfähig zu machen. Noch geringer ist die Bereitschaft der Großmächte, die UNO zu einem autonomen oder sub-autonomem Akteur auf der Grundlage demokratischer Spiel- und Kontrollregeln zu machen, d.h. die UNO den Interessen der Großmächte zu entziehen.

Auch wird unter dem Stichwort der „Weiterentwicklung des Völkerrechts“ erneut die Schutzverantwortung als eine zivilisatorische Errungenschaft betrachtet, die „einer völkerrechtlich legitimierten Implementierung“ bedürfe. Behauptet wird fälschlicherweise eine gewohnheitsrechtliche Etablierung dieses Konzepts, da eine Rechtsüberzeugung vom globalen Süden aktiv verneint wird. Auch wird bewusst vermieden, die Legitimationsinstanz für die Implementierung konkret zu benennen. Taktisch geschickt wird die Stärkung der „präventiven Säule“ gefordert, obschon genau dies die Arbeit der herkömmlichen UN-Diplomatie ist. Es geht im Kern, ohne diese zu erwähnen, um die zweite, die militärische Säule.

DIE LINKE fordert hingegen eine umfassende Demokratisierung der UNO. Im Zentrum steht hierbei eine massiver Kompetenzzuwachs der Generalversammlung zu Lasten des Sicherheitsrates. Aber auch andere UN-Gremien sind einer Inventur im Sinne einer Demokratisierung zu unterziehen. Hier ist die Partei gefragt, konkrete Vorschläge und Maßnahmen zu unterbreiten. Die Frage militärischer Kompetenzen stellt sich überhaupt erst nach einer Demokratisierungsreform, definitiv nicht vorher.

Die militärische Schutzverantwortung wird ebenfalls als eine untaugliche Maßnahme dezidiert abgelehnt, da sie ein wesentliches – und effektives, da an angeblich an die Moral der Bürger appellierendes – Missbrauchsinstrument zur Umsetzung westlicher Interessenpolitik darstellt.

„Außen- und Sicherheitspolitik ressortgemeinsam gestalten“

Die Koalitionäre setzen weiter auf eine repressive sowie präventive Sicherheitspolitik mit dem verlängerten Arm vorgeblich humanitärer, zivilgesellschaftlicher Aktivitäten im Rahmen einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit: Die Entwicklungszusammenarbeit soll in den Dienst der Krisenfrüherkennung, Krisenprävention und Konfliktbewältigung gestellt werden. Ausweislich des Koalitionspapiers sollen zudem verstärkt „zivile Instrumente (…) neben modernen (…) Streitkräften“ eingesetzt werden, namentlich Richter und Staatsanwälte. (367-387)

Letzteres lässt darauf schließen, dass die Koalition sich verstärkt an Staatenbildungsmissionen wie EULEX beteiligen will. Zudem zielt die Koalition darauf ab, die „rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für den Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in Friedensmissionen [zu] verbessern“ – Polizeikräfte sollen Militärmissionen ergänzen oder substituieren; da Beamte der Zivilverwaltung nicht gegen ihren Willen in Auslandsmissionen entsandt werden können, sollen die Einsatzbedingungen attraktiver gestaltet werden.

Linke Politik wendet sich gegen eine Militarisierung und Funktionalisierung der Entwicklungs-zusammenarbeit. Auf Militarisierung konflikthafter Situationen konzentriertes staatliches Vorgehen kann nicht dadurch kaschiert werden, dass mit zivilen Akteuren vorgeblich zivile Einsätze durchgeführt werden. Stattdessen ist durch Initiativen für die Gewährleistung einer an globaler Gerechtigkeit orientierten Weltwirtschaftspolitik sicherzustellen, dass innerstaatliche und zwischen-staatliche Konflikte – die Militäreinsätze und darauf folgende Staatenbildungsmissionen legitimieren sollen – nicht nur nicht befördert, sondern gar nicht erst entfacht werden.

Naher Osten/Arabische Welt

Im Nahostkonflikt Israel/Palästina bringt der Koalitionsvertrag nichts Neues (389-395).

Die Allgemeinplätze liefern nichts zum Analysieren. Die Linke hat keine Politik zum Nahostkonflikt Israel/Palästina, die allgemeiner Konsens ist.

Die neue Koalition strebt an, die Transformationsprozesse in der arabischen Welt zu unterstützen und die bereits etablierten „Transformationspartnerschaften“ fortzuführen. In der neuen deutschen Außenpolitik wird das Gespräch mit „allen relevanten politischen Kräften“ gesucht sowie eine Aufhebung der Haftstrafen für die in Ägypten verurteilten Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gefordert (396-412).

Nach den Umstürzen in Tunesien und Ägypten 2011 versuchte die offizielle deutsche Außenpolitik gesellschaftlich relevante Kräfte im konservativen und liberalen Lager (vor allem die Muslimbrüder, denen das „türkische Modell“ nahegelegt wurde) durch Kooperation einzubinden. Mit Freihandels- und wirtschaftlichen Liberalisierungsdogmen soll die peripher-kapitalistische Integration dieser Staaten abgesichert werden.[5]

Die Linke sollte sich klar gegen außenpolitische Formate stellen, die eine eigenständige Entwicklung der Mittelmeeranrainer verhindern. Die Einmischungen in innere Angelegenheiten der arabischen Länder sind zu beenden.[6]

In der Frage des internationalen Konflikts in Syrien will sich die neue Regierung „aktiv an der Suche nach einer politischen Lösung beteiligen“, dabei aber vor allem den Druck auf die Regierung der Arabischen Republik aufrecht erhalten und sich für einen humanitären Zugang von Hilfsorganisationen einsetzen. Das Anwachsen des Einflusses islamistischer Kräfte in Syrien sehen die zukünftigen Koalitionäre „mit Sorge“ (419-432).

Die Syrien-Strategie stellt eine Kontinuität der vergangenen mit der zukünftigen Merkel-Regierung dar. Auch die neue Regierung setzt auf einen „Regime Change“, der die eigenständige Entwicklung unter den Präsidenten Assad beenden soll. Von den deutschen Militäreinsätzen um Syrien herum erzählt der Koalitionsvertrag nichts. Die von den NATO-Partnern Türkei, Frankreich, Großbritannien und USA unterstützten Gruppen aus dem Umfeld al-Qaidas werden nun mit „Sorge“ betrachtet, ohne die unrühmliche Rolle der NATO-Staaten sowie Saudi-Arabiens und Katars zu erwähnen.

Die Linke setzt sich für eine wirkliche politische Lösung durch Dialog mit den großen Hauptparteien des Konfliktes in Syrien ein. Die Bundeswehr-Missionen in der Türkei sowie der nichts bisher bewirkt habende Einsatz vor der libanesischen Küste müssen beendet werden. Die militärische Unterstützung für Aufständische in Syrien und dem Libanon sind abzulehnen und die Unterstützung der NATO-Partner und der arabischen Monarchien sind zu beenden.

In der Iran-Frage bietet die neue Koalitionsvereinbarung ebenso nichts Neues. An Sanktionen werden auch die nächste Regierung und Koalition festhalten (433-444).

Der Irrglaube der angeblich gezielten Sanktionen gegen den Iran lebt auch noch im Jahr 2013 in den Großkoalitionskreisen weiter. Die verheerenden Auswirkungen der ökonomischen Kriegsführung der EU und USA gegen das iranische Volk werden weiter ignoriert.

Die Sanktionen gegen den Iran sollten beendet werden und der Iran durch Einbindung, regionale Sicherheitsgarantien und eine Politik auf Augenhöhe als regionaler Partner anerkannt werden.  

Asien

Die Beziehungen mit verschiedenen Staaten Asiens will die neue Koalition „auf der Basis universeller Werte“ weiter intensivieren und die Hinwendung der USA auf den pazifischen Raum begleiten. Mit Japan verbinde Deutschland eine „enge Freundschaft und Wertegemeinschaft“ sowie ist Indien ein „strategischer Partner“. Beide Regionalmächte sollen durch Freihandel an die EU gebunden werden. Im Falle Chinas will die neue Merkel-Regierung den „Schutz des geistigen Eigentums“ sicherstellen sowie beschwört eine Gefährdung der „Cyber-Sicherheit“ herauf. Der ISAF-Einsatz in Afghanistan wird in der politischen Übereinkunft als „Kampfeinsatz“ bezeichnet, wobei die Bereitschaft aufrechterhalten wird, weiterhin NATO-Truppen in dem Land zu stationieren. Ein UN-Mandat wird in letzterem Zusammenhang überhaupt nicht erwähnt (446-498).

Die Formulierungen zum „Pivot to Asia“ der Obama-Regierungen lesen sich wie eine Ankündigung, zukünftig als US-amerikanischer Juniorpartner in der Region aufzutreten. Die Darlegung Japans als „Wertepartner“ der deutschen Außenpolitik liest sich erschreckend angesichts der zunehmend militaristischen Außenpolitik der Regierung von Shinzō Abe. Klassisch in wirtschaftsliberalen Dogmen verhaftet fällt den Großkoalitionären aber nichts anderes ein, als Freihandelsabkommen sowohl mit Japan als auch mit Indien abschließen zu wollen. Das Feindbild des chinesischen Hackers wird darüber hinaus auch bedient und im Interesse der westlichen Großkonzerne das Patentrecht thematisiert.

Das Debakel des seit 11 Jahren laufenden Afghanistan-Einsatzes wird nicht kritisch aufgearbeitet. Mit der Bezeichnung „Kampfeinsatz“ soll bereits eine Dichotomie zum kommenden „friedlicheren“ Beratungseinsatz der NATO aufgemacht werden, auch wenn bisher noch wenig klar ist über die zukünftige Präsenz der NATO in diesem Gebiet.

Die Linke lehnt die zunehmende Aufrüstung des asiatisch-pazifischen Raums durch die USA und ihre Juniorpartner ab. An der Eskalation der Konflikte in der Region darf die EU sich nicht beteiligen. Eine „enge Freundschaft und Wertegemeinschaft“ mit Japan lehnt die Linke ab. Deutschland sollte sich aber dafür einsetzen, dass Japan einen Friedensvertrag mit Russland schließt, der den Zweiten Weltkrieg auch in dieser Region zu einem Ende bringen kann. Die Linke setzt sich für eine kooperative Politik gegenüber der VR China und gegen das Heraufbeschwören einer „roten Gefahr“ ein.

Genau wie den ISAF-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird die Linke auch alle folgenden Militäreinsätze der NATO in dem Land ablehnen. Die Konsequenz aus 11 Jahren Instabilität unter NATO- und US-Kommando kann nicht ein weiterer Einsatz sein, der sogar noch die Rolle der Vereinten Nationen weiter minimiert. Die Linke setzt sich für eine umfassende regionale Sicherheitslösung für den Afghanistan-Konflikt ein.

„Neuausrichtung der Bundeswehr“

Das Konzept der Bundeswehr (BW) als globale Einsatzarmee bleibt erhalten. Eine verbesserte gesellschaftliche Verankerung soll u.a. mit einer Fokussierung auf die Attraktivität der Bundeswehr und ihrer „Präsenz in der Fläche“ erreicht werden. Der militärische Personalumfang von bis zu 185.000 Soldat_innen bleibt. Die in den Koalitionsverhandlungen umstrittene Frage einer Reduzierung der Anzahl der Zivilbeschäftigten wird vertagt, im Ergebnis u.U. zugunsten der SPD-Position beantwortet: Den Bereich will man „aufgabenbezogen evaluieren“, eine weitere Reduzierung des Personalumfangs der BW sei keine Perspektive. (602-620)

Eine Bundeswehr als globale Einsatzarmee widerspricht friedenspolitischen Ansätzen. Linke Politik steht für eine Abschaffung der Bundeswehr, als Zwischenstadium ihre Umformung in eine nicht angriffsfähige Verteidigungsarmee. Die Erhaltung insbesondere ziviler Arbeitsplätze im Bereich der Bundeswehr kann durch Schaffung neuer Aufgabenbereiche im Rahmen der Konversion von Militärstandorten gewährleistet werden.

„Attraktivität“

Die Koalition will eine „Attraktivitätsoffensive“ zugunsten der Bundeswehr „voranbringen“, um sie für freiwillig Wehrdienstleistende attraktiver zu gestalten – u.a. durch eine größere Familienfreundlichkeit „des Arbeitgebers Bundeswehr“. In diesem Zusammenhang geplante Neuerungen sind die möglichst wohnortnahe Stationierung sowie die Einräumung einer Wahlmöglichkeit zwischen der Zahlung von Trennungsgeld und der Leistung von Umzugskostenvergütungen (faktisch also die erleichterte Gewährung von Trennungsgeld). Zeitsoldaten sollen zusätzliche Privilegien gewährt werden: erhöhte Rentenansprüche, verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeiten nach ihrem Ausscheiden bei der BW. (621-649)

Die Bundeswehr ohne originär defensive Perspektive „attraktiver“ zu gestalten, kann kein Ansatz für eine friedensorientierte Außen- und Sicherheitspolitik sein. Attraktivitätsoffensiven dienen dazu, die Gefahren des Soldatenberufs zu verschleiern und junge Menschen mit ungewisser ökonomischer Perspektive anzulocken.

Anstatt junge Menschen mit vermeintlich verbesserter sozialer Absicherung zu locken, bedarf es einer differenzierten Aufklärung über die Aufgabenstellung dieser Bundeswehr.

„Die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft“

Durch Gewöhnung der Zivilbevölkerung an die Präsenz der Bundeswehr sollen ihr gesellschaftliches Prestige und der Sozialstatus der Soldat_innen erhöht werden. Die Koalitionäre treten gemeinsam ein für „feierliche Gelöbnisse [als] Ausdruck der Verankerung der Bundeswehr in der demokratischen Gesellschaft“, für eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr und der daraus resultierenden Toten, Verletzten und Veteranen. Hervorgehoben erwähnt wird, dass auf Jugendliche Jugendoffiziere angesetzt werden sollen, auf die sie in „möglichst vielen Bildungsinstitutionen“ treffen sollen.

Die Regionalen Sicherheits- und Unterstützungskräfte, d.h. die für den Heimatschutz rekrutierten Reservisten der Bundeswehr, sollen „für ihre Aufgaben im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit angemessen ausgestattet werden“ – auch sie sollen „zur Steigerung des Reservistendienstes“ eine erweiterte soziale Absicherung erfahren. (650-677)

In der von den Koalitionären propagierten Form gehört die Bundeswehr gerade nicht in die Mitte einer der Friedenswahrung verpflichteten Gesellschaft. Die Bundeswehr soll in der zivilen Gesellschaft allgegenwärtig werden. Die Bevölkerung soll an die Präsenz der Bundeswehr und die durch die versinnbildlichte zunehmende Militarisierung der Gesellschaft gewöhnt werden. Der Ansatz der Koalition zielt darüber hinaus auf eine Erhöhung der Einsatzfähigkeit „aus der Mitte der Gesellschaft“ heraus (Stichwort: als Regionale Sicherheits- und Unterstützungskräfte eingesetzte Reservisten, die unterhalb originärer Militäreinsätze im Innern als verlängerter Arm des Staates Verwendung finden sollen).

Ziel muss eine auf Friedenswahrung ausgerichtete, antimilitaristische Gesellschaftsverfassung sein. Auch deshalb gehört die Bundeswehr nicht in Schulen, Jugendliche dürfen keiner einseitigen Einwirkung von Jugendoffizieren der Bundeswehr ausgesetzt werden.[7]

„Auf die Einsätze der Zukunft vorbereitet sein“

Die Koalitionäre propagieren die Notwendigkeit eines breiten militärischen Fähigkeitsspektrums für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die Bundeswehr soll sich im Rahmen einer Aufgabenteilung an EU- und NATO-Einsätzen sowie am „pooling and sharing“ der EU beteiligen. Die in den Vertrag von Lissabon aufgenommenen Aufrüstungs- und Militarisierungsverpflichtungen sollen umgesetzt werden: „Wir wollen die im Lissabon-Vertrag vorgesehene Möglichkeit einer Permanenten Strukturierten Zusammenarbeit aktivieren. Wir streben einen immer engeren Verbund der europäischen Streitkräfte an, der sich zu einer parlamentarisch kontrollierten europäischen Armee weiterentwickeln kann.“

Der Parlamentsvorbehalt wird thematisiert in Zusammenhang mit einer „Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene“ – für die die Koalitionäre ihn nicht per se als Einsatzvoraussetzung anerkennen wollen. Stattdessen soll eine Kommission eingesetzt werden, „die binnen Jahresfrist prüft, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Diversifizierung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können und die (…) Handlungsoptionen formuliert“.

Die Praxis der eingeschränkten Unterrichtung des Parlaments über die Einsätze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) soll fortgeführt werden. (678-717)

Die parlamentarische Kontrolle über Bundeswehreinsätze droht immer weiter zu erodieren: Über Einsätze des KSK wird nur rudimentär und nur an einen extrem kleinen Kreis von Abgeordneten berichtet. Die Kompetenz zur Zustimmung zu Einsätzen wie der „Operation Pegasus“ im Februar/März 2011 in Libyen oder aktuell OAE wird/wurde dem Parlament bereits faktisch entzogen. Eine weitere Einschränkung droht dem Parlamentsvorbehalt vermutlich künftig, durch Einsätze in „integrierten [NATO-/EU-] Strukturen“.

Über den Umweg der Internationalisierung wird das Einsatzspektrum der Bundeswehr vorbei an demokratischer, parlamentarischer Kontrolle erweitert. Die Federführung für Auslandseinsätze wird (nur) vorgeblich an internationale Akteure abgegeben. Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rüstungsbeschaffungsprojekte und Rüstungsexporte sollen damit nicht mehr als Projekte der Bundesregierung erscheinen, sondern als im Rahmen einer über-nationalen Zusammenarbeit erforderliche Beiträge. Auslandseinsätze der Bundeswehr sind zu beenden, offensive Rüstungsvorhaben einzustellen. Neue Mandate dürfen nicht erteilt werden. Entscheidungen über Fragen der Sicherheitspolitik bedürfen einer parlamentarischen Kontrolle wie die (Ab-)Rüstungspolitik der Regierung.

„Ausrüstung, Beschaffung und Nutzung“

Hier werden sowohl unbemannte Systeme abgehandelt, als auch der Umgang mit sonstigen Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen. Die Vereinbarungen der Koalitionäre enthalten – mit Blick auf die in letzter Zeit öffentlich thematisierten pannenbehafteten Rüstungsprojekte – eine vorsichtige Kritik an der bisherigen Praxis. Eine zurückhaltende Rüstungspolitik ist von der Koalition dennoch nicht zu erwarten, denn: „Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen die bestmögliche Ausrüstung.“ Auch der einheimischen Rüstungsindustrie wird die erwünschte Bestands- und Vertragsabschlussgarantie geboten. Zudem sollen „Forschung und Entwicklung gestärkt“, also offenbar weitere Mittel dafür bereitgestellt und im Haushalt (in anderen Töpfen als dem Verteidigungshaushalt) versteckt werden. Darüber hinaus will man verstärkt auf EU- und EU-/USA-Rüstungskooperationen setzen.

Von Drohnen verabschiedet die Koalition sich nicht. Ausdrücklich bejaht werden eine gemeinsame europäische Entwicklung sowie einheitliche Regelungen für die Zulassung und Teilnahme unbemannter Systeme am EU-Luftverkehr – dies ersichtlich vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem ‚Euro Hawk‘-Projekt. „Kategorisch“ abgelehnt werden „extralegale, völkerrechtswidrige Tötungen mit bewaffneten Drohnen“. Die Koalitionäre distanzieren sich allerdings nicht von deutschen Beiträgen (Datenübermittlung, Beteiligung von Kontrollzentralen im Inland) an diesen Angriffen. Daraus dürfte sich schließen lassen, dass diese Praxis auch in der neuen Wahlperiode fortgesetzt werden soll.

Symbolische Politik ist auch die Vereinbarung, für eine Einbeziehung bewaffneter unbemannter Systeme in Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime einzutreten: Festgehalten wird nämlich nicht, was Inhalt solch einer Vereinbarungen sein soll. Die Koalitionäre setzen sich also vermutlich nicht dafür ein, unbemannte Systeme per se marktunfähig zu machen – ihre Verbreitung soll lediglich auf einen privilegierten Kreis von Signatarstaaten beschränkt werden. Folgerichtig will die Koalition auch nicht auf eine Ächtung heute genutzter Drohnen, seien sie unbewaffnet oder bewaffnet, hinarbeiten; sondern sich nur „für eine völkerrechtliche Ächtung vollautomatisierter Waffensysteme einsetzen“. Ein solches Vorhaben bedeutet für deutsche Rüstungslobby und die Regierung kein nennenswertes Opfer – vollautomatische Systeme befinden sich zwar schon in der Entwicklung, es gibt aber noch keine nennenswerte Anzahl komplett autonom agierender Systeme, die einsatzbereit sind und von der Bundeswehr erworben oder von der deutschen Rüstungsindustrie produziert werden könnten. Und innerhalb einer Wahlperiode wird auch noch nicht mit einer völkerrechtlichen Ächtung zu rechnen sein.

Eine Entscheidung über eine Beschaffung „qualitativ neuer Waffensysteme“, insbesondere Kampfdrohnen, wird vertagt, da diese zunächst „sorgfältig“ geprüft werden soll.[8] (Ihrem Wortlaut nach bezieht sich diese Vereinbarung noch nicht einmal auf die bereits im Einsatz befindlichen oder in der Entwicklung weit fortgeschrittenen unbemannten Systeme.) Eine Absage an die Abschaffung von Kampfdrohnen während der laufenden Wahlperiode lässt sich in diese Formulierung jedenfalls nicht seriös hineinlesen. (718-756)

Eine ernsthafte Modifizierung der Rüstungsbeschaffungsstrategie ist offenbar nicht angedacht. Die Förderung der Rüstungsindustrie soll weiterhin ein Regierungsziel sein, hinzu kommt die Beteiligung an EU-Großprojekten.

Ein Ende der Verbreitung unbemannter Waffensysteme steht nicht auf der Agenda der Koalitionäre. Ernsthafte Schritte zur Abkehr von der Beschaffung und dem Einsatz von Späh- und Kampfdrohnen sind nicht erkennbar. Vermutlich will die zukünftige Bundesregierung sogar die Unterstützung und Duldung der im Auftrag der US-Regierung durchgeführten Drohnenangriffe fortführen. Die Entscheidung über die Beschaffung eigener Kampfdrohnen wird nur vordergründig vertagt.

Wir setzen uns für eine Ächtung extralegaler Tötungen ein und fordern ein Ende der aus der BRD geleisteten Unterstützung von US-Stellen. Eine Aufrüstungsspirale mit unbemannten Systemen muss vermieden werden. Auch daher wollen wir die Ächtung/Nichtverbreitung unbemannter Waffensysteme wie Drohnen (erst recht vollautomatisierter Systeme) erreichen. Deswegen fordern wir den Verzicht auf die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr – aber auch auf die Beschaffung von Spähdrohnen, wie dem ‚Euro Hawk‘.

„Rüstungsexporte“

Rüstungsexportentscheidungen sollen weiterhin der Entscheidungsbefugnis des Bundestages entzogen sein. Die künftige Bundesregierung soll das Parlament lediglich künftig „über ihre abschließenden Entscheidungen im Bundessicherheitsrat (…) unverzüglich unterrichten“, und nicht mehr erst mit dem Rüstungsexportbericht zum Ende des Folgejahres. Der Rüstungsexportbericht soll künftig zudem vor der Sommerpause des Folgejahres vorgelegt und durch einen jährlich erscheinenden zusätzlichen Zwischenbericht ergänzt werden. (767-780)

Die öffentliche Diskussion über Rüstungsexportentscheidungen kann früher geführt werden als bislang, darüber hinaus erfährt die bisherige Rüstungsexportpolitik keinerlei Verbesserung.

Linke Politik fordert ein restriktives und transparentes Rüstungsexportregime. Insbesondere der Handel mit Klein- und Leichtwaffen muss massiv beschränkt werden.

„Freiwilligeninitiative“

Die Koalitionäre wollen das Engagement der Bevölkerung in Freiwilligendiensten propagieren und stellen fest: „Eine Kultur der Freiwilligkeit ist wesentliche Grundlage unseres Gemeinwesens. (…) Wir werden ein Gesamtkonzept zur Stärkung aller Freiwilligendienste vorlegen. In dieses Konzept werden wir auch einen weiterentwickelten Freiwilligendienst bei der Bundeswehr aufnehmen.“

„Um angesichts des demografischen Wandels“ geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren, sollen Menschen, die sich in diesen Diensten engagieren, künftig „bei der Auswahl eines Studienplatzes, bei Beurteilungen und Zeugnissen, bei der Einstellung (…) besser [gestellt werden] als diejenigen, die dies nicht tun.“ (997-1014)

Durch die Freiwilligendienste soll sozialstaatliches Handeln im Rahmen des neoliberalen Politikansatzes „outgesourced“ werden. Staatlich geschuldete (Sozial-) Leistungen werden mehr und mehr durch bürgerschaftliches Engagement o.ä. ersetzt.

Privilegierungen für – zudem teilweise militaristisch orientierte – Ehrenämter bei gleichzeitiger fortschreitender Beschneidung des Sozialsystems lehnen wir ab. Staatliche Aufgaben – u.a. der Gesundheitsfürsorge, Daseinsvorsorge und Existenzsicherung – sind vom Staat zu übernehmen (und zu finanzieren) und dürfen nicht auf Individuen und die Wohltätigkeit von freiwilligen Helfern abgewälzt werden. Es bedarf stattdessen einer nachhaltigen Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums.

Anmerkungen
  1. Die deutsche Seite will nur exklusive Absatzmärkte sowie russische Rohstoffe und davon perspektivisch immer mehr, die russische Seite hingegen will auch Technologietransfer und den Ausbau der Industrialisierung voranbringen.
  2. Im Sommer 2010 veröffentlichten Kanzlerin Merkel und der russische Präsident Medwedew ein Memorandum, in dem der Aufbau einer gemeinsamen “Sicherheitsarchitektur” der EU und Russlands vorgeschlagen wurde – “an der NATO und den USA vorbei”. Außerdem strebten beide Seiten eine Lösung des Transnistrienkonfliktes in Moldawien an.
  3. Das Dreieck ist ein loses außenpolitisches Konsultationsforum der Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Polens.
  4. „Strategische Partnerschaften“ existieren mit Brasilien, VR China, Russland, VAE, Australien, Nigeria, Pakistan und Indien und die Merkel-2-Regierung plante eine weitere mit Vietnam.
  5. Als einem Auswuchs dieser Einmischung im Sinne aller kapitalistischen Hauptmächte wurde 2013 auch die KAS verurteilt und deren Büroleiter in Kairo ins Gefängnis gesteckt.
  6. Mit einem radikalen Kurswechsel in der Politik gegenüber Ägypten können auch die Verurteilten befreit werden.
  7. Lesetipp: http://www.bundeswehr-raus.de/
  8. Ihrem Wortlaut nach bezieht sich diese Vereinbarung übrigens gerade nicht auf die bereits im Einsatz befindlichen oder in der Entwicklung weit fortgeschrittenen unbemannten Systeme.
25.11.2013

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