Kosmetische Korrekturen - aber keine Kursänderung
Koalition einigt sich auf Rüstungsexportpolitik - Friedensbewegung will Kampf verstärken
Im Folgenden dokumentieren wir:
"Mehr Transparenz" - aber nicht weniger Waffen
Rüstungsexporte: Koalition macht weiter wie bisher
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel, 7. November 2013 - Zu der am Donnerstag beschlossenen Koalitionsvereinbarung in Sachen Rüstungsexport erklärte der Sprecher des Bundesausschusses in einer ersten Stellungnahme:
Diejenigen Teile der Friedensbewegung, die noch einen Rest Hoffnung auf die friedenspolitische Kompetenz der SPD gesetzt haben, dürften sich nun bitter enttäuscht sehen. Was bei den laufenden Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe "Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik" herauskam, war nicht einmal ein fauler Kompromiss (und schon gar kein "wichtiger Kompromiss", wie de Maizière und Steinmeier verlauten ließen), sondern die schlichte Bestätigung der Rüstungsexportpraxis der bisherigen Bundesregierung. Die wortreiche Erklärung der Koalitionäre, wonach die "strenge" Exportpolitik auf der Grundlage der Rüstungsexportrichtlinien von 2000 beibehalten würde, bedeutet in der Realität nichts anderes als die Fortsetzung des aggressiven Waffenhandels, der Deutschland in den vergangenen vier Jahren auf Platz 3 der größten Waffenexportnationen der Welt katapultierte.
Hatte sich die SPD - in Erwartung eines rot-grünen Wahlsiegs - noch im Wahlkampf über die deutschen Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Katar oder nach Ägypten beschwert und daran erinnert, dass keine Waffen in menschenrechtspolitisch problematische Länder geliefert werden dürften, so schrumpfte dieser Mut nun auf ein lächerliches Minimum. Die künftige Bundesregierung werde sich weiterhin an die Richtlinien halten und zugleich eine Harmonisierung auf EU-Ebene anstreben. Darüber hinaus wird mehr Transparenz versprochen: Statt einmal im Jahr soll es nun zwei Mal im Jahr Rüstungsexportberichte geben. Und der Gipfel der Zugeständnisse: "Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates (werden) dem Deutschen Bundestag und damit auch der Öffentlichkeit unmittelbar bekanntgegeben".
Somit bleibt es dabei, dass der geheim tagende Bundessicherheitsrat allein über Waffenlieferungen entscheidet. Mitwirkung des Parlaments? Fehlanzeige. Lediglich informiert soll es werden - im Nachhinein!
Man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass auch künftig Rüstungsexporte in aller Regel befürwortet und nur in Ausnahmefällen abgelehnt werden. Auch künftig werden Waffen Made in Germany in fast alle Länder der Welt geliefert - unabhängig von deren Menschenrechtslage. Und auch künftig wird nach der Merkel-Doktrin verfahren, wonach Waffen in Krisengebiete und an Regime geliefert werden, die sie im "deutschen Interesse" gegen gemeinsame Gegner einsetzen.
Der Friedensbewegung bleibt nur eins: Sie wird ihren Kampf gegen jegliche Rüstungsexporte verstärken. Sie weiß sich damit im Einklang mit einer großen Mehrheit der Bevölkerung - die leider keine Entsprechung im Bundestag findet. Darüber hinaus muss auch die Rüstungsindustrie hier zu Lande kritisch hinterfragt werden. Deren Lobby findet allzu offene Türen und Ohren bei Regierung und Parlament. Ändern wird sich daran nur etwas, wenn der außerparlamentarische Druck zunimmt.
Eine erste Nagelprobe wird sein, ob es der Friedensbewegung und der "öffentlichen Meinung" gelingt, die anstehenden Waffenverkäufe nach Saudi-Arabien zu stoppen. Als nächstes muss über ein Moratorium bei Waffenlieferungen in den spannungsreichen Nahen und Mittleren Osten nachgedacht werden. Solche Schritte hätten einen "wichtigen Kompromiss" in der Koalitionsrunde darstellen können. Die Chance ist vertan. Die große Koalition hat bereits den letzten Funken Glaubwürdigkeit verloren, bevor sie überhaupt ihr Amt angetreten hat.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Künftige Koalitionäre finden Rüstungsexporte prima
Mehr Transparenz aber nicht weniger Exporte geplant
Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel: Mitteilung an die Presse
„Rüstungsexporte sind prima und deshalb bewerben wir sie jetzt schneller in der Öffentlichkeit. Etwas mehr Transparenz schaffen, aber nicht weniger Rüstung exportieren: Das ist der Kern des jetzt bekannt gewordenen Textes zu Rüstungsexporten, auf den sich Steinmeier und de Maizière für den Koalitionsvertrag geeinigt haben“, kommentiert Christine Hoffmann, die pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ in Berlin. Hoffmann weiter: „Bereits 2005 hatten SPD und CDU/CSU sich auf Einhaltung der politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern bei gleichzeitiger Harmonisierung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU verständigt. Im Ergebnis wurde während der letzten Großen Koalition die Voranfrage Katars nach Leopard-II-Panzern und Panzerhaubitzen positiv beschieden. Die fatale Menschenrechtssituation in Katar ist bekannt. Wenn de Maizière und Steinmeier also jetzt verkünden, dass um des Schutzes der Interessen der Rüstungsindustrie Willen „bloße Voranfragen“ nicht zu den Genehmigungsentscheidungen gehören werden, die der Bundessicherheitsrat bekannt geben soll, dann heißt das im Klartext, dass die wirklich grausamen Geschäfte weiter im Geheimen bleiben werden. Wir brauchen aber eine wirkliche Umkehr in der Rüstungsexportpolitik, denn jede Waffe, die Deutschland nicht exportiert, rettet leben. Zurzeit stirbt alle Viertelstunde ein Mensch an einer Kleinwaffe aus Deutschland. Nach diesem Koalitionsplan wird das auch so bleiben.“
„Die bisherigen Koalitionsvorschläge zum Rüstungsexport sind kleine kosmetische Korrekturen, aber keine grundlegende Kurskorrektur. Wir fordern die Koalitionäre zu einer wirkungsvollen und damit ernstzunehmenden Wende in der Rüstungsexportpolitik auf. Der Endverbleib exportierter Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter muss regelmäßig überprüft werden und Endverbleibsverletzungen sind im Sinne der politischen Grundsätze zum Rüstungsexport zu sanktionieren. Für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter dürfen keine Lizenzen vergeben und keine Hermes-Bürgschaften erteilt werden. Das wäre das Mindeste“, betont Jürgen Grässlin, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ und Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner/innen und Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“.
„Insbesondere fordern wir, dass in folgenden drei Fällen keine „Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in Staaten genehmigt und geliefert werden: Erstens in Länder, deren Menschenrechtssituation vom Bonn International Center for Conversion (BICC) und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International als „bedenklich“ oder „sehr bedenklich“ hinsichtlich des EU-Verhaltenskodexes eingestuft wird. Zweitens in solche Länder, die seitens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als Empfänger offizieller Entwicklungshilfe gelten und drittens in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder in denen Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft werden könnten“, ergänzt Paul Russmann, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ und Sprecher der ökumenischen Aktion „Ohne Rüstung Leben“.
Dokumentiert: Die Verlautbarung des SPD-Pressestelle
Mehr Transparenz bei Rüstungsexporten:
In der gestrigen dritten Sitzung der Koalitionsarbeitsgruppe „Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik“ haben sich CDU/CSU und SPD auf einen gemeinsamen Textvorschlag zum Thema Rüstungsexporte für den Koalitionsvertrag verständigt.
Der Textentwurf lautet:
„Bei Rüstungsexportentscheidungen in sogenannte Drittstaaten gelten die im Jahr 2000 beschlossenen strengen „Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“, die für unser Regierungshandeln verbindlich sind.
Über ihre abschließenden Genehmigungsentscheidungen im Bundessicherheitsrat wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzüglich unterrichten. Die Entscheidung darüber, wem gegenüber die Unterrichtung erfolgt, liegt beim Deutschen Bundestag. Darüber hinaus werden wir die Transparenz gegenüber Parlament und Öffentlichkeit durch Vorlage des jährlichen Rüstungsexportberichtes noch vor der Sommerpause des Folgejahres und eines zusätzlichen Zwischenberichts verbessern.
Wir setzen uns für eine Angleichung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU ein. Europäische Harmonisierungen müssen so umgesetzt werden, dass sie die Mindestanforderungen des Gemeinsamen Standpunkts der EU aus dem Jahr 2008 nicht unterschreiten.
Dazu erklären die Arbeitsgruppenleiter Frank Walter Steinmeier und Thomas de Maizière:
„Wir haben das Thema Rüstungsexporte in unserer Arbeitsgruppe und auch in der Großen Runde sehr intensiv diskutiert. Dabei ist es uns gelungen, in dieser auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Frage zu einem wichtigen Kompromiss zu kommen. Beide Verhandlungsseiten haben sich deutlich aufeinander zu bewegt. Wir unterstreichen, dass für unser Regierungshandeln die Grundsätze aus dem Jahr 2000 verbindlich sind. Künftig wird es bei Rüstungsexporten außerdem deutlich mehr Transparenz und demokratische Kontrolle geben. Bisher wurden Rüstungsexporte mit großer zeitlicher Verzögerung im Rüstungsexportbericht öffentlich gemacht. Künftig werden Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates dem Deutschen Bundestag und damit auch der Öffentlichkeit unmittelbar bekanntgegeben. Mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen Dritter sind bloße Voranfragen davon nicht betroffen. Auch der Rüstungsexportbericht wird deutlich aktueller gestaltet und künftig zweimal im Jahr vorgelegt.“
Zurück zur Rüstungs- und Rüstungsexport-Seite
Zur Friedensbewegungs-Seite
Zur Seite des Bundesausschusses Friedensratschlag
Zur Presse-Seite
Zurück zur Homepage