Kein Kompromiss, sondern Beschiss
Koalitionsvereinbarung bestätigt bisherige Drohnen-Politik
- Beruhigungspillen sollen die Genoss/innen täuschen und ablenken
- Drohneneinsatz im Inneren (Polizei etc.) nicht einmal erwähnt
Kassel/Berlin, 19. November 2013 - Zur Bekanntgabe des Drohnen-Abschnitts in der Koalitionsvereinbarung erklärten die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme:
Schon im Wahlkampf äußerten sich die künftigen Koalitionäre in Sachen Kampfdrohnen betont zurückhaltend. Die CDU/CSU musste wegen des bekannt gewordenen Euro-Hawk-Beschaffungsskandals zurückrudern und die endgültige Entscheidung über den Kauf von bewaffneten Drohnen auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschieben. Zu viel, so verlautete aus dem Verteidigungsministerium , müsse noch geprüft werden. Die SPD gab sich, weil sie endlich einen Punkt gefunden hatte, an dem sie die dilettantische Sicherheitspolitik der amtierenden Regierung kritisieren konnte, im Ton etwas forscher, in der Sache allerdings übte sie sich in gewohnter Einigkeit.
Dies waren die Positionen, in denen Konsens zwischen den damaligen Wahlkampfgegnern und heutigen Koalitionspartnern herrschte:
- Unbemannte Luftfahrzeuge etwa zur Aufklärung, Beobachtung und Spionage würden in der Sicherheitspolitik weiter eine große Rolle spielen. Deren Einsatz, z.B. in Afghanistan oder anderen sensiblen Regionen, diene dem Schutz der eigenen Soldaten und werde nicht in Frage gestellt.
- Perspektivisch soll es eine europäische Entwicklung solcher Drohnen geben; auch würde die Zulassung für den europäischen Luftraum sichergestellt werden. Eine Absage an die Entwicklung, Erforschung und Erprobung von Kampfdrohnen, sei es auf europäischer oder nationaler Ebene, findet sich in der Vereinbarung nicht.
- CDU/CSU und SPD schlossen bereits im Wahlkampf „extralegale Tötungen“ mittels Kampfdrohnen kategorisch aus. Dies wurde nun noch einmal bekräftigt. Offen bleibt allerdings die Frage, wann gezielte Tötungen legal, und wann sie „extralegal“ sind. Entscheidend jedoch ist, dass Planungen, Kampfdrohnen der Bundeswehr als Gefechtsfeldwaffen einzusetzen, in den Koalitionsvereinbarungen keine Absage erteilt wird.
- Die Beschaffung von Kampf- oder Killerdrohnen werde erst nach eingehender völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Prüfung erfolgen.
Soweit also nichts Neues: Beobachtungs-, Spionage- und Zielerfassungsdrohnen werden weiter entwickelt und angeschafft; die Entscheidung über Kampfdrohnen fällt der neu gewählte Bundestag nach eigehender Prüfung.
Das wenige Neue, das offenbar über die SPD in den Koalitionsvertrag hineingeraten ist, bezieht sich auf
-
die Einbeziehung von Drohnen in laufende oder künftige Rüstungskontrollregime und
- das Versprechen, sich für ein weltweites Verbot von vollautomatisierten Waffensystemen einzusetzen.
Beide Versprechen sind indes nicht mehr als wohlfeile Lippenbekenntnisse bzw. Täuschungsmanöver unterschiedlicher Tragweite:
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Die Einbeziehung von bewaffneten Drohnen in das einzige hierfür in Frage kommende Rüstungskontrollregime, den – derzeit allerdings ausgesetzten - KSE-Vertrag, fällt in die Kategorie Täuschungsmanöver. Denn sie bedeutet ja keineswegs den Verzicht auf solche Waffen sondern nur deren vertragliche Begrenzung auf einem bestimmten Niveau. Im KSE-Vertrag liegt die Obergrenze für Kampfflugzeuge (unter diese Waffengattung würden bewaffnete Drohnen fallen) der Bundeswehr bei 750; ihr derzeitiger Bestand von 308 Kampfflugzeugen lässt also viel Spielraum nach oben. Nicht Rüstungsbegrenzung, sondern Aufrüstung wäre die Folge.
- Die völkerrechtliche Ächtung vollautomatisierter Waffensysteme erscheint zunächst als ein sinnvolles Ziel, das sich die deutsche Außenpolitik setzt, erweis sich bei näherem Hinsehen aber als ein Ablenkungsmanöver. Denn mit dem Einsatz von Kampfdrohnen, die von Menschen ferngesteuert werden, entsteht eine Eigendynamik zur Entwicklung von vollautomatisierten Drohnensystemen, die nicht mehr von Menschen ferngesteuert sind. Entscheidungen über Leben und Tod würden dann auf den Algorithmus eines Computers übertragen, der die Tötung unabhängig von jeglicher menschlichen Bewertung und Verantwortung vornimmt. Deshalb ist es dringend notwendig, Kampfdrohnen generell – auch jene mit menschlichen Piloten - völkerrechtlich zu ächten.
Wir stellen fest: Die Koalitionsvereinbarung über die Kampfdrohnen ist nicht etwa ein Kompromiss, sondern schlicht und ergreifend Beschiss.
Die Koalitionsvereinbarung zu den Drohnen lässt darüber hinaus einen wesentlichen Bereich völlig außer Acht: Die heute schon vielfach Verwendung findenden Beobachtungs- und Spionagedrohnen im Landesinneren zur Kontrolle und Bespitzelung von Demonstrationen oder anderen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten werden nicht erwähnt. Es bleibt also beim weiteren Ausbau des Überwachungsstaates.
Die Position der Friedensbewegung und einer – wie Umfragen wiederholt gezeigt haben – großen Mehrheit der Bevölkerung, findet in der Drohnenvereinbarung der großen Koalition keinerlei Berücksichtigung. Ein klares NEIN zur Überwachung der Bevölkerung per Spionagedrohnen und ein ebenso klares NEIN zur Beschaffung und zum Einsatz von Kampfdrohnen bleibt weiter auf der Tagesordnung. Von dieser Koalition ist diesbezüglich nichts zu erwarten. Die Friedensbewegung wird mit ihrem Drohnen-Appell und mit Aktionen weiter den außerparlamentarischen Druck organisieren.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken (Berlin)
Peter Strutynski (Kassel)
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