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Nahostkonflikt: 17. - 30. November 2003

Chronologie der Ereignisse

17. - 23. November 2003

Der Chef des israelischen Generalstabs hält neue Luftangriffe auf Syrien für denkbar. "Solange die Hauptquartiere terroristischer Organisationen von Syrien aus agieren, wird Damaskus dafür die Verantwortung tragen", sagte General Mosche Jaalon in einer Rede an der Universität Tel Aviv laut einem Rundfunkbericht vom 17. November. Es sei nötig, "Botschaften einer anderen Art" an Damaskus zu richten, solange "Syrien die Botschaften Israels und anderer Länder in der Welt ignoriert."

Israels Außenminister Silvan Schalom hat von der Europäischen Union eine "ausgewogenere Haltung" mit Blick auf den Nahostkonflikt gefordert. Sein Land wolle alles tun, um mit der EU zusammenzuarbeiten, sagte Schalom am 17. November in Brüssel vor Gesprächen mit den EU-Außenministern. Er lehne die Formel ab, dass Israel ohne Europa und Europa ohne Israel leben könne. "Europa kann eine Schlüsselrolle im Friedensprozeß spielen, aber es muss eine ausgewogenere Haltung im israelisch-palästinensischen Konflikt einnehmen", sagte Schalom. Für den "politischen Dialog" zwischen Israel und der EU und den Beratungen im Assoziationsrat wird in Brüssel erwartet, dass die EU-Vertreter dabei ihre Sorge über die Entwicklung im Nahen Osten zum Ausdruck bringen würden. Dabei wolle die EU-Seite auch deutliche Kritik daran üben, dass Israel den EU-Nahostbeauftragten Marc Otte boykottiere, hieß es.
Die Europäische Union (EU) hat Israel aufgefordert, ihren Nahost- Sondergesandten Marc Otte nicht länger zu ignorieren. EU-Chefdiplomat Javier Solana sagte am 17. November vor einem Treffen der EU- Außenminister mit dem israelischen Kollegen Silwan Schalom in Brüssel, die EU wünsche sich von Israel deutlich mehr Zusammenarbeit und Vertrauen. Otte steht in Israel vor verschlossenen Türen, seit er im September zu Gesprächen mit Palästinenser-Präsident Jassir Arafat zusammentraf, den Israel und die USA nicht mehr als Gesprächspartner akzeptieren. Dass Otte keinen Zugang zu Israels Regierungschef Ariel Scharon oder anderen führenden Regierungsvertretern erhalte, sei eine absurde Situation, sagten EU-Vertreter. Schließlich solle Otte gerade zwischen beiden Seiten pendeln, um die ins Stocken geratene Umsetzung des internationalen Nahost-Friedensprozess wieder in Gang zu bringen.

Ägypten hat einen erneuten Vermittlungsvorstoß im israelisch-palästinensischen Konflikt unternommen. Der ägyptische Geheimdienstchef Omar Suleiman traf sich am 17. November in Ramallah mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmed Kureia und Präsident Jassir Arafat.

Die Europäische Union hat scharfe Kritik an der Haltung Israels im Konflikt mit den Palästinensern geübt. Der Bau des israelischen Grenzzauns, der teilweise auf palästinensischem Gebiet verläuft, sei eine Festlegung vor künftigen Verhandlungen, heißt es in einem Text, mit dem sich die EU- Außenminister am 17. November in Brüssel auf ein Gespräch mit ihrem israelischen Kollegen Silwan Schalom vorbereiteten. Der Zaun mache die Zwei-Staaten-Lösung - Israel und Palästina in anerkannten Grenzen - faktisch unmöglich. Er bringe zusätzliches menschliches Leid und wirtschaftliche Probleme für die Palästinenser, kritisiert die EU. Außerdem heize die kontinuierliche Ausdehnung israelischer Siedlungen in palästinensischen Gebieten die gefährliche Situation weiter an. Sie widerspreche dem auch von Israel anerkannten "Fahrplan" für eine Friedenslösung. Scharf verurteilte die EU auch die Selbstmordanschläge von Palästinensern auf Israelis. Sie rief die palästinensische Regierung von Ministerpräsident Ahmed Kureia auf, ihre Entschlossenheit zum Kampf gegen die extremistische Gewalt konkret unter Beweis zu stellen. Die Außenminister verlangten kategorisch ein Ende des Boykotts des EU-Nahostbeauftragten Marc Otte durch die israelische Regierung. Sollte dieser Boykott weitergehen, so könne sich das negativ auf den weiteren Dialog auswirken, warnten die Minister. Der belgische Diplomat Otte wird von der israelischen Regierung nicht empfangen, weil er - entsprechend der politischen Linie der EU - auch Kontakte mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat pflegt.
Israel ist nach Angaben von Außenminister Silwan Schalom bereit, wieder "normale Beziehungen" zu dem EU-Sondergesandten Marc Otte zu unterhalten. Seine Regierung habe bereits Kontakt zu Otte aufgenommen, sagte Schalom nach einem Treffen mit den EU-Außenministern am Abend des 17. November in Brüssel. "Ab jetzt wird es regelmäßige, tägliche Kontakte geben", sagte Schalom. Die israelische Regierung sei aber nach wie vor der Ansicht, dass Kontakte zum palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat ein Hindernis für den Frieden seien, betonte Schalom. "Arafat ist für uns ein Terrorist und als solcher kann er kein Partner für den Frieden sein."

Palästinenser haben am Morgen des 18. November zwei israelische Soldaten auf einer Straße durch das Westjordanland erschossen. Die Angreifer hätten im Süden von Jerusalem nahe eines Kontrollpunktes der Armee bei Bethlehem das Feuer eröffnet, berichtete der israelische Rundfunk. Die Palästinenser seien in Richtung der palästinensischen Ortschaft El Chader bei Bethlehem geflohen. Der Überfall ereignete sich auf der Straße, die Jerusalem mit der jüdischen Siedlung Gusch Ezion und den Kolonien in Hebron verbindet. Der israelische Justizminister Josef Lapid sagte, die Tat werfe Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bemühungen des palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmed Korei um eine Waffenruhe auf.

Im Süden des Gaza-Streifens rückte am 18. November die israelische Armee in ein Flüchtlingslager bei Rafah vor. Ein Armeesprecher sprach von einer "Präventivmaßnahme", nannte aber keine Einzelheiten. Palästinensische Sanitäter berichteten, Soldaten hätten sieben Palästinenser verwundet, drei davon schwer. Mindestens drei Häuser seien zerstört worden. In israelischen Militärkreisen hieß es, Soldaten hätten auf Extremisten geschossen, die ihrerseits gefeuert hätten oder Bomben legen wollten.

Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat in den vergangenen zwei Monaten umgerechnet rund zwölf Millionen Euro aus dem Staatshaushalt der Autonomiebehörde bezogen. Das geht aus dem Haushaltsbericht für das Budget 2004 hervor, den der palästinensische Finanzminister Salam Fajad am 18. November vorgelegt hat. Dem Bericht zufolge erhält der PLO-Chef rund acht Prozent der palästinensischen Staatsausgaben. Was Arafat mit seinem Budget konkret macht, ist bisher nicht bekannt.

Die Europäische Union hat Israel aufgefordert, den Bau der Sperranlage zum Westjordanland einzustellen und bereits gebaute Abschnitte der Sicherungsanlage abzureißen. In einer Erklärung zum Assoziationsrat mit Israel vom 18. November warnte die EU, dass der von der "grünen Linie" abweichende Verlauf des Sicherheitszauns die künftigen Verhandlungen über den endgültigen Grenzverlauf vorwegnehmen könne. Eine Zwei-Staaten-Lösung des Konflikts würde dadurch physisch unmöglich gemacht.

Am 18. November wurde bekannt, dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zum Ende des Monats seine Lebensmittelhilfen für 50.000 palästinensische Familien einstellen wolle. Ein Sprecher der Hilfsorganisation verband die Bekanntgabe der Maßnahme mit einer deutlichen Kritik an der israelischen Politik. Das IKRK sei nur dazu da, um Hilfe in Notfällen zu leisten, sagte Paul Fruh. Diese solle nicht zu einer Dauereinrichtung werden. Eine Lösung könne nur darin liegen, den Palästinensern endlich wieder ein normales Leben zu erlauben und die Straßensperren im Westjordanland endlich aufzuheben.

Ein bewaffneter Mann hat am 19. November an der jordanisch-israelischen Grenze das Feuer eröffnet und mindestens fünf Menschen verletzt. Der Angreifer wurde anschließend von israelischen Sicherheitskräften erschossen, wie die Behörden mitteilten. (Erste Meldungen sprachen von zwei Tätern, die erschossen worden seien.) Unter den Verletzten seien Mitglieder einer Reisegruppe aus Argentinien und Uruguay. Eine Israelin habe schwere Verletzungen erlitten. Eine Urlauberin aus Südamerika erlag wenig später ihren Verletzungen. Der Zwischenfall ereignete sich am Grenzübergang Rabin in der Nähe der Stadt Eilat am Roten Meer.

Die internationale Staatengemeinschaft drängt Israel und die Palästinenser, endlich einen klaren Friedenskurs einzuschlagen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete am 20. November (Ortszeit) Mittwoch in New York einstimmig eine Resolution, die bis 2005 die Bildung eines palästinensischen Staates fordert. Die Resolution 1515 (2003) fordert alle Konfliktparteien auf, ihren Verpflichtungen aus dem internationalen Friedensplan der "Road Map" nachzukommen und "die Vision von zwei Staaten" herbeizuführen, "die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit zusammenleben". Die "Fortsetzung der tragischen und gewaltsamen Ereignisse im Nahen Osten" erfülle den Sicherheitsrat mit grosser Besorgnis. "Alle Akte des Terrorismus, der Provokation, der Aufhetzung und der Zerstörung" müssten sofort eingestellt werden. Eingebracht wurde die Resolution von Russland, den USA, den Vereinten Nationen und der EU - dem so genannten Quartett, das die Road Map im Frühjahr entworfen hat.
Die israelische Regierung erklärte, sie sei nicht glücklich über die neue Entschließung. "Mehr Resolutionen sind keine Lösung", sagte der stellvertretende israelische UN-Botschafter Arje Mekel. "Was gebraucht wird, sind Taten vor Ort." Der Medienberater des Premierministers teilte nach der Verabschiedung der Resolution zur Road Map Folgendes mit: "Die Regierung Israels hat die Road Map (Nahostfriedensplan der USA, VN, EU und Russlands) mit 14 Anmerkungen angenommen. Er ist der einzige diplomatische Plan, von dem Israel bereit ist, ihn einzuhalten. Dieser Friedensplan, der als Road Map bekannt und von Israel akzeptiert ist, kann nur durch Verhandlungen und Übereinkunft zwischen Israel und den Palästinensern umgesetzt werden. Das Urteil über die Implementierung des Plans steht allein den Vereinigten Staaten von Amerika zu."
Einen Tag später verlautete aus Jerusalem, Israel fühle sich an die von der UNO angenommene Resolution zur Unterstützung des internationalen Nahost-Friedensplans "Roadmap" nicht gebunden. Das sagte Vize-Regierungschef Ehud Olmert am 20. November.

Rund 5.000 Palästinenser haben die Erlaubnis erhalten, an den letzten Tagen des Fastenmonats Ramadan auf dem Tempelberg in Jerusalem zu beten. 4.000 Menschen aus dem Westjordanland und weitere tausend aus dem Gazastreifen hätten am 20. und 21. November Zugang zu dem von Israel besetzten Gelände im Ostteil von Jerusalem, teilte die israelische Armee am 20. November mit. Die Erlaubnis gelte nur für Männer über 45 und Frauen über 35 Jahre. An diesem Tag wird an die Nacht des Schicksals erinnert, das heißt die Offenbarung des Korans an den Propheten Mohammed.

Die militanten palästinensischen Untergrundgruppen haben sich am 20. November bereit erklärt, an Verhandlungen über eine Waffenruhe am 2. Dezember in Kairo teilzunehmen. Sie reagierten damit auf ein israelisches Angebot, Militäraktionen auszusetzen. Eine Waffenruhe ist Bedingung für die Wiederbelebung der so genannten Road Map.
Der palästinensische Regierungschef Ahmed Kureia hält eine Einigung mit Israel über Wege zur Beilegung des Nahost-Konfliktes "binnen sechs Monaten" für möglich. Dem norwegischen Fernsehsender NRK sagte er am 21. November, er sei zu einem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon über eine entsprechende Einigung bereit. So etwas sei "in sehr kurzer Zeit" machbar. Vorbedingung für Friedensgespräche sei ein Waffenstillstand.

Tausende Anhänger von Hamas und Islamischem Dschihad protestierten am Abend des 21. November gegen den so genannten Genfer Friedensplan für den Nahen Osten, berichtete AP. Hamas-Führer Nisar Riajan erklärte vor rund 4.000 Anhängern der beiden Untergrundorganisationen im Flüchtlingslager Dschebalija im Gazastreifen, alle Palästinenser, die an dem inoffiziellen Friedensplan mitgewirkt hätten, seien Verräter. Sie verhandelten ohne Vollmacht über das Schicksal der gesamten Bevölkerung.

Israels Ministerpräsident Ariel Scharon ist nach einem Bericht des israelischen Fernsehens vom 22. November bereit, bis zum Sommer kommenden Jahres einige jüdische Siedlungen im Westjordanland und im Gaza-Streifen aufzulösen. Wie der Sender Channel 2 berichtete, will Scharon eine Hürde vor der geplanten Gründung eines palästinensischen Staates ausräumen. Dies ist in dem von den USA unterstützten Nahost-Friedensfahrplan bis 2005 vorgesehen.

Israelische Soldaten haben einen Palästinenser getötet, der im Norden des Gazastreifens angeblich einen Sprengsatz deponieren wollte. Die Soldaten hätten das Feuer auf einen Verdächtigen eröffnet, der sich in der Nähe des Zauns zwischen dem Gazastreifen und Israel aufgehalten habe, verlautete am 22. November aus israelischen Militärkreisen. Bei dem Toten sei eine Waffe gefunden worden. Die Suche nach dem mutmaßlichen Sprengsatz dauere an.
Israelische Soldaten haben am 22. November einen elfjährigen Jungen erschossen. Der Junge wurde nach palästinensischen Rundfunkangaben bei Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Steine werfenden Jugendlichen in Dschenin im Westjordanland getötet.

Der stellvertretende italienische Ministerpräsident Gianfranco Fini ist am 23. November zu einem Besuch in Israel eingetroffen, bei dem er sich nach eigenen Angaben von der neofaschistischen Vergangenheit seiner rechtsgerichteten Nationalen Allianz distanzieren will. Er wolle das jüdische Volk um Vergebung für das vom Faschismus verursachte Leid bitten, hat er angekündigt. Während seines zweitägigen Aufenthalts wird er mit Ministerpräsident Ariel Scharon, Staatspräsident Mosche Katzav und Aussenminister Silvan Schalom zusammentreffen. Im Holocaust-Museum Jad Vaschem will er einen Kranz niederlegen. - Im vergangenen Jahr hatte Fini seine Bemerkung öffentlich zurückgezogen, der faschistische Diktator Benito Mussolini sei ein grosser Staatsmann gewesen. Italien müsse die Verantwortung für die Verbrechen unter Mussolini übernehmen.

24. - 30. November 2003

Der italienische Vize-Regierungschef Gianfranco Fini hat am 24. November bei einem Besuch in Israel die faschistische Vergangenheit seines Landes verurteilt. Fini ist Chef der rechts-konservativen Nationalen Allianz und bemüht sich seit Jahren, deren historische Verbindung zu post-faschistischen Strömungen zu kappen und die Partei stärker in die Mitte des Parteienspektrums zu führen. Fini forderte Europa auf, das Unkraut des Antisemitismus auszurotten, das vereinzelt noch immer wuchere. Italien hat zur Zeit die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union (EU) inne. Israel bereitete dem Politiker einen warmherzigen Empfang. Fini gilt in dem Land als einer der wenigen europäischen Befürworter der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern. Vor kurzem hatte Fini die von Israel geplante Sperranlage zu den Palästinenser-Gebieten im Westjordanland als Akt der Selbstverteidigung gerechtfertigt.

Der Mitbegründer der militanten Palästinenser-Organisation Hamas, Scheich Ahmed Jassin, sieht nach eigener Aussage gegenwärtig keine Chance für einen Waffenstillstand mit Israel. Zugleich drohte er in einem Interview der Tageszeitung "Die Welt" (Ausgabe vom 25. November) mit weiteren Gewalttaten der Hamas. "Ohne israelischen Rückzug kann von einer Einstellung des Kampfes keine Rede sein", sagte Jassin laut Vorabbericht vom 24. November. "So lange palästinensische Zivilisten Opfer israelischer Angriffe sind, so lange werden israelische Zivilisten Opfer sein", kündigte er an. Vor Verhandlungen der Hamas über einen Waffenstillstand erwarte er Zugeständnisse Israels. "Von Hudna (Feuerpause) kann zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein. Jetzt wirklich nicht", sagte Jassin.

Bei einer Razzia hat der palästinensische Sicherheitsdienst am 24. November bei Bethlehem drei Palästinenser festgenommen, die Selbstmordattentate in Israel geplant hatten. Dies teilte die Jerusalem Post unter Berufung auf palästinensische Quellen mit. Die drei Palästinenser sollen in Verbindung zur Terrororganisation Hamas gestanden haben.

Als Reaktion auf die vom israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon angekündigten Zugeständnisse in der Siedlungsfrage hat sein palästinensischer Kollege Ahmed Kureia "ernsthafte und greifbare Schritte" gefordert. Die signalisierten Maßnahmen dürften "nicht bloß Öffentlichkeitsarbeit" sein, sagte Kureia am 24. November der Nachrichtenagentur AFP. Die Schritte müssten vielmehr eine "positive Wirkung" auf den Friedensprozess und die gesamte Lage in Nahost haben.

Die Führung des jüdischen Siedlerrates in den besetzten palästinensischen Gebieten hat am 25. November einen eigenen "Friedensplan" veröffentlicht, der die Annexion des Westjordanlandes und des Gazastreifen vorsieht. Der Plan des Siedlerrates, der von 14 Knesset-Abgeordneten ultrarechter Parteien und des Likud-Blocks unterstützt wird, sieht vor, dass das zu errichtende Groß-Israel in zehn Verwaltungsbezirke eingeteilt wird, von denen zwei bis drei auf die Palästinenser entfallen würden. Damit werde auf Dauer eine "jüdische Mehrheit" im israelischen Parlament gesichert. Verfassungsgesetzlich würde festgeschrieben, dass der Regierungschef immer ein Jude sein müsse. Sein Stellvertreter könnte Araber sein. Der Generalsekretär der oppositionellen Arbeiterpartei, Ofir Pines-Pas, nannte den Plan "gefährlich". Es handle sich "um eine Mischung aus einem binationalen Staat und rassistischer Apartheid". Der "Roadmap" genannte Friedensfahrplan des so genannten Nahostquartetts (USA, UNO, EU und Russland), der eine Zwei-Staaten-Lösung festlegt, sei ebenso wie das "Genfer Abkommen" israelischer und palästinensischer Persönlichkeiten eine "sehr schlechte Lösung", erklärten die Siedlervertreter.

Ägypten hat zwei illegale Tunnel zwischen Ägypten und dem Gazastreifen zerstört. Die Schmugglertunnel sind während der vergangenen Jahre zu einer zentralen Versorgungsader für palästinensische Terrororganisationen geworden. Die israelische Armee begrüßte die Maßnahme. Sie zeige, dass sich Ägypten der Gefahren des illegalen Waffenhandels für die Stabilität der Region bewusst sei und kündigte an, ihre Zusammenarbeit mit Ägypten in diesem Punkt auszubauen.

In Balata, einem Flüchtlingslager in Nablus, verhaftete die israelische Armee am 25. November Mohammed Arisha. Der 18jährige war Mitglied der Fatah-Tanzim-Organisation und plante angeblich ein Selbstmordattentat in Israel. (The Jerusalem Post)

Wegen des Baus jüdischer Siedlungen in palästinensischen Gebieten werden die USA zugesagte Kreditgarantien für Israel kürzen. Es handle sich um fast 290 Millionen Dollar, berichten am 26. November israelische und amerikanische Medien in Bezug auf diplomatische Quellen in Washington. Diese Entscheidung bedeutet, dass Israel das Geld bei US-Banken nun zu höheren Zinsen aufnehmen muss. Wie es weiter hieß, besucht Vize-Außenminister William Burns am Wochenende Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete.

Der amerikanische Außenminister Colin Powell hat sich zustimmend über die "Genfer Vereinbarung" geäußert, die der frühere palästinensische Informationsminister und der ehemalige israelische Justizminister ausgehandelt haben. "Ich habe beiden geschrieben und den Beitrag gelobt, den sie damit zum Frieden leisten", sagt Powell der ZEIT in einem Interview, das am 26. November vorab veröffentlicht wurde (DIE ZEIT Nr. 49, 27.11.2003). Der offizielle Friedensfahrplan, die so genannte "Roadmap", sei nicht tot, sagt der Außenminister: "Der Friedensfahrplan lebt. Es geht ihm gut. Er liegt da und wartet." Auf beiden Seiten gebe es Bewegung. In diesem Zusammenhang nennt er auch die - regierungskritische - Initiative der früheren israelischen Geheimdienstchefs "interessant." Allerdings stellt Powell Forderungen an die Palästinenser: "Bevor wir uns wieder nach Fahrplan bewegen und von Israel erwarten können, seine Verpflichtungen einzulösen, müssen wir sicherstellen, dass gegen Terroristen vorgegangen wird."

Im Westjordanland verübten nach einem Bericht der Zeitung "Haaretz" Unbekannte in der Nacht zum 26. November einen Anschlag auf den Bürgermeister der Stadt Nablus. Ghassan Schaka, ein gemäßigtes Mitglied der Fatah-Organisation von Jassir Arafat, sei unverletzt geblieben. Sein Bruder sei bei dem Feuerüberfall auf das Auto jedoch umgekommen. Militante Palästinenser hätten den Bürgermeister vor Kurzem in Flugblättern Kollaboration mit Israel vorgeworfen.

Israelische Soldaten haben am 26. November in Rafah im Süden des Gazastreifens nach Krankenhausangaben ein neunjähriges palästinensisches Kind getötet. Der von einer Kugel am Kopf getroffene Junge sei kurz nach seiner Einlieferung in das Krankenhaus von Rafah gestorben, sagte der Klinikchef Ali Mussa der Nachrichtenagentur AFP.
Damit stieg die Zahl der Toten seit dem Beginn der so genannten El-Aksa-Intifada im September 2000 auf 3621, unter ihnen 2701 Palästinenser und 854 Israelis.

Die oben genannte Zahl muss um drei Tote erhöht werden. Israelische Soldaten haben am Abend des 26. November im Gazastreifen drei Palästinenser erschossen. Die drei wurden angeblich bei der Vorbereitung eines Anschlags an einer von jüdischen Siedlern benutzten Strasse gestört, wie Militärkreise mitteilten. Zwei weitere Männer entkamen den Soldaten. Die Soldaten hatte die Gruppe nach Einbruch der Dunkelheit an der Strasse zur Siedlung Gusch Katif im südlichen Gazastreifen entdeckt. Mindestens zwei der Männer seien bewaffnet gewesen. Später musste die israelische Seite diese Angaben dementieren und zugeben, dass alle drei Männer unbewaffnet gewesen seien. Von palästinensischer Seite hieß es, die Männer seien auf dem Weg zu einer Feier anlässlich des muslimischen Eid-Festes gewesen.

In London trafen am 26. November israelische und palästinensische Politiker zu zweitägigen Friedensgesprächen ein. Darunter befinden sich unter anderem die prominenten israelischen Abgeordneten Omri Scharon (Likud), Ephraim Sneh und Isaak Herzog (beide Arbeitspartei). Von palästinensischer Seite seien Arafats Sicherheitsberater Dschibril Radschub und der Abgeordnete Siad Abu Sajad gekommen. Auch führende britische und europäische Politiker wollten an dem so genannten Rabin-Friedensseminar teilnehmen, berichtete "Haaretz". Bei dem bis Freitag andauernden Treffen solle es vor allem darum gehen, wie der als "Roadmap" bekannt gewordene internationale Friedensplan umgesetzt werden kann.

Israel hat seinen ersten bei den Vereinten Nationen eingereichten Resolutionsentwurf noch vor einer Abstimmung wieder zurückgezogen. Die Entschließung sei "von Ägypten auf feindliche Weise kontrolliert" worden, sagte der israelische UN-Botschafter Dan Gillerman am 26. November vor Journalisten in New York. "Der heutige Tag ist für die Vereinten Nationen ein Tag der Schande und ein Tag der Traurigkeit für die Menschheit." Israel werde künftig nicht mehr als "Zielscheibe für systematische Anschuldigungen und voreingenommene Entschließungen" herhalten, kündigte er an. Der UN-Botschafter hatte Ende Oktober eine Resolution vorgelegt, in dem Israel die Auswirkungen palästinensischer Terrorakte auf israelische Kinder verurteilt.

Ungeachtet der harschen Kritik Washingtons an ihrer Siedlungspolitik will die israelische Regierung einen Teil der wilden Siedlungen in den Palästinensergebieten legalisieren. Es sei "kein Geheimnis", dass ein Teil der seit drei Jahren illegal entstandenen Siedlungen nachträglich ihre Genehmigung beantragt hätten und dieser Prozess kurz vor seinem Abschluss stehe, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Seev Boim am 27. November dem Militärradio. Laut Boim erhalten nur die Siedlungen eine nachträgliche Genehmigung, die nicht auf privatem Grundbesitz stehen. Von der am Wochenende von Ministerpräsident Ariel Scharon angekündigten Auflösung wilder Siedlungen seien diese nicht betroffen. Scharon hatte gesagt, er wolle aus Sicherheitsgründen bestimmte jüdische Siedlungen in Westjordanland und Gaza-Streifen evakuieren lassen.

Der israelische Regierungschef Ariel Scharon hat die alternative Friedensinitiative für den Nahen Osten scharf kritisiert, die am 1. Dezember in Genf feierlich verabschiedet werden soll. Der von israelischen und palästinensischen Persönlichkeiten ausgearbeitete "Genfer" Friedensplan "schadet und blamiert" Israel, sagte Scharon am 27. November vor Journalisten in Tel Aviv. Er warnte, die Initiative gefährde die Umsetzung des offiziellen Friedensplans, der sogenannten road map des internationalen Nahost-Quartetts. "Nur eine Regierung kann politische Verhandlungen führen und Abkommen unterzeichnen", betonte der Regierungschef weiter.

Für den Fall eines Scheiterns der Friedensverhandlungen mit den Palästinensern plant der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon Presseberichten zufolge, Teile des Westjordanlands mit großen jüdischen Siedlungsblöcken zu annektieren. Im Gegenzug wolle er einen Großteil der kleinen versprengten Siedlungen im Gazastreifen aufgeben, an deren Beibehaltung nur die Ultranationalisten ein Interesse hätten, berichtete die Zeitung "Maariv" am 28. November. Laut dem Blatt geht es bei den Plänen vor allem um die beiden großen Siedlungsblöcke Gusch Ezion und Maale Adumim am Stadtrand von Jerusalem. Die Zeitung "Haaretz" berichtete von Überlegungen Scharons, die Besiedelung des Westjordanlands voranzutreiben und Gebiete zu annektieren.

Der israelische Minister für Infrastruktur, Joseph Paritzky, hat die Bundesregierung um Entwicklungshilfe für die Palästinenser gebeten. "Dies ist vor allem aus politischen Gründen von zentraler Bedeutung", sagte der zum linken Flügel der Regierungskoalition zählende Politiker der Zeitung "Financial Times Deutschland" am 28. November. "Hilfe bei Infrastrukturprojekten wie Wasser und Abwasser fördert den Friedensprozess. Es wird Dinge verändern und sowohl die Situation der Bürger dort als auch in Israel verbessern". Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) wolle die Wiederaufnahme eingefrorener Projekte nun erwägen, sagte Paritzky. Eine Arbeitsgruppe mit allen Beteiligten solle dies vorbereiten. Seine Schinui-Partei werde nicht hinnehmen, wenn sich im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nichts bewege. "Wir müssen Fortschritte sehen, sei es der Abbau von Siedlungen, die Änderung des Verlaufs beim Sicherheitszaun oder bei der Aufhebung von Straßensperren", sagte Paritzky. "Wenn Scharon nichts tut, werden wir möglicherweise die Koalition nicht fortsetzen, und das weiß er."

Nach zwei Tagen sind in London israelisch-palästinensische Gespräche auf informeller Ebene über den Friedensprozess in Nahost zu Ende gegangen. Beide Seiten beschrieben am Abend des 28. November die Atmosphäre als konstruktiv, allerdings habe es keinen Durchbruch bei der Verständigung über die so genannte Strassenkarte zum Frieden (Roadmap) gegeben. Teilnehmer waren unter anderem ein Sicherheitsberater des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat und ein Sohn des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon.

Die israelische Armee rückte am Abend des 28. November mit rund 20 gepanzerten Fahrzeugen in die palästinensische Ortschaft Atara südwestlich von Dschenin im Norden des Westjordanlandes ein. Die Soldaten hätten eine Ausgangssperre verhängt und durchsuchten Haus für Haus offenbar nach Aktivisten radikaler Palästinensergruppen, teilten palästinensische Sicherheitskräfte mit. Schüsse seien zu hören gewesen. Von israelischer Seite lagen zunächst keine Angaben über den Einsatz vor.

Der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Korei hat am 29. November baldige Gespräche mit seinem israelischen Kollegen Ariel Scharon ausgeschlossen. Es sei nicht nötig, sich zu treffen oder miteinander zu reden, solange Israel seine Sperranlage zu den Palästinenser- Gebieten weiterbaue, sagte Korei in Ramallah nach der wöchentlichen Kabinettssitzung. "Wenn die israelische Regierung sagt, dass sie die Mauer weiterbauen will, dann gibt es keinen Grund sich zu treffen oder miteinander zu reden", sagte Korei.

Der US-Sondergesandte William Burns hat sich am 29. November mit dem palästinensischen Regierungschef Ahmed Kureia zu Beratungen über den festgefahrenen Nahost-Friedensprozess getroffen. Bei dem Gespräch in der jordanischen Hauptstadt Amman habe Burns das Engagement von US-Präsident George W. Bush für den internationalen Friedensfahrplan herausgestellt, teilte die US-Botschaft in Jordanien mit. Burns habe auch die Entschlossenheit Bushs übermittelt, die Zwei-Staaten-Lösung zu verwirklichen. Der US-Vertreter betonte demnach auch, es sei von "entscheidender Wichtigkeit", dass die Palästinenser alle Anstrengungen unternähmen, um "Terror" und Gewalt zu beenden.

Einen Tag vor der Lancierung der Genfer Initiative hat die Fatah-Bewegung von PLO-Chef Arafat dem Dokument ihre Unterstützung entzogen. Die Zeit sei noch nicht reif für irgendeine politische Initiative, sagte der palästinensische Abgeordnete Hatem Abdul Kader am 30. November in den palästinensische Medien. Grund dafür sei vor allem "die schwierige Lebenslage der Palästinenser und die eskalierende Gewalt der Israeli". Um als eine wahre Basis für eine zukünftige Lösung des Konflikts zu gelten, wären in der Genfer Initiative "radikale Veränderungen bei der Flüchtlingsfrage und der Teilung von Jerusalem" nötig, sagte Kader. Deshalb habe die Fatah entschieden, nicht bei der Zeremonie am 1. Dezember in Genf teilzunehmen. Diejenigen palästinensischen Abgeordneten, die nach Genf reisten, täten dies auf persönliche Verantwortung.

Die Grünen haben sich nachdrücklich hinter die palästinensisch-israelische Friedensinitiative von Intellektuellen und Politikern aus der zweiten Reihe gestellt. Auf ihrem Parteitag in Dresden verabschiedeten die Delegierten am Sonntag eine Resolution, in der sie die sogenannte Genfer Initiative als "Grundlage für die Regelung des Konflikts" bezeichnen. Sie forderten auch die internationale Gemeinschaft auf, den Friedensplan zu unterstützen.

Die israelische Armee hat die Einreisebestimmungen für palästinensische Arbeitskräfte nach Israel leicht gelockert. Die Altersgrenze werde von 35 auf 28 Jahre gesenkt und die Zahl der Einreisenden erhöht, teilte ein Militärsprecher am 30. Dezember mit. Künftig dürften aus dem Gazastreifen bis zu 15.000 Arbeitskräfte nach Israel einreisen sowie 4.000 Geschäftsleute. Bisher hatten lediglich 10.000 Arbeiter und 1.000 Händler ab einem Alter von 35 Jahren Zugang nach Israel bekommen. Vor Beginn der zweiten Intifada im September 2000 waren mehr als 100.000 Palästinenser täglich vom Gazastreifen oder dem Westjordanland aus legal zum Arbeiten nach Israel gependelt; weitere rund 100.000 reisten zur Schwarzarbeit ein.

Wegen seiner Drohungen gegen die palästinensische Führung ist der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon erneut in den Reihen der israelischen Militärspitze in die Kritik geraten. Mehrere ranghohe Offiziere hätten Kritik an Scharons Ultimatum gegen den palästinensischen Regierungschef Ahmed Kureia geübt, berichtete die israeische Tageszeitung "Haaretz" am 30. November. Auch Generalstabschef Mosche Jaalon habe in Privatgesprächen Zweifel an Scharons Drohungen geäußert. Jaalon und mehrere Offiziere sprächen sich für die Unterstützung Kureias aus. So setzten sie sich für einen Abzug Israels aus palästinensischen Dörfern im Westjordanland ein sowie für die Aufhebung von Straßensperren und eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den Autonomiegebieten.


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