Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

19. bis 31. Mai 2003

19. bis 22. Mai
  • Tausende Demonstranten haben am 19. Mai in Bagdad den sofortigen Abzug der US-Armee aus dem Irak gefordert. Sie verlangten, schiitischen Religionsgelehrten eine wichtige Rolle bei der Führung des Landes zu geben.
  • Am 19. Mai dementierte der US-Zivilverwalter für den Irak, Paul Bremer, Berichte, wonach die US-Regierung die Bildung einer Übergangsregierung im Irak auf unbestimmte Zeit verschieben wolle. Die Ernennung dieser Regierung werde so schnell wie möglich erfolgen, sagte er in Bagdad.
  • Polen hat die NATO offiziell gebeten, beim Aufbau einer multinationalen Truppe für den Einsatz im Irak zu helfen. Polen will danach die Truppe führen, die in einer Sicherheitszone für Ordnung sorgen soll, hieß es am 19. Mai im Hauptquartier der Allianz in Brüssel. Die NATO-Botschafter werden sich am 21. Mai mit dem Gesuch befassen. Polen will etwa 2.000 Soldaten entsenden. Etwa 10.000 Mann seien insgesamt nötig, hieß es weiter.
  • Die USA haben ihren Entwurf für die neue Irak- Resolution noch einmal überarbeitet und wollen ihn im Weltsicherheitsrat einbringen. In diplomatischen Kreisen in New York hieß es am Spätnachmittag des 19. Mai (Ortszeit), Washington betrachte die jüngste Version als den endgültigen Resolutionsentwurf und strebe möglicherweise schon für morgen (20. Mai) die Abstimmung an. Zuvor hatte der französische Präsident Jacques Chirac seine Zustimmung unter der Bedingung in Aussicht gestellt, dass noch Verbesserungen mit Blick auf eine stärkere UN-Rolle eingefügt würden.
  • Die belgische Regierung hat in einer Kabinettssitzung am 20. Mai entschieden, die Klage gegen General Tommy Franks vor einem Brüsseler Gericht an die amerikanischen Justizbehörden weiterzuleiten. Gegen den Befehlshaber der militärischen Intervention zum Sturz Saddam Husseins war in der vergangenen Woche von 17 Irakern und zwei Jordaniern Klage wegen Kriegsverbrechen erhoben worden, weil Franks angeblich die Verantwortung für den Einsatz von Splitterbomben in bewohnten Gebieten trage. Ein belgisches Gesetz über die "universelle Zuständigkeit" der Gerichte bei Völkermord, Kriegsverbrechen und anderen Verbrechen gehen die Menschlichkeit erlaubt solche Klagen, auch wenn die Straftaten nicht in Belgien begangen wurden und die Opfer nicht belgische Staatsbürger sind. Die amerikanische Regierung hatte wiederholt gegen die Eröffnung eines Verfahrens protestiert. Der amerikanische Generalstabschef Richard Myers drohte in der vergangen Woche bei einem Besuch im Nato-Hauptquartier, das Verfahren könnte Folgen für Brüssel als internationalen Standort und Tagungsort haben. Das Gesetz war wegen der damit verbundenen diplomatischen Verwicklungen erst vor kurzem geändert worden. Demnach ist nun auf Empfehlung des Generalstaatsanwalts und durch Beschluss der Regierung eine Weiterleitung der Klage möglich, wenn in dem Land rechtsstaatliche Verhältnisse herrschen. Premierminister Verhofstadt, der die Klage gegen General Franks als "Missbrauch" des Gesetzes verurteilt hatte, nutzte diese neue Möglichkeit. Nach einer entsprechenden Empfehlung der Staatsanwaltschaft hat nun sein Kabinett die Weiterleitung der Klage an die amerikanische Justiz beschlossen.
  • Beim Absturz eines US-Militärhubschraubers sind am 20. Mai nahe der irakischen Stadt Kerbala laut dpa fünf US-Marines getötet worden (AFP sprach von vier Toten). Wie der US-Fernsehsender CNN unter Berufung auf das Pentagon berichtet, stürzte die Maschine aus noch unbekannter Ursache in einen Kanal. Unter den Toten seien die vier Besatzungsmitglieder des Hubschraubers sowie ein weiterer Soldat, der beim Versuch, die Verunglückten zu retten, ertrank. Hinweise auf einen Abschuss des Hubschraubers gebe es nicht, so CNN.
  • Die USA haben die Abstimmung über ihre neue Irak-Resolution im UN-Sicherheitsrat auf den 22. Mai verschoben. Bis dahin haben sie die Prüfung und eventuelle Berücksichtigung weiterer Forderungen Russlands und Frankreichs nach einer klareren Festlegung der Rolle der UN im Nachkriegs-Irak und der Befugnisse des Sicherheitsrates zugesagt, erklärten UN-Diplomaten in der Nacht zum 21. Mai nach einer weiteren Konsultationsrunde im Sicherheitsrat.
  • Die US-Verwaltung hat in Bagdad das erste Gefängnis wiedereröffnet. An der feierlichen Zeremonie am 21. Mai nahm auch der von US-Präsident George W. Bush eingesetzte Zivilverwalter Paul Bremer teil. Die Haftanstalt liegt in einem ehemaligen Komplex der irakischen Sicherheitsdienste. Bislang sitzen dort keine Häftlinge ein. Die US-Armee hält derzeit an verschiedenen Orten im Irak rund 600 Gefangene fest, darunter zahlreiche Plünderer.
  • Die NATO hat sich grundsätzlich bereit erklärt, Polen bei seinem Militäreinsatz in Irak zu unterstützen. Der Rat der 19 NATO-Botschafter habe auf seiner wöchentlichen Sitzung am 21. Mai der Ausarbeitung von entsprechenden Vorschlägen zugestimmt, sagte Generalsekretär George Robertson in Brüssel. Auf Grundlage dieser Vorschläge dürfte der NATO-Rat bereits kommende Woche beschließen, dass die Allianz die planerische Arbeit für den Militäreinsatz im polnischen Sektor in Irak übernimmt.
  • Die USA wollen möglichst bald zusammen mit UN- Atominspekteuren eine ausgeplünderte Lagerstätte im Irak untersuchen. Die Aktion werde zur Zeit in Gesprächen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation vorbereitet, bestätigte US-Außenamtssprecher Richard Boucher am 21. Mai. Ziel sei es herauszufinden, wie viel Material möglicherweise gestohlen worden und wo es geblieben sei. Die Lagerstätte befindet sich 50 Kilometer südlich von Bagdad.
  • Die USA wollen ihren überarbeiteten Entwurf einer Irak-Resolution am 22. Mai dem Weltsicherheitsrat zur Abstimmung vorlegen. Deutschland, Frankreich und Russland werden dieser neuen Fassung zustimmen. Das vereinbarten ihre Außenminister am 21. Mai in Paris. De Villepin, Joschka Fischer und Igor Iwanow betonten, der Resolutionstext enthalte keine nachträgliche Legitimierung des Krieges. "Unsere Haltung zum Krieg ist unverändert", sagte Fischer. "Wir haben nichts zurückzunehmen." In der Frage, welche Rolle den Vereinten Nationen beim Wiederaufbau Iraks zukommen soll, sei im Vergleich zum ersten Resolutionsentwurf Beachtliches erreicht worden.Washington hatte das Votum verschoben, nachdem neben Russland und Frankreich auch andere Länder noch Änderungswünsche am dritten Resolutionsentwurf geäußert hatten. Die USA und Großbritannien werden mit der Resolution von den UN als entscheidende Autorität bis zur Bildung einer legitimen Regierung im Irak anerkannt.
  • Der Sicherheitsrat hat am 22. Mai 2003 mit 14 Stimmen bei Abwesenheit Syriens (das aber nachträglich der Resolution ebenfalls zustimmte) den von den USA, dem Vereinigten Königreich und Spanien vorgelegten Resolutionsentwurf zum Irak angenommen (siehe die Resolution 1483 im Wportlaut). Damit unterstützt die UNO die US-geführte Übergangsverwaltung im Irak bis zur Einsetzung einer demokratisch gewählten Regierung und die Aufhebung der Sanktionen, mit Ausnahme des Waffenembargos. Wichtige Punkte: Der Sicherheitsrat wird sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut mit dem Mandat der Überwachungs-, Verifikations- und Inspektionskommission der Vereinten Nationen (UNMOVIC) sowie der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) im Irak befassen. UNO-Generalsekretär Kofi Annan soll einen Sonderbeauftragten für den Irak benennen, der in enger Abstimmung mit der Zivilverwaltung im Land im Bereich der humanitären Hilfe und des Wiederaufbaus agieren soll. Die Erdölexporte sollen in normalem Umfang wiederaufgenommen werden, während das Öl-für-Lebensmittel-Programm der Vereinten Nationen noch weitere sechs Monate unter der Aufsicht des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan laufen wird. Die internationale Presse reagierte mit viel Kritik am Umfallen der Kriegsgegner im Sicherheitsrat, aber auch mit verhaltener Zustimmung zum "Pragmatismus" der Staaten (siehe unseren Pressespiegel vom 23. Mai).
  • Die Präsenz von US-Vertretern im Irak könnte sich nach den Worten von US-Außenminister Colin Powell noch auf ein oder zwei Jahre erstrecken. Dies hänge zum Großteil davon ab, wie lange es dauere, bis in dem Golfstaat für Sicherheit gesorgt sei und eine neue irakische Regierung ihre Arbeit aufnehmen könne, sagte Powell am 22. Mai dem französischen Fernsehsender TF1. Auf die Frage nach einem Abzug der USA aus dem Irak antwortete Powell: "Ich kann nicht sagen, ob es ein Jahr ist oder zwei Jahre. Ich weiß es nicht. Jeder, der sagt, dass er es weiß, weiß es nicht." In der Frage an Powell wurde nicht konkretisiert, ob der Abzug von US-Truppen oder Vertretern der US-geführten Zivilverwaltung gemeint war.
  • Die USA haben Irak von der Liste jener Länder gestrichen, die im Anti-Terror-Kampf nicht mit Washington zusammenarbeiten. Seit der Entmachtung von Saddam Hussein kooperiere Irak mit den USA, deshalb sei es gerechtfertigt, das Land nicht in die Liste aufzunehmen, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums am 22. Mai in Washington. Auf der im Bundesregister veröffentlichten Liste stehen weiterhin Iran, Kuba, Libyen, Nordkorea, Sudan und Syrien. Wegen angeblicher Verbindungen zum internationalen Terrorismus sind Waffenexporte in jene Länder untersagt.
23. - 25. Mai
  • Am 22. und 23. Mai haben sich in Warschau auf Einladung Polens Militärvertreter aus einer Reihe von Staaten eingefunden, um über die Organisation der polnischen Militärzone im Irak zu verhandeln. Die Konferenz fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zum Hintergrund: Polen hat erhebliche Probleme, die Militärverwaltung in ihrer Zone im Irak allein zu organisieren. Dazu fehlt sowohl Geld als auch Logistik. Letzteres hat die NATO am 21.Mai grundsätzlich zugesagt. Für die Finanzierung sollen die USA angezapft werden. Von den 7.000 Soldaten, die Polen benötigt, kann es selbst nur rund 1.500 stellen. Nach dem ersten Konferenztag verkündete aber Polens Verteidigungsminister, man werde keine Probleme haben, den erforderlichen Personalbestand in der polnischen Division sicherzustellen. Aus NATO-Kreisen sickerte durch, dass Norwegen, Dänemark und die Niederlande mit Truppen zu Hilfe kommen würden.Zusagen liegen wohl auch von Bulgarien und der Ukraine, ja sogar vom Pazifikstaat Fidschi vor.
  • Der US-Militärverwalter im Irak, Paul Bremer, hat am 23. Mai den gesamten irakischen Militär- und Sicherheitsapparat für aufgelöst erklärt. Betroffen von dieser Maßnahme sind die Streitkräfte, die Republikanische Garde, das Informations- und Verteidigungsministerium sowie andere Institutionen, die an den repressiven Aktivitäten des Regimes von Saddam Hussein beteiligt waren. Die Vermögenswerte der aufgelösten Institutionen wurden beschlagnahmt. Mit sofortiger Wirkung endet im Irak auch die Wehrpflicht. Gleichzeitig kündigte Bremer an, es werde ein professionelles "Neues Irakisches Korps" zum Zweck der nationalen Selbstverteidigung aufgebaut.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat den Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen, Sergio Viera de Mello, am 23. Mai zum UN-Sonderbeauftragten im Irak ernannt. De Mello werden den Posten zunächst für vier Monate bekleiden. Der Brasilianer behält sein Amt als UN-Menschenrechtskommissar. Er hat es erst vor acht Monaten angetreten.
  • Bei einer kommunalen Wahl unter Aufsicht der US-Besatzungsmacht im Norden Iraks am 24. Mai ist es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. In der Ölstadt Kirkuk wurden zunächst nur 24 der insgesamt 30 Mitglieder des geplanten Stadtrats vereidigt, wie ein AFP-Reporter feststellte. Arabische Abgeordnete bemängelten, dass angeblich "unabhängige" Kandidaten tatsächlich überwiegend Kurden seien. US-Generalmajor Raymond Odierno verschob die Abstimmung über die verbleibenden sechs Sitze daraufhin um einen Tag.
  • Die US-Zivilverwaltung im Irak hat am 24. Mai erstmals seit Kriegsende Gehälter an Tausende von Beschäftigten der Elektrizitätsbranche in Bagdad ausgezahlt. Die USA hoffen, damit ein Signal für die Rückkehr zum normalen Leben nach wochenlangem Chaos zu geben. "Es ist ein Anfang, ein guter Anfang, und der Rest wird im Laufe der Woche bezahlt werden", sagte der scheidende Direktor des von den USA gebildeten Büros für Wiederaufbau und humanitären Beistand (ORHA), Jay Garner. Die Zahlungen in Höhe von 80 bis 400 Dollar monatlich sollen bis zu 1,4 Millionen staatlich Beschäftigten zukommen.
  • Irak will innerhalb von drei Wochen seine Ölexporte wieder aufnehmen. Der geschäftsführende Ölminister Thamer el Ghadhban erklärte am 24. Mai, innerhalb eines Monats solle die Produktion zudem auf etwa 1,5 Millionen Barrel täglich verdoppelt werden - das wäre die Hälfte des Volumens unter dem gestürzten Präsidenten Saddam Hussein vor dem Krieg. Auf einer Pressekonferenz in Bagdad sagte Ghadhban: "Wir hoffen, in zwei Wochen wieder auf dem Markt zu sein." Öleinkünfte sind von den USA für den Wiederaufbau des Landes fest eingeplant.
    Der von den USA eingesetzte irakische Ölminister verkündete weiter, dass der Kontrakt mit dem russischen Ölgiganten Lukoil ersatzlos annulliert und der mit China vorläufig auf Eis gelegt sei. Vermutlich wurde oder wird auch ein dritter Vertrag, der mit Frankreich, ausgesetzt. Phillip J. Carroll, ehemaliger Topmanager des Ölmultis Shell und vom Pentagon als "Berater" für Iraks Ölministerium eingesetzt, erklärte den Schritt damit, dass Zweifel bestünden, ob die existierenden Verträge mit ausländischen Firmen sicherstellten, dass "das irakische Volk voll von seinem Ölreichtum profitiert". Die Frankfurter Rundschau teilte ergänzend mit: "Carroll macht keinen Hehl aus der Bedeutung des Erdöls für die internationale Branche. Schon Saddam Hussein hätte geplant, die Produktion binnen sechs oder sieben Jahren von drei auf sechs Millionen Fass täglich mit einem Investitionsaufwand von 25 bis 30 Milliarden Dollar zu steigern und damit Saudi-Arabien als größtem Anbieter Konkurrenz zu machen. Bagdad, so Carroll, werde sich letztlich entscheiden müssen, ob es sich weiter den Quotenbeschränkungen der Opec beuge oder unabhängig von dem Kartell ausländischen Investitionen zur Erschließung seiner Reserven den Vorrang gebe." (FR 28.05.2003)
  • Am 25. Mai ist ein US-Soldat bei einer Explosion südlich von Bagdad getötet worden. Ein weiterer Soldat wurde verletzt. Nach Angaben des Zentralkommandos handelte es sich um einen Unfall. Die Soldaten hätten in der Nähe ein Munitionsdepot der irakischen Armee bei Diwanija (rund 120 Kilometer südlich von Bagdad) bewacht.
26. bis 31. Mai
  • Als "sehr gefährlich" schilderte bei einer Veranstaltung des Frankfurter Bündnisses gegen den Krieg am 26. Mai Prof. Dr. Ulrich Gottstein die Situation im Irak. Gottstein war mit einem Hilfstransport der IPPNW im Irak gewesen und erst wenige Tage zuvor zurückgekehrt. Insbesondere auf der Straße zwischen der jordanischen Hauptstadt Amman, wo sein Hilfstransport gelandet sei und der irakischen Hauptstadt Bagdad würde es regelmäßig zu Überfällen kommen. "Schrecklicher Weise haben die Amerikaner einen Eroberungskrieg durchgeführt, aber sie haben nicht für Sicherheit gesorgt." Entsprechend unsicher sei deshalb auch nach wie vor die Situation in Bagdad. So habe er Waffen schwenkende junge Männer auf einem Markt anfangs für Wachen gehalten. Gehandelt habe es sich aber um Jugendliche, die dort Waffen verkauften. In dieses Bild passt auch, dass die Ärzte in den geplünderten Krankenhäusern weiterhin unter sehr unsicheren Bedingungen arbeiten müssten, wenngleich mittlerweile Wachen vor den Krankenhäusern postiert seien. Probleme, die Hilfstransporte an die geeigneten Orte zu bringen, habe es keine gegeben, so der ehemalige Chefarzt am Bürgerhospital. Generell würden die Hilfsorganisationen in ihrer Arbeit nicht eingeschränkt. "Es gibt keine Not an Medikamenten in Bagdad." Anders sähe die Situation hingegen im Norden aus, wo die medizinische Versorgung bereits vor dem Krieg und auch jetzt noch unzureichend sei. Dies sei mit ein Grund, warum die Iraker allenfalls ironisch von den Amerikanern als "Our Liberators" (Unsere Befreier) reden würden. (Quelle: FR, 27.05.2003)
  • Am 26. Mai sind zwei US-Soldaten getötet und vier weitere verletzt worden. Wie das US-Zentralkommando berichtete, wurde ein Soldat getötet, als ein amerikanischer Armeekonvoi in der irakischen Stadt Haditha (rund 120 Kilometer nordwestlich von Bagdad) in einen Hinterhalt geriet. Ein weiterer wurde verletzt. Wer hinter dem Überfall steckt, war unklar. In der irakischen Hauptstadt Bagdad wurde ein zweiter US- Soldat nach einem Bericht des arabischen TV-Senders El Dschasira bei einer Minenexplosion getötet. Drei weitere Soldaten wurden verletzt. Nach ersten Informationen explodierte die Mine auf der Schnellstraße zwischen dem Zentrum und dem Flughafen der Stadt. Ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelte, war zunächst unklar. Eine Korrespondentin des Senders erklärte jedoch, da es sich um eine viel befahrene Straße handele, sei es unwahrscheinlich, dass die Mine seit dem Krieg dort gelegen habe.
  • Die Familie eines im Irakkrieg getöteten spanischen Journalisten hat drei US-Soldaten verklagt. Die Klage lautet auf Mord und Kriegsverbrechen, wie die spanische Anwältin Pilar Hermoso am 27. Mai in Madrid mitteilte. Die Hinterbliebenen des Kameramanns José Couso forderten demnach, die drei Militärs, zwei Offiziere und einen Unteroffizier, in Untersuchungshaft zu nehmen. Der spanische Kameramann kam am 8. April ums Leben, als ein US-Panzer auf das Journalisten-Hotel Palestine in der irakischen Hauptstadt Bagdad feuerte. Das in New York ansässige US-Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) erklärte nach einer AFP-Meldung unterdessen, der Beschuss des Hotels sei "vermeidbar" gewesen. Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums und Befehlshabende in Bagdad hätten gewusst, dass sich im Palestine viele Journalisten aufhielten, hieß es in einem CPJ-Bericht. Das Pentagon müsse den Vorfall deshalb "gründlich und öffentlich" untersuchen. Für die von der US-Armee vorgebrachte Erklärung, die Panzersoldaten hätten auf feindliches Feuer aus dem Hotel reagiert, gebe es "einfach keinen Beweis", hieß es in dem Bericht. Etliche Journalisten hätten als Augenzeugen anderes berichtet. Neben dem spanischen Journalisten wurde bei dem Beschuss auch ein ukrainischer Kameramann getötet; zwei weitere Pressevertreter wurden verletzt.
  • Bundesverteidigungsminister Peter Struck hat nicht ausgeschlossen, dass die Bundeswehr mittelfristig doch in Irak eingesetzt wird. "Ich glaube, dass unter dem Dach der Vereinten Nationen, also etwa so wie in Afghanistan, grundsätzlich eine Beteiligung deutscher Soldaten denkbar ist", sagte Struck am 27. Mai in der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr. Vor mehreren hundert hochrangigen Militärs fügte er hinzu, dass sich diese Frage aber erst in ein bis zwei Jahren stelle. So lange die Koalition aus USA, Großbritannien und den anderen Kriegsnationen das Sagen im Irak hätten, werde Deutschland sich nicht an einem Einsatz beteiligen, erklärte Struck.
  • Bei einem Gefecht in der irakischen Stadt Falludscha sind am 27. Mai ein US-Soldat sowie zwei Iraker getötet worden. Nach ersten Berichten der US-Streitkräfte wurden die Soldaten von einer Moschee aus beschossen. Sie hätten das Feuer erwidert. Sechs Personen seien später festgenommen worden.
  • Die USA wollen es nach den Worten von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht zulassen, dass die Nachbarstaaten Iraks dort eine Islamische Republik nach iranischem Muster errichten. In einem Artikel für das Wall Street Journal Europe schrieb Rumsfeld am 27. Mai, eine Einmischung derjenigen, die von außen das Ziel verfolgten, Irak nach dem Bild Irans zu formen, werde nicht hingenommen.
  • Vier britische Soldaten leiden nach eigenen Angaben am Golfkriegs-Syndrom und wollen daher das Verteidigungsministerium in London verklagen. Wie BBC am 27. Mai berichtete, waren die Männer vor ihrem geplanten Einsatz gegen Irak gegen die Wirkungen chemischer Kampfstoffe geimpft worden. Ihnen sei es gesundheitlich anschließend so schlecht gegangen, dass sie nicht am Krieg teilnehmen konnten. Das Verteidigungsministerium teilte nach den Angaben mit, es wisse bislang nichts von den vier Soldaten, aber es gebe ein Programm, um mögliche Symptome frühest möglich zu erkennen.
  • In Bagdad kam am 29. Mai bei einem Angriff erneut ein amerikanischer Soldat ums Leben. Der Soldat sei auf einer der Hauptversorgungsstrassen unterwegs gewesen, als er unter Beschuss geriet. Der Vorfall werde untersucht, teilte das Zentralkommando in Bagdad mit. Es handelt sich um den insgesamt 20. amerikanischen Soldaten, der seit dem 1. Mai im Irak bei Kämpfen oder Unfällen getötet wurde. Damals hatte Präsident Bush die Kampfhandlungen im Irak für beendet erklärt.
  • Auch sieben Wochen nach dem Ende des Irak-Kriegs haben die Besatzungstruppen noch immer keinen Beweis für Massenvernichtungswaffen gefunden. Vor dem Rat für Auswärtige Beziehungen (Council on Foreign Relations) deutete US-Verteidigungsminister Rumsfeld am 29. Mai erstmals an, dass im Irak vielleicht keine Massenvernichtungswaffen gefunden würden. In Grossbritannien verstärkten seine Äußerungen die Kritik an der Kriegspolitik der Regierung. Der ehemalige Kabinettsminister Tony Benn sagte dem Radiosender LBC: "Der Premierminister hat uns belogen. Der ganze Krieg war auf einer Unwahrheit aufgebaut." Und die ebenfalls der Labour Party angehörende Abgeordnete Glenda Jackson erklärte: "Dieser Krieg wurde aus illegalen und unmoralischen Gründen geführt." Premierminister Tony Blair, der am Donnerstag britische Truppen in Irak besuchte, wies die Kritik zurück. "Ich habe keinerlei Zweifel an der Existenz von Massenvernichtungswaffen", sagte er. Wichtig sei jetzt, was die Befragung irakischer Wissenschaftler ergebe. Und der australische Aussenminister Alexander Downer sagte am selben Tag, es gebe klare Beweise, dass der Irak ein Biowaffenprogramm betrieben habe, auch wenn keine solchen Waffen gefunden worden seien. Die Suche gehe weiter. "Das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen."
  • Das Parlament in Sofia hat am 29. Mai die Entsendung von 500 bulgarischen Soldaten zum Wiederaufbau in den Irak gebilligt. Das Kontingent soll unter US-Kommando im polnischen Sektor des Iraks stationiert werden. Während des Irak-Krieges hatte sich das Balkanland an der von Washington geführten "Koalition der Willigen" beteiligt und den USA einen Luftwaffenstützpunkt zur Verfügung gestellt.
  • US-Präsident George W. Bush hat Berichte über angeblich bereits geplante Angriffe auf Iran und Syrien als "reine Spekulation" zurückgewiesen. Auch in Irak hätten die USA schließlich erst "nach einer langen Phase der Diplomatie" militärische Gewalt angewendet, sagte Bush in einem am 30. Mai ausgestrahlten Interview mit dem staatlichen russischen Fernsehsender Rossija. "Die Leute lieben es, über die US-Ziele und unser Militär zu spekulieren", fügte der Präsident vor seinem Besuch in Polen und Russland hinzu. Die russische Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" hatte am 29. Mai unter Berufung auf Diplomatenkreise berichtet, ein US-Angriff auf Iran sei bereits beschlossene Sache.
  • Islamistische Kämpfer sind nach Angaben der US-geführten Streitkräfte in Irak in das Land eingedrungen. "Fundamentalisten unter ausländischem Kommando" seien nach Irak vorgerückt, um das Land zu destabilisieren, berichtete der Bagdader Rundfunksender der Koalition am 30. Mai. Nähere Angaben zur Herkunft der Truppen, die mit "aggressiven Absichten" gekommen seien, machte der Sender zunächst nicht.
  • Der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz hat eingeräumt, dass die Frage irakischer Massenvernichtungswaffen in erster Linie aus politischen Gründen für einen Krieg in Irak genutzt wurde. Die Massenvernichtungswaffen seien niemals der wichtigste Kriegsgrund für die USA gewesen, sagte Wolfowitz dem britischen Magazin "Vanity Fair". Nach Agenturmeldungen vom 30. Mai sagte Wolfowitz in "Vanity Fair", "aus bürokratischen Gründen" habe sich die US-Regierung auf das Thema Massenvernichtungswaffen konzentriert, weil es "der eine Grund war, dem jeder zustimmen konnte". "Fast unbeachtet, aber riesig" sei dagegen der Kriegsgrund gewesen, dass mit dem Irak-Krieg die Präsenz von US-Truppen im benachbarten Saudi-Arabien überflüssig geworden sei. Allein die Beseitigung dieser "Belastung" von Saudi-Arabien werde zu einem friedlicheren Nahen Osten führen, fügte der Vizeminister hinzu. - US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bestritt postwendend, dass die Frage irakischer Massenvernichtungswaffen lediglich ein Vorwand für den Krieg gewesen sei. Er sei nach wie vor überzeugt, dass die Regierung von Saddam Hussein über biologische und chemische Waffen verfügt habe. Bis zum Fund dieser Waffen werde es noch eine Weile dauern. Außerdem seien bereits zwei mobile Labors zur Herstellung von Chemie- und Biowaffen entdeckt worden.
  • Der Hollywood-Star Sean Penn hat am 30. Mai in einer ganzseitigen Anzeige in der renommierten "New York Times" seine Kritik an der US-Militärintervention in Irak erneuert. Der Krieg sei "ohne glaubhaften Beweis einer unmittelbaren Bedrohung der USA" geführt worden, betonte der Schauspieler in der Anzeige. US-Außenminister Colin Powell habe "fiktive" Belege präsentiert, um die US-Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit von der Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen zu überzeugen. Von diesen Waffen sei bis heute nichts zu sehen. Der 42-Jährige hob hervor, dass von dem Machtwechsel in Irak "amerikanische Firmen in bedeutsamer Weise profitieren".
  • US-Soldaten haben ein ranghohes Mitglied der Baath-Partei von Saddam Hussein gefangen genommen. Der Funktionär der Baath-Partei in Tikrit sei in Anschläge auf US-Soldaten in der vergangenen Woche verwickelt gewesen, teilte das US-Zentralkommando am 30. Mai mit. Die Festnahme erfolgte demnach rund 120 Kilometer nordwestlich von Bagdad. Der Mann werde verhört. Nähere Angaben wurden nicht gemacht.
  • Die USA haben am 30. Mai eine massive Ausweitung der Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak angekündigt. Zu diesem Zweck würde eine neu gegründete Irak-Prüfungsgruppe (Iraq Survey Group) mit Hauptquartier in Bagdad ihre Arbeit aufnehmen, teilte das US-Verteidigungsministerium mit. Zu der Gruppe gehörten etwa 1.300 bis 1.400 Amerikaner, Briten und Australier.
  • US-Präsident George W. Bush hat Polen für seinen Einsatz insbesondere im Irak-Krieg gedankt. Bush, der am 30. Mai zu einem Kurzbesuch in Krakau eingetroffen war, sagte am Abend im polnischen Fernsehen, es sei überaus wichtig, dass das polnische Volk verstehe, wie sehr Amerika die Opferbereitschaft, den Mut und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den USA im Irak schätze. "Wir müssen dem Bösen entgegentreten, wenn wir es finden", sagte Bush weiter. Der Holocaust sei eine große Lehre gewesen. Am 31. Mai Tag besuchte Bush das ehemalige Konzentrationslager in Auschwitz.
  • Versöhnung nach dem Krieg im Irak: Das ist das Signal des Treffens von mehr als 40 Staats- und Regierungschefs im russischen St. Petersburg. Die Kriegsgegner Deutschland, Russland und Frankreich betonten bei den Feiern zum 300. Jubiläum der Metropole am 31. Mai den Willen zur Kooperation mit den USA.
  • Die US-Militärpolizei in Irak hat nach eigenen Angaben 15 Funktionäre der entmachteten Baath-Partei von Saddam Hussein bei einer geheimen Versammlung in Bagdad festgenommen. Die Mitglieder der von den USA für aufgelöst erklärten Partei hätten sich in der Polizeiakademie der irakischen Hauptstadt getroffen, sagte der US-Polizeisprecher Bernard Kerik am 31. Mai in Bagdad.
  • Bei der Beurteilung der Gefahr durch irakische Massenvernichtungswaffen vor dem Irak-Krieg sollen US-Außenminister Colin Powell und sein britischer Kollege Jack Straw in einem privaten Gespräch erhebliche Zweifel an den Stellungnahmen ihrer Regierungen geäußert haben. Die Tageszeitung "Guardian" berichtet am 31. Mai unter Berufung auf ungenannte Diplomaten, Straw habe sich bei einem Treffen mit Powell Anfang des Jahres beunruhigt darüber gezeigt, dass sich die Behauptungen von US-Präsident George W. Bush und des britischen Premierministers Tony Blair zu Iraks Waffenprogramm möglicherweise nicht beweisen ließen.


Zurück zur "Chronik eines angekündigten Krieges"

Zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage