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Der Kreml drängt auf einen Kompromiss im Karabach-Konflikt

Zwischen Aserbaidschan und Armenien versucht sich Russland als Krisenmanager

Von Irina Wolkowa, Moskau *

In den Karabach-Konflikt ist Russland nicht direkt einbezogen. Der Kreml ist als Vermittler tätig und eine Lösung wäre ein außenpolitischer Erfolg.

Eine militärische Lösung für Karabach gäbe es nicht. Genau das sagten, wenn auch mit unterschiedlichen Worten, Sersh Sargsjan und Ilham Alijew: die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans, die seit über 20 Jahren um die zu Aserbaidschan gehörende aber mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach streiten.

Der 1994 von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vermittelte Waffenstillstand eskalierte in diesem August erneut zu Kampfhandlungen, bei denen beide Seiten Tote zu beklagen hatten. Kremlchef Wladimir Putin lud seine Amtskollegen zum Krisengipfel in seine Sommerresidenz bei Sotschi ein.

Parallel zur Minsker OSZE-Gruppe versucht sich Moskau seit ein paar Jahren allein als Krisenmanager. Es sei höchste Zeit, so Putin zu Beginn der Konsultationen, eine Lösung für die Probleme der sowjetischen Vergangenheit zu finden. Die lange gemeinsame Geschichte erleichtere gegenseitiges Verständnis. Mag sein. Immerhin ließen sich die Gäste erstmals seit November gemeinsam am Verhandlungstisch nieder und anschließend auch gemeinsam ablichten. Aus russischen Delegationskreisen verlautete, der Ton bei den Verhandlungen selbst, aber auch beim gemeinsamen Besuch ausgerechnet eines Kampfsport-Turniers, sei entspannt und friedfertig gewesen.

Auch Russlands Außenminister Sergei Lawrow lobte das Treffen als »nützlich«. Bei der Suche nach einem Kompromiss, der sowohl dem Recht Aserbaidschans auf territoriale Integrität als auch auf nationale Selbstbestimmung der überwiegend armenischen Bevölkerung Karabachs Rechnung trägt, gebe es konkrete Ansätze. Die müssten weiterentwickelt werden.

Das dürfte nicht ganz einfach werden angesichts der einander ausschließenden Positionen. Aserbaidschan will erst nach Rückgabe umliegender Gebiete, die Armenien 1993 für einen Korridor in die Exklave besetzte, über einen Friedensvertrag verhandeln. Es verlangt zuvor außerdem ein Referendum über den künftigen Status von Karabach, bei dem auch die 1988 vertriebenen Aseri stimmberechtigt sind. Armenien pocht auf Verhandlungen ohne Vorbedingungen. Dazu kommt, dass beide den Karabach-Konflikt für ihre repressive Innenpolitik instrumentalisieren und daher bislang nicht ergebnisorientiert verhandelten.

Doch nun drängt Russland – ebenfalls aus innenpolitischen Zwängen – auf Tempo. Russlands Präsident kann seine rekordverdächtigen Zustimmungsraten nur halten, wenn der Motor außenpolitischer Siege nicht ins Stottern gerät. Die schwelenden Konflikte im postsowjetischen Raum, die im Sog der Ukraine-Krise erneut eskalieren, wie der in Transnistrien, eignen sich dazu indes nur bedingt. Moldawiens abtrünnige Slawen-Region am linken Dnestr-Ufer ist faktisch russisches Protektorat. Moskau wird vom Westen nicht als Teil der Lösung, sondern als Teil des Problems wahrgenommen.

Im Karabach-Konflikt verfügt Russland aber sowohl im verbündeten Armenien als auch im neutralen Aserbaidschan über erhebliche Einflussmöglichkeiten, um beiden die Bedingungen für einen tragfähigen Kompromiss diktieren zu können.

* Aus: neues deutschland, Freitag 22. August 2014


Lexikon: Berg-Karabach

Anfang des 19. Jahrhunderts fiel das bisherige Khanat Karabach an Russland. Bereits in den ersten Jahren der Sowjetmacht trugen die Republiken Armenien und Aserbaidschan erbitterte Kämpfe um das Gebiet aus. 1921 wurde es an Aserbaidschan angegliedert.

Bis heute gehört die nicht anerkannte Republik Berg-Karabach völkerrechtlich zu Aserbaidschan, ist aber seit einem blutigen Krieg Anfang der 1990er Jahre fast ausschließlich von Karabach-Armeniern besiedelt. 1994 wurde ein Waffenstillstand geschlossen, Armenien besetzte einen Großteil des von Berg-Karabach beanspruchten Gebiets und eine Pufferzone zu Aserbaidschan. Internationale Vermittlungen scheiterten. nd




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