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Über Leoparden spricht man nicht

Empörung wegen Panzerdeal mit Saudi-Arabien – Bundesregierung schweigt zu Details

Von René Heilig *

Schwarz-Gelb ist dabei, die letzten Restriktionen für den Rüstungsexport zu kippen. Letzte Woche genehmigte der Bundessicherheitsrat den Export von rund 200 Kampfpanzern Leopard 2A7+ nach Saudi-Arabien. Sollte das Geschäft zustande kommen, würden erstmals deutsche Kampfpanzer in den Mittleren Osten geliefert werden.

Kaum ist die Meldung durch die Medien gegangen, kaum hat sich über die Opposition hinaus Empörung breit gemacht, schon gibt es eine neue Nachricht, die den Deal noch ungeheuerlicher erscheinen lässt. Bereits 44 Leopard-Kampfpanzer, meldet Reuters aus der saudi-arabischen Hauptstadt Riad, seien geliefert. Ob das stimmt, ist in den kommenden Tagen sicher ebenso wenig zu erfahren wie Details über das Geschäft. Denn: Entscheidungen, die der Bundessicherheitsrat trifft, sind geheim und werden nicht kommentiert. Das betonten auch Regierungssprecher Steffen Seibert und der Außenamtssprecher in der Bundespressekonferenz. Sollte es zum Export kommen, so Seibert, werde darüber im nächsten Rüstungsexportbericht informiert. So werden auch die Antworten in der für morgen von Grünen und der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde des Parlaments ausfallen.

Der »Leo«-Panzer bekommt von Kriegsleuten Bestnoten. Die begründen sich unter anderem durch die Einsatzerfahrungen der kanadischen Truppen in Afghanistan, die deutsche »Leos« geleast haben. Der Leopard 2A7+ stellt die modernste Variante des Standardkampfpanzers der Bundeswehr dar. Er wurde von den Herstellern Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall für den Kampf im städtischen Raum optimiert.

Saudi-Arabien ist der größte Waffenimporteur weltweit. Das Land kaufte im Jahre 2009 Rüstungsgüter im Wert von 2,7 Milliarden US-Dollar. Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung gehört das Königreich seit 2008 zu den »Top Ten« der Empfängerländer deutscher Waffen. Der Transfer umfasste 2009 den Genehmigungswert von 167,9 Millionen Euro. In jenem Jahr, so der letzte Bericht, genehmigte der Bund unter anderem den Export von Teilen für Feuerleiteinrichtungen, Bodenüberwachungsradar, für Kampfflugzeuge, Tankflugzeuge, für Raketen, Granaten, Elektronische Kampfführung und Grenzsicherungssysteme.

Die Opposition kritisiert den möglichen Verkauf der Panzer, doch auch in der Union mehrt sich Widerspruch. Die Mehrheit der Fraktionsführung habe am Montagabend gegen eine Lieferung argumentiert, erfuhr Reuters. Es heißt, vor allem der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, Bundestagspräsident Norbert Lammert und die Menschenrechtsbeauftragte der Fraktion, Erika Steinbach, hätten Kritik geäußert. Der Bundestag habe ein Recht auf Auskunft, sagte der stellvertretenden SPD-Fraktionschef Gernot Erler. Er sprach von einer »erschreckenden Instinktlosigkeit«, auch weil Export von Rüstungsgütern in Krisengebiete nicht zulässig sei. »Die schlimmsten Unterdrücker bekommen die tödlichsten deutschen Panzer – das ist Merkels Beitrag zum arabischen Frühling«, kommentierte der Außenpolitik-Experte der Linksfraktion, Jan van Aken, und betonte, die LINKE werde alles versuchen, um den Deal zu stoppen.

In der vergangenen Woche wurde im Auswärtigen Ausschuss über einen Antrag abgestimmt, alle Rüstungslieferungen an Saudi Arabien zu stoppen. CDU/CSU und FDP lehnten ab, Grüne und SPD enthielten sich. Angesichts einer zusätzlich geplanten Waffenlieferung nach Algerien zeige sich nun, »dass es keine rote Linie mehr in der Nahost-Politik der Bundesregierung gibt«, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Juli 2011

Lexikon: Bundessicherheitsrat

Der Bundessicherheitsrat (BSR) koordiniert die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundesregierung. Damit ist er auch für die Genehmigung von Rüstungsexporten zuständig. Der BSR ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts, die Sitzungen werden von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geleitet und sind so geheim, dass nicht einmal seine Tagesordnung bekannt gemacht wird. Die Sitzungsprotokolle gelten als geheime Verschlusssache und werden im Bundeskanzleramt gelagert.

Der Rat kann endgültig entscheiden, wenn nicht durch das Grundgesetz oder Bundesgesetze ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich ist. Ständige Mitglieder im BSR sind neben der Kanzlerin und dem Chef des Bundeskanzleramts die Bundesminister des Äußeren, der Finanzen, des Inneren, der Justiz, der Verteidigung, für Wirtschaft und Arbeit sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Gegründet wurde das Gremium unter dem Namen Bundesverteidigungsrat bereits im Jahre 1955 vom damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). 1969 erfolgte dann die Umbenennung in Bundessicherheitsrat.

ND-Lambeck/dpa



Man muss "Leo" nur arabisch lesen

Panzerhersteller beklagt "restriktive Exportpolitik" – die Bundesregierung will sich "bessern"

Von René Heilig **


Es ist nicht das erste Mal, dass Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien geliefert werden sollen. Schon vor rund 30 Jahren gab es Bestrebungen. Einer der Beförderer des Projekts war der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Jürgen Möllemann (FDP).

Von Möllemann stammt der Hinweis, man müsse, um die Bedeutung des Deals zu erfassen, den Panzernamen nur auf Arabisch, also rückwärts lesen. »Leo« – Oel. Der Handel scheiterte damals, weil Saudi-Arabien noch zu sehr in Frontstellung zu Israel stand. Im Herbst vergangenen Jahres gab es Bemühungen, die Lizenz-»Leos« aus Spanien zu kaufen. Offenbar hat das Mutterhaus in München den Export aus Deutschland verlangt, um hier brach liegende Produktionskapazitäten zu nutzen.

Es deutet vieles darauf hin, dass sich die Haltung der deutschen Regierung zu Rüstungsexporten in den arabischen Raum grundlegend geändert hat. Nicht nur, dass die Bundesregierung den Export von EADS-Grenzanlagen nach Saudi-Arabien unterstützt und dafür Bundespolizisten abstellt. Auch der jüngste Deal mit Algerien spricht nicht dafür, dass Deutschland – wie Außenminister Westerwelle (FDP) erst am Montag behauptet hatte – die Demokratiebewegungen jenseits des Mittelmeers unterstützt.

Der – gleichfalls geheime – Zehn-Jahre-Vertrag mit Algerien soll ein Volumen von zehn Milliarden Euro haben. Die Konzerne Rheinmetall und MAN wollten mit ihrem Joint Venture RMMV den Transportpanzer »Fuchs« in Algerien bauen. Bei Daimler gehe es um den Verkauf von Last- und Geländewagen. ThyssenKrupp plant Fregatten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dem algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika bereits bei seinem Besuch im Dezember Hilfe beim Aufbau eines Grenzsicherungssystems angeboten, um die Flüchtlingsströme von Afrika nach Europa einzudämmen. Da tauchen »zufällig« wieder die »Grenzschützer« von EADS, Rhode & Schwarz und Carl Zeiss auf. Konkrete Exportgenehmigungen dürften nach höchster Order kein Problem mehr sein.

Deutschland ist laut dem Stockholmer Institut für Strategische Studien (SIPRI) Nummer 3 der Rüstungsexporteure. Auf der Hitliste der Profiteure – gemessen nach Umsatz – steht EADS oben. Es folgen Carl Zeiss, Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann. KMW, so wird der einstige Waggon- und Lokomotivenhersteller Krauss-Maffei Wegmann kurz genannt, produziert die gepanzerten Fahrzeuge Dingo, Mungo, Boxer, Puma, die Panzerhaubitze 2000 sowie den Kampfpanzer Leopard. Panzerbauen haben die fusionierten Firmen bereits unter den Nazis gelernt – und blendend dabei verdient. Auch heute geht das Geschäft – nicht zuletzt dank des Afghanistan-Krieges – gut. Doch, so meint Frank Haun, Vorsitzender der KMW-Geschäftsführung: »In keinem Land der Welt unterliegt die wehrtechnische Industrie stärkeren Exportbeschränkungen als in Deutschland.« Also liefern, wohin es irgend geht? Aber nein, man betrachte es schon als besondere Verantwortung, sich eine Meinung zu bilden, »wohin unsere Produkte besser nicht gehen sollten. Aber wenn Amerikaner, Franzosen und Briten, immerhin alle drei Demokratien und enge Verbündete unseres Landes, Staaten beliefern dürfen, die uns durch ein Berliner Veto versperrt sind, dann ist Wettbewerbsverzerrung eine Konsequenz«, so Haun. Diesem Standpunkt scheint sich die Bundesregierung anzuschließen und will sich »bessern«.

** Aus: Neues Deutschland, 6. Juli 2011


Mehr als doppelte Moral

Von René Heilig ***

Seit Monatsbeginn hat Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne. Dessen Aufgabe leitet sich simpel vom Begriff ab. Deutschland will, so hat es die Regierung mehrfach erklärt, die arabische Demokratiebewegung unterstützen und in seiner Sicherheitsratsamtszeit eine Resolution gegen die syrische Diktatur verabschieden. Die schickt Panzer gegen aufbegehrendes Volk aus. Soweit kann man deutsche Politik mittragen.

Doch in der vergangenen Woche wurde deutsche Politik über die Grenze zur Perversität getrieben. Ein anderer Sicherheitsrat, der des Bundes in Berlin, hat beschlossen, Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern. Dass die dortigen Fürsten – so wie die Noch-Mächtigen in Damaskus – nicht davor zurückschrecken, massiv gegen das eigene Volk vorzugehen, falls es vom Duft des arabischen Frühlings geleitet Demokratie einfordert, haben sie bereits im Nachbarland Bahrain gezeigt.

Ein solches Verhalten ist mit doppelter Moral nur mangelhaft beschrieben. Zumal es nicht nur um Milliardenprofite (und abermals Schmiergeld?), sondern letztlich um die strategische Ausrichtung deutscher Politik gegenüber Afrika und Vorderasien geht. Frech wird es aber, wenn die Regierung dem Bundestag Bescheid gibt, das alles gehe Volksvertreter nichts an. Was ist das für eine Demokratie, in der eine kleine höchstrangige Politloge insgeheim bindende Beschlüsse fassen darf, von denen Leben oder Tod abhängen?

* Aus: Neues Deutschland, 6. Juli 2011 (Kommentar)

Beiträge zum Panzerdeal mit Saudi-Arabien:

Die Koalition schweigt
Panzerdeal mit Saudi-Arabien bereits beschlossen, 44 "Leopard" bereits verkauft. Aktuelle Stunde im Bundestag kann daran nichts ändern / Arnold Schölzel: Terrorstaaten (8. Juli 2011)
Panzerdeal: LINKE will Aufstand der Anständigen
Jan van Aken fordert Abgeordnete auf, den Beschluss des Bundessicherheitsrates zu blockieren (7. Juli 2011)
Über Leoparden spricht man nicht
Empörung wegen Panzerdeal mit Saudi-Arabien – Bundesregierung schweigt zu Details (6. Juli 2011)
Panzer aus Kassel nach Saudi-Arabien?
Bundesregierung verweigert Stellungnahme zur geplanten "Leopard"-Lieferung / Friedensbewegung: "Rüstungsexporte stoppen - Alternative Produktion diskutieren" (Zwei Erklärungen) (6. Juli 2011)
"Nur U-Boote zu bauen, führt nicht zum Ziel"
Bei ThyssenKrupp stehen 1500, inklusive Zulieferern sogar 4000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Ein Gespräch mit Heino Bade / ThyssenKrupp meldet: U-Boot-Auftrag Türkei (Pressemitteilung im Wortlaut) (6. Juli 2011)
Deutsche Kampfpanzer für Saudi-Arabien
Bundesregierung soll Milliardengeschäft genehmigt haben / LINKE will Verkauf im Bundestag stoppen (5. Juli 2011)




Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Rüstungsexport

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