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Mehr Werkzeug für Schnüffler

Neuer Entwurf der Bundesregierung zur »Digitalen Agenda« stärkt Kompetenzen des Verfassungsschutzes

Von Velten Schäfer *

Seit geraumer Zeit arbeitet die Bundesregierung an einer »digitalen Agenda«. Ein neuer, ressortübergreifender Entwurf stärkt das Urheberrecht – und den Inlandsgeheimdienst.

Fraglos gewinnt die IKT-Branche (Informations- und Kommunikationstechnik) rasant an Bedeutung. In Deutschland trägt die Branche laut Bundesregierung inzwischen 85 Milliarden Euro zur jährlichen gewerblichen Wertschöpfung bei, das sei mehr als »traditionelle Branchen wie der Maschinen- oder der Automobilbau«, schätzt die Bundesregierung: »Mit 86 000 Unternehmen und 900 000 Beschäftigten ist sie ein wichtiger Beschäftigungsfaktor in Deutschland.«

Berlin hat deswegen schon seit Längerem eine »Digitale Agenda« in Arbeit, die es Deutschland erlauben soll, »diese Chancen für Deutschland in den Bereichen Industrie 4.0, 3D, Smart Services, Big Data und Cloud Computing weiter zu erschließen«, wie es in einem »ressortabgestimmten Entwurf« dieser »Agenda« heißt, die auf den 28. Juli datiert ist und nun von der Internetinitiative »Netzpolitik« veröffentlicht wurde.

Gegenüber früheren Entwürfen sei die »Agenda« um etwa zwei Seiten angewachsen, schreibt »Netzpolitik«. Im Wesentlichen gehe diese Textverlängerung auf ein angefügtes Vorwort zurück, analysiert die Initiative. Allerdings seien in einzelnen Kapiteln auch Einfügungen vorgenommen worden, die den Entwurf gegenüber einer Fassung von Anfang Juli im Sinne von Wirtschaft und Staatsgewalt verschärfen.

So zeigt sich im Vergleich der beiden Versionen beispielsweise eine erheblich stärkere Akzentuierung urheberrechtlicher Fragen. Eingefügt wurde in diesem Sinn der folgende Passus: »Zugleich werden wir dafür sorgen, dass sich Diensteanbieter, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut, nicht länger auf das Haftungsprivileg des Hostproviders zurückziehen können. Dieses Ziel verfolgen wir auch auf europäischer Ebene.«

Drastisch verschärft zeigen sich jedoch vor allem die Passagen zu den Kompetenzen des Verfassungsschutzes im Internet. Stand in der Fassung vom 9. Juli diesbezüglich nur ein Satz – »im Bundesamt für Verfassungsschutz stellen wir eine sachgerechte Infrastruktur sowie technische Analysewerkzeuge bereit« – sind nun neue Aussagen hinzugekommen.

So soll das Bundesamt für Verfassungsschutz »im Bereich der Cyberspionage« seine »Maßnahmen« zur »Sensibilisierung im Bereich des Wirtschaftsschutzes weiter verstärken«. Darüber hinaus werde der zuletzt vordringlich durch handfeste Skandale und deren dreiste Vertuschung aufgefallene Inlandsgeheimdienst »strategisch und organisatorisch« gestärkt, um »den aktuellen Veränderungen bei Kommunikationsformen und -verhalten von Terroristen und Extremisten besser begegnen zu können«. Dazu »stellen wir im Bundesamt für Verfassungsschutz auch eine sachgerechte Infrastruktur sowie technische Analysewerkzeuge bereit, um die Auswertung vorhandener Daten weiter zu verbessern und Kommunikationsmuster deutlich sichtbarer zu machen«, heißt es weiter im Papier.

Sehr viel allgemeiner ist dagegen davon die Rede, dass »auch in einer digitalen Welt« die »Freiheit der Menschen gewährleistet werden« müsse: »Datenschutz, die Integrität der Netze und die Transparenz der Datenverwendung dienen der Sicherung unserer Demokratie und müssen sowohl europäisch als auch international mit starker Stimme vertreten werden.«

Diese Neufassung der Digitalagenda sei »eine tolle Antwort auf die Snowden-Enthüllungen«, kommentiert Markus Beckedahl von »Netzpolitik« die offenkundig beabsichtigte digitale Aufrüstung der Bundesschlapphutbehörde sarkastisch.

Weiterhin verpflichtet sich die Bundesregierung in dem Entwurf zu einem schnellen Ausbau der technischen Infrastruktur: »2018 sollen bereits flächendeckend Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s genutzt werden können. Hierzu wird die Bundesregierung die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen.«

Zur Entwicklung der »digitalen Agenda« soll laut dem Papier ein »Steuerungskreis« eingerichtet werden. Diesem sollen die zuständigen Staatssekretäre des »federführend zuständigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur« angehören.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 2. August 2014


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