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NSU-Ermittlungen: V-Mann tot, Fall erledigt?

Bundestag-Innenausschuss hatte Fragen zum Tod von "Corelli", die Behörden nur vage Antworten

Von René Heilig *

Ausfälle. Am Mittwoch fiel in München der NSU-Prozess aus. Beate Zschäpe ist krank. Im Berliner Bundestag blieben Sicherheitsbehörden Antworten zum Tod von »Corelli« schuldig.

Thomas Richter war seit 1990 V-Mann des Verfassungsschutzes. Seit 1994 führte ihn das Bundesamt (BfV) unter dem Decknamen »Corelli«. Der Mann aus Halle war, wie BfV-Chef Hans-Georg Maaßen gestern im Bundestagsinnenausschuss bestätigte, eine hochwertige Quelle, hatte Kontakte zum Blood&Honour- und zum Ku-Klux-Klan-Netzwerk sowie vermutlich zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Der Neonazi-Terrortruppe werden zehn Morde, zwei Bombenanschläge und mehrere Banküberfälle nachgesagt. In München müht sich ein Gericht um Aufklärung.

Der Name von Thomas Richter tauchte bereits 1998 bei der Durchsuchung der Bombenwerkstatt des danach untergetauchten späteren NSU-Trios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe auf. Das hätte seine V-Mann-Führer bereits damals stutzig machen müssen.

Richter, alias »Corelli«, der 2012 enttarnt wurde und, vom BfV mit einer Legende versehen, im Landkreis Paderborn versteckt wurde, war auch als Zeuge nach München geladen. Da noch viel zu klären war, sollte er nochmals erscheinen. Dazu kam es nicht: »Corelli« ist tot. Offizielle Todesursache: eine nicht erkannte Diabetes-Erkrankung. Das ist selten in dem Alter. Wann der 39-jährige Ex-V-Mann gestorben ist, bleibt unklar. Zwischen dem 3. und 7. April muss das gewesen sein, sagten die Fachleute gestern vor dem Innenausschuss. In dem die Vertreter von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt offenbar zusätzliche Informationen darüber gewannen, wie beide Behörden im Fall »Corelli« bis zum Schluss – vorsichtig formuliert – nebeneinander gearbeitet haben.

Zugegen war auch Generalbundesanwalt Harald Range. Der ist angeblich Herr des Ermittlungsverfahrens bei weiteren Ermittlungen gegen das Umfeld des NSU. Doch das hat er, so Teilnehmer der Sitzung, am Mittwoch nicht sehr deutlich gezeigt. Im Mittelpunkt des Interesses steht eine CD. Jemand hat sie dem BfV geschickt. Dort ist sie am 13. März angekommen. Ihr Titel: »NSU/NSDAP«. Darauf sind allerlei unappetitliche Bilder zu sehen, solche eben, die im Rechtsaußen-Spektrum Gefallen finden. »Corelli« hat selbst viel und oft fotografiert. Und Bilder von der CD sollen auch auf »Corellis« Internetseite archiviert worden sein. Der Verdacht liegt also nahe, dass er selbst an der Herstellung der CD beteiligt war.

Wann entstand sie? Im Ausschuss kursierten die Jahreszahlen 2003 oder 2006. Das Datum hat in jedem Fall eine Bedeutung. Denn wenn »Corelli« wirklich so eine vertrauenswürdige Quelle war, dann hat er doch sicher seinen Führungsleuten von der CD berichtet. Folglich musste der Geheimdienst – anders als behauptet – lange vor dem Auffliegen des NSU-Trios Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe im November 2011 das Kürzel »NSU« gekannt haben.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 8. Mai 2014


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