Zweifelhafte Ausbildung in Somalia? Wie eine deutsche Firma die Sicherheitskräfte eines selbsternannten Präsidenten unterstützt und in Konflikt mit der deutschen Außenpolitik geraten könnte
Von Alexander Richter und Franz Feyder. Ein Beitrag aus der NDR-Reihe "Streitkräfte und Strategien" *
Dr. Ulrike Bosse (Moderatorin)
Ausbildung für somalische Sicherheitskräfte - das ist die jüngste sicherheitspolitische Mission der Europäischen Union. Die ersten Trainer haben im Mai mit der Arbeit in Uganda begonnen - darunter sechs Bundeswehrsoldaten; sieben weitere sollen folgen. Spanien, Frankreich und Italien stellen die größten Kontingente der 140 Mann starken EU-Trainingsmission EUTM, insgesamt beteiligen sich dreizehn Nationen.
Nur mit einem Mindestmaß an Sicherheit lässt sich staatliche Ordnung herstellen; nur in einem einigermaßen sicheren Umfeld kann eine somalische Regierung handeln. Ohne die Wiederherstellung eines Mindestmaßes an Sicherheit bleibt Somalia einer jener "gescheiterten Staaten", in der keine Zentralregierung die Kontrolle ausüben kann - ein Hort für Kämpfer des Dschihad und ein sicherer Hafen für Piraten. So begründet das Auswärtige Amt die EUTM-Mission denn auch, dass die EU damit "an den tieferen Wurzeln" der Piraterie ansetze und einen "Beitrag zum Aufbau besserer staatlicher Strukturen in Somalia" leiste. Der spanische EUTM- Kommandeur, Colonel Ricardo Gonzalez Elul, beschreibt das militärische Ziel:
O-Ton Gonzalez (overvoiced)
"Das Ziel der Operation ist, die somalische Übergangsregierung mit gut trainierten Truppen zu versorgen, um die Friedenstruppe der Afrikanischen Union AMISOM in Mogadischu zu verstärken und die Kontrolle über die Hauptstadt zurück zu gewinnen."
Die EU-Mission findet in Uganda statt, wo schon jetzt somalische Sicherheitskräfte ausgebildet werden. Das EU-Training werde daran anknüpfen, erklärt EUTM-Kommandeur Gonzalez:
O-Ton Gonzalez (overvoiced)
"Wir werden ihre Fähigkeiten ergänzen, indem wir sie zum Beispiel im Kampf in bebautem Gelände, Abwehr von Minen und Explosivkörpern, Fernmelde- und Sanitätswesen schulen, vor allem Offiziere und Unteroffiziere, um Einheiten aufstellen zu können."
Während Bundeswehrsoldaten gemeinsam mit Soldaten aus anderen europäischen Ländern also Sicherheitskräfte für die somalische Zentralregierung schulen, schickt sich eine private deutsche Sicherheitsfirma an, Somalis auszubilden, die gegen die EU-geschulten Einheiten eingesetzt werden könnten - und vor allem: Sie will auch deutsche Mitarbeiter in den Einsatz nach Somalia schicken. Ein Bericht von Franz Feyder und Alexander Richter.
Von Alexander Richter und Franz Feyder
Normalerweise nutzen Bauern solche Autos, um Gemüse und Früchte von ihren Feldern auf den Markt zu transportieren. Aber was ist schon normal in Somalia? Findige Kämpfer haben auf die Ladeflächen der japanischen Fahrzeuge Maschinengewehre und Flugzeugabwehrkanonen geschweißt und geschraubt. Derart aufgemotzt sind die so genannten Pickups eine ebenso allgegenwärtige wie gefährliche Waffe in den seit Jahren andauernden Straßenkämpfen in der Hauptstadt Mogadischu. In die schon in naher Zukunft auch deutsche Sicherheitsexperten eingreifen sollen - zumindest wenn es nach dem Willen von Galadid Abdinur Ahmad Darman geht. Der in den USA ausgebildete Ingenieur hat sich zum Präsidenten von Somalia ausgerufen - und will seinen Worten auch Taten folgen lassen:
O-Ton Darman (overvoiced)
"Die Welt - eingeschlossen die Europäische Union - realisiert inzwischen, dass sie darüber nachdenken muss, ob sie weiterhin die so genannte Übergangsregierung unterstützt, die außerhalb des Landes gebildet wurde, während meine Regierung innerhalb des Landes gewählt wurde und vom Volk verteidigt wurde."
Seit mehreren Wochen ist der eloquente 57-Jährige weltweit unterwegs, um die Allianzen zu schmieden, die ihn an die Macht in Somalia bringen sollen. Seinen Regierungsanspruch in dem seit 1991 vom Bürgerkrieg zerrissenen Land begründet Darman auf einen eigentlich gescheiterten Versöhnungsprozess zu Beginn der 2000er Jahre, aus dem er als Präsident hervorgegangen sein will. Nun will Darman die Macht erobern. Der Sohn eines früheren somalischen Botschafters bei den Vereinten Nationen fand Unterstützung im Münsterland. Dort firmiert die "Asgaard German Security Group" von Thomas Kaltegärtner. Der ehemalige Panzergrenadier der Bundeswehr hat einen privaten Militärdienstleister aufgebaut:
O-Ton Kaltegärtner
"Mit den Hauptaufgaben Personenschutz, Objektschutz, Konvoi-Schutz. Dazu gehört auch die Ausbildung von Polizei und Militär im Einsatzland."
Kaltegärtners Männer sitzen nach eigenen Angaben auf gepackten Koffern und warten auf den Einsatzbefehl ihres Präsidenten. Darman hat für die Deutschen ein weites Aufgabenspektrum vorgesehen:
O-Ton Darman (overvoiced)
"Sicherheit, die Entwicklung unserer Streitkräfte, unsere Operationen. Wir führen einen Krieg. Da gibt es Häuserkämpfe, sie sollen unser Militär trainieren. Gleichzeitig aber sollen sie uns auch im Kampf gegen die Piraterie helfen. ...". "... Sie werden die Somalis trainieren, und sie bekommen gegebenenfalls ebenso den Auftrag zu kämpfen. Sie werden gemeinsam mit unseren Einheiten kämpfen."
Die Truppe, die diese Aufgabe bewerkstelligen soll, besteht nach Kaltegärtners Darstellung fast nur aus ehemaligen Bundeswehrlern. Asgaard sei eine deutsche Firma, mit deutschen Mitarbeitern zu 99,9 Prozent, so Kaltegärtner. Für Somalia rechnet er mit einer Mannstärke im deutlich dreistelligen Bereich. Und Kaltegärtner macht sich keine Illusionen über das, was dort auf sie wartet:
O-Ton Kaltegärtner
"Wir reden hier von Personen-, Objektschutz-, Konvoi-Schutz. Das heißt auf militärischer Basis in einem high risk level, das heißt unter Vollbewaffnung. Und hier sind militärische Anforderungen gefordert. Für den Fall der Fälle, das heißt, wenn ein Angriff auf die Patrouille, den Konvoi stattfindet, reagiert dieses Team gleich. Man hat es gelernt, man spricht eine Sprache. "
Während unter Asgaard-Befehl in Somalia ehemalige Bundeswehrsoldaten den Machtanspruch Darmans durchsetzen sollen, unterstützt die Bundesregierung die Übergangsregierung Somalias. Darin enthalten ist eine Ausbildungsmission der Europäischen Union in Uganda für Sicherheitskräfte der Übergangsregierung. Weil in der Vergangenheit nach solchen Trainings die Soldaten und Polizisten gleich reihenweise zu den Aufständischen überliefen, sollen die ausgebildeten Somalis auch künftig bezahlt werden. Da die notorisch klamme Übergangsregierung aber kein Geld hat, wird der Sold für die EU-geschulten Soldaten und Polizisten gleich mitgeliefert. Aber nicht Brüssel, sondern Washington spendiert jedem somalischen EU-Rekruten während und nach der Ausbildung etwa 100 Dollar im Monat. Angesichts der Ausbildungsmission passt das Engagement Darmans und der Asgaard-Kämpfer nach Meinung von Somalia-Experten gar nicht in die deutsche Außenpolitik. Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist sich sicher:
O-Ton Weber
"Wenn jetzt eine deutsche Sicherheitsfirma eine somalische Miliz ausbildet und ausstattet und unterstützt, dann geht das sicherlich gegen die Interessen Deutschlands, die ja im Verbund mit den europäischen Mitgliedsstaaten eben somalische Soldaten der Übergangsregierung unterstützt und auf die Übergangsregierung setzt."
Vor allem deshalb, weil neue Akteure auf dem somalischen Gefechtsfeld das Land weiter destabilisieren, den Krieg anheizen. Zumal in Mogadischu auch eine international anerkannte Friedenstruppe der Afrikanischen Union operiert. Die AMISOM genannten Blauhelme unterstützen den Übergangspräsidenten Sheihk Sahrif Sheihk Ahmed. Der gemäßigte Muslim regiert zeitweise vom Ausland aus das Bürgerkriegsland. Was seinen Kritiker und Gegner Darman zu der spöttischen Bemerkung hinreißt, Sheihk Ahmed regiere gerade mal den Quadratkilometer zwischen dem Flughafen Mogadischus und dem Präsidentenpalast. Dieser Flecken wird aber nur ein Teil des Schlachtfeldes sein, auf dem Darman gerne die Asgaard-Kämpfer in Mogadischu sehen will. Dustin Dehez, Somalia-Experte des Düsseldorfer Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik, sieht für Darman weitere Gegner in der Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole Mogadischu:
O-Ton Dehez
"Also grundsätzlich trifft er in Mogadischu auf drei bis vier verschiedene, bewaffnete Gruppierungen. Das ist einmal die bisher bestehende Übergangsregierung unter Präsident Sheik Sharif Sheihk Ahmed. Die wird natürlich keine Herausforderung ihrer eigenen Autorität dulden können. Er trifft gleichzeitig auf die internationale Friedenstruppe der Afrikanischen Union, die AMISOM, die gleichfalls den Präsidenten Sheihk Sharif Sheihk Ahmed unterstützt. Und er trifft auf der anderen Seite auf die Milizen der Al-Shabab. Das sind die Radikal-Islamisten, die große Teile Mogadischus kontrollieren. Und noch eine zweite islamistische Miliz, die Hizb-bal-Islam, die ebenfalls Teile von Mogadischu kontrolliert und mal mit der Al-Shabab koaliert und mal nicht."
Die Vorstellung von Häuserkämpfen, in denen deutsche Söldner, somalische Islamisten und afrikanische Friedenssoldaten sich gegenseitig verwickeln, ist für die beiden Wissenschaftler schlicht "besorgniserregend". Nicht zuletzt deshalb fordern sie von der Bundesregierung, private Militärfirmen in Deutschland zu kontrollieren und ihre Geschäfte durch deutsche Gesetze zu regulieren. Doch bislang gab es seitens der Bundesregierung und des Bundestages nicht viel mehr als Absichtserklärungen.
Auf diesem unregulierten Markt will sich Asgaard behaupten und bietet auch Galadid Abdimur Ahmand Darman seine Dienste an. Und der weiß, was er will:
O-Ton Darman(overvoiced)
"Die Welt sollte verstehen, dass das, was sie in Somalia kreieren will, nicht funktioniert. Und deshalb hoffe ich, dass die Internationale Gemeinschaft Somalia den Somalis gibt. Es uns gibt. Und dann werden wir schon aufräumen."
* Aus: NDR-Sendereihe Streitkräfte und Strategien, 22. Mai 2010; www.ndrinfo.de
Alles Schwindel?
Der Tagesspiegel: Deutsche Söldnerfirma gerät immer mehr ins Zwielicht
Berlin (ots) - Berlin - Die deutsche Sicherheitsfirma Asgaard German
Security Group, die einen Einsatz mit ehemaligen Bundeswehrsoldaten in
Somalia plant, gerät immer mehr ins Zwielicht. Der Tagesspiegel berichtet in
seiner Samstagsausgabe (5. Juni) , dass Asgaard-Geschäftsführer Thomas Kaltegärtner nach Angaben der Stadt Telgte, dem Sitz des Unternehmens, dort kein ein Gewerbe angemeldet hat. Auch im Handelsregister wird das Unternehmen nicht geführt. Laut Auskunft des zuständigen Amtsgerichts in Münster wurde eine Vorgängerfirma mit dem Namen Asgaard German Security Guards 2008 aus dem Handelsregister gelöscht nachdem ein Insolvenzverfahren "mangels Masse" abgelehnt worden war. Dem Tagesspiegel sagte Kaltegärtner, eine Anmeldung für das aktuelle Unternehmen sei in Vorbereitung.
Der ehemalige Zeitsoldat hat einen Vertrag mit einem somalischen Politiker
geschlossen, der sich für den rechtmäßigen Präsidenten des Bürgerkriegslandes
hält. Galadid Abdinur Ahmad Darman, der bisher nur Experten bekannt war, lebt
überwiegend in den USA und gilt als wohlhabend.
Zum geplanten Einsatz verstrickt sich Asgaard-Geschäftsführer Kaltegärtner
zunehmend in Widersprüche. Dem Tagesspiegel sagte er, er wolle in Somalia
erst aktiv werden, wenn Darman von den UN anerkannt sei und die Regierungs-
geschäfte übernommen habe. Dann sollten ehemalige Bundeswehrsoldaten im
"hohen dreistelligen Bereich" Darmans Regierung schützen und die somalische
Armee ausbilden. Gleichzeitig legte er dem Tagesspiegel ein Dokument zur
Ansicht vor, in dem "Präsident Darman" Asgaard schon im Januar autorisierte,
Waffen und Ausrüstung nach Somalia einzuführen. Dies würde klar gegen UN-
Sanktionen und das deutsche Außenwirtschaftsgesetz verstoßen.
Darman veröffentlichte am 16. Dezember 2009 eine Pressemitteilung in der es
heißt, der Vertrag mit Asgaard umfasse die "operative Umsetzung und
Durchführung aller Maßnahmen, die notwendig sind, um Sicherheit und Frieden
wieder herzustellen". In einem Interview mit dem NDR sprach Darman konkret
von möglichen Kampfeinsätzen.
Gegen Thomas Kaltegärtner laufen inzwischen staatsanwaltschaftliche
Ermittlungen. Geprüft wird ob der Straftatbestand "Anwerben für einen fremden
Wehrdienst" nach Paragraf 109h Strafgesetzbuch vorliegen könnte.
Quelle: Nachrichtenagentur ots, 6. Juni 2010
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