Steinmeier: "Die Deutsche Marine darf alle Maßnahmen ergreifen." / Paech: "Nach deutschem Verfassungsrecht hat das Militär dort
überhaupt nichts zu suchen."
Der Bundestag diskutierte in erster Lesung über den Militäreinsatz gegen Piraten vor den Küsten Somalias - Die Debatte im Wortlaut
Das seeräuberische Kapern von Handels- und Versorgungsschiffen soll ein Ende haben: Mit Waffengewalt soll die deutsche Marine im Rahmen der EU-Mission Atalanta künftig gegen Piraten am Horn von Afrika vorgehen dürfen. So jedenfalls stellen sich die Bundesregierung und die vier Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE den "Kampf gegen die Piraterie" vor. Allein die LINKE vertritt ein anderes, nicht-militärisches Konzept. Der Bundestag beriet über das Mandat am Mittwoch, den 17. Dezember 2008, in erster Lesung. Der Beschluss selbst wird am Freitag, den 19. Dezember, gefasst. (Die Debatte und Abtimmung ist hier dokumentiert: "Beteiligung der deutschen Marine ...".)
Im Folgenden dokumentieren wir die Bundestagsdebatte vom 17. Dezember nach dem amtlichen Plenarprotokoll.
In der Debatte sprachen in dieser Reihenfolge:
Deutscher Bundestag: Stenografischer Bericht
195. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Dezember 2008
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Beratung des Antrags der BundesregierungAntrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008
(Drucksache 16/11337)
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch?
– Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner
das Wort dem Bundesminister Frank-Walter
Steinmeier.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! So wenig wie Sie hätte ich gedacht, dass wir
hier, im Deutschen Bundestag, einmal eine sehr ernsthafte
Debatte über Piraten führen. Das, worüber wir
heute zu diskutieren haben, ist, wie Sie wissen, keine
Geschichte aus einem Abenteuerroman. Die Piraten
überfallen Schiffe am Horn von Afrika; allein in diesem
Jahr sind es bereits über 200 Schiffe. Die Piraten sind
gewalttätig und rücksichtslos. Sie zielen mit Panzerfäusten
auf Tanker, Frachter und Kreuzfahrtschiffe. Zurzeit
haben sie 17 Schiffe und rund 200 Menschen in ihrer
Gewalt. Mit diesen kriminellen Umtrieben werden die
letzten Reste von Ordnung bedroht, auf die die Menschen
in Somalia angewiesen sind. Ich finde, wir dürfen
das nicht einfach geschehen lassen. Das sagt die Weltgemeinschaft,
und das müssen auch wir mit Überzeugung sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU und der FDP)
Die Europäische Union, auch Deutschland, hat sich
entschlossen zu handeln. Die Operation „Atalanta“ soll
den Transport humanitärer Hilfsleistungen nach Somalia
schützen und den zivilen Schiffsverkehr in der Region
sichern. Somalia gehört – das wissen Sie – zu den größten
humanitären Krisengebieten der Welt. Fast 1 Million
Menschen ist innerhalb des Landes auf der Flucht. Insgesamt
sind mehr als 3 Millionen Menschen auf Hilfe
von außen angewiesen, und das umso stärker, je weiter
sich die Seeräuberei in der Region ausbreitet. Wir haben
in den letzten Monaten erfahren müssen, dass die Versorgung
vor allen Dingen deshalb schwierig wird, weil
die humanitären Hilfen, die über das World Food Programme
geliefert werden, zu 90 Prozent auf dem Seeweg
kommen. Gerade diese Schiffe werden angegriffen.
Reeder weigern sich mittlerweile, Schiffe an dieses
Welternährungsprogramm zu verchartern, wenn ein militärischer
Schutz dieser Schiffe beim Anlaufen der Häfen
nicht gesichert ist.
Meine Damen und Herren, „Atalanta“ soll auch die
Sicherheit der zivilen Schifffahrt in der Region verbessern.
Daran haben auch wir Deutsche ein Interesse.
Durch den Golf von Aden verläuft nämlich – Sie wissen
das – der Hauptstrang der Handelsströme zwischen Europa
und Asien: 20 000 Schiffe jährlich mit dieser Destination. Viele davon gehören deutschen Reedereien oder transportieren Fracht aus oder für Deutschland.
Die Mission, über die wir heute zu reden haben, ist
für die Bundeswehr kein Ausflug in warme Gefilde. Wir
schlagen deshalb aus guten Gründen ein robustes Mandat
vor. Die Deutsche Marine und alle anderen an der
Operation beteiligten Kräfte dürfen alle Maßnahmen ergreifen,
um Piraten abzuschrecken, um Überfälle zu verhindern
oder zu beenden. Das schließt ausdrücklich die
Anwendung von Gewalt ein. Unsere Marine darf Piraten
oder Verdächtige aufgreifen, darf sie festhalten und darf
sie überstellen. Sie darf Schiffe und Waffen von Piraten
beschlagnahmen. All das ist im Rahmen des europäischen
Mandats erlaubt.
Eines will ich zur
Resolution des Sicherheitsrates von
heute Nacht, mit der eine nochmalige Erweiterung des
Einsatzes stattgefunden hat, heute klar zu Protokoll geben:
Das ändert am Auftrag und am Umfang der ESVP-Operation
und damit auch an dem Mandat des Deutschen
Bundestages nichts. Ich will sagen: Die Bundeswehr
wird über ein solides Mandat verfügen, das, wie
ich finde, ihr die notwendigen Spielräume für den Einsatz
gegen Piraten vor Somalia ermöglicht.
Jeder weiß, dass die Ursachen von Piraterie in der Tat
nicht auf See zu bekämpfen sind. Dazu braucht man
funktionierende staatliche Strukturen an Land; gerade
die gibt es in Somalia nicht. Dort herrschen das Recht
des Stärkeren und die Sprache der Gewalt. Die Lösegelder
aus der Seeräuberei haben die Lage sogar noch weiter
zugespitzt. Kriminelle Gruppen sind dort heute oft
besser ausgerüstet als die Vertreter des Staates. Der
Weltsicherheitsrat hat darum damals aufgrund der Bitte
der Regierung Somalias alle Staaten aufgefordert, diesem
Land nicht nur bei der Pirateriebekämpfung, sondern
auch bei der Wiederherstellung staatlicher Strukturen
zu helfen. Die EU-Mission leistet dazu mittelbar
einen wichtigen Beitrag. Ohne die Entführung von
Schiffen werden nämlich keine Lösegelder gezahlt, die
die kriminellen Strukturen weiter stärken und damit den
somalischen Staat noch weiter untergraben.
Deshalb müssen wir uns gleichzeitig mit der internationalen
Gemeinschaft um die langfristige Stabilisierung
Somalias kümmern. Gerade und auch weil das schwierig
und gefährlich ist, werden wir weiter humanitäre Hilfe
leisten und leisten müssen. Ich darf Ihnen versichern:
Wir unterstützen jede Anstrengung, die zu einer politischen
Verständigung in Somalia führt. Das muss in erster
Linie von den Somalis selbst gewollt und vollbracht
werden. Aber ich sage Ihnen auch: Seit Übernahme der
Verantwortung durch den neuen Chefvermittler der Vereinten
Nationen Ould-Abdallah bin ich etwas zuversichtlicher
und habe den Eindruck, dass die Gesprächsfäden,
die in der Vergangenheit zwischen den Stämmen und
Entitäten in Somalia nicht geknüpft werden konnten,
vielleicht in Zukunft doch eher zustande kommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Wir wollen das unterstützen. Wir unterstützen das in
der internationalen Kontaktgruppe zu Somalia, in der
wir uns immer wieder bemühen, zur innerstaatlichen
Versöhnung beizutragen, weil wir wissen: Nur dann,
wenn staatliche Strukturen in Somalia wiederhergestellt
werden, wird es gelingen, Seeräuberei wirklich zu beenden.
Ich glaube, unsere Aufgabe ist riesig. Es geht um
das Ende des Bürgerkrieges, um Aussöhnung und um
den Aufbau von staatlichen Institutionen in Polizei und
Justiz.
Deshalb ist uns klar und muss uns klar sein: Das wird
ein langer Weg in einem Land, in dem die Mächtigen die
Verantwortung für ihr Gemeinwesen in sehr unterschiedlicher
Art und Weise empfinden. Aber wir wissen auch,
dass wir Regionen wie Somalia nicht einfach ihrem
Schicksal überlassen dürfen. Sonst würden sich dort
noch leichter Brutstätten von organisierter Kriminalität
und Terrorismus entwickeln. Das berührt in einer Welt,
die immer enger zusammenrückt, nun einmal uns alle.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Ich komme zum Schluss. Aus diesen Gründen bittet
die Bundesregierung den Bundestag, dem Einsatz der
Bundeswehr bei der EU-geführten Operation „Atalanta“
zuzustimmen. Deutschland und die Europäische Union
setzen damit ein wichtiges Zeichen: für die Menschen in
Somalia, für die Sicherheit in der Region und für eine internationale
Solidarität.
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner von der
FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen
heute zum ersten Mal über ein Mandat zur Bekämpfung
der Piraterie. Man ist versucht zu sagen: Ende gut, alles
gut. Aber wir wissen natürlich, wie unendlich lange das
gedauert hat, weil sich die Bundesregierung rechtlich eigentümliche
Argumente ausgedacht hat, um während all
dieser Zeit ja nichts tun zu müssen. Das ist ein schwieriger
Lernprozess.
(Rainer Arnold [SPD]: Na!)
– Ich weiß, dass Sie seit Sommer dieses Jahres anderer
Meinung als die Kollegen von der CDU/CSU waren; das
ist uns allen bekannt, das ist keine Frage.
Sie haben jetzt ein Mandat vorgelegt; das ist schon
einmal ein Fortschritt. Ich beglückwünsche die Bundesregierung
ausdrücklich dazu, dass sie diesen Lernprozess
vollzogen hat und jetzt das für richtig hält, was wir
seit sechs Monaten für richtig halten. Das ist schon einmal
vorteilhaft.
(Beifall bei der FDP)
Die Frage ist: Ist nun am Ende wirklich alles gut? Daran
sind doch einige Zweifel angebracht. Sie verwenden
sehr gerne – auch der Minister hat das heute getan – die
Vokabel „robustes Mandat“. Das klingt zunächst einmal
nach Tatkraft und Durchsetzungswillen. Aber das Wort
„robust“ sagt nur, wie man etwas macht. Es sagt nicht,
was man tut. Ich sage es einmal so: Man kann auch robust
Fliegen fangen.
(Iris Gleicke [SPD]: Das ist unangemessen!)
Das heißt, es kommt darauf an: Was tun wir eigentlich
mit diesem Mandat? Daher schaue ich in den Antrag
zum Mandat, den Sie uns vorgelegt haben. In dem Antrag
stehen sehr viele richtige und wichtige Dinge. Darin
steht zunächst etwas vom Schutz der Schiffe des World
Food Programme und vom abgestuften Schutz anderer
Schiffe sowie der Bewachung des Seegebietes. Darin
steht aber auch – der Minister hat es zitiert, ich sage es
aber noch einmal ausdrücklich, weil es für uns ganz
wichtig ist – unter 3 e):
Aufgreifen, Festhalten und Überstellen von Personen,
die in Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen
oder bewaffnete Raubüberfälle begangen zu
haben, sowie Beschlagnahme der Seeräuberschiffe,
der Ausrüstung und der erbeuteten Güter.
Sehr gut, sehr wichtig, sehr richtig! Das unterstützen wir
voll.
(Beifall bei der FDP)
Es ist natürlich wichtig und richtig, im Einzelfall die
Schiffe des World Food Programme zu schützen, also
zwei pro Woche. Das unterstützen wir voll. Aber das
reicht eben nicht aus.
(Beifall des Abg. Dirk Niebel [FDP])
Unser deutsches Interesse liegt nämlich nicht primär darin,
nur einzelne Schiffe zu schützen, wie wichtig und
richtig das auch ist. Das Interesse liegt darin, die Freiheit
der Meere und auch die Seewege zu sichern, auf die wir
so unabdingbar angewiesen sind. Das erreichen wir eben
nur mit einer aktiven Bekämpfung der Piraterie.
(Beifall bei der FDP)
Wir wissen genauso wie die Bundesregierung und die
EU, wo die Mutterschiffe der Piraten jeweils liegen. Wir
glauben, dass diese Mutterschiffe aktiv außer Kraft gesetzt
werden können.
(Beifall bei der FDP)
Ich sage ausdrücklich: außer Kraft gesetzt werden können.
Schärfere Vokabeln kommen zum Teil aus Ihren
Kreisen, aber nicht aus meinem Munde. Wie sie außer
Kraft gesetzt werden können, müssen die Militärs entscheiden.
Das Wichtigste ist, den Piraten ihr Handwerkszeug
zu nehmen: Ein Pirat ohne Schiff sieht dämlich aus;
so einfach ist die Geschichte. Deshalb ist es wichtiger als
alles andere, den Piraten ihre Schiffe wegzunehmen und
sie zu zerstören.
(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN])
Eine reine Begleitung von Schiffen, sehr geehrter Herr
Kollege Trittin, könnte eine Endlosmission werden. Wir
können ad infinitum Schiffe begleiten. Es fahren auf dieser
Route pro Jahr 20 000 bis 30 000 Schiffe. Wenn wir
zwei oder sogar zehn Schiffe pro Woche begleiten, wird
das nicht ausreichen.
Das Verteidigungsministerium beendet seine Berichte
über geleistete Nothilfe – das, was unsere Marine darf,
macht sie im Augenblick fabelhaft; wirklich à la bonne
heure – gerne mit dem Satz: Das Handelsschiff konnte
seine Fahrt fortsetzen. – Sehr schön. Nicht dabei steht:
Auch das Piratenschiff konnte seine Fahrt fortsetzen. –
Wir legen sehr großen Wert darauf, dass im Rahmen dieses
Mandates – das steht unter 3 d) und e), ich habe es
vorgelesen – das Piratenschiff in Zukunft, jedenfalls unter
normalen Bedingungen, seine Reise nicht fortsetzen
kann, dass also das Piratenschiff außer Kraft gesetzt
wird.
(Beifall bei der FDP)
Machen wir uns nichts vor. Die Piraten sind exzellent
organisiert. Sie wissen jederzeit, wo unsere Fregatten
stehen. Der Seeraum ist unendlich groß, wie wir alle
wissen. Ihn können wir gar nicht abdecken. Die Piraten
können also ihr räuberisches Handwerk ohne Probleme
fortsetzen. Deshalb sagen wir: Die Begleitung von
Schiffen ist wichtig und richtig, aber sie ist nicht hinreichend.
Wenn wir uns darauf beschränken würden, die
Schiffe nur zu begleiten, wären wir als Haifisch gestartet
und als Hering gelandet.
(Heiterkeit bei der FDP – Irmingard Schewe-
Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als
Rollmops!)
Das wollen wir als verantwortliche Abgeordnete natürlich
nicht.
Wir bestehen darauf, dass Sie die Piraterie aktiv bekämpfen.
Hier geht es nicht nur um das Was, sondern
auch um das Wie. Dass Sie den Ausdruck „robustes
Mandat“ verwenden, ist vielversprechend. Darauf will
ich jetzt aber nicht näher eingehen, sondern nur festhalten:
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die
militärischen Mittel so einsetzt, dass sie ihren Auftrag
vollumfänglich erfüllen kann, und zwar inklusive der
Aufgaben, die unter den Punkten 3 d) und 3 e) ihres Antrags
genannt sind.
Meine Damen und Herren, diese europäische Mission
ist mittlerweile die dritte Mission in dieser Region, in
deren Rahmen es um Piraterie geht. Die NATO-Mission
ist gerade erst beendet worden, nämlich am 12. Dezember.
Es wird aber schon im Februar nächsten Jahres eine
neue NATO-Mission durchgeführt; das ist bereits absehbar.
Einige unserer Partnerländer betreiben auch unter
OEF-Mandat Pirateriebekämpfung; was den Operationsplan
angeht, scheint das zumindest nicht unmöglich zu
sein. Wir tun das ausdrücklich nicht.
Unsere erste Forderung an die Bundesregierung lautet:
Bitte sorgen Sie dafür, dass die gemeinschaftlichen
Aktionen koordiniert werden. Am besten wäre es, wenn
in absehbarer Zukunft eine gemeinsame Aktion durchgeführt würde. Wir müssen die Pirateriebekämpfung nämlich in ihrer Gesamtheit und vollumfänglich in Angriff
nehmen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Noch eine Bemerkung zum OEF-Mandat. Unter
OEF-Mandat erlaubt die Bundesregierung die Pirateriebekämpfung
ausdrücklich nicht. Sie hält an der realitätsfernen
Fiktion fest, als könne man heute, im Dezember
2008, noch eindeutig zwischen Terrorbekämpfung und
Pirateriebekämpfung unterscheiden. Das ist wirklich realitätsfern.
Dazu ein Zitat:
Die zunehmende Verbreitung der Organisierten
Kriminalität in schwachen Staaten macht die Bedrohung
des Terrorismus noch ernster. Aus den Erlösen
krimineller Aktivitäten, vor allem aus Drogenhandel,
aber auch dem illegalen Handel mit
Waffen, Menschen, Geldwäsche oder Piraterie,
werden Kriegshandlungen, Extremismus und Terrorismus
finanziert.
Das ist kein Zitat der Oppositionsfraktion FDP. Dieses
Zitat stammt aus der Sicherheitsstrategie der CDU/CSUFraktion
vom 6. Mai dieses Jahres.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Eckart
von Klaeden [CDU/CSU] – Jürgen Trittin
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist zurückgezogen!)
Das ist die Politik der Union. Herr Minister, wann machen
Sie diese Politik der CDU/CSU endlich zur Regierungspolitik?
Wir warten darauf, dass Sie diese Erkenntnisse
in Regierungshandeln umsetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Tagen
waren in den Zeitungen – deshalb kann man darauf hinweisen
– sehr besorgniserregende Berichte zu lesen, in
denen es hieß, Geheimdienste hätten Informationen, dass
Verbindungen zwischen al-Qaida und den Piraten bestehen.
Dabei gehe es – das ist noch schlimmer – um die
Besetzung von Kreuzfahrtschiffen. Wenn das der Fall
ist, wird das Problem noch viel größer und bedrohlicher.
Wir müssen an die Reiseveranstalter appellieren, ihrer
Verpflichtung, ihre Passagiere zu schützen, nachzukommen;
keine Frage. Wenn aber der Fall eintritt, dass ein
Kreuzfahrtschiff von Piraten besetzt wird, dann muss dagegen
natürlich auch etwas unternommen werden können.
Daher müssen wir uns grundsätzlich mit dem
Thema Pirateriebekämpfung beschäftigen und dürfen
uns nicht auf die Begleitung einiger Schiffe – mehr können
wir ohnehin nicht leisten – beschränken.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, haben wir
eine ganze Reihe von Fragen und Kritikpunkten. Dennoch
bleibt festzuhalten: Die Pirateriebekämpfung am
Horn von Afrika hat große Bedeutung und hohe Priorität.
Sie muss aktiv betrieben werden. Dieses Mandat – ich
habe daraus zitiert; ich meine speziell die Punkte 3 d)
und 3 e) – gibt der Bundesregierung Instrumente an die
Hand, um aktiv dagegen vorzugehen. Wir erwarten, dass
sie dies auch tut; darauf habe ich bereits hingewiesen.
Wir, die Abgeordneten, sind allerdings nicht in der Lage,
über Einzelheiten der Operationsführung zu entscheiden
oder die Operationsführung zu kontrollieren. Hier sind
wir auf die Bundesregierung angewiesen. Wir erwarten,
dass sie ihren Auftrag vollumfänglich erfüllt. Wir werden
sie daran messen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Jetzt hat der Bundesminister Franz Josef Jung das
Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung:
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber
Kollege Stinner, zunächst einmal Folgendes: Sie können
davon ausgehen, dass unsere Marine, wenn der Deutsche
Bundestag dieses Mandat verabschiedet, ihren Auftrag
in hervorragender Art und Weise erfüllen wird.
(Dirk Niebel [FDP]: Das bestreitet doch
keiner!)
Ich kann Ihnen sagen: Es ist aus meiner Sicht dringend
notwendig und liegt auch in unserem eigenen Interesse,
der Geißel der Piraterie wirkungsvoll entgegenzutreten,
um Seesicherheit und freien Seehandel zu gewährleisten.
Das ist auch aus humanitären Gründen von Bedeutung.
Ich bitte den Deutschen Bundestag um Zustimmung, damit
wir uns an diesem Mandat beteiligen können.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der
FDP)
Es ist darauf hingewiesen worden: 248 Schiffe sind in
diesem Jahr gekapert worden. Durch Lösegeldzahlungen
haben sich hier gewisse Dinge weiter etabliert. Deshalb
ist es, glaube ich, notwendig, dass wir hier ein derartiges
Mandat beschließen; denn es geht erstens darum, abzuschrecken,
zweitens darum, Angriffe zu verhindern, und
drittens aber auch darum, Seeräuberei zu beendigen. Ich
glaube, das ist das Ziel, das im Rahmen dieses Mandats
vorrangig zu berücksichtigen ist.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass wir uns in
Europa auch auf eine Reihenfolge, wenn ich das so sagen
darf, im Hinblick auf die Schutzinteressen der
Schiffe verständigt haben. Es geht zunächst um die
Schiffe innerhalb des Welternährungsprogramms, dann
um die Schiffe mit einem humanitären Auftrag, sodann
um die Schiffe aus denjenigen Ländern, die sich an dieser
Mission konkret beteiligen, und dann kommen die
sonstigen Schiffe.
Bisher sieht es so aus, dass sich Belgien, Frankreich,
Griechenland, die Niederlande, Schweden, Großbritannien
und Spanien an dieser Mission beteiligen, die in
dem Seegebiet innerhalb von rund 500 Seemeilen vor der Küste Somalias und der Nachbarländer durchgeführt wird. Ich bin dankbar dafür, dass es klare und konkrete rechtliche Regeln hinsichtlich des Operationsplans und
der Einsatzregeln, also der Rules of Engagement, gibt.
Kollege Stinner, es ist ein robustes Mandat, in das
selbstverständlich die Anwendung von Gewalt mit einbezogen
ist. Das geht vom Schuss vor den Bug bis hin
– so ist dies im Mandat vorgesehen – zur Versenkung
von Piratenschiffen. Wir operieren aber immer nach dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ich halte es auch für
richtig, dass die Marine in diesem Zusammenhang ihre
Aufgaben und ihren Auftrag verantwortungsvoll wahrnehmen
kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD – Dr. Rainer Stinner [FDP]:
Schiffe versenken!)
Ich füge hinzu: Für diese Mission Europas sind drei
Kriegsschiffe mit Hubschraubern, ein Unterstützungsschiff
und drei Seefernaufklärer vorgesehen, um konkret
festzustellen, wo im Operationsgebiet im Einzelnen
Handlungsfähigkeit gegeben ist und -notwendigkeiten
bestehen. Auch die Möglichkeit, Sicherungskräfte an
Bord von Handelsschiffen mitzunehmen, ist in diesem
Mandat vorgesehen.
Wir wollen uns mit der Fregatte „Karlsruhe“ an diesem
Mandat beteiligen, das unter dem Kommando eines
europäischen Befehlshabers steht. An Bord unserer Fregatte
sind zwei Hubschrauber und entsprechende Marineschutzkräfte.
Zusätzlich ist hier vorgesehen, dass wir
Kräfte für Sicherung, Logistik und Sanität sowie Feldjäger
in dem Mandat bereitstellen und auch Stabs- und
Verbindungspersonal in das Hauptquartier entsenden.
Das Hauptquartier der Operation wird in Northwood
nahe London sein.
Die Mandatsobergrenze soll auf 1 400 Soldaten festgelegt
werden. Dies heißt nicht, dass jetzt 1 400 Soldaten
mit in den Einsatz gehen, sondern dies heißt, dass
wir etwas Flexibilität im Hinblick auf die konkrete
Wahrnehmung des Mandats haben. Im Rahmen der Operation
Enduring Freedom ist jetzt beispielsweise die Fregatte
„Mecklenburg-Vorpommern“ im Einsatz, und sie darf dort Nothilfe leisten. Zur aktiven Pirateriebekämpfung soll es, wenn dies im Operationsgebiet erforderlich
ist, auch möglich sein, diese Fregatte in die
Operation „Atalanta“ zu überführen, um der Piraterie wirkungsvoll
entgegentreten zu können. Deshalb ist es, glaube ich,
richtig, dass wir hier eine derartige flexible Mandatsobergrenze
vorsehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Das Mandat soll bis zum 15. Dezember 2009 gewährt
werden. Sehr geehrter Herr Kollege Stinner, das muss
ich dann doch einmal sagen: Ich habe immer hohen Respekt
vor Menschen – dies gilt gerade auch für Ihre Partei –,
die insbesondere die Verfassungsfragen sehr im Vordergrund
sehen.
(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Zu Recht!)
Was Sie sich hier in diesem Zusammenhang leisten,
halte ich aber für völlig falsch; denn was wir hier tun, ist,
die Verfassung genau zu beachten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Ich will Ihnen hier klar und deutlich sagen: Wir haben
eine klare verfassungsrechtliche und völkerrechtliche
Grundlage. Die völkerrechtliche Grundlage ist die
Resolution 1846 der Vereinten Nationen. Die verfassungsrechtliche
Grundlage ist das System gegenseitiger
kollektiver Sicherheit nach Art. 24 Grundgesetz. Deshalb
ist eine derartige aktive Pirateriebekämpfung durch
die Bundeswehr möglich, die sonst keine verfassungsrechtliche
Grundlage hätte. Deswegen konnten wir das
nicht im Rahmen des OEF-Mandats regeln. Aber in dem
System gegenseitiger kollektiver Sicherheit mit einem
europäischen Mandat und auf der völkerrechtlichen
Grundlage der Vereinten Nationen können wir Piraterie
wirkungsvoll und aktiv bekämpfen. Diesen Auftrag werden
wir auch wahrnehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Wir haben im Übrigen Rechtsklarheit geschaffen,
wenn es darum geht, Personen festzuhalten oder festzusetzen.
Unser Ziel ist, wie gesagt, zunächst einmal Abschrecken,
Verhindern und Beendigen. Aber wenn es
dazu kommt, dass Personen – also Piraten – konkret festgesetzt
werden, dann wollen wir prüfen, ob es ein deutsches
Interesse gibt. Wenn das der Fall ist, dann wollen
wir die betreffenden Piraten der deutschen Gerichtsbarkeit
zuführen. Ansonsten wollen wir sie den Nationen
zuführen, die ein unmittelbares Interesse daran haben.
Wir sind bemüht, zu klären, inwiefern wir gegebenenfalls
mit Anrainerstaaten zu Übereinkommen kommen
können. Ich erachte es dabei für den besseren Weg, zu
einer internationalen Regelung zu kommen, um konkret
und verantwortungsvoll handeln zu können. Deshalb ist
das Bemühen, innerhalb der Vereinten Nationen, aber
auch der Europäischen Union zu einer internationalen
Regelung zu kommen, meines Erachtens ein richtiger
und wichtiger Ansatz, den wir auch weiterhin unterstützen
wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Der Kostenrahmen – auch darauf will ich hinweisen –
wird auf rund 45 Millionen Euro geschätzt. Aber ich
denke, dass es in unserem Interesse liegt, unseren Auftrag
so zu erfüllen, wie ich es gerade erläutert habe. Deshalb
bitte ich Sie um möglichst breite Unterstützung für
dieses Mandat, damit wir unseren Beitrag zur Wiederherstellung
der Seesicherheit und zur Gewährleistung eines
freien Seehandels leisten können. Wir sind Exportweltmeister.
80 Prozent unseres Handels findet über den
Seeweg statt. Das Mandat liegt aber auch im humanitären
Interesse. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu
diesem Mandat.
Besten Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Dr. Rainer Stinner.
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Vielen Dank. – Herr Minister, nachdem Sie mich und
meine Partei wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen
so scharf kritisiert haben, möchte ich Sie – in aller
Angemessenheit auch im Ton; ich versuche, das ganz ruhig
zu machen – an die Diskussionen erinnern, die wir in
diesem Jahr erlebt haben, und darauf hinweisen, wie Sie,
verehrter Herr Minister, und Ihre Partei, die Christlich
Demokratische Union, zusammen mit der Christlich-Sozialen
Union in diesem Hause zu Beginn der Beratungen
unbedingt auf Änderung des Art. 87 a des Grundgesetzes
gedrängt haben.
Ich darf Sie daran erinnern, dass das monatelang ein
Thema war und dass wir auf unsere Anfragen von den
beiden betroffenen Ministerien – dem Auswärtigen Amt
und dem Verteidigungsministerium – immer wieder völlig
unterschiedliche oder gegensätzliche Antworten bekommen
haben. Ich darf Sie daran erinnern, dass Ihr
Koalitionspartner, die SPD, Ihnen sehr deutlich gemacht
hat, dass der Weg, Art. 87 a Grundgesetz zu ändern,
nicht umsetzbar ist.
Jetzt haben wir eine rechtlich sichere Basis, die aber
durch Art. 25 Grundgesetz und Seerechtsübereinkommen
nach Übereinstimmung aller wesentlichen Völkerrechtler
längst gegeben war.
(Beifall bei der FDP)
Von daher darf ich Sie daran erinnern, Herr Minister,
dass wir uns sehr verantwortungsvoll verhalten haben.
Insofern ist der Vorwurf, wir würden uns nicht an rechtsstaatliche
Normen halten, völlig abwegig. Ich weise ihn
in aller Entschiedenheit zurück.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Minister, Sie können von Ihrem Platz aus antworten.
Bitte.
(Hellmut Königshaus [FDP]: Sagen Sie
einfach, es stimmt!)
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung:
Lieber Herr Kollege Stinner, ich versuche, es noch
einmal zu erklären. Ich weiß, dass Verfassungsrecht
nicht einfach ist. Aber Tatsache ist – unabhängig von
den Fragen in der politischen Diskussion, die Sie angesprochen
haben –, dass nach unserer derzeitigen Verfassungslage
die Pirateriebekämpfung ohne völkerrechtliches
Mandat zunächst Aufgabe der Polizei ist.
Sie haben auf das Seerechtsübereinkommen hingewiesen.
In diesem Zusammenhang weise ich Sie darauf
hin, dass nach Art. 25 Grundgesetz das Völkerrecht einfaches
Recht brechen kann. Es kann aber nicht das
Grundgesetz brechen. Deshalb zieht diese Argumentation
nicht. Es ist nur der Weg über Art. 24 möglich: gegenseitige
kollektive Sicherheit. Wir haben ein europäisches
Mandat und werden hoffentlich die Zustimmung
des Deutschen Bundestages bekommen. Dann werden
wir unseren Auftrag wahrnehmen können. Dabei werden
wir uns innerhalb der geltenden Bestimmungen unserer
Verfassung bewegen. Es ist mein vornehmster Auftrag
– dies empfinde ich als meine Verpflichtung –, die Verfassung
zu achten, wenn es um Einsätze der Bundeswehr
geht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Norman Paech von
der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Norman Paech (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um
kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Linke
ist für die Sicherheit der See- und Handelswege und hält
den Schutz vor Piraterie für absolut notwendig und unverzichtbar.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Dann können Sie
auch zustimmen!)
Auch wir sind von der Notwendigkeit überzeugt, dass
gegen die Piraterie vorgegangen werden muss.
Das Problem ist Ihnen seit vielen Jahren bekannt; Ihnen
ist auch bekannt, dass die Ursachen der Piraterie
nicht auf See liegen, sondern in dem von Bürgerkrieg
und fremden Truppen zerrissenen Somalia. Aber seit der
gescheiterten UN-Mission Anfang der 90er-Jahre hat
sich kein Land um Somalia gekümmert. Erst als 2006
die islamischen Gerichtshöfe die Macht übernahmen,
marschierten äthiopische Truppen in das Land und vertrieben
mit Unterstützung der USA die neuen Machthaber.
Niemand hat dies kritisiert; auch die Bundesregierung
hat geschwiegen. Damit beendeten die Truppen
eine sehr kurze Phase der inneren Sicherheit und des
spürbaren Rückgangs der Piraterie vor den Küsten Somalias.
Seitdem, seit 2007, hat sich der Konflikt wieder
ausgeweitet, verschärft und zunehmend radikalisiert. Die
Piraterie hat wieder drastisch zugenommen, und Somalia
ist leider in Anarchie versunken.
Aber Sie haben nichts unternommen. Im vergangenen
Jahr war die Kanzlerin noch in Somalias Nachbarland
Äthiopien. Aber wir haben keine Forderung von ihr gehört,
dass sich die Äthiopier aus Somalia zurückziehen
und etwas gegen Piraterie und für Somalia tun sollten.
Wenn die EU und die Bundesregierung jetzt Militär
entsenden wollen, geht es ihnen doch nur um die Sicherung
der See- und Handelswege, was im Klartext den
Ausbau Ihrer militärischen Präsenz auch in diesem Teil
der Weltmeere bedeutet, wie es die USA dort bereits seit
langem unternommen haben. Mit
„Atalanta“ kann die
EU ihre maritimen militärischen Fähigkeiten auch dort
demonstrieren und Deutschland die Auslandseinsätze
der Bundeswehr ausweiten.
Ein Beitrag dazu, an die Wurzeln der Piraterie zu gehen
– das wissen Sie ganz genau –, die Armut der somalischen
Bevölkerung zu lindern und die Sicherheit der
Küsten wiederherzustellen, ist dies überhaupt nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch die von den internationalen Fangflotten leer gefischten
Gewässer vor Somalia – das hat den Fischern,
von denen dann viele überhaupt erst Piraten geworden
sind, ihre Existenz genommen – erholen sich durch diese
Mission nicht.
Durch die jüngste Resolution 1851 des Sicherheitsrates
haben die USA auch noch das Mandat erhalten, ihren
militärischen Zugriff auf das Festland zu erweitern.
Gleichzeitig wird wieder – Herr Stinner, Sie haben es gesagt
– al-Qaida ins Spiel gebracht, um den Antiterrorkampf
mit dem Kampf gegen die Piraten zu verbinden.
Diese Vermischung mit dem Krieg der OEF kennen wir
aus Afghanistan. Dazu sagt die Linke: ohne uns.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt komme ich zu dem eben angesprochenen Disput,
Herr Minister Jung: Sie wissen auch, dass nach internationalem
und deutschem Recht Piraterie wie Raub und
Freiheitsberaubung ein Fall der gewöhnlichen Kriminalität
ist, für deren Bekämpfung ausschließlich die Polizei
zuständig ist.
(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]:
Gerade erläutert!)
Nach deutschem Verfassungsrecht hat das Militär dort
überhaupt nichts zu suchen. Schiffe versenken, wie es
jetzt angekündigt wird, ist vom internationalen Recht
und von dem Mandat des UNO-Sicherheitsrates nicht
gedeckt. Die Trennung von Polizei und Militär – dies
wissen Sie, Herr Stinner, ebenso wie Sie, Herr Minister
Jung, ganz genau – ist eines unserer tragenden Verfassungsprinzipien.
(Beifall bei der LINKEN)
Da können Sie noch so viel mit Art. 24 oder Art. 25 des
Grundgesetzes jonglieren, der Einsatz des Militärs zu
polizeilichen Zwecken, ob im Bundesgebiet oder im
Ausland, ist untersagt.
Was ist aber nun zu tun? Die Bekämpfung der kriminellen
Piraterie ist Sache der Bundespolizei – das wäre
auch möglich –, und zwar am effektivsten und nachhaltigsten
mit einer Küstenwache, um den Operationen der
Piraten einen wirklich wirksamen Riegel vorzuschieben.
Eine solche Küstenwache unter Beteiligung der Nachbarstaaten
und unter Führung der UNO und der AU wäre
ohne große Verzögerung aufzubauen. Seit einem Dreivierteljahr
beschäftigt sich der UNO-Sicherheitsrat mit
der Piraterie vor Somalia. Wir fragen die Bundesregierung:
Warum haben Sie nicht auf ein Mandat für eine
derartige Küstenwache gedrungen, die auch Deutschland
mit Polizeikräften sowie mit materiellen und finanziellen
Mitteln unterstützen kann? Es gibt eine Alternative zum
militärischen Einsatz.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, die kurzfristig
ergriffen werden könnten. Die äthiopischen Truppen
müssen sich sofort und vollständig aus Somalia zurückziehen.
Die USA müssen die Angriffe mit ihren OEFTruppen
auf das Festland Somalias endlich einstellen.
Die illegal operierenden Fangflotten müssen unverzüglich
die somalischen Territorialgewässer verlassen, um
den Fischern wieder den Lebensraum einzuräumen, den
sie ihnen weggenommen haben. Aber von all dem steht
nichts in Ihrem Antrag.
Wenn es der Bundesregierung mit dem Kampf gegen
die Piraterie wirklich ernst wäre, müsste sie zudem langfristig
der notleidenden Bevölkerung helfen, den Wiederaufbau
des zerfallenden Staates und die Wiederherstellung
der Sicherheit im Land unterstützen. Die Bundesregierung
sollte sich um die sofortige Aufnahme von Verhandlungen
zwischen den Konfliktparteien in Somalia
zur Bildung einer repräsentativen Regierung – eine solche
Regierung gibt es bislang nicht – bemühen. Was allerdings
jahrelang versäumt wurde, kann jetzt nicht mehr
mit ein paar Fregatten nachgeholt werden. Das ist nur
Symbolpolitik; das sage ich ganz offen. Es ist obendrein
gefährlich, wie Sie an dem irrtümlichen Versenken eines
thailändischen Trawlers durch die indische Marine gesehen
haben.
(Dirk Niebel [FDP]: Sie kennen sich nur mit
russischen Trawlern aus!)
Demnächst werden die NATO, die EU, die USA, Russland
und Indien – Herr Stinner, Sie haben das bereits gesagt
– ihre Kriegsschiffe vor den Küsten Ostafrikas kreuzen
lassen, was den Frieden in dieser Region bestimmt
nicht fördern wird.
Ich komme zum Schluss. Unsere Forderung ist: Überlassen
Sie die Bekämpfung der Piraterie der Bundespolizei
im Rahmen einer internationalen Küstenwache unter
der Führung der UNO! Kümmern Sie sich um das Elend
der Bevölkerung Somalias! Dann werden Sie auch mit
der Piraterie fertig werden. Für die Entsendung einer
Fregatte werden Sie unsere Zustimmung nicht bekommen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Uschi Eid von
Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren!
Um es gleich vorweg zu sagen: Meine Fraktion wird
mehrheitlich dem Antrag der Bundesregierung zustimmen;
denn für die meisten von uns liegt die Notwendigkeit
dieses Einsatzes klar auf der Hand.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Es besteht kein Zweifel daran, dass es ein kollektives Sicherheitsinteresse
der Weltgemeinschaft an sicheren Seewegen gibt. 16 000 Schiffe passieren pro Jahr den Golf von Aden. Die Schiffe des Welternährungsprogramms
und der humanitären Hilfe sind zu schützen. Allein
in diesem Jahr sind schon 50 Millionen US-Dollar
von den Seeräubern erpresst worden. Was mit diesem
Geld passiert, wissen wir eigentlich alle; darauf muss ich
gar nicht eingehen. Außerdem ist das Mandat – zuletzt
durch die UNO-Resolution 1846 vom 2. Dezember –
völkerrechtlich abgesichert.
Wir haben allerdings – Herr Minister, das wurde
schon heute Morgen im Ausschuss deutlich – noch einige
Fragen und halten den Ansatz der Bundesregierung
für unzureichend. Herr Stinner hat es bereits gesagt. Wir
sehen überhaupt nicht ein, warum es parallele Missionen
gibt. Wäre es denn nicht überlegenswert, diese parallelen
Missionen alle im Rahmen von „Atalanta“ einzusetzen?
Das ist die erste Frage.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Es wurde heute Morgen völlig im Unklaren
gelassen, was eigentlich mit den Piraten passiert, die von
der deutschen Marine in Gewahrsam genommen werden,
wenn der Überfall auf Schiffe des Welternährungsprogramms
stattgefunden hat; denn diese Schiffe fahren
nicht unter deutscher Flagge. Auch diese Frage, Herr
Minister, konnte heute Morgen nicht geklärt werden.
Drittens. Wir halten den Ansatz der Bundesregierung für
eine militärische Engführung. Dieser Ansatz wird zu
keiner langfristigen Lösung des Problems führen.
Natürlich sind wir uns darin einig, dass die Befriedung
Somalias und die Lösung des Konflikts ungeheuer
komplex sind und dass wir einen langen Atem brauchen;
aber den langen Atem haben wir jetzt schon 18 Jahre
lang;
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
denn 18 Jahre lang ist Somalia ohne staatliches Gewaltmonopol,
ohne Sicherheitsorgane, ohne staatliche Strukturen
und deswegen ein sicheres Rückzugsgebiet für
Kriminelle. Wenn ein Gemeinwesen zerrüttet ist, wenn
sich Warlords bekämpfen, sich die Clans gegenseitig
misstrauen und die Macht nicht teilen wollen, wenn klar
ist, dass die Übergangsregierung zwar unter internationaler
Vermittlung zustande gekommen ist, mittlerweile
aber eher ein Problem als eine Lösung darstellt, dann
frage ich mich schon, was die Bundesregierung vor zwei
Jahren gemacht hat, als wir die EU-Ratspräsidentschaft
innehatten. Damals ist viel zu wenig unsere Macht – Ihr
Wort, Herr Außenminister – durchgedrungen. Ich weiß,
dass Einiges getan wird. Während wir hier debattieren,
ist jemand aus dem Auswärtigen Amt in Eritrea. Aber,
Herr Außenminister, das ist mindestens zwei Jahre zu
spät.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Also: nicht zeitgemäß, zu wenig getan.
Herr Mützenich, Sie haben heute Morgen einen sehr
netten Vorschlag gemacht. Sie wollen nämlich Ihrer
Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion vorschlagen, einen
gemeinsamen Antrag zur politischen Lösung des Somalia-
Konflikts vorzulegen. Ich kann bei allem Respekt nur
sagen: Guten Morgen!
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn wir, alle Fraktionen des Deutschen Bundestages,
haben im Juni 2007 hier einstimmig einen Antrag, in
dem politische Lösungsschritte und Lösungsmaßnahmen
von unserer Fraktion vorgelegt worden sind, verabschiedet.
Diese Initiative von uns hat alle Fraktionen des
Deutschen Bundestages überzeugt. Es ging um die
Frage, wie wir damit umgehen, dass seit 2002 der Verlauf
der Grenze zwischen Äthiopien und Eritrea eine
konstante Quelle der regionalen Instabilität ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen dafür sorgen, dass Äthiopien die Demarkation
dieser Grenze endlich anerkennt. Beide Staaten,
Eritrea und Äthiopien, haben ein ungeheures Potenzial.
Sie sollen dieses Potenzial nicht für Kriegsvorbereitungen
einsetzen, sondern für den Wiederaufbau und für die
Befriedung der Region. Das wäre wichtig.
Wir wissen genau – das kennen wir aus Afghanistan –,
dass die Gesellschaft von Somalia Clanstrukturen hat.
Seit 18 Jahren gibt es keine Regierung. Selbst wenn es
sie gäbe, so sind die lokalen Autoritäten diejenigen, die
für Ordnung sorgen und die das Gemeinwesen wieder
organisieren können. Was hat die Bundesregierung getan,
um diese Clanstrukturen zu stärken und sie zu vernetzen,
damit sie den Männern, Frauen und Kindern ein
Leben in Sicherheit in ihren Dörfern gewährleisten können?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der FDP)
Im Juni fand in Dschibuti eine Konferenz statt, auf
der eine ganz klare Vereinbarung getroffen wurde. Ich
traue der Übergangsregierung nicht sehr viel zu; denn
gerade erst vor einigen Tagen hat der Präsident seinen
Premierminister geschasst. Auf die kann man sich also
nicht besonders gut verlassen. Trotzdem ist diese Regierung
aufgrund internationaler Vereinbarungen zustande
gekommen. Sie muss gezwungen werden, mit den moderaten
Teilen der Union der islamischen Gerichte zu
kooperieren; denn nicht alle sind gewalttätig.
Herr Paech, ich möchte Ihnen schon sagen: So zu tun,
als wären in Somalia keine Terroristen, keine Afghanistan-
Veteranen ist auch ein bisschen blauäugig; was Sie
behaupten, das stimmt nicht. In unserer gestrigen Fraktionssitzung
hat uns eine Somalia-Expertin klar gesagt,
dass es da auch Verbindungen zu al-Qaida gibt. Trotzdem
muss man nach Möglichkeiten Ausschau halten,
mit den gewaltfernen Teilen der Union der islamischen
Gerichte wieder ins Gespräch zu kommen. Im Juni
wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Ich frage die Bundesregierung:
Was haben Sie getan, um diesen Dialog zu
befördern?
Stichwort „AMISOM“: Äthiopien soll sich zurückziehen;
dafür sollten ugandische und burundische Truppen
nach Somalia. Wir haben alle gesehen: Das ist unzureichend.
Was haben wir getan? Wir haben den AMISOMProzess
nicht unterstützt; zumindest hat man davon
nichts gemerkt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist schon richtig – das wissen wir –, dass es da
auch verarmte Fischer gibt. Ich finde es aber problematisch,
das als Argument anzuführen; denn es gibt ausländische
Firmen, die mit den illegalen Netzwerken in Somalia
Verträge abschließen, dass sie dort fischen und
Müll ablagern dürfen. Das heißt, wir, die Europäische
Union, müssen solchen Machenschaften das Handwerk
legen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Meine Fraktion
erwartet, dass die vom Deutschen Bundestag im
Juni 2007 einstimmig beschlossenen Maßnahmen von
Ihnen, Herr Minister, beherzt durchgeführt werden, damit
wir in zwölf Monaten eine positive Bilanz ziehen
können.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Walter Kolbow von der
SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Walter Kolbow (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte
Kollegin Uschi Eid, soeben hat auch die frühere
G-8-Afrika-Beauftragte des Bundeskanzlers gesprochen.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Sie hat gut gesprochen!)
Ich habe ihr mit großer Sympathie zugehört. Allerdings
haben wir es mit der Situation eines Failing State in dem
infrage stehenden Staat Somalia seit 1994 zu tun. Parlamentarisch
begleitend war ich zusammen mit dem unvergessenen
Günther Nolting und Paul Breuer im Rahmen
der Operation Restore Hope in Belet Huen. Wir
haben den Zerfall erlebt. Auch wir, die rot-grüne Koalition
mit dem Außenminister Fischer, haben ihn nicht
aufhalten können; wir haben das, womit wir es im Moment
zu tun haben, nämlich mit dem Auseinanderfallen
Somalias, geschehen lassen. Mit Gustav Heinemann bin
ich immer der Meinung: Wer mit dem Finger auf andere
zeigt, sollte bedenken, dass drei Finger auf einen selbst
zurückzeigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
CDU/CSU)
Sind wir redlich? Sind wir aktuell fähig, auch in die Zukunft
zu schauen?
Ich möchte deutlich machen, dass die umsichtigen
und verantwortungsbewussten Reden des Außenministers
und des Verteidigungsministers die SPD-Bundestagsfraktion
veranlassen werden, diesem Antrag am
Freitag zuzustimmen. Ich möchte betonen: Sie trägt den
Inhalt dieses Antrags mit.
Geschätzter Kollege Stinner – Sie haben schon einen
kleinen Disput mit dem Verteidigungsminister gehabt –,
ich muss in diesem Zusammenhang sagen: Ich bin immer
für unverzügliches Handeln, für Handeln ohne
schuldhaftes Zögern, nicht nur der Bundesregierung,
sondern auch des Parlaments. Ich bin aber gegen Hauruckpolitik,
wenn es darum geht, in jedem Fall Rechtssicherheit
für Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu
leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen müssen wir sehr vorsichtig sein und nach dem
Grundsatz „Sorgfalt vor Eile“ vorgehen.
Die Wahrung dieses Grundsatzes mahne ich auch in
dieser Diskussion im Hinblick auf das Parlament, insbesondere
auf meine Fraktion, an. Wir dürfen uns hier
nicht übersteuern lassen. Wir müssen international und
national Völkerrecht und Rechtsordnung einhalten. Es
muss vom Ende her gedacht werden: Der Kommandant
und seine Soldatinnen und Soldaten, aber auch die politische
Führung müssen Rechtssicherheit haben. Wenn das
nicht der Fall sein sollte, nimmt am Ende jemand verdient
seinen Hut.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich denke, dass der Vierklang von Sicherung der humanitären
Hilfe für die 3,2 Millionen notleidenden Somalier,
Sicherstellung des zivilen Schiffsverkehrs auf
den Handelswegen im Seegebiet von Somalia und den
Nachbarländern innerhalb der 500-Seemeilen-Zone, Unterbindung
von Geiselnahme und Lösegelderpressung
sowie Durchsetzung des Völkerrechts die richtige inhaltliche
Voraussetzung für das Mandat „Atalanta“ im Rahmen
der internationalen Gemeinschaft ist.
Dazu gehören Einsatzregeln im Rahmen des Operationsplans,
die die einzelnen Länder für ihre Schiffe selbst
verantworten, insbesondere im Fall der Strafverfolgung.
Caveats sind nicht ersichtlich. Es kann – so der Herr Verteidigungsminister
heute noch einmal – getan werden,
was getan werden muss. Dies unterliegt in jedem Fall,
auch bei der Ingewahrsamnahme, dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, dem sich nicht nur die Operateure,
sondern auch die Politik verpflichtet fühlen müssen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Wolfgang
Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])
Das primäre Ziel des „Atalanta“-Mandats ist nicht,
die Ingewahrsamnahme piraterieverdächtiger Personen
durchzusetzen. Der Schwerpunkt liegt auf der Verhütung
seeräuberischer Handlungen. Die SPD-Bundestagsfraktion
unterstützt die Bundesregierung in der Ausgestaltung
der Mission. Sie beinhaltet – ich wiederhole es –
die Möglichkeit eines robusten Mandats nach
Kapitel VII der UN-Charta, was heißt, dass unsere Marine
in der Lage sein muss, Piraten zu bekämpfen und
Personen, die seeräuberischer Handlungen verdächtigt
werden, festzunehmen.
Unsere nationalen Rechtsprinzipien – ich habe es ausgeführt
– müssen gewahrt bleiben. Deswegen sind die
drei Handlungsoptionen für den Fall, den die Bundesregierung
vorsieht und für den sie die Zustimmung des
Parlaments erbittet, auch unter dem Gesichtspunkt des
deutschen Interesses akzeptabel, umsetzbar und auch zustimmungsfähig.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Andreas
Schockenhoff [CDU/CSU])
Wir begrüßen sehr, Herr Außenminister, dass Sie unseren
internationalen Partnern in der Europäischen
Union und in den Vereinten Nationen vorausschauend
und nachdrücklich gesagt haben, die Einrichtung eines
internationalen Gerichtshofs sei dringlicher denn je, weil
keiner der bereits existierenden Gerichtshöfe für Piraten
zuständig ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU und der Abg. Dr. Uschi Eid
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deswegen drängt die SPD-Bundestagsfraktion, dass
hierüber baldmöglichst ein ausreichend breiter internationaler
Konsens gefunden wird. Die Dimension des Piraterieproblems
spricht zwingend dafür, diesen Gerichtshof
endlich einzurichten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Die Beratung über diesen Einsatz ist nicht geeignet,
die Lufthoheit über den deutschen Stammtischen
– manchmal tragen wir in den Wahlkreisen ja auch unbewusst
zu einer solchen Diskussion bei – zu gewinnen. Es
gab in den vergangenen Wochen wiederholt Häme wegen
der schwierigen rechtlichen Diskussion über den
Umgang mit in Gewahrsam genommenen Piraten. Diese
Gründlichkeit wurde von Kommentatoren belächelt und
sogar kritisiert – offenbar nach dem Motto: Die haben
nicht den Mumm, gegen die Piraten ordentlich hinzulangen.
– Es handelt sich aber nicht um eine zu übergehende
Nebensächlichkeit; vielmehr berührt die Problematik
Kernfragen unseres demokratischen Rechtsstaats.
Ich sage überspitzt: Ich wehre mich gegen Guantánamos
auf See.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Der rechtsstaatliche Umgang mit gefangenen Piraten
ist für uns eine unmittelbare Verpflichtung. Kein noch so
schlimmes Verbrechen darf den Staat dazu verleiten,
seine selbstgesetzten Rechtsgrundsätze zu missachten
oder gar zu verletzen. Deswegen steht in der UN-Resolution
völlig zu Recht, dass die strafrechtliche Verfolgung
– ich zitiere – „im Einklang mit dem anwendbaren
Völkerrecht, einschließlich der internationalen Menschenrechtsnormen“
stattfinden muss. Im Übrigen hat
man sich schon 1877 im Chinesischen Meer seitens der
kaiserlichen Marine so verhalten. Das ist eigentlich einer
der wenigen Gründe, die auch mal für ein Kaiserreich
sprechen können;
(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Vorsicht!
– Unruhe)
das Kaiserreich haben wir Gott sei Dank, auch in Bayern,
Herr Kollege Schockenhoff, überwunden. Aber das
habe ich jetzt zugegebenermaßen außerhalb des normalen
Vortrages gesagt.
Ich will hier noch einmal deutlich machen, meine Damen
und Herren – dass das sehr wichtig ist, haben Sie,
Herr Außenminister, ja auch am Schluss Ihrer Rede gesagt
–, dass die heute Nacht im Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen gefasste Resolution nichts am Auftrag und
an der Durchführung von „Atalanta“ ändert.
Ich bin dafür – da spreche ich auch für meine Fraktion –,
dass wir uns dem seeseitigen Koordinierungselement
nicht nur zuwenden, sondern auch daran beteiligen. Eine
Koordinierung der internationalen Akteure – das ist auch
in den anderen Debattenbeiträgen heute hier im Parlament
deutlich geworden – in dem Seegebiet liegt nämlich
im internationalen und damit auch in unserem Interesse.
Ich glaube auch, dass wir genau darauf schauen müssen,
was mit der Resolution 1851, die heute Nacht gefasst
worden ist, beabsichtigt ist. Ich möchte für meine
Fraktion an dieser Stelle sagen, liebe Kolleginnen und
Kollegen: Wenn man Landoperationen mit einbezieht,
muss auch darauf geachtet werden, nicht eine ungeeignete
Truppe in eine aussichtslose Lage zu entsenden und
so Peacekeeping und die Vereinten Nationen zu beschädigen.
Die Sinnhaftigkeit der EU-Mission „Atalanta“ wird
von der Resolution nicht berührt, ich sagte es bereits.
Deshalb kann ich in meinem Beitrag jetzt schon die Zustimmung
der SPD-Bundestagsfraktion zu diesem Mandat
am Freitag in Aussicht stellen.
Ich danke für Ihr Übermaß an Geduld.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Dorothee Bär von der
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dorothee Bär (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube,
ich spreche für uns alle, wenn ich sage: Man macht sich
die Entscheidung über einen Auslandseinsatz der Bundeswehr
nie leicht. Soldaten ins Ausland zu schicken, ist
immer mit einer besonderen Verantwortung und einer
sorgfältigen Abwägung verbunden. Das gilt, wie ich
glaube, in diesen Tagen noch einmal ganz besonders:
Während nämlich die Mehrzahl unserer Bevölkerung
mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt ist, beraten
wir darüber, unsere deutschen Soldaten in einen gefährlichen
Auslandseinsatz zu entsenden. So etwas tut man
nicht leichten Herzens.
Viele unserer Soldaten können das Fest eben nicht im
Kreise ihrer Familien verbringen. Sie sind für Frieden
und unsere Sicherheit im Einsatz. Deshalb möchte ich
auch diese Rede nutzen, noch einmal einen Dank an alle
deutschen Soldaten, die sich weltweit in Auslandseinsätzen
befinden, auszusprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der
FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN)
– Es ist bezeichnend, dass von der Fraktion Die Linke an
dieser Stelle keiner klatscht.
(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]:
Peinlich ist das! – Volker Schneider [Saarbrücken]
[DIE LINKE]: Das ist ganz schön
heuchlerisch, was Sie hier sagen!)
Im Rahmen von „Atalanta“ sollen unsere Soldaten
dazu beitragen, die Gewässer vor der Küste Somalias
wieder sicherer zu machen und Übergriffe von verbrecherischen
Piraten auf Leib, Leben und Eigentum abzuwehren.
Diese Aufgabe stellt eine große Herausforderung
dar. Auch wenn dieser Einsatz nicht ungefährlich
ist, bin ich von seiner Notwendigkeit überzeugt.
An dieser Stelle muss ich einen Einschub machen,
nachdem Sie es auch in Ihrer Rede angesprochen haben,
Herr Kollege von der Linken. Ich möchte hierzu aus dem
Antrag, den die Linke eingebracht hat, zitieren. Hier
steht: Atalanta treibt die Militarisierung der Seesicherheit
voran, um – jetzt kommt es – unter dem Deckmantel
der Pirateriebekämpfung eine weitreichende militärische
Kontrolle der Seewege auszubauen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)
Das ist doch wirklich abstrus. Ich würde es mir wünschen,
dass Sie Ihren abstrusen Antrag wieder zurückziehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD und der FDP)
Die Operation „Atalanta“ basiert auf einem Beschluss
des UN-Sicherheitsrates. Ihre Durchführung ist in die
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingebettet.
Bedroht ist nicht nur der Golf von Aden, bedroht
ist auch die Freiheit des Welthandels. Die wichtigste
Handelsroute zwischen Europa, Arabischer
Halbinsel und Asien führt durch das Seegebiet vor Somalia.
Zahlreiche deutsche Exportwaren erreichen auf
den Schiffen der Reedereien ihr Ziel über die Gewässer
vor dem Horn von Afrika. Wir als Exportnation haben
ein vitales Interesse daran, Überfälle auf den zivilen
Schiffsverkehr zu verhindern oder jedenfalls einzudämmen.
Das gilt für uns in Deutschland; das gilt aber auch
für Gesamteuropa.
Weil die Piraten vor Somalia auch eine Gefahr für
Bürgerinnen und Bürger der EU-Staaten darstellen, muss
sich Deutschland nicht nur dieser Mission stellen und sie
unterstützen, sondern sich auch aktiv an ihr beteiligen.
Zum einen wollen wir dadurch unsere eigenen Interessen
wahren; zum anderen wollen wir wichtige humanitäre
Hilfe für die Bevölkerung Somalias leisten. Denn wenn
es den Piraten vor Somalia gelingt, die Gewässer weiterhin
zu dominieren, muss die Bevölkerung Somalias hungern.
Wenn die Piraten die Ankunft von Schiffen mit
Nahrungsmitteln verhindern, droht Somalia eine Hungersnot.
Aber eine Hungersnot würde dieses krisengeschüttelte
Land in eine noch stärkere Schieflage bringen.
Deswegen kann die Weltgemeinschaft nicht tatenlos dabei
zusehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber wichtig und entscheidend ist in dieser Debatte
auch: „Atalanta“ ist nicht die europäische Antwort auf
alle Probleme in Somalia. Wir dürfen diese Mission
nicht überfrachten und dadurch falsche Hoffnungen wecken.
Die Piraterie ist nur eines der zahlreichen Probleme
vor Ort. Aber sie ist die Krise, auf die „Atalanta“
zugeschnitten ist.
Der Ursprung der Piraterie liegt unter anderem in
mangelnden staatlichen Strukturen. Es gibt nur wenig
polizeiliche Aufsicht, keine Küstenwache; es gibt Armut
und Not. Die somalische Übergangsregierung ist oft hilflos,
vor allem, weil das, was in Somalia am besten funktioniert,
die kriminellen Strukturen und Gewalt sind.
Somalia ist ein gefährlicher Krisenherd mit vielen Ursachen
und vielen Missständen. Daher muss trotz des vielfältigen
Interesses an der Bekämpfung der Piraterie vor
Ort die Frage erlaubt sein: Was soll „Atalanta“ können
und was nicht? „Atalanta“ braucht eine deutlich formulierte
Aufgabe und ein klar umrissenes Ziel. Wir können,
wie gesagt, nicht den Anspruch erheben, alle Probleme
Somalias zu lösen, auch wenn ich hinzufügen will: Wenn
wir uns als internationale Gemeinschaft nicht bald auch
um politische Lösungen in Somalia intensiver bemühen,
werden wir die Piraterie nie loswerden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD und der FDP)
Jetzt aber muss eindeutig sein, dass „Atalanta“ sich
nur der Herausforderung der Piraterie annehmen kann.
„Atalanta“ ist keine Mission, die die politische Instabilität
und die Kriminalität in Somalia bekämpft, und
„Atalanta“ bedeutet auch keine dauerhafte Präsenz unserer
Soldaten. Ob die Mission den gewünschten Erfolg
bringen wird, müssen wir in zwölf Monaten überprüfen.
Sollten die gesteckten Ziele nicht erreicht werden, darf
„Atalanta“ auch nicht nach Belieben verlängert werden.
Dann müssen wir unsere Beteiligung, vor allem im
Sinne unserer Soldaten vor Ort, überdenken und nach
neuen Lösungswegen suchen. Denn wir sind es unseren
Soldaten schuldig, ihnen klare Regeln und verlässliche
Perspektiven mit auf den Weg zu geben. Sie tun ihren
Dienst in schwierigen Situationen und unter Einsatz von
Leib und Leben. Dafür gebührt ihnen auch an dieser
Stelle unser aller Respekt und Dank.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der
FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als letztem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen
Wolfgang Börnsen von der CDU/CSU-Fraktion.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Wie war das mit Störtebeker?)
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU):
Bei Bertolt Brecht heißt es in der Ballade von den
Seeräubern:
Sie morden kalt und ohne Hassen
Was ihnen in die Zähne springt
Sie würgen Gurgeln so gelassen
Wie man ein Tau ins Mastwerk schlingt.
Sie trinken Sprit bei Leichenwagen
Nachts torkeln trunken sie in See
Und die, die übrig bleiben, lachen
Und winken mit der kleinen Zeh:
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich freue mich nicht nur darüber, dass Kollegen von der
Küste anwesend sind und dass die engagierten Kollegen
der „Küstengang“ und des Küstenkreises diese Initiative
mit unterstützen, sondern auch darüber, dass vier Fraktionen
sich einmütig für diesen Auslandseinsatz entschieden
haben. Das ist eine gute Grundlage für die Soldaten,
die die Verantwortung übernehmen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der
SPD und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN]: Das war Bertolt
Brecht! Das sollte der Linkspartei zu denken
geben!)
Heutzutage gehen Piraten nicht mehr mit Kopftuch
und Entermesser zwischen den Zähnen auf Beutejagd.
Seeräuber von heute kommen tagsüber, blitzschnell,
kaltblütig und eröffnen sofort das Feuer. Mit Kalaschnikows
und Panzerfäusten machen sie fast jedes Schiff und
dessen Besatzung gefügig, ganz gleich, ob Container,
Supertanker oder sogar Kreuzfahrtschiff; keine Schiffsklasse
ist vor Piraten mehr sicher. Im Gegensatz zum
kargen Seefahrerleben früher ermöglicht das erpresste
Lösegeld heute Wohlstand, neuen Status und neue
Macht. Waren Piratenüberfälle bisher ein Problem in den
Meeren Südostasiens, sind sie jetzt in unsere Nähe gerückt.
Besonders vor der Küste Somalias sind sie zu einer
Epidemie, nein, zu einer Pest auf dem Meer geworden.
Die Lage ist dramatisch; Handeln tut not. Allein in
diesem Jahr griffen Piraten bereits über 200 Schiffe an.
Mehr als 120 wurden geentert. Vor Somalia brachten sie
in den ersten Monaten 49 in ihre Gewalt. Am heutigen
Tag, am 17. Dezember 2008, befinden sich 15 Schiffe in
der Gewalt von Piraten. 300 Seeleute sind gekidnappt
worden. Ich finde es richtig und notwendig, dass der
Bundestag sich der Themen annimmt und so zeigt, dass
er sich seiner Verantwortung und der Seriosität und
Ernsthaftigkeit der Themen bewusst ist. Es könnten auch
unsere Angehörigen sein, die davon betroffen sind. In
der vergangenen Woche gab es vier weitere Vorfälle.
Heute Nacht sind zwei Fälle von Piraterie dazugekommen.
Die Angst der Seeleute und ihrer Angehörigen
wächst. Seeräuber halten die Seewelt in Atem. Sie gefährden
nicht nur die Sicherheit der internationalen Seewege
und die Sicherheit der Schiffsbesatzungen, sondern
sie entwickeln sich zu einer allgemeinen ernsthaften Gefahr
für den gesamten Welthandel. Auch deshalb ist
Handeln notwendig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten
der SPD)
Ein aktives Vorgehen ist dringend geboten. Der weltwirtschaftliche
Gesamtschaden allein für 2007 liegt in
dreistelliger Millionenhöhe. Dazu kommen Kosten für
Sicherungsmaßnahmen, für Umgehungsrouten, für die
Ausstattung der Handelsschiffe mit Sicherheitstechnik
oder die Einstellung bewaffneter Begleiter. Das treibt die
Preise in die Höhe. Der Bürger vor Ort bezahlt den Ballast
der Piraterie.
Als führende Exportnation der Erde und als drittgrößtes
Schifffahrtsland der Welt haben wir Deutschen ein
berechtigtes und dringliches Interesse an der Bekämpfung
der Piraterie. Unsere Mitwirkung kommt zwar ein
wenig spät, aber sie kommt. Alle beteiligten Ministerien
– das ist anzuerkennen – haben eine komplizierte Verfassungslage
regeln können, sodass wir zu den neun Nationen
gehören, die sich in internationaler Solidarität an der
Aktion „Atalanta“ beteiligen, um der Piraterie Herr zu
werden. Alle maritimen Staaten sollten sich beteiligen,
nicht nur die neun, die sich jetzt zur Mitwirkung an der
Aktion „Atalanta“ bereit erklärt haben.
Piraterie führt zu einer Destabilisierung des internationalen
Handels. Doch auch Umweltkatastrophen ungeahnten
Ausmaßes können durch Piraterie ausgelöst
werden. Mit leckgeschlagenen Chemikalien- oder Öltankern
lassen sich ganze Meeresregionen verwüsten. Der
vor Somalia gekaperte Supertanker „Sirius Star“ ist deshalb
ein scharfes Schwert in den Händen der Piraten.
Wer jetzt noch von kindhaften Kavaliersdelikten spricht,
missachtet den Ernst der Lage.
Zu lange wurde die Bedrohung durch die Piraterie unterschätzt.
Bereits vor zwei Jahren haben von der Küste
kommende Abgeordnete der Union das Europäische Parlament
und den EU-Ministerrat zum Handeln aufgefordert.
Erst mit der dramatischen Zunahme der Zahl der
Überfälle hat man international eingegriffen. Es geht darum,
Überfälle zu verhindern. Es geht um Abschreckung.
Es gilt, die Sicherheit von Besatzungen und Passagieren
zu gewährleisten.
Es geht besonders darum, den Ursachen für die Piraterie
nachzugehen. Wenn nach Aussage der WHO jährlich
gut 700 ausländische Fangflotten vor der Küste Somalias
die Fischbestände dezimieren und damit den
Fischern vor Ort die Existenzgrundlage nehmen, stößt
man auf einen der Ausgangspunkte für die Piraterie.
Hinzu kommen die Verseuchung der dortigen Küstengewässer
durch verklappte Chemikalien, Armut und der
Zusammenbruch der Sicherheitssysteme. Hier muss international
umgehend angesetzt werden, wenn wir nicht
wollen, dass die Piraterie zu einer Dauergeißel der
Schifffahrt wird.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
bei Abgeordneten der LINKEN – Paul Schäfer
[Köln] [DIE LINKE]: Schöne Worte und keine
Taten!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11337 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden?
– Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Quelle: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 16/195 (2008), S. 21057-21069
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