Von der Leyens bester Mann
Fit für den Krieg unter "NATO-Flagge": Neuer Wehrbeauftragter fordert mehr Geld, mehr Frauen und ein Hauptquartier für künftige EU-Armee
Von Susan Bonath *
Erst seit gut einer Woche im Amt, präsentiert sich der neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, als Vorkämpfer für Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der SPD-Politiker plädiert für einen schnellen Weg zu einer europäischen Streitmacht. Ein eigenes Hauptquartier für den künftigen Kampfverband müsse her, verlangte er in der Bild am Freitag. Sonst werde »die Idee« der Militärapologeten »ein Traum bleiben«, zitierte ihn das Boulevardblatt. Mit »politisch-militärischen Führungsstrukturen« will der Sozialdemokrat »die heutige Kleinstaaterei überwinden«.
Um schlagkräftiger zu werden, müsse die Truppe erst einmal »auch unter extremen Einsatzbedingungen verlässlich schießen«, philosophierte Bartels weiter in der Bild. Dazu solle das Standardgewehr der Bundeswehr G36 »ersetzt oder aufgerüstet« werden. In Untersuchungen waren bei der Waffe Präzisionsprobleme bei Hitze und nach Dauerfeuer festgestellt worden. Bis 2014 hatte der Hersteller Heckler & Koch versucht, die schon 2012 aufgetauchten Zweifel zu zerstreuen. Das Bundesverteidigungsministerium unterstützte den Rüstungskonzern dabei mindestens mit Stillschweigen. Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag soll das jetzt klären.
Der bekannt gewordene Hunderte Seiten umfassende Prüfbericht ließ von der Leyen inzwischen zurückrudern. Das G36 habe keine Zukunft, verkündete sie vor einem Monat. Ihr Wehrbeauftragter Bartels sieht das anders. Es gebe »keine Bedenken«, Soldaten »für den Übergang« – also bis zur Aufrüstung oder zum Austausch des Gewehres – weiterhin mit altem Gerät in den Kampf zu schicken. »Solange es noch keine Alternative gibt, ist das G36 eine bewährte Waffe«, betonte der SPD-Mann am Freitag.
Um diesen Mangel schnell zu beheben, muss der Wehretat nach Bartels´ Ansicht weiter »deutlich« aufgestockt werden. Derzeit fließen in die Bundeswehr nach offiziellen Angaben jährlich rund 33 Milliarden Euro. Ab dem kommenden Jahr soll das Jahresbudget nach einem Kabinettsbeschluss vom März auf 35 Milliarden Euro erhöht werden. Das sind rund 6,2 Prozent mehr, als die ursprünglichen Finanzpläne vorgesehen hatten. Den Forderungen der NATO sei der Bund damit dennoch nicht nachgekommen, wie das Bundeswehr-Journal damals berichtete. Danach hätte die deutsche Truppe schon im vergangenen Jahr rund 58 Milliarden Euro erhalten müssen, um die »Zielvorgaben« des Militärbündnisses zu erreichen. Bartels will sich diesen annähern.
Das zusätzliche Plus an Geld sei nötig, um »wieder Landes- und Bündnisverteidigung gewährleisten zu können«, erklärte er. Schuld daran sei »die russische Konfrontationspolitik«, die »ein Umdenken in Europa bewirken« müsse, stimmte der Wehrbeauftragte gegenüber Bild in die seit Monaten von führenden Politikern heraufbeschworene Kriegshysterie ein. Dabei könne, so Bartels weiter, das Militär nicht auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten verzichten. Denn die besorgten die »exakte Lageanalyse«. Eine solche sei »Voraussetzung für jeden Einsatz«.
Einen besseren Wehrbeauftragten in ihrem Sinne als Bartels hätte Ministerin von der Leyen wohl kaum finden können. Schon Tage, bevor er seinen Vorgänger Hellmut Königshaus (FDP) am 21. Mai ablöste, warb er in den Medien für eine Europaarmee. Unter anderem sei diese nötig, um die USA bei ihrer Mission, »in allen Weltregionen in gleicher Intensität für Sicherheit zu garantieren«, zu unterstützen. »Wir Europäer müssen mehr Verantwortung in unserer unmittelbaren Nachbarschaft übernehmen«, warb er am 16. Mai unter anderem in Springers Welt online für die Beteiligung an Militäreinsätzen. Damit wolle er »die Erwartung Washingtons« befolgen. Die USA sind nach Bartels´ Ansicht »mittlerweile eine etwas frustrierte Weltmacht nach ihren durchwachsenen Interventionserfahrungen der letzten Jahre«. Die gelte es zu unterstützen. Dabei will Bartels auch die Frauen mitnehmen. Im Sinne der Ministerin sprach er sich am vergangenen Wochenende dafür aus, mehr Mädchen für den Dienst an der Waffe anzuwerben. Überall in der Welt dienten Soldatinnen. Man müsse sich daran gewöhnen.
An ihrem Ansinnen, dass deutsche Soldaten künftig ohne lange Abstimmungsprozesse im Bundestag ins Feld marschieren sollen, lässt von der Leyen keine Zweifel. Eine Kommission berät im Bundestag seit über einem Jahr darüber, wie der seit 1994 geltende Parlamentsvorbehalt aufgeweicht werden kann. Danach muss der Bundestag jedem Militäreinsatz zustimmen. Im März kündigte die Ministerin an, dafür zur Not das deutsche Recht zu ändern. Bedeuten könnte dies, dass bisherige Kompetenzen des Bundestages ganz oder teilweise an das Europäische Parlament delegiert würden. Und Bartels steht hinter ihr. Im neuen Amt will er, erklärte er schon vor zwei Wochen, »am Ziel einer leistungsfähigen Bundeswehr mitarbeiten«.
* Aus: junge Welt, Samstag, 30. Mai 2015
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