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Militärische Tradition

Imagepflege der Bundeswehr: In der Altmark haben Friedensaktivisten einen schweren Stand

Von Susan Bonath *

Im April 1945 trieb die SS über 1.000 KZ-Häftlinge nach einem Todesmarsch in eine Feldscheune bei Gardelegen und zündete sie an. Nur etwa ein Dutzend überlebte. Die Gedenkstätte »Isenschnibbe« erinnert an das Massaker in der Altmark, 60 Kilometer nördlich von Magdeburg. Gleich nebenan, in der Colbitz-Letzlinger Heide, begann damals und beginnt heute militärisches Sperrgebiet. Der Truppenübungsplatz des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) Heer gilt heute als »modernster Europas«. Betrieben wird er vom Rüstungskonzern Rheinmetall. Tausende Soldaten erhalten dort den letzten Schliff für Kriegseinsätze. In Gardelegen veranstaltet die Friedensinitiative »Offene Heide« an diesem Montag einen der über 70 Ostermärsche in der Bundesrepublik. Seit seinem Zusammenschluss vor 22 Jahren hat das Bündnis einen schweren Stand in der Region.

Die Bewohner der Altmark leben seit langem mit dem Militär: Nach der Deutschen Wehrmacht probte die Rote Armee in der Heide. Als sie Anfang der 90er abzog, forderte Sachsen-Anhalts damalige CDU-FDP-Regierung die Übergabe des Areals an die Bundeswehr. Es regte sich Protest. Seit 1993 demonstriert die Initiative jeden ersten Sonntag im Monat für die zivile Nutzung des inzwischen 270 Quadratkilometer großen Geländes. Der »Heidekompromiss« zwischen Bund und Land weckte 1997 neue Hoffnungen: Die Bundeswehr sollte nur den nördlichen Teil des Übungsplatzes erhalten. Doch der frühere Innenminister des Landes, Klaus Jeziorsky, torpedierte 2004 den Vertrag. Die Bundeswehr hatte 1.600 Arbeitsplätze versprochen. Realisiert hat sie keine zehn Prozent davon.

Seither pflegt das Militär sein Image in der Altmark: Bei Tagen der offenen Tür sollen schon Kleinkinder für das Militär begeistert werden. Schulklassen pilgern zu »Lehrveranstaltungen« auf den Übungsplatz. Auch mit ihren Plänen für den Bau der Übungsstadt »Schnöggersburg« setzte sich die Bundeswehr durch: Ab 2017 sollen dort Soldaten den Kriegseinsatz in Metropolen trainieren. Um einen künstlichen Fluss herum entstehen in der Geisterstadt rund 500 Wohnhäuser, Straßen, Industrie- und Elendsviertel, ein Flugplatz, eine U-Bahn, ein Stadion.

Auch Umweltschützer scheiterten an der Armee. Der Naturschutzbund (NABU) Sachsen-Anhalt hatte gegen sie geklagt. Er wollte Tiefflüge mit Tornados verhindern, um »brütende Vögel in dem Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH) zu schützen. Die Bundeswehr habe ihn nicht frühzeitig in die Planungen einbezogen. Das sah das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch anders: Mitreden dürfen Umweltverbände nur, »wenn die Bundeswehr selbst zu der Ansicht gelangt ist, dass Flüge Auswirkungen haben, die nicht mit dem Naturschutzrecht in Einklang stehen«, befand es.

Die Initiative »Offene Heide« übt sich in Geduld: Jeden Monat demonstriert der harte Kern – 30 bis 50 Aktivisten – in der Nähe des Übungsplatzes. Doch der liegt weit abseits. Die kleinen Heidedörfer sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum zu erreichen. Zwar hat sich in den letzten Jahren einiges getan: Friedensbündnisse planen vom 25. Juli bis 3. August das vierte antimilitaristische »War starts here«-Camp in der Heide. 2014 sorgten rund 400 Teilnehmer für einen Großeinsatz von Polizei und Bundeswehr. Rückhalt in der Region hat der Protest aber wenig. Lokale Medien und das militärische »Eventmanagement« haben wohl ihren Teil dazu beigetragen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 4. April 2015


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