Wegtreten!
Rund 120 Bundeswehrstandorte werden verkleinert oder geschlossen
Von Markus Drescher *
Gespannt hatten viele Kommunen
darauf gewartet: Am Mittwoch (26. Okt.) gab
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bekannt, welche
Standorte im Zuge der Bundeswehrreform
verkleinert oder ganz dichtgemacht werden.
»Unser Bundeswehrstandort
bleibt erhalten, na Gott sei
Dank!« – dachten offensichtlich
die Bürgermeister von Bogen
und Feldkirchen in Niederbayern
und machten sich auf zu einer
Spontandankeswallfahrt
zur Gnadenmutter auf den Bogenberg.
Auch wenn nicht
gleich alle Bürgermeister, deren
Kommunen von den Kürzungen
ganz oder teilweise verschont
blieben, auf einen Berg rannten,
war doch vielerorts die Erleichterung
von Stadtoberhäuptern
und Ministerpräsidenten
zu vernehmen. Ebenso
wie die Klagerufe derjenigen,
die von den Kürzungen betroffen
sind.
Insgesamt 31 Standorte der
Bundeswehr werden geschlossen,
weitere 90 werden um 50
Prozent oder um mehr als 500
Posten verkleinert. 33 Einrichtungen,
die in Zukunft weniger
als 15 militärische oder zivile
Posten haben, gelten offiziell
nicht mehr als Standorte. Verteidigungsminister
Thomas de
Maizière (CDU) zeigte am Mittwoch
Verständnis dafür, dass
die Einschnitte für viele
»schmerzhaft« seien. »Dennoch
ist der Schritt unvermeidlich.
Die Bundeswehr ist nicht um
der Standorte Willen da, sondern
dafür, ihren Auftrag gut
und sparsam zu erfüllen.«
Für
Peter Strutynski und
Lühr Henken vom Bundesausschuss
Friedensratschlag ist das
Konzept auch Ausdruck eines
sich ändernden Auftrags: »Es
geht ausschließlich um die
›Funktionalität‹ der Standorte,
das heißt inwieweit tragen sie
zur Steigerung der Schlagkraft
der Bundeswehr bei. So gesehen
ist de Maizières Stationierungskonzept
nur eine Fortführung
des seit langem betriebenen
Umbauplans der Bundeswehr
von einer Verteidigungs-
in eine Einsatzarmee.«
Die betroffenen Kommunen
haben nun zwar Planungssicherheit,
doch einen konkreten
Plan, wie mit den strukturellen
Umbrüchen und den frei werdenden
Flächen umzugehen ist,
dürften die wenigsten haben.
Dafür macht die LINKE insbesondere
Berlin haftbar: »Die
Regierung hat es versäumt, dem
Stationierungskonzept ein
Konversionsprogramm zur Seite
zu stellen, mit dem der Umbau
der Bundeswehr sozialverträglich
zu gestalten gewesen
wäre und das Perspektiven zur
nachhaltigen wirtschaftlichen
und ökologischen Weiterentwicklung
von Kommunen geöffnet
hätte«, so Paul Schäfer,
verteidigungspolitischer Sprecher
der Linksfraktion.
»Die Schließung von Bundeswehrstandorten
ist prinzipiell
richtig und notwendig.
Besser wäre es, wenn auch der
Bonner Standort des Verteidigungsministeriums
auf der
Streichliste stehen und nach
Berlin umziehen würde«, kommentierte
Stefan Liebich, stellvertretendes
Mitglied im Verteidigungsausschuss,
die Pläne.
»Noch notwendiger aber wäre
eine mit der Verkleinerung der
Bundeswehr einhergehende
Außenpolitik, die auf Konfliktvermeidung
und Friedenserhaltung
zielt.«
* Aus: neues deutschland, 27. Oktober 2011
Brandenburg: Kleinere Kasernen keine Katastrophe
Bundeswehr behält alle Standorte im Bundesland - Ministerpräsident erleichtert
Von Andreas Fritsche **
»Wir sind erleichtert«, reagierte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Im Zuge der Bundeswehrreform hätte es sein können, dass auch in Brandenburg Kasernen geschlossen werden. Doch gestern verkündete Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), dass es dazu vorerst nicht kommt.
Allerdings müssen einige der 15 Bundeswehrstandorte im Bundesland Kürzungen hinnehmen. So soll die Zahl der Dienstposten um 1400 auf 7400 sinken. Mit Dienstposten sind Soldaten und Zivilbeschäftigte gemeint. Besonders trifft es Strausberg. Hier soll es statt 2270 nur noch 1060 Dienstposten geben. Dafür wird das Führungskommando des Heeres von Koblenz nach Brandenburg verlegt. In Schönewalde im Kreis Elbe-Elster wird die Zahl der Dienstposten von 1810 auf 1680 gesenkt, in Potsdam von 420 auf 300. In Schwielowsee wird es 80 Dienstposten weniger geben, in Beelitz 70. Schönefeld nimmt die Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums auf. Damit verbunden sind 460 Stellen.
Die Kürzungen seien zu verkraften, schätzte Ministerpräsident Platzeck ein. Weil die Bundeswehr Leute beschäftigt, und weil die Soldaten und Offiziere bei Händlern einkaufen und Handwerker bestellen, fürchteten die Kommunen Einbußen, wenn Kasernen geschlossen oder mehr Stellen abgebaut werden.
Insofern hatte Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes, nun Grund zur Freude. »Es ist positiv, dass hier kein Standort geschlossen wird«, meinte er. »Das zeigt, dass der Minister mit Augenmaß agiert hat und frühere Schließungen und Reduzierungen von Brandenburger Standorten berücksichtigte.« Zwar sieht Böttcher, dass einige Kommunen wegen der beabsichtigten Einsparungen Nachteile erleiden. Der Geschäftsführer gelangt jedoch zu dem selben Resultat wie der Ministerpräsident. Das sei verkraftbar, urteilte er.
»Wir Brandenburger haben nach den vielen Hochwassern ein ganz besonders gutes Verhältnis zu unserer Bundeswehr«, behauptete SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. »Sie war immer da, um die Menschen in unserem Land vor Schaden zu bewahren. Das wird auch in Zukunft so sein.« Die Entscheidung, in Brandenburg keine Kasernen zu schließen, sei das richtige Signal. Allerdings sei die Bundeswehrreform überstürzt gekommen. Die Auswirkungen für den Brand- und Katastrophenschutz seien viel zu wenig bedacht worden. Hier geht es nach Holzschuhers Darstellung nicht allein um die Soldaten. Viele junge Männer werden in Zukunft auch fehlen, weil der Zivildienst ausgesetzt wurde. Früher war es möglich, beim Technischen Hilfswerk einzusteigen, anstatt den Wehrdienst abzuleisten.
Mit Hochdruck werde daran gearbeitet, den Katastrophenschutz in Brandenburg abzusichern, sagte Holzschuher. Er erwartet eine stärkere Unterstützung durch die Bundesregierung. Sie dürfe die Bundesländer »mit den Folgen ihrer überstürzten Politik nicht alleine lassen«.
Dass Schönwalde glimpflich davonkam, wertete der Landtagsabgeordnete Thomas Domres (LINKE) als »stabilisierendes Moment« für den Katastrophenschutz. Gerade dieser Standort habe für Brandenburg im Katastrophenfall eine besondere Bedeutung. Das könne nun auch in Zukunft so sein. Von der Bundesregierung verlangt Domres, dass sie dort hilft, wo Standorte verkleinert werden. »Das heißt, dass der Bund, insbesondere in Strausberg, nunmehr in der Verantwortung ist, den betroffenen Kommunen hilft und den Soldaten sowie den Zivilbeschäftigten neue berufliche Perspektiven anbietet.« Bereits im Vorfeld der Verkündung des Verteidigungsministers hatte Domres bekräftigt, dass die LINKE als Friedenspartei Auslandseinsätze der Bundeswehr selbstverständlich ablehne. Diese Haltung richte sich jedoch nicht gegen die Soldaten, denen man in Brandenburg eine zivile Zukunft geben sollte.
»Die Bundeswehr ist hier unser größter Arbeitgeber und Investor, eine solche Reduzierung können wir nicht so einfach ausgleichen«, erklärte Strausbergs Bürgermeisterin Elke Stadeler (parteilos). »Welche Auswirkungen das hat, wird sich zeigen.«
CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig bemerkte, es sei klar gewesen, dass kein Bundesland »verschont bleiben kann«. Umso mehr freue sie sich, dass in Brandenburg keine großen Standorte geschlossen werden, bekannte Ludwig. Einen faden Beigeschmack habe das Agieren der rot-roten Landesregierung und vor allem des Ministerpräsidenten hinterlassen. Angebote der märkischen CDU, sich gemeinsam hinter die Soldaten zu stellen, seien ausgeschlagen worden, bemängelte Ludwig. »Stattdessen hat man versucht, die Angehörigen der Bundeswehr öffentlich auf nützliche Helfer bei Naturkatastrophen und willkommene Konsumenten zu reduzieren.« Ob dies wahrhaftig die Meinung der gesamten Landesregierung war oder nur den Zwängen einer Koalition mit der bundeswehrfeindlichen LINKEN entsprungen sei, bleibe unklar.
* Aus: neues deutschland, 27. Oktober 2011
Vom Osten Konversion lernen
Bundeswehrreform schont neue Bundesländer **
Das
Standortkonzept des Verteidigungsministeriums trifft den Osten weniger stark. Und doch sind die Folgen gravierend. Auch Parteien, die wie die LINKE für den Abbau der Bundeswehr sind, müssen mit den wirtschaftlichen Folgen umgehen.
Zwar müssen sich auch die neuen Bundesländer auf Stellenstreichungen gefasst machen, allerdings fällt der Abbau nicht so scharf aus wie etwa in Schleswig-Holstein, Bayern oder Baden-Württemberg. Berlin verliert von jetzt 5200 Stellen (Soldaten und Zivilbeschäftigte) nur 200 und wird überdies Standort des Führungskommandos der Luftwaffe, das sich derzeit in Köln-Wahn befindet. Dies geht aus dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Bundeswehrkonzept hervor. Die Ost-Ministerpräsidenten reagierten zumeist erleichtert. Das Bundesverteidigungsministerium habe Augenmaß bewiesen, sagte etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). »Die gemeinsamen Anstrengungen haben sich gelohnt.«
Ob allerdings die Aussage korrekt ist, dass das Verteidigungsministerium den Argumenten aus dem Osten gefolgt sei, wonach strukturschwache Regionen von der Bundeswehr als Wirtschaftsfaktor besonders abhängig sind, bezweifelt Peter Ritter. Das Bundesverteidigungsministerium werde sich bei seinen Entscheidungen eher von Effektivitätsüberlegungen beim Umbau einer Verteidigungs- in eine weltweit agierende Invasionsarmee leiten lassen haben als von Milde gegenüber dem Osten, vermutet der Innen- und friedenspolitische Experte der Landtagsfraktion der LINKEN in Schwerin. Zudem weist er darauf hin, dass der Osten schon zwei Konversionswellen hinter sich hat - nach der Schließung von Kasernen der NVA und der sowjetischen Streitkräfte.
Auch sei der Osten von einer zweiten Welle von Kasernenschließungen im Jahr 2001/2002 erneut besonders betroffen gewesen. Von Vorteil sei allerdings, dass dabei viele Erfahrungen gemacht wurden, die jetzt von Nutzen sein könnten, wenn man denn auf sie zurückgreifen wolle, meint Ritter. Er verweist auf eine Konversionspartnerschaft in Mecklenburg-Vorpommern zwischen Landesregierung, Kommunen, Bundeswehr und Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten.
Da sei bundesweit viel zu lernen. Denn die Folgen von Standortschließungen sind dramatisch, wie Ritter am Beispiel des Standorts in Stavenhagen erläutert. Von ehemals über 9000 Einwohnern gebe es jetzt noch 6500. Nicht nur Kasernengelände seien von Schließung betroffen, sondern Wohnhäuser, die rückgebaut werden mussten, Kitas, die zumachten, von vier Schulen ist eine geblieben. Kaufkraftverlust und Einbruch der regionalen Wirtschaft seien weitere Folgen. Mit Landesförderprogrammen hätten besonders Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg betroffenen Kommunen zu helfen versucht. Doch die Mittel seien begrenzt und ohne Unterstützung durch Bundesmittel sei beim jetzt geplanten Umfang der Schließungen eine vernünftige Konversion nicht vorstellbar.
Relativ wenig betroffen sind die Länder Brandenburg (minus 15,9 Prozent auf 7400), Sachsen (minus 20,0 Prozent auf 3600) und Sachsen-Anhalt (minus 21,4 Prozent auf 4400). Mecklenburg-Vorpommern muss auf rund ein Viertel der Stellen verzichten, hat dann aber immer noch 10 600. Das am härtesten getroffene Saarland gibt dagegen fast jede zweite Stelle ab.
** Aus: neues deutschland, 27. Oktober 2011
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