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Jung geht, zu Guttenberg kommt - Neuanfang bei der Bundeswehr?

Ein Beitrag aus der NDR-Reihe "Streitkräfte und Strategien"

Von Andreas Flocken *

In dieser Woche hat Karl-Theodor zu Guttenberg das Amt des Verteidigungsministers übernommen. Bei vielen Bundeswehr-Soldaten ist die Erleichterung groß. Denn an der Amtsführung von Franz Josef Jung gab es immer wieder viel Kritik. Unter dem Hessen hat sich die Bundeswehr nicht wesentlich weiter entwickelt. Die Streitkräfte wurden vor allem verwaltet. Außerdem ist die Kluft zwischen Bundeswehr und Gesellschaft größer geworden - nicht zuletzt, weil es dem Ministerium nicht gelungen ist, die Rolle der Bundeswehr in Afghanistan zu vermitteln. Unter zu Guttenberg soll nun vieles anders werden - so die Erwartung. Der gelernte Außenpolitiker gilt als kommunikativ, weltoffen und als jemand, der neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen ist und manchmal auch gegen den Strich bürstet.

Der neue Verteidigungsminister hat aber Vorgaben mitbekommen, die im Koalitionsvertrag stehen. Offiziell haben sich Unionsparteien und FDP auf die Beibehaltung der Wehrpflicht verständigt - obwohl die Liberalen, diese Wehrform für längst überholt halten. Die Freien Demokraten konnten aber durchsetzen, dass die Dienstzeit von heute neun auf künftig sechs Monate reduziert wird. Diese Verkürzung ist ein weiterer Sargnagel für die Wehrpflicht. Denn militärisch macht ein sechsmonatiger Dienst, in dem dann auch noch der Urlaub enthalten ist, wirklich keinen Sinn mehr. Das räumen inzwischen auch glühende Verfechter der Wehrpflicht ein. Die allgemeine Wehrpflicht ist schon jetzt nur eine Fassade. Denn mit rund 200.000 Berufs- und Zeitsoldaten ist die Bundeswehr praktisch schon längst eine Freiwilligen-Armee. Für Kritiker ist ein sechsmonatiger Dienst nicht mehr als ein Militärpraktikum oder Schnupperkurs, der lediglich das Ziel hat, Wehrpflichtige zu bewegen, sich als Freiwillige weiterzuverpflichten. Denn die Bundeswehr braucht jedes Jahr 20.000 neue längerdienende Soldaten.

Mit Sicherheitsvorsorge hat der vereinbarte Kurz-Wehrdienst wenig zu tun. Nach der militärischen Ausbildung stehen die Wehrpflichtigen der Bun-deswehr de facto nicht mehr zu Verfügung - weil mit ihrem Abschluss praktisch auch die Dienstzeit zu Ende geht. Wirtschaftlich sinnvoll ist eine solche Wehrpflicht nicht, rechnen Kritiker vor. Denn es wird viel militärisches Ausbildungspersonal gebunden. Außerdem müssen weiterhin die personalintensiven Musterungsbehörden aufrechterhalten werden. Die Wehrpflicht in erster Linie zur Nachwuchsgewinnung - eine wenig überzeugende Begründung für einen Zwangsdienst. Der Koalitionsvertrag sieht vor, eine Kommission einzusetzen, um die Organisationsstruktur der Bundeswehr zu überprüfen. Nicht ausgeschlossen, dass sich das Gremium auch mit der Wehrform befassen wird.

Auf Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg warten also zahlreiche Probleme. Hierzu gehören auch Rüstungsprojekte wie das Transportflugzeug A400M. Und dann ist da der Einsatz in Afghanistan. Das Verteidigungsministerium musste sich wegen seiner restriktiven Informationspolitik immer wieder Kritik gefallen lassen.

Ob es hier eine Kehrtwende gibt, könnte sich am Umgang mit dem jetzt vorliegenden NATO-Untersuchungsbericht über den verheerenden Luftangriff auf zwei gekaperte Tanklaster zeigen. Bei dem Luftschlag am 4. September waren Dutzende von Menschen getötet worden - nach Angaben der afghanischen Regierung auch 30 Zivilisten. Generalinspekteur Schneiderhan sieht die Bundeswehr durch den als geheim eingestuften NATO-Report allerdings entlastet. Zugleich räumt er jedoch ein:

O-Ton Schneiderhan
"Ohne jetzt an dieser Stelle zu sehr ins Detail gehen zu können, stelle ich fest, dass in dem Untersuchungsbericht eine ganze Reihe von Empfehlungen enthalten sind, die darauf abzielen, die hier angewandten Verfahren und Vorschriften zu verbessern."

Das lässt darauf schließen, dass Vorschriften nicht beachtet worden sind. So heißt es in den ISAF-Einsatzregeln, dass Luftnahunterstützung nur dann angefordert werden darf, wenn eigene Kräfte Feindberührung haben bzw. unmittelbar bedroht sind. Die Öffentlichkeit hat daher noch zahlreiche Fragen. Doch Fragen wollte der Generalinspekteur nach seiner Erklärung zum NATO-Bericht nicht zulassen. So bekam die Presse lediglich Schneiderhans persönliche Deutung der Geschehnisse zu hören.

In Sachen Transparenz ist daher jetzt der neue Verteidigungsminister gefordert. Bei der Verabschiedung seines Vorgängers hat Karl-Theodor zu Guttenberg mit Blick auf Afghanistan schließlich angekündigt, vieles verständlicher zu machen:

O-Ton zu Guttenberg
"Uns Politiker verpflichtet dies, den Einsatz noch stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken - mit seinen Herausforderungen, mit seinen Möglichkeiten. Wir dürfen nicht nachlassen, zu erklären. Da wurde Immenses geleistet. Und wir müssen bisweilen auch unbequem sein."

Für den NATO-Luftangriff bei Kundus gibt es noch erheblichen Erklärungsbedarf. Mehr Informationen benötigt auch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden, die sich von Amtswegen mit dem Vorfall befasst.

* Andreas Flocken ist Moderator der Sendung.

Aus: NDR-Sendereihe Streitkräfte und Strategien, 31. Oktober 2009; www.ndrinfo.de


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