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Weizsäcker-Kommission "Zukunft der Bundeswehr" legt ihr Konzept vor

Eine Stellungnahme verschiedener Friedensuppen

Verkleinerung der Bundeswehr und Stärkung der zivilen Konfliktbearbeitung
Friedensorganisationen fordern sichtbare Konsequenzen aus den Vorschlägen der Weizsäcker-Kommission


Bonn, den 23. Mai 2000: Zur Veröffentlichung des Berichts der Kommission zur Zukunft der Bundeswehr am heutigen Dienstag wenden sich Organisationen aus der Friedensbewegung mit folgender Erklärung an die Öffentlichkeit:

Die Kommission zur Zukunft der Bundeswehr hat beraten und ihr Konzept vorgelegt, der Verteidigungsminister hat bereits vor einer Woche klar gestellt, dass er dem Ergebnis der Kommission in wichtigen Punkten nicht folgen will. Die unterzeichnenden Friedensgruppen fordern den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung auf, eine öffentliche und offene Debatte über Aufgaben, Struktur und Finanzierung der Bundeswehr zu führen. Aus unserer Sicht muss es dabei vor allem um folgende Fragen gehen:

Allgemeiner Konsens ist, dass eine große Landstreitmacht zur Verteidigung des eigenen Territoriums nicht gebraucht wird. Die Bundesrepublik Deutschland ist militärisch nicht bedroht. Das ermöglicht die Einleitung radikaler Abrüstungsschritte. Eine Reduktion der Truppenstärke auf deutlich unter 200.000 Mann in einem ersten Schritt ist innerhalb von zwei Jahren möglich. Die benötigte Truppenstärke künstlich hoch zu halten, um die Stillegung von Standorten zu vermeiden und die Existenz der Wehrpflicht zu rechtfertigen, ist der falsche Ansatz.

Welche Aufgaben soll die Bundeswehr in Zukunft wahrnehmen? Sowohl der Verteidigungsminister als auch die Weizsäcker-Kommission gehen davon aus, dass die Bundeswehr in Zukunft verstärkt an internationalen Militäreinsätzen mit und ohne UN-Mandat teilnehmen soll und schlagen deshalb eine massive Verstärkung der für diese Zwecke eingerichteten "Krisenreaktionskräfte" vor. Diese Einheiten dienen ausschließlich zur bewaffneten Intervention in Kriegen und Krisen in aller Welt. Militär jedoch kann Frieden nicht sichern oder schaffen. So konnten weder mit dem Golfkrieg noch mit dem Krieg um Kosovo die propagierten Ziele (Beseitigung des Diktators, Schutz von Minderheiten und Zivilbevölkerung, Errichtung demokratischer Strukturen etc.) erreicht werden. Eine Regierung, die in ihrem Koalitionsvertrag ihre Außenpolitik vollmundig als "Friedenspolitik" bezeichnet, sollte statt auf Militarisierung der Außenpolitik auf Methoden ziviler Konfliktbearbeitung setzen und diese national wie international fördern. Das bisher am weitesten entwickelte Modell ist der Zivile Friedensdienst, der in den letzten zwei Jahren erstmals auch von der Bundesregierung gefördert wurde. Für die langfristige Konfliktprävention haben aber auch die seit vielen Jahren existierenden sozialen Friedensdienste eine zentrale Bedeutung. Wir setzen auf den Ausbau dieser positiven Beispiele und die verstärkte Unterstützung solcher und ähnlicher Initiativen als Alternative zum Militär.

Die öffentlichen Äußerungen von Rudolf Scharping haben es bereits vorweggenommen: Die neue Bundeswehr braucht mehr Geld für neue Rüstungsprojekte. Angesichts des massiven Sparkurses der Bundesregierung in allen anderen Bereichen ist dies ein Skandal. Wenn die rot-grüne Mehrheit im Bundestag tatsächlich einer Erhöhung der Militärausgaben zustimmt, dann ist das nicht nur ein Schlag ins Gesicht von RentnerInnen und Kranken, auf deren Kosten massiv gespart wurde, sondern auch von Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, denen zur Zeit ihre verdiente Lohnerhöhung mit dem Sparargument vorenthalten wird. Wenn mehr Geld ausgegeben wird, dann für die Früherkennung und Vorbeugung von Krisen und Kriegen sowie für Friedensforschung und Zivilen Friedensdienst.

Wir verlangen den Einstieg in ein Sparkonzept, das beim Militär streicht und in zivile Konfliktbeilegung, Arbeitsplätze, Umwelt und Soziales investiert. Der Militärhaushalt soll von Jahr zu Jahr um mindestens fünf Prozent schrumpfen. Standorte, die nicht mehr gebraucht werden, müssen geschlossen werden. In den betroffenen Regionen müssen mit den frei werdenden Geldern Infrastruktur und zivile Arbeitsplätze gefördert werden. Wir wollen keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Tarnanzug.

Eine verkleinerte Bundeswehr kann und muss ohne Wehrpflichtige auskommen. Die Wehrpflicht bedeutet einen zu tiefen Eingriff in die Grundrechte junger Menschen und bei weiter sinkenden Einberufungszahlen ist Wehrgerechtigkeit nicht möglich. Auch eine "Auswahlwehrpflicht", wie von der Kommission vorgeschlagen, hebt den Widerspruch nicht auf. Die verfassungsmäßig gebotene Verhältnismäßigkeit eines derart fundamentalen Eingriffs in die Freiheitsrechte, wie ihn die Wehrpflicht darstellt, ist überdies durch die veränderte sicherheitspolitische Lage nicht mehr gegeben. Ein weiteres Festhalten an der Wehrpflicht, wie die Sozialdemokraten dies bereits angekündigt haben, ignoriert die Freiheit des Individuums und damit den Kern demokratischer Verfassungen. Die Gesellschaft ist kein Selbstbedienungsladen für die Bundeswehr, aus dem nach Belieben Mitglieder für das Militär ausgewählt werden können. Die Bundeswehr muss ihren Auftrag öffentlich legitimieren und kann nur über diese Akzeptanz Soldaten anwerben. Eine Wehrpflicht für alle männlichen Bürger steht dem gegenüber in Gefahr, eine ständige öffentliche Auseinandersetzung über Sinn und Zweck der Bundeswehr zu verhindern. Auf keinen Fall darf die Wehrpflicht beibehalten werden, um genügend Zivildienstleistende für den Einsatz in einem chronisch unterfinanzierten Sozialsystem zu erhalten. Der Vorschlag von Scharping, die Wehrpflicht auf sieben Monate plus zwei Monate Wehrübungen zu verkürzen, ist lediglich ein unredlicher Trick, um einen längeren Zivildienst zu begründen und damit Kriegsdienstverweigerern höhere Lasten aufzubürden als denjenigen, die zum "Bund" gehen. Schon in der Vergangenheit mussten Wehrübungen immer wieder als Argument für einen längeren Zivildienst herhalten, faktisch finden sie aber kaum statt. Statt dessen werden "Zivis" weiter als Jobkiller und Lückenbüßer eingesetzt. Einen allgemeinen Zwangsdienst im sozialen Bereich als Ersatz für die Wehrpflicht lehnen wir ab. Notwendig ist die Verabschiedung eines Freiwilligengesetzes zur Förderung freiwilligen sozialen Engagements junger Menschen im In- und Ausland. Die Mittel, die bislang für den Zivildienst aufgewendet wurden, müssen als Grundfinanzierung zur Schaffung regulärer Arbeitsplätze im Sozial- und Pflegebereich umgewidmet werden.

Diese Erklärung wird unterstützt von:
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste,
Bund für soziale Verteidigung (BSV),
Bundesausschuss Friedensratschlag,
BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport",
Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK),
NaturwissenschaftlerInnen Initiative Verantwortung für Friedens- und Zukunftsfähigkeit,
Netzwerk Friedenskooperative,
Pax Christi,
Rüstungsinformationsbüro Baden-Württemberg (R.I.B.)


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