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Euromaidan – Revolution in den Untergang?

Einige andere Sichten auf die ukrainische Krise und Zorn auf den Mainstream

Von Klaus J. Herrmann *

Mit verträumtem Blick auf den Kiewer Maidan wurde vor noch nicht einmal Jahresfrist der friedliche Aufstand der ukrainischen Zivilgesellschaft gegen ein korruptes Regime, für ein besseres Leben und die freie Wahl des Entwicklungsweges gefeiert.

Als der Blumenvorhang zerriss, öffnete sich der Blick auf ein ganz anderes Geschehen. Es war doch so schön, »bis uns dann alles um die Ohren flog«, bekannte Monate später immer noch ehrlich verblüfft eine Aktivistin. Der Euromaidan scheint eine Revolution in den Untergang eingeleitet zu haben. Die ist weder beendet, noch erscheint sie als unaufhaltsam. »Vom Hoffnungsort zur Räuberhöhle«, lautet eine Zwischenüberschrift in dem Bändchen. Die gilt dem Platz im Herzen Kiews, nicht der Ukraine als Land.

Scharfe Klarheit, Entschiedenheit und Unduldsamkeit bestimmen Thesen, Berichte, Analysen, Wertungen. Die Autoren schreiben immerhin an gegen eine ganze Medienwelt. Sie wenden sich ausdrücklich auch gegen ein »Zerrbild« von Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin. Sie ordnen Vorgänge aus ihrer Sicht nach Schein und Sein.

Der Ansatz ist immer wieder knallharte Interessenpolitik. »Ein Spiel mit dem Feuer« wird verstanden als der Versuch geopolitischer Neuordnungen nach dem Untergang der Sowjetunion. Da geht es um keine Kleinigkeiten, die schön zu reden wären. So werden auch »Nationalisten« in »Faschisten« und »Banderaleute« übersetzt.

Die »freie Entscheidung über den Entwicklungsweg« eines Volkes erweist sich lediglich als ein Blatt in der dicken Partitur für das »Konzert der Mächte«. Darin ist die Ukraine nach dem Wort des US-amerikanischen strategischen Vordenkers Zbigniew Brzezinski »geopolitischer Dreh- und Angelpunkt« dafür, dass Russland in einer geschwächten Position verbleibt. Eine EU im Streit oder sogar in Feindschaft mit Russland schwächt sich als US-Konkurrenz gleich noch selbst.

Vornehmlich öffentlich rechtlichen Medien wie ARD und ZDF, auch dem Hause Springer und anderen gilt bitter kritisches, leidenschaftliches, auch unversöhnliches Wort. Mehr als nur Überdruss mit deren Mainstream offenbarte ja auch der ARD-Programmbeirat.

Beklagt wird auch von den Autoren eine »erschreckend gleichförmige Berichterstattung«. Da kann der eigene Blick schon mal nostalgisch zurück in die Zeiten der als Kremlastrologen belächelten Vertreter der berichtenden und bewertenden Zunft gehen. Die bemühten sich allen Ernstes und durchaus nicht allzeit erfolglos um Erkenntnis und Einsicht, um Verständnis für Sichten und Interessen, um eigene Schlussfolgerungen. Auch sie kämen heute wohl als »Putinversteher« in Acht und Bann.

Einige scharfe Kritik sollte allerdings auch Sprach(kanonen)rohren der Ukraine und Russlands gelten dürfen. Da ist bei weitem nicht alles Wahrheit, was als solche zu erscheinen sucht.

Peter Strutynski (Hg.): Ein Spiel mit dem Feuer. Die Ukraine, Russland und der Westen. PapyRossa. 216 S., br., 12,90 €.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 7. Oktober 2014

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Informationen zum Buch:

Das Spiel mit dem Feuer
Inhalt und Einführung




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