Protest gegen US-Luftkrieg in Syrien / Friedensratschlag: "flagranter Bruch des Völkerrechts"
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kurden brauchen Hilfe, aber keinen zusätzlichen Krieg
Nachschubkanäle für ISIS-Terroristen sperren
Kassel, Berlin, 23.September 2014 – Anlässlich der Luftangriffe der USA und arabischer Verbündeter auf Syrien, erklärten die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer ersten Stellungnahme:
Die massiven US-amerikanischen Luftschläge mit diversen Tarnkappenbombern, Kampfdrohnen und bisher 47 Marschflugkörpern auf Orte in den nördlichen und östlichen syrischen Provinzen stellen einen flagranten Bruch des Völkerrechts dar. Denn weder sind die USA noch eine der mit ihnen verbündeten Staaten Saudi-Arabien, Katar, Jordanien, Bahrain oder die Emirate angegriffen worden (was einen Akt der Selbstverteidigung begründen würde), noch liegt eine diesbezügliche Resolution des UN-Sicherheitsrats oder eine Erlaubnis der syrischen Regierung in Damaskus vor.
Die US-Regierung zerstört bewusst die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene internationale Ordnung, wie sie durch die UN-Charta festgelegt ist. Dies zum wiederholten Mal – nach Jugoslawien 1999, dem Irak 2003 und Libyen 2011. Augenscheinlich soll hier ein weiterer Präzedenzfall geschaffen werden, wonach Kriege aus angeblich humanitären Gründen erlaubt seien – ohne ein Mandat des dafür zuständigen Weltgremiums zuvor einzuholen. Der US-Angriff erfolgt einen Tag, bevor sich der UN-Sicherheitsrat mit der Situation befassen wollte – deutlicher kann nicht zum Ausdruck gebracht werden, wie wenig die US-Administration von der UNO und dem Völkerrecht halten.
Uns beängstigt dieses Vorgehen – genauso wie uns der brutale Feldzug der ISIS-Terroristen beängstigt. Der US-Angriff erinnert an den Krieg gegen die Taliban in Afghanistan seit 2001, dessen Folgen in Afghanistan (180.000 bis 250.000 Tote) und in Pakistan (80.000 Tote) nur als katastrophal bezeichnet werden können, an die „Shock and Awe“-Angriffe auf den Irak 2003 (mit Hunderttausenden Toten), die Ursache sind für die desolate Lage heute, und die massive Bombardierung Libyens, deren Nachwirkungen den Staat destabilisiert haben.
Deutlich scheint uns die Strategie des US-amerikanischen Vorgehens. Gleichzeitig mit ihren massiven Luftangriffen verstärken die USA die Aufrüstung prowestlicher Anti-Assad-Kräfte. Damit wird der Weg in einen verstärkten syrischen Bürgerkrieg beschritten. Sind die fanatisierten sunnitischen Milizen („Islamischer Staat“, Al-Nusra-Front, Korashan usw.) eines Tages geschwächt, sollen offenbar die Bodentruppen der prowestlichen Anti-Assad-Kräfte das gewonnene Territorium sichern und entweder Syrien teilen oder auch noch Damaskus angreifen.
Entziehen sich die fanatisierten Sunniten diesem Krieg und weichen in den Irak oder/und in den Libanon aus, droht sich das Kriegsgeschehen dorthin verstärkt zu verlagern.
Weil der Iran, Syrien und wesentliche Teile der Kurden durch das Vorgehen der USA und sunnitischer Monarchien von der Problemlösung ausgeschlossen wurden, wird dies die Spaltung der islamischen Welt vertiefen.
Unter dem Strich wiegen die negativen Auswirkungen dieses US-geführten Krieges zur Abwehr einer humanitären Katastrophe schwer. Sie werden das Katastrophengebiet ausweiten.
Wir fordern die Bundesregierung auf, den US-Angriff auf Syrien als völkerrechtwidrig zu verurteilen und jegliche Unterstützung mit Waffen und Logistik einzustellen. Die bedrohten Kurden in den nordsyrischen Gebieten benötigen humanitäre Hilfe, insbesondere muss den Flüchtlingen geholfen werden. Die Bundesregierung muss alles unternehmen, um den illegalen Waffen- und Geldfluss aus Saudi-Arabien, Katar und Türkei an die ISIS-Dschihadisten zu unterbinden. Ein erster Schritt dazu wäre der Stopp aller Waffenexporte an diese Länder. Die deutsche Delegation bei den Vereinten Nationen sollte sich darüber hinaus für die Entsendung einer von den Kurden geforderte internationale Fact-Finding-Mission in den betroffenen Gebieten einsetzen.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Berlin
Peter Strutynski, Kassel
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