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Nahostkonflikt: Dezember 2003

Chronologie der Ereignisse

1. - 7. Dezember 2003

Im Beisein von 400 Palästinensern und Israelis sowie hunderten Gästen aus aller Welt ist am 1. Dezember die "Genfer Friedensinitiative" für Nahost verabschiedet worden. An der Zeremonie in der Schweiz nahmen unter anderen die Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, John Hume, Ex-US-Präsident Jimmy Carter und - per Videobotschaft - Nelson Mandela teil. Die von Politikern beider Konfliktparteien ausgearbeitete Initiative geht über den Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts hinaus; sie bietet Lösungen für die strittigsten Punkte und fordert von beiden Seiten härtere Zugeständnisse.
Die Genfer Initiative ist kein offizielles Dokument, wie auch ihre beiden Initiatoren, der frühere palästinensische Unterhändler Jassir Abed Rabbo und der ehemalige israelische Justizminister Jossi Beilin, betonten. Rabbo unterstrich jedoch, die Initiative könne dank ihrer massiven Unterstützung ein "historischer Kompromiss" werden, ein Neubeginn auf dem langen Weg zum Frieden.

Wenige Stunden vor der Unterzeichnung der "Genfer Vereinbarung" waren israelische Einheiten in Ramallah im Westjordanland eingedrungen. Bei der größten Militäroperationen seit Monaten wurden vier Palästinenser getötet, darunter ein achtjähriger Junge. Mehr als 40 weitere Palästinenser wurden festgenommen.
Im Gazastreifen starb ein mutmaßlicher Extremist bei einer Explosion in seinem Auto.

Die Israelis unterstützen einer Umfrage zufolge mehrheitlich die Aufgabe jüdischer Siedlungen im Westjordanland und im Gazastreifen. In der Erhebung, die die Zeitung "Haaretz" am 1. Dezember veröffentlichte, äußerten 59,8 Prozent der Befragten Zustimmung zu einer entsprechenden Ankündigung von Ministerpräsident Ariel Scharon. Dieser hatte vergangene Woche erklärt, seine Regierung werde für einen Frieden mit den Palästinensern territoriale Zugeständnisse machen müssen. Rund ein Drittel der Befragten sprach sich gegen die Räumung von Siedlungen aus, 6,6 Prozent äusserten sich unentschlossen. Allerdings gaben lediglich 15,6 Prozent an, sie hielten Scharons Äußerungen für eine ernsthafte Initiative. 39,2 Prozent vermuten dahinter einen Versuch, die Umfragewerte des Regierungschefs zu verbessern.

Der palästinensische Präsident Jassir Aarafat hat sich am späten Abend des 1. Dezember ausdrücklich hinter den in Genf vorgestellten alternativen Nahost-Friedensplan gestellt. In einer schriftlichen Erklärung bezeichnete Arafat das von früheren israelischen und palästinensischen Politikern ausgehandelte Dokument als eine "mutige Initiative, die die Tür zum Frieden aufstösst".

Beim Einmarsch der israelischen Armee in die Palästinenserstadt Dschenin im Westjordanland ist am Morgen des 2. Dezember ein bewaffneter Palästinenser getötet worden. Der 28-Jährige habe sich einen Schusswechsel mit den Soldaten geliefert und sei dabei tödlich getroffen worden, berichteten palästinensische Sicherheitskräfte. Bei dem Getöteten habe es sich um ein Mitglied der El-Aksa-Brigaden, einem bewaffneten Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat gehandelt. Die israelischen Soldaten wollten den Angaben zufolge in Dschenin und dem benachbarten Flüchtlingslager gesuchte Palästinenser festnehmen.

US-Außenminister Colin Powell wird Ende der Woche die Initiatoren der "Genfer Friedensinitiative" treffen. Es sei noch kein genauer Zeitpunkt für das Gespräch vereinbart worden, die amerikanische Seite habe dem Treffen aber zugestimmt, sagte der Abgeordnete der israelischen Arbeitspartei, Avraham Burg, am 2. Dezember im öffentlichen israelischen Rundfunk. Die Macher des regierungsunabhängigen Nahost-Friedensplans würden unter anderen vom ehemaligen israelischen Justizminister Jossi Beilin und dem früheren palästinensischen Unterhändler Jassir Abed Rabbo vertreten. Israels Vizeregierungschef Ehud Olmert kritisierte die Einladung Powells als wenig hilfreich.

Israel und die palästinensische Autonomiebehörde haben am 2. Dezember in Rom ein Energieabkommen unterzeichnet. Nach Angaben der amtierenden italienischen EU-Ratspräsidentschaft handelt es sich um das erste derartige Abkommen seit dem Beginn der El-Aksa-Intifada vor drei Jahren. Die Einigung sieht vor, dass Israelis und Palästinenser ihre Energienetze künftig gemeinsam nutzen und zu diesem Zweck ein mit Vertretern beider Seiten besetztes Gremium bilden. Geplant sind unter anderem auch der Bau eines gemeinsamen Kraftwerks, die Entwicklung einer Stomverbindung zwischen Gaza und Netivot sowie eine Erdgasleitung zwischen Aschkelon und Gaza.

Israelische Soldaten haben am späten Abend des 2. Dez. bei Ramallah im Westjordanland einen 17 Jahre alten Palästinenser erschossen. Nach palästinensischen Angaben wurden bei dem Zwischenfall zwei Palästinenser verletzt. Die Jugendlichen hätten eine israelische Militärpatrouille mit Steinen beworfen. (Innerhalb von 36 Stunden sind somit im Westjordanland insgesamt sechs Palästinenser von israelischen Soldaten getötet worden.)

Eine gemeinsame Parlamentarische Versammlung der EU-Mitglieder und der Mittelmeer-Anrainerstaaten soll als Forum des Dialogs zur Entschärfung des Nahost-Konflikts beitragen. Das Verhältnis zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn stand auch am 3. Dez., dem zweiten und letzten Tag, im Mittelpunkt einer Konferenz der Euromed-Außenministerkonferenz in Neapel.
Die Europa-Mittelmeer-Partnerschaft wurde 1995 in Barcelona beschlossen. An den regelmäßig stattfindenden Euromed-Konferenzen nehmen neben den Mitgliedern der Europäischen Union die zwölf Mittelmeer-Anrainer Ägypten, Algerien, Jordanien, Libanon, Malta, Marokko, Syrien, Tunesien, die Türkei, Zypern, Israel sowie die Palästinensische Autonomiebehörde teil.

Das russische Außenministerium hat am 3. Dezember die Genfer Friedensinitiative für den Nahen Osten begrüßt. Die Vorschläge könnten die so genannte Roadmap des Nahost-Quartetts ergänzen, hieß es in einer Mitteilung. Die Initiative sei kein Widerspruch zur "Roadmap", sondern helfe aus der Sackgasse heraus, in der der israelisch-palästinensische Konflikt momentan stecke.

"Antisemitismus"-Studie
In Europa hat der Antisemitismus im vergangenen Jahr deutlich zugenommen, was zum großen Teil auf den Konflikt im Nahen Osten zurückgeht. Dies geht aus der bislang unter Verschluss gehaltenen Studie für die "Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" (EUMC) hervor, die der EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit (Grüne) am 3. Dezember ins Internet gestellt hat. "Auch wenn dieser Bericht problematisch und umstritten ist, halte ich eine Nicht-Veröffentlichung für weitaus schädlicher als eine Veröffentlichung", begründete Cohn-Bendit sein Vorgehen.
In der Studie wird eine deutliche Zunahme antisemitischer Vorfälle in praktisch allen EU-Staaten konstatiert. Eine Welle des Antisemitismus in Europa habe mit der El-Aksa-Intifada im Nahen Osten im Herbst 2000 begonnen und sei durch die Entwicklung des Konflikts und die Terroranschläge vom 11. September 2001 noch aufgeheizt worden, schreiben die Autoren vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin. Die Studie war im Frühjahr 2003 für die EU-Beobachtungsstelle in Wien angefertigt, bislang jedoch von der EUMC nicht veröffentlicht worden, weil sie Qualitätsmängel aufweise.
Die Untersuchung, die Ereignisse bis Sommer 2002 erfasst, attestiert kein einheitliches Muster für Europa, auch wenn es Ähnlichkeiten gebe. Schändungen von Synagogen und jüdischen Friedhöfen seien vor allem von der rechtsextremen Szene verübt worden. Physische Angriffe auf Juden seien oft von jungen Moslems, zum Teil im Umfeld pro-palästinensischer Demonstrationen, begangen worden. Antisemitische Äußerungen aus linksextremen Quellen seien überwiegend im Kontext pro-palästinensischer und Antiglobalisierungstreffen gefunden worden.
Zeitungsartikel benutzen demnach antisemitische Stereotypen bei der Kritik an Israel. Oft schaffe dies eine Kombination antizionistischer und antiamerikanischer Ansichten, die ein wichtiges Element beim Aufkommen einer antisemitischen Stimmung in Europa bildeten.
Auch in Deutschland führt die Studie die Zunahme antisemitischer Vorfälle zum großen Teil auf den Nahost-Konflikt zurück. Zwischenfälle seien überwiegend auf das Konto einer aktiven rechtsextremen Szene gegangen. Das Hauptproblem in Deutschland sei aber nicht die Zunahme physischer Übergriffe auf Juden oder deren Organisationen, sondern eine subtilere Form des Antisemitismus, die sich vor allem in antijüdischem Verhalten und Äußerungen zeige.
Quelle: AFP, 3.12.2003)

Israel hat die internationale Unterstützung für den in Genf vorgestellten alternativen Friedensplan kritisiert. Außenminister Silvan Schalom bezeichnete die Initiative am Abend des 2. Dez. als Werk von Oppositionspolitikern, die die Regierung von Ministerpräsident Ariel Scharon schwächen wollten. Schalom äußerte sich am Rande der EU-Mittelmeer-Konferenz in Neapel. Die Europäer hätten die am 1. Dezember offiziell vorgestellte Genfer Initiative begrüsst, sagte ein EU-Diplomat. Sie zeige, dass es einen Weg zum Kompromiss im Nahost-Konflikt gebe. Der stellvertretende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte am 3. Dez., Powell würde "einen Fehler machen", wenn er mit den Initiatoren des Dokuments zusammenkomme. Der US-Außenminister erklärte dagegen am 2. Dez. in Tunis, das geplante Treffen beeinträchtige die Unterstützung der USA für Israel in keiner Weise. Er unterwandere damit auch nicht die Road Map, den Friedensplan des Nahost-Quartetts, das aus den USA, der EU, den Vereinten Nationen und Russland besteht.

Israel hat am 3. Dez. eine Straßensperre in der Nähe von Ramallah im Westjordanland abgebaut. Wie Mustafa Easa, der Verwaltungschef von Ramallah mitteilte, schnitt die Barrikade mehr als zwei Jahre lang den Zugang zu 32 Ortschaften im Norden und Osten der Stadt ab. "Israel hat diese Straßensperre als Geste des guten Willens schon fünf Mal entfernt, aber leider immer wieder errichtet", sagte Easa.

Israelische und palästinensische Demonstranten haben am 3. Dez. gegen den Bau einer jüdischen Siedlung im Ostteil Jerusalems protestiert. Mit Ölzweigen in den Händen blockierten rund 20 Aktivisten der israelischen Friedensorganisation Peace Now den Weg eines Bulldozers. Dabei kam es zu Zusammenstössen mit der Polizei, die versuchte, die Demonstranten zu vertreiben. Mindestens ein Mann wurde in Handschellen abgeführt, ein anderer lag verletzt am Boden und musste von Sanitätern weggetragen werden. Der Grundstein für das jüdische Wohngebiet Nof Sahaw - Goldene Aussicht - wurde Anfang der Woche gelegt. Die Siedlung soll in Dschabel Mukaber entstehen, einem arabischen Viertel, das Israel nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 annektiert hatte. Der Komplex soll 550 Wohneinheiten, ein Hotel und mehrere Schulen umfassen. Nach Ansicht der USA verstösst Israel mit diesem Bau gegen den offiziellen Friedensplan, die so genannte Road Map.

Mit harscher Kritik an palästinensischen Extremisten und israelischer Hardliner-Politik haben die Euromed-Aussenminister am 3. Dez. ihre Konferenz in Neapel beendet. Die EU und die arabischen Delegierten übten heftige Kritik an dem von Israel im Westjordanland errichten Sperrwall. Zum Ende des zweitägigen Treffens wurde eine gemeinsame Parlamentarische Versammlung der EU-Mitglieder und der Mittelmeer-Anrainerstaaten als Forum des Dialogs zur Entschärfung des Nahost-Konflikts beschlossen. In ihrer Abschlusserklärung forderten die Delegierten, der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia müsse für ein Ende der Anschläge von Extremisten sorgen und die Sicherheitskräfte unter einem Dach bündeln. An die Adresse Israels hieß es, die drastische Verschlechterung der humanitären Situation im Westjordanland und im Gazastreifen fördere den Terrorismus. In eine Friedensvereinbarung für den Nahen Osten müssten zudem Syrien und der Libanon integriert werden, forderten die Delegierten weiter. Der israelische Sperrwall dürfe nicht in palästinensisches Gebiet hineinragen, erklärte der italienische Aussenminister Franco Frattini. Der palästinensische Aussenminister Nabil Schaath sprach von einer "Mauer der Apartheid" und forderte die EU zu Sanktionen gegen Israel auf. Mit vorsichtigen Worten wurde der alternative Friedensplan für den Nahen Osten begrüßt. Der französische Aussenminister Dominique de Villepin erklärte, das so genannte Genfer Dokument sei eine Ergänzung für die "Road Map" und zeige, "dass Dialog zwischen Israelis und Palästinensern immer noch möglich ist".

Prominente Mitbegründer der Genfer Friedensinitiative für Nahost haben sich am 3. Dez. um die Unterstützung der Vereinigten Staaten für ihr Projekt bemüht. Israels früherer Justizminister Jossi Beilin vertrat in Washington die Auffassung, falls die US-Regierung ihren Einfluss nicht geltend mache, werde es weder auf israelischer noch auf palästinensischer Seite eine Änderung geben. Sein palästinensischer Mitstreiter, der ehemalige palästinensische Informationsminister Jassir Abed Rabbo, sagte, alle Kräfte innerhalb der internationalen Gemeinschaft - einschließlich der USA - müssten für den Baustopp der israelischen Sperranlage und für einen Friedensplan eintreten.

Israelische Elitesoldaten haben nach Meldungen israelischer Medien am 3. Dez. einen Anschlag auf eine Schule verhindert. Der potenzielle Selbstmordattentäter und ein Komplize seien in dem israelisch- arabischen Ort Bardale in einer Moschee festgenommen worden. Ein Sprengstoff-Gürtel sei in der Umgebung der Moschee gefunden worden. Wie Radio Israel berichtet, haben die Männer im Verhör gestanden, dass sie in einer Schule bei Haifa ein Attentat begehen wollten.

Die Vereinten Nationen haben am 3. Dezember Israel in mehreren Resolutionen wegen seines Vorgehens in Jerusalem und auf den Golanhöhen kritisiert. In einer der Resolutionen verurteilten 155 der 191 UN-Mitgliedsstaaten die von Israel in Jerusalem eingeführten Gesetze und Verwaltung als "illegal und deshalb null und nichtig". Resolutionen der UN-Vollversammlung sind im Gegensatz zu denen des Weltsicherheitsrates völkerrechtlich nicht bindend.

Dreieinhalb Monate nach dem Scheitern eines einseitigen Gewaltverzichtes haben die wichtigsten Palästinensergruppen Verhandlungen über eine neue Waffenruhe aufgenommen. Die radikalislamischen Organisationen Hamas und Islamischer Dschihad schlossen vor Beginn der Gespräche eine Waffenruhe ohne Bedingungen an Israel aus. Zuvor hatte Regierungschef Ahmed Kureia einen einseitigen Waffenverzicht ohne israelische Garantien abgelehnt. An den Verhandlungen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo am 4. Dez. nahmen insgesamt zwölf Gruppen teil, unter ihnen auch die Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Kureia kündigte seine Teilnahme an dem Dialog an. Als Schirmherr fungiert der ägyptische Geheimdienstchef Omar Suleiman.

US-Präsident George W. Bush hat am 4. Dez. verhaltene Zustimmung zum inoffiziellen Genfer Friedensplan für den Nahen Osten geäußert. Die Initiative sei sinnvoll, wenn sie sich an den Grundsätzen seines Vorschlags orientiere und Terrorbekämpfung, die Gewährleistung von Sicherheit und die Bildung eines demokratischen palästinensischen Staates vorsehe, sagte Bush während eines Treffens mit dem jordanischen König Abdullah II. in Washington.

Der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki hat der israelischen Regierung eine Apartheidspolitik vorgeworfen. Die israelische Sperranlage entlang des Westjordanlandes habe "nichts mit Schutz oder Sicherheit zu tun", erklärt Mbeki am 4. Dez. im Regierungssitz Pretoria. "Sie sollte als das erkannt werden, was sie ist, eine Apartheidsmauer - und sie sollte aufgelöst werden, wie es die Apardheid werden musste."

Die israelischen Behörden haben zwölf Palästinenser, denen Hamas-Mitgliedschaft vorgeworfen wird, aus dem Westjordanland ausgewiesen. Soldaten brachten sie in der Nacht zum 5. Dez. in den Gazastreifen, wie ein Sprecher der palästinensischen Sicherheitskräfte sowie das Militär mitteilten. Zuvor hatte das Oberste Gericht in Israel die Einsprüche der Betroffenen gegen ihre Ausweisung zurückgewiesen.

Der israelische Minister Natan Sharansky hat die umstrittene EU-Studie zum Antisemitismus in Europa gelobt. Die Erhebung zeige einen klaren Zusammenhang zwischen der Größe von Moslem-Gemeinschaften und physischen Angriffen gegen Juden, sagte Israels Minister für Jerusalem und die jüdische Diaspora während seines Berlin-Besuches am 5. Dez. Die Europäer müssten sich ernsthaft fragen, warum eine EU-Behörde eine Studie bestelle und sie dann nicht veröffentliche. Die EU-Behörde zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) hatte die Studie beim Institut für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin (TU) in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse zeigten nach Presseberichten antisemitische Tendenzen - außer bei Rechtsradikalen - vor allem bei islamischen und arabischen Gruppen in Europa. Außerdem wurde ein Anstieg von ausländerfeindlichen und antisemitischen Übergriffen in Deutschland seit Anfang der 90er Jahre nachgewiesen. Das EUMC hatte die Studie wochenlang unter Verschluss gehalten. Die Berliner Autoren erklärten, den Auftraggebern seien die Ergebnisse politisch unangenehm, weil sie Moslems in einem schlechten Licht darstellten. Das EUMC sprach dagegen von "mangelnder Qualität" und fehlenden Beweisen. Schließlich hatte der Europäische Jüdische Kongress das Papier Mitte dieser Woche eigenmächtig ins Internet gestellt.

Tausende Palästinenser haben am 5. Dez. in Nablus im Westjordanland gegen die Genfer Nahost-Initiative demonstriert. Dabei wurde auch eine Schweizer Flagge verbrannt, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Demonstranten stießen Puppen ins Feuer, die die Initiatoren des Plans, Israels früheren Justizminister Jossi Beilin und den ehemaligen palästinensischen Informationsminister Jassir Abed Rabbo, darstellen sollten. Auf Transparenten wurde die Initiative als "großes Komplott" und "großes Verbrechen" bezeichnet. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die radikale Palästinenserorganisation Hamas.
Die Initiatoren des Genfer Nahost-Friedensplans haben sich nach einem Treffen mit US-Außenminister Colin Powell "ermutigt" gezeigt. Der ehemalige palästinensische Informationsminister Jassir Abed Rabbo sagte am 5. Dez. in Washington, sie seien "ermutigt", nachdem Powell die Initiative als konstruktiv bezeichnet habe. Der frühere israelische Justizminister Jossi Beilin betonte, der Genfer Friedensplan sei ein Versuch, "einer Koalition von Extremisten, die jegliche Friedensinitiative ablehnen, eine Koalition des gesunden Menschenverstands entgegenzusetzen". An dem Treffen mit Powell nahm auch der US-Sondergesandte William Burns sowie Elliott Abrams, Chefberater im Weißen Haus für den Nahen Osten, teil.
Die Autoren des Genfer Abkommens für den Nahen Osten haben sich hinter den internationalen Friedensplan gestellt. Die so genannte Road Map sei "die Mutter aller Initiativen", teilten der frühere israelische Justizminister Jossi Beilin und der ehemalige palästinensische Informationsminister Jassir Abed Rabbo nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan am 5. Dez. in New York mit. Ihr in zweijährigen Geheimverhandlungen ausgearbeiteter Plan, sei als Ergänzung zu Road Map zu verstehen.

Israelische Soldaten haben am 5. Dezember im Gazastreifen einen Palästinenser erschossen. Wie die Streitkräfte mitteilten, ereignete sich der Zwischenfall in einem militärischen Sperrgebiet bei Rafah im südlichen Gazastreifen. Dort kommt es beinahe täglich zu Zusammenstössen zwischen militanten Palästinensern und israelischen Soldaten.

Gemäßigte und radikale Palästinensergruppen haben der israelischen Führung angeboten, künftig keine Zivilisten mehr in Israel zu töten. Das berichtete die ägyptische Nachrichtenagentur MENA von den Verhandlungen der zwölf Palästinensergruppen am 7. Dez. in Kairo. Im Gegenzug forderten die Palästinenser von der israelischen Regierung ein Ende der Angriffe auf palästinensische Zivilisten. Auch müsse Israel die gezielte Tötung von Führern der radikalislamischen Gruppen einstellen.
Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand palästinensischer Organisationen sind am 7. Dez. gescheitert. Der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia verließ die Beratungen in Ägypten ohne ein entsprechendes Abkommen. Die militanten Organisationen Hamas und Islamischer Dschihad hatten sich lediglich zur Schonung von Zivilisten in Israel bereit erklärt. Auf Angriffe auf israelische Soldaten und Siedler in den besetzten Gebieten wollten sie nicht verzichten. Einen solchen Waffenstillstand erklärten Regierung und Opposition in Israel für inakzeptabel. "Israel kann nicht zwischen seinen Bürgern und Soldaten differenzieren", sagte Ministerpräsident Ariel Scharon. Ähnlich äußerte sich der Oppositionspolitiker Jossi Beilin: "Wir können niemals einwilligen, zwischen Blut und Blut zu differenzieren", sagte er im israelischen Rundfunk. Auch die Autonomiebehörde unter Kureia sowie die Fatah-Bewegung des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat hatten sich für eine umfassende Waffenstillstandserklärung eingesetzt. Dies lehnten Hamas und Islamischer Dschihad jedoch strikt ab

Israelische Geheimdiensteinheiten und Einsatzkommandos haben den Vereinigten Staaten einem Bericht zufolge heimlich bei der Vorbereitung des Irak-Krieges geholfen. Spezialeinheiten der US-Armee hätten im Vorfeld des Krieges "eng" mit israelischen Geheimdienstlern zusammengearbeitet, hieß es in einem Artikel des Journalisten Seymour Hersh, der am 7. Dez. vorab veröffentlicht wurde und der am 15. Dezember in der US-Zeitschrift "The New Yorker" erscheinen soll, unter Berufung auf israelische und US-Geheimdienstkreise. Hersh zufolge wollten die Regierungen der USA und Israels ihre Zusammenarbeit geheim halten.

8. bis 14. Dezember

Trotz der vorerst gescheiterten Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Nahen Osten will sich die palästinensische Regierung weiter um eine Feuerpause bemühen. Außenminister Nabil Schaath sagte am 8. Dez. der Nachrichtenagentur AP, es gebe eine "generelle Bereitschaft" für eine Waffenruhe. Allerdings verlangten die radikalen palästinensischen Gruppen Zusagen, dass Israel dann auch seine Militäraktionen einstellen werde. Darüber wolle Ministerpräsident Ahmed Kureia mit der israelischen Regierung verhandeln.

Die UN-Vollversammlung hat in der Frage des umstrittenen israelischen Sperrwalls zum Westjordanland den Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingeschaltet. 90 Mitgliedsstaaten stimmten am 8. Dez. in New York einer entsprechenden Resolution zu, acht votierten dagegen. Die Länder der Europäischen Union enthielten sich der Stimme. In der Resolution wird das Haager Gericht aufgefordert, die Rechtmäßigkeit des Baus zu überprüfen und sich zu den möglichen Konsequenzen zu äußern.
Israel hat die Entscheidung der UN-Vollversammlung verurteilt. Israels Finanzminister Benjamin Netanjahu sagte, sein Land schütze sich mit dem Sperrzaun vor "wilden Tieren". Dennoch signalisierte Israel, man wolle mit dem Gericht zusammenarbeiten. Die Palästinensische Autonomiebehörde drückte große Zufriedenheit über den UNO-Beschluss aus.

Acht illegalen jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten steht einem Rundfunkbericht zufolge die Auflösung bevor. Der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas habe am Abend des 8. Dez. bei einem Treffen mit führenden Vertretern der Siedler angekündigt, dass in der kommenden Woche zwei bewohnte und eine unbewohnte Siedlung geräumt würden, berichtete der israelische Rundfunk. Fünf weitere illegale Siedlungen würden anschließend aufgelöst. Die Siedler hätten darauf aufmerksam gemacht, dass einige der illegalen Siedlungen auf dem Wege der Legalisierung seien. Mofas hatte am 7. Dez. die Räumung von insgesamt 18 Siedlungen in den kommenden Tagen angekündigt.

Jüdische Siedlerorganisationen haben vor der Räumung illegaler Siedlungen in den Palästinensergebieten gewarnt. Falls die Regierung wie angekündigt auch bewohnte Siedlungen räumen lasse, werde dies "direkte Zusammenstöße" nach sich ziehen, sagte einer der führenden Siedlervertreter, Pinhas Wallerstein, am 9. Dez. dem israelischen Militärrundfunk. Die Entscheidung der Regierung sei "inakzeptabel". "Wenn nötig, gibt es Krieg." Der Generalsekretär des Siedlerverbandes Jescha, Ben Zvi Liberman, sagte, mit einer Räumung bewohnter Ortschaften würde Ministerpräsident Ariel Scharon seine eigenen Zusagen zur Legalisierung der Siedlungen verletzen.

Mit Empörung hat Israel auf die Anrufung des Internationalen Gerichthofes im Streit um die Sperranlage zum Westjordanland reagiert. Nach der Entscheidung der UN-Vollversammlung, den Gerichtshof in Den Haag einzuschalten, warf der Berater von Ministerpräsident Ariel Scharon, Dore Gold, der UNO am Dienstag "Heuchelei" vor: Einerseits gehe sie gegen die "defensive" Anlage vor, andererseits "krümmt sie keinen Finger" hinsichtlich der Welle palästinensischer Selbstmordanschläge, sagte Gold am 9. Dez.

Die israelischen Sicherheitskräfte haben nach eigenen Angaben einen Selbstmordanschlag in der Stadt Rosch Haajin, östlich von Tel Aviv, verhindert. Wie ein Militärsprecher am 9. Dez. sagte, nahmen Soldaten in der Nähe von Kalkilja im Westjordanland zwei Mitglieder der Fatah-Bewegung des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat fest. Die beiden Männer im Alter von 20 und 37 Jahren seien über den Grenzübergang Kafr Kasem nach Israel eingereist, zusammen mit einer 40-jährigen Frau, die einen acht Kilogramm schweren Sprengstoffgürtel für sie transportiert habe.

Bei Auseinandersetzungen mit israelischen Soldaten im Westjordanland ist am 9. Dez. ein 15-jähriger Palästinenser getötet worden. Nach Angaben eines Krankenhauses in Ramallah wurde der Jugendliche von einem Gummigeschoss am Kopf tödlich getroffen. Die israelische Armee bestätigte, dass sie zwischen Ramallah und Jerusalem gegen mehrere Dutzend steinewerfende Palästinenser vorgegangen sei. Dabei hätten die Soldaten Gummigeschosse und Tränengas eingesetzt.

Bei einer Bombenexplosion nahe der Stadt Hebron im Westjordanland sind am 9. Dez. drei Palästinenser getötet worden. Die palästinensische Polizei vermutete, dass es sich um die vorzeitige Explosion eines selbst gebauten Sprengsatzes gehandelt haben könnte. Ein Krankenhaus in Hebron betätigte, bei dem Zwischenfall sei ein Mitglied der radikalislamischen Hamas-Organisation ums Leben gekommen.

Israel hat die Errichtung des Sperrwalls im östlichen Westjordanland wegen juristischer Bedenken vorerst gestoppt. Die Arbeiten an der Trennungslinie im Jordantal seien auf Eis gelegt worden, weil Offiziere gegenüber einem Parlamentsausschuss Bedenken geäußert hätten, sagte ein Abgeordneter der linksgerichteten Meretz-Partei, Avschalom Willan, am 10. Dez. in Jerusalem. Die Militärs und Fachleute des Justizministeriums seien der Ansicht, in dem betroffenen Abschnitt könne die Sperranlage rechtlich nicht als "Verteidigungseinrichtung" für israelische Ortschaften betrachtet werden, da sie auch zwischen palästinensischen Dörfern verlaufen solle.

Der palästinensische Finanzminister Salam Fajad hat bei einer internationalen Geberkonferenz am 10. Dez. in Rom um internationale Hilfe in Höhe von 1,2 Millarden Dollar (rund 980 Millionen Euro) gebeten. Diese Summe werde im nächsten Jahr notwendig, um das Haushaltsdefizit auszugleichen, sagte Fajad vor Vertretern von 14 Geberstaaten. Nach Angaben der Weltbank soll die internationale Gemeinschaft 600 Millionen Dollar zum palästinensischen Budget beisteuern, auf etwa 400 Millionen Dollar wurde die humanitäre Hilfe beziffert.

Vor einem Parlamentsausschuss hat der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon am 10. Dez. die Verlegung mehrerer jüdischer Siedlungen in den palästinensischen Gebieten angekündigt. Sollte die «Road Map» scheitern, müssten unilaterale Schritte unternommen werden, zitierte der Likud-Abgeordnete Ehud Jatom den Regierungschef. Nach den Worten des israelischen Aussenministers Silvan Schalom ist Israel jedoch zu einer baldigen Wiederaufnahme der Nahost-Friedensgespräche bereit.

Israelische Soldaten haben am Morgen des 11. Dez. drei Palästinenser erschossen und 12 weitere verwundet. Das teilten Sprecher eines palästinensischen Krankenhauses in Rafah mit. Augenzeugenberichten zufolge kam es zu einem Gefecht, als israelische Soldaten in das Flüchtlingslager Rafah an der ägyptischen Grenze einmarschierten und das Haus eines Hamas-Aktivisten umstellten. Von dort sei das Feuer eröffnet worden; Palästinenser hätten vom Dach des Hauses auch Handgranaten auf die Soldaten geworfen. Die Israelis hätten Kampfhubschrauber zur Verstärkung angefordert. Militärsprecher bestätigten, dass die Soldaten einen gesuchten Palästinenser verhaften sollten.

Bei einer Explosion in einem Geschäftsviertel von Tel Aviv sind am 11. Dez. drei Menschen getötet worden. Die Polizei erklärte, die Detonation habe wahrscheinlich einen kriminellen Hintergrund. Unter den zwölf Verletzten war auch ein mutmasslicher Unterwelt-Boss. "Wir betrachten es weniger als einen Terroranschlag und mehr als eine kriminelle Tat", sagte der israelische Polizeisprecher Gil Kleiman. "Das bedeutet, dass wir nicht nach Palästinensern suchen, sondern nach Israelis."

Die Reformbemühungen der palästinensischen Autonomiebehörde müssen nach Ansicht des Nahost-Quartetts und anderer Geberadressen verstärkt werden. Viele der Reformbemühungen seien in den vergangenen vier Monaten nicht voran gekommen, heisst es in einer am 11. Dez. in Rom herausgegebenen Erklärung der für die Bewertung der Reformen eingesetzten Arbeitsgruppe. Zu den Schlüsselaufgaben gehörten unter anderem Reformen für eine effiziente Marktwirtschaft sowie eine Fortsetzung der Justizreform. Israel wurde aufgefordert, die Reformen stärker zu unterstützen.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat die Errichtung der umstrittenen Sperranlage zum Westjordanland als unabdingbar verteidigt. Der Zaun sei "nicht die Antwort auf alle Probleme", sagte Scharon der "Bild"-Zeitung (Ausgabe vom 12.12.2003). Er sei aber eine von "mehreren Maßnahmen, um Terroranschlägen vorzubeugen". Palästinensische Selbstmordattentäter sollten daran gehindert werden, "ihre Ziele in Jerusalem oder anderswo in Israel zu erreichen". Seine Regierung beobachte bereits jetzt, dass Terrorkommandos nicht mehr dort zuschlügen, wo der Zaun bereits errichtet sei.

Bei einem unerlaubten Ausflug zum Grab des Josef im Westjordanland sind sieben Israelis am 12. Dez. teils schwer verletzt worden. Palästinenser hätten das Fahrzeug, in dem die jüdischen Gläubigen unterwegs gewesen seien, in der Nähe der Grabstätte unter Beschuss genommen, teilten ein Militärsprecher mit. Die Armee habe eine größere Einheit zur Evakuierung der Israelis entsenden müssen. Zwei Gläubige seien durch Kopf- und Bauchsschüsse schwer verletzt worden. Sie seien per Hubschrauber ausgeflogen worden. Der Militärrundfunk berichtete, neun unverletzte Pilger seien festgenommen worden. Die israelische Armee hatte Reisen zum Josefs-Grab bei Nablus aus Sicherheitsgründen verboten.

Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed el Baradei, sieht in den atomaren Fähigkeiten Israels eine Gefahr für den Nahen Osten. Die Tatsache, dass Israel nukleare Kapazitäten besitze, beschleunige das Wettrüsten und schaffe Gefahren in der Region, sagte Baradei der israelischen Zeitung "Haaretz" vom 12. Dez. Der Status Quo sei nicht gut und sorge für Frustrationen, da Israel offenbar über ein Atomarsenal verfüge, während andere Länder der Region den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hätten. Mit seiner Idee, eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten zu schaffen, habe er sich nicht durchsetzen können.

Israel will in der kommenden Woche einen Plan zur Wiederbelebung der Friedensgespräche mit den Palästinensern vorlegen. Ministerpräsident Ariel Scharon werde den Plan öffentlich vorstellen, sagte Außenminister Silvan Schalom am 12. Dez. nach einem Treffen mit US- Außenminister Colin Powell in Washington. Details wollte Schalom zunächst nicht nennen. "Wenn die Palästinenser es ernst meinen, können wir sofort Verhandlungen mit ihnen aufnehmen", sagte Schalom.

Ein Führer der militanten Bewegung Hamas hat am 12. Dez. auf einer Kundgebung im Gazastreifen vor tausenden Anhängern mit einer neuen Welle von Selbstmordanschlägen gegen Israel gedroht. Abdel Asis Rantisi erschien zum ersten Mal seit Monaten wieder in der Öffentlichkeit, nachdem Israel versucht hatte, ihn und andere Führer der Hamas gezielt zu töten. Vor knapp einer Woche war es dem palästinensischen Ministerpräsidenten Ahemd Kureia und ägyptischen Vermittlern nicht gelungen, die Hamas und andere militante Gruppen zu einem Waffenstillstand zu bewegen.

Israelische Truppen haben in der Nacht zum 13. Dez. im Westjordanland auf ein Taxi geschossen und eine junge Frau getötet. Die Streitkräfte teilten mit, sie hätten in der Nähe von Nablus Kontrollpunkte errichtet, nachdem Warnungen vor möglichen Anschlägen eingegangen seien. Der Taxifahrer habe einen Kontrollpunkt umfahren und Aufforderungen zum Anhalten ignoriert, verlautete aus Armeekreisen. Soldaten hätten das Taxi verfolgt, zunächst Warnschüsse abgegeben und dann auf das Fahrzeug geschossen. Eine Frau in dem Taxi wurde getötet. Palästinensische Sanitäter und Augenzeugen berichteten, bei dem Opfer handele es sich um eine 21-jährige Studentin und Mutter von zwei Kindern. Der Vorfall habe sich um 03.00 Uhr ereignet, als sie eines der Kinder ins Krankenhaus habe bringen wollen.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon hat die Haltung Deutschlands und der EU beim Nahost- Friedensprozess kritisiert. "Wir hoffen, dass die Bundesrepublik und mit ihr die Europäische Union sich ihre Haltung gegenüber (Jassir) Arafat überlegt, weil Arafat das größte Hindernis auf dem Weg zum Frieden ist", sagte Sharon der "Bild"-Zeitung (Ausgabe vom 13. Dez.). Von Bundesaußenminister Joschka Fischer forderte Sharon mehr Zurückhaltung im Umgang mit dem Palästinenser- Präsidenten: Fischer "bemüht sich zwar sehr, den Friedensprozess voranzutreiben. Aber er muss verstehen, dass Europa Jassir Arafat nicht den Eindruck geben darf, dass Europa ihn unterstützt". Besuche von europäischen Regierungsmitgliedern bei Arafat bezeichnete der israelische Ministerpräsident als "historischen Fehler".

Der US-Gesandte David Satterfield hat eine neue Runde von Nahost-Gesprächen begonnen. Am Morgen des 13. Dez. traf er in Jerusalem mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmed Kureia zusammen. Am 14. Dez. sind Gespräche mit der israelischen Führung geplant.

Israelische Soldaten haben am 14. Dez. einen bewaffneten Palästinenser im Westjordanland erschossen. Der Mann war nach Angaben der Streitkräfte ein gesuchtes Mitglied der Organisation Islamischer Dschihad und wurde in der Nähe des Dorfes Nameh, 15 Kilometer von Ramallah entfernt, von Soldaten auf der Flucht tödlich getroffen. Truppen drangen vor Morgengrauen nach Nameh ein und verhängten ein Ausgehverbot. Zwei weitere Kämpfer des Islamischen Dschihads wurden nach Militärangaben verhaftet.

Der israelische Präsident Mosche Katzav hält ein Ende der palästinensischen Anschläge für die grundlegende Voraussetzung im Nahost-Friedensprozess. Die Palästinenser müssten sich ernsthaft zur Einstellung des Terrors verpflichten, sagte Katzav am 14. Dez. während eines Besuchs in Hongkong. Der US-Gesandte David Satterfield hat am 14. Dez. seine Vermittlungsbemühungen zwischen Israel und den Palästinensern fortgesetzt. Satterfield traf mit israelischen Regierungsvertretern zusammen, nachdem er am Tag davor mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmed Kureia gesprochen hatte. Der palästinensische Unterhändler Sajeb Erakat erklärte, man habe Satterfield aufgefordert, Druck auf Israel auszuüben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Erakat kritisierte den Ausbau der israelischen Siedlungen und den Weiterbau des Sicherheitszauns. Der stellvertretende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte, Israel sei bereit, die Road Map umzusetzen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Palästinenser gegen die radikalen Organisationen vorgingen.

Palästinenser feuerten am 14. Dez. mehrere Granaten auf jüdische Siedlungen im Gazastreifen ab. Die Siedler in Neve Dekalim erklärten, es sei nur geringer Sachschaden entstanden. Sie beklagten jedoch, die israelische Regierung habe mit ihren Andeutungen über einen möglichen Abbau der Siedlungen zur Gewalt ermutigt. Neve Dekalim ist mit 2.400 Einwohnern die grösste Siedlung im Gazastreifen.

Oppositionelle israelische Abgeordnete haben der Regierung hinsichtlich der Räumung illegaler Außenposten jüdischer Siedler in den palästinensischen Autonomiegebieten Täuschung vorgeworfen. Wie der Vorsitzende der linksliberalen Meretz-Partei, Jossi Sarid, am 14. Dez. mitteilte, suchten sie Außenposten auf, die laut einer Auflistung des Verteidigungsministeriums bereits abgebaut wurden. Dabei stellten sie den Angaben zufolge fest, dass zumindest einige der angeblich geräumten Außenposten wieder bewohnt sind. Als Beispiele nannte Sarid die Außenposten Hawat Gilad und East Jizhar im Westjordanland. Dort lebten wieder jüdische Siedler. Sarid sagte, die ganze Liste der angeblich 43 geräumten Außenposten, die er am 11. Dezember erhalten habe, sei "eine Kombination aus Witz und Lüge". Das Verteidigungsministerium beharrte dagegen auf der Darstellung, dass der Außenposten Hawat Gilad geräumt worden sei und dass niemand dorthin zurückgekehrt sei.

15. bis 21. Dezember

Am frühen Morgen des 15. Dez. sind israelische Panzer ins Flüchtlingslager Chan Junis eingerückt, um leer stehende Gebäude abzureißen, von denen aus militante Palästinenser nach Armeeangaben immer wieder Mörsergranaten auf Israel abfeuerten. Palästinensischen Augenzeugen zufolge zerstörten die Soldaten acht Häuser - drei leer stehende und fünf, die bewohnt waren, aber von den Bewohnern nachts wegen häufiger Feuergefechte in der Gegend verlassen wurden.
Israelische Soldaten haben am 15. Dez. an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen zwei Palästinenser erschossen. Die Soldaten eröffneten nach Angaben der Armee am Morgen das Feuer auf eine sechsköpfige Gruppe, die sich dem Grenzzaun näherte. Vier Männer flüchteten auf israelisches Gebiet, wovon einer später aufgegriffen wurde. Nach den anderen drei Palästinensern wurde gefahndet. Die zwei Toten und der Festgenommene waren unbewaffnet, wie die Streitkräfte mitteilten. Es sei möglich, dass die Männer in Israel Arbeit suchen wollten.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) ist am 15. Dez. zu einer dreitägigen Reise in den Nahen Osten aufgebrochen. Wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte, wird Fischer in Ägypten, Jordanien und Israel Gespräche zur Lage im Nahen und Mittleren Osten führen. Der Außenminister wird demnach auch mit Vertretern der palästinensischen Autonomiebehörde zusammentreffen. Zudem wird Fischer an der jährlichen Konferenz des Sicherheitspolitischen Instituts des Interdisziplinären Zentrums Herzliya teilnehmen.

Israel hat die Palästinenser und das Nachbarland Syrien aufgefordert, "eine Lehre" aus der Festnahme von Saddam Hussein zu ziehen. "Der Sturz von Saddam Hussein sollte eine Lektion sowohl für Palästinenser als auch für Syrien sein", sagte Avi Pasner, Sprecher von Ministerpräsident Ariel Scharon, am 15. Dez. der Nachrichtenagentur AFP. Die Palästinenser müssten sich darüber klar werden, dass ihre Unterstützung für Saddam Hussein sowie ihr Rückgriff auf "Gewalt und Terrorismus" ihnen nichts gebracht habe.

Ägypten hat einen neuen Vorstoß zur Vermittlung eines Waffenstillstands der militanten palästinensischen Gruppen gegenüber Israel angekündigt. Eine hochrangige Delegation unter Führung zweier ägyptischer Generäle werde am 16. Dez. in Gaza eintreffen, berichtete die ägyptische Nachrichtenagentur Mena am Abend des 15. Dez.

Bei einem Treffen israelischer und palästinensischer Unterhändler mit Vertretern der Weltbank, der Europäischen Union und der USA am 15. Dez. wurde nach palästinensischen Angaben in erster Linie über die finanzielle Situation der Autonomiebehörde verhandelt. Israelis und Palästinenser hatten in der vergangenen Woche in Rom mit internationalen Gebern einen Dreierausschuss zur Verteilung von Hilfsgeldern beschlossen. Die Autonomiebehörde erhält von internationalen Spendern jährlich rund eine Milliarde Dollar. Eigentlich war damit gerechnet worden, dass die Vorbereitungen für das angestrebte Gipfeltreffen zwischen dem palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmed Kureia und dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon fortgesetzt würden. Der US-Gesandte David Satterfield war am Wochenende mit Kureia und israelischen Regierungsvertretern zusammengetroffen, um die so genannte Road Map wiederzubeleben.

Die israelische Bildungsministerin Limor Livnat hat die Annektierung mehrerer palästinensischer Regionen im Westjordanland vorgeschlagen. Israel müsse "solche einseitigen Maßnahmen" ergreifen, da es nicht möglich sei, mit der palästinensischen Autonomiebehörde ein Friedensabkommen zu schließen, solange Palästinenserpräsident Jassir Arafat im Amt sei, sagte Livnat am 15. Dez. im Fernsehen. Es sei möglich, dass Israel "vier oder fünf Siedlungen zusätzlich" auflöse - gleichzeitig müsse der Staat sich aber einige Landstriche im Westjordanland einverleiben, um den Palästinensern nicht "das Gefühl eines Sieges" zu geben. Diesen Vorschlag habe sie dem israelischen Regierungschef Ariel Scharon unterbreitet, und er habe "wohlwollend" darauf reagiert.

In der Hoffnung auf eine umfassende Erneuerung der Friedensbemühungen für den Nahen Osten ist Außenminister Joschka Fischer in den Nahen Osten gereist. Am 16. Dez. führte er Gespräche in Ägypten und Jordanien, um anschließend nach Israel weiter zu fliegen. Für Friedensbemühungen scheine sich zurzeit ein neues Zeitfenster zu öffnen, sagte Fischer. Am Abend sprach Fischer in Amman mit dem jordanischen Außenminister Marwan Muascher. Jordanien hatte im Juni mit einer internationalen Wirtschaftskonferenz am Toten Meer eine eigene Nahostinitiative ergriffen. Zuvor war der deutsche Außenminister in Kairo auch mit dem ägyptischen Geheimdienstchef Omar Soliman zusammengetroffen, der dem Vernehmen nach mit Sicherheitspolitikern auf israelischer und auf palästinensischer Seite einen Waffenstillstand zu vermitteln sucht. Auch mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Husni Mubarak sprach er. Er sagte, es komme jetzt darauf an, mit der Umsetzung des internationalen Friedensplans, der so genannten Road Map, zu beginnen.

Israel will den palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat auch in diesem Jahr an Weihnachten nicht nach Bethlehem reisen lassen. "Arafat bleibt, wo er ist", umschrieb ein Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte, am 16. Dez. den israelischen Standpunkt. "Er kann gehen, aber es ist nicht garantiert, dass er zurückkommen kann", sagte der Gewährsmann weiter.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon erwägt nach einem Zeitungsbericht die Räumung sämtlicher jüdischer Siedlungen im Gazastreifen. Auch einzelne Siedlungen im Westjordanland sollten im Zuge einer Stationierung der Streitkräfte "entlang einer neuen Sicherheitslinie" evakuiert werden, berichtet die israelische Tageszeitung "Maariv" am 16. Dez.

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben ihre Kontrollmaßnahmen in den Palästinensergebieten gelockert. Im Westjordanland seien unter anderem mehrere Straßensperren aufgehoben worden, teilte die Armee am 16. Dez. in Jerusalem mit. Tausende palästinensische Händler, Geschäftsleute und Arbeiter hätten zudem eine Einreiseerlaubnis nach Israel bekommen. Diese Erlaubnis gelte allerdings nicht für Arbeiter aus den Städten Dschenin und Nablus, die als Hochburgen radikalislamischer Gruppen gelten.

Bundesaußenminister Joschka Fischer ist am 17. Dez. im Westjordanland mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmed Kureia zusammengetroffen. Fischer ist der erste ausländische Minister, der Kureia seit Beginn seiner Amtszeit vor zwei Monaten besucht hat. Nach der etwa halbstündigen Unterredung in Kureias Büro in Abu Dis bei Jerusalem sagte Fischer, zentrales Gesprächsthema seien die Bemühungen um die Wiederbelebung des Friedensprozesses im Nahen Osten gewesen. Fischer lud den palästinensischen Politiker nach Berlin ein. Ein Treffen mit Palästinensertreffen Jassir Arafat war nach seinen Angaben nicht vorgesehen; der Besuch bei der Autonomieregierung wurde als informell eingestuft.
Wenig später hat Bundesaußenminister Joschka Fischer dem israelischen Regierungschef Ariel Scharon seine Besorgnis über den Bau des Sperrwalls zum Westjordanland ausgedrückt. Die Anlage schaffe möglicherweise Fakten, sagte Fischer nach Angaben seiner Delegation bei einem Treffen mit Scharon in Jerusalem. Der Ministerpräsident entgegnete daraufhin: "Der Terror hat diesen Zaun errichtet." Scharon bekräftigte den Angaben zufolge gegenüber Fischer, Israel sei dem internationalen Friedensplan, der "Roadmap", verpflichtet. Den international heftig umstrittenen Sperrwall verteidigte er mit dem Hinweis, er sei wegen der palästinensischen Selbstmordanschläge für die Sicherheit Israels erforderlich. Der israelische Finanzminister Benjamin Netanjahu erklärte während Fischers Besuch, sein Ministerium habe nun weitere 160 Millionen Dollar (130 Millionen Euro) für den Bau der Anlage bereit gestellt.
Außenminister Joschka Fischer hat Israelis und Palästinenser zur raschen Wiederaufnahme des Friedensprozesses aufgerufen. Die Dinge seien in Bewegung geraten, sagte Fischer zum Abschluss seiner dreitägigen Nahost-Reise in Tel Aviv. Fischer kritisierte Israel für die Errichtung der Sperranlage zum Westjordanland. Die Palästinenser forderte er auf, Terrorstrukturen zu zerschlagen.

43 Prozent der US-Bevölkerung betrachten Israel als Gefahr für den Weltfrieden. Das geht aus einer am 17. Dez. veröffentlichten Umfrage hervor, die erstmals Vergleichswerte zu einer umstrittenen EU-weiten Studie vom November liefert. In der EU sehen demzufolge sogar 59 Prozent der Bürger Israel als Bedrohung an. Zudem stufte eine Mehrheit der Befragten das Land vor einer Reihe anderer Staaten als grösste Gefahr für den Weltfrieden ein. In den USA landete Israel dagegen auf Platz 8, weit hinter Nordkorea, Iran und Irak. Immerhin 37 Prozent der US-Bürger bezeichneten auch ihr eigenes Land als Bedrohung für den Weltfrieden. In der EU hatten 53 Prozent der Befragten der Einschätzung zugestimmt, dass die USA den Frieden gefährdeten.

Auf der Suche nach einem Hamas-Aktivisten sind israelische Truppen am Abend des 17. Dez. nach Berichten von Anwohnern in die Stadt Dschenin im Westjordanland eingedrungen. Wie aus israelischen Armeekreisen verlautete, eröffneten Kämpfer der Hamas das Feuer auf die Soldaten. Der gesuchte Hamas-Aktivist Faradsch Sanuri habe dennoch gefasst werden können. Berichte über Verletzte lagen nicht vor.

Der israelische Finanzminister Benjamin Natanyahu rief am 17. Dez. dazu auf, ein politisches Konzept zu finden, das dem Staat Israel eine jüdische Mehrheit garantieren wird. Netanyahu sprach bei der sicherheitspolitischen "Herzliya Conference". Es war seit langer Zeit die erste Rede des früheren Ministerpräsidenten zu einem nationalpolitischen Thema. Natanyahu sagte u.a.: „Das ist die Frage nach unseren Beziehungen zur arabischen Minderheit. Die Integration der arabischen Minderheit in unsere Gesellschaft ist auch eine arithmetische Frage: Wenn sie 40% erreicht, löst sich der jüdische Staat auf. Wenn es 20% sind, und die Beziehungen schwerer und aggressiver werden, dann muss das politische Konzept dafür sorgen, dass die jüdische Mehrheit zum Staat Israel gehört.“ - Linksgerichtete Knessetabgeordnete haben den Finanzminister für seine Rede stark kritisiert. MdK Mohammed Barakeh (Hadash) warf Netanyahu Rassismus vor. Er solle seine Hetze gegen die arabische Bevölkerung beenden und damit aufhören, den natürlichen Bevölkerungswachstum zu problematisieren. Auch MdK Jamal Zahlka (Balad) warf dem Finanzminister Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gegenüber der arabischen Bevölkerung vor.
Israelische Forscher, die seit längerem die demographischen Entwicklungen in Israel verfolgen, sagten am 18. Dez., Netanyahu würde „absichtlich die Tatsachen verdrehen“. Und Brig.Gen. (Res.) Uzi Dayan erklärte in seinem Beitrag in Herzliya am 18. Dez., die Bürger würden nie eine demographische Bedrohung für den Staat Israel darstellen. Das zentrale Problem sei das Verhältnis zwischen Juden und Arabern und die fehlende soziale Kohärenz zwischen beiden.

Bei Schießereien in Nablus, Westjordanland, haben Soldaten der Israelischen Armee IDF am frühen Morgen des 18. Dez. vier bewaffnete Palästinenser getötet. Drei der vier Männer gehörten zu einer Gruppe, die sich in der Innenstadt von Nablus Kämpfe mit den Soldaten lieferten. Der Vierte wurde bei dem Versuch getötet, eine Bombe in der Nähe der israelischen Einheiten zu zünden. Er gehörte dem Islamischen Jihad in Nablus an. Außerdem verhafteten die Soldaten zwei mutmaßliche Selbstmordattentäter.

Israel wird den Bau der international umstrittene Sperranlage entlang dem Westjordanland nach den Worten von Ministerpräsident Ariel Scharon "erheblich beschleunigen". Zugleich werde er "in einigen Monaten" im Zuge "einseitiger Maßnahmen" einige jüdische Siedlungen räumen lassen, sagte der Regierungschef am 18. Dez. in Herzlija bei Tel Aviv. Zu den Maßnahmen gehöre auch ein "Plan zur Trennung von den Palästinensern", falls diese sich nicht an die von ihnen unterschriebenen Zusagen im internationalen Friedensplan, der so genannten Roadmap, halten sollten. (Siehe die Rede von Scharon und erste Reaktionen.)

Einen Tag nach der Grundsatzrede des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon hat Präsident Mosche Katzav versichert, dass Israel am Nahost-Friedensplan festhalten werde. "Wir stehen immer noch hinter der roadmap", sagte Katzav am 19. Dez. bei einem Staatsbesuch in China.
Die US-Regierung hat die Grundsatzrede von Ariel Scharon begrüßt, in der der israelische Ministerpräsident mit einem einseitigen Vorgehen gegenüber den Palästinensern gedroht hatte. "Wir sind sehr zufrieden mit der gesamten Rede von Regierungschef Scharon", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, am 19. Dez. in Washington. Der israelische Ministerpräsident habe damit seine Unterstützung für den Friedensplan des Nahost-Quartetts ebenso unterstrichen wie die Verpflichtungen, die Israel auf dem Nahost-Gipfel im jordanischen Akaba im Juni eingegangen war.

Die israelische Armee hat bei mehreren Razzien im Westjordanland nach eigenen Angaben 16 gesuchte Palästinenser festgenommen. Die Militäraktionen in fünf Dörfern nördlich von Ramallah dauerten bis zum Morgen des 20. Dez., wie aus Kreisen der Streitkräfte verlautete. Außerdem rückten die Truppen ins Flüchtlingslager Balata bei Nablus ein und zogen auf der Suche nach mutmaßlichen Extremisten von Haus zu Haus.

Die israelische Armee hat bei einer Razzia am 21. Dez. in Nablus (Westjordanland) Adnan Asfur, ein ranghohes Mitglied von Hamas, festgenommen.
Bei anschließenden Protestdemonstrationen wurde ein sechsjähriger palästinensischer Junge erschossen. Ärzten zufolge wurde der Junge durch einen Schuss in die Brust getötet, als Soldaten das Feuer auf Steinewerfer eröffneten.
Ein a nderer Junge, der am 16. Dez. von einem Hartgummie-Geschoss getroffen worden war, erlag seinen Verletzungen.

Im dritten Jahr der Intifada ist nach israelischen Angaben die Zahl der Todesopfer deutlich gesunken. Währen d 2002 insgesamt 1.131 Menschen auf palästinensischer Seite und 451 auf israelischer Seite getötet wurden, waren es 2003 weniger als die Hälfte: Bis Mitte Dezember kamen 571 Palästinenser und 207 Israelis ums Leben. (AP vom 21. Dez.)

22. bis 28. Dezember

Die israelische Armeeführung hat am 22. Dez. 13 Reservesoldaten der Elite-Einheit "Sajaret Metkal" mit der Suspendierung vom Dienst gedroht. Die Soldaten wurden aufgefordert eine Brief zurückzuziehen, in dem sie dem Ministerpräsidenten Scharon gegenüber erklärten, dass sie den Militärdienst in Palästinensergebieten verweigern. In dem Brief heißt es u.a., "Millionen von Palästinensern" würden die Menschenrechte vorenthalten und die Armee werde als "Schutzwall für die Siedlungskampagne" missbraucht. Der stellvertretetende Verteidigungsminister Seew Boim sprach von "Rebellion".

Am 22. Dez. trafen sich Ariel Scharon und der ägyptische Außenminister Achmed Maher in Jerusalem. Scharon lehnte eine mögliche Waffenruhe der palästinensischen "Terrorgruppen" ab und forderte stattdessen eine vollständige Auflösung der Organisationen. Falls es jedoch friedlich bleibe, werde Israel laut einem Rundfunkbericht keine Militäroperationen unternehmen.
Bei einem Besuch auf dem Tempelberg erlitt Maher einen Schwächeanfall. Er sei vorher in der Al-Aksa-Moschee von aufgebrachten Palästinensern als Verräter beschimpft und mit Schuhen beworfen worden.

Am Abend des 22. Dez. wurden zwei israelische Soldaten im Zentrum des Gazastreifens getötet. Die Israelis verfolgten die Täter und töteten zwei Palästinenser.

Am Morgen des 23. Dez. rückte die israelische Armee mit etwa 40 Panzern und Militärfahrzeugen in die palästinensische Autonomiestadt Rafah im Süden des Gazastreifens ein. Bei mehrstündigen Gefechten, in die auf Kampfhubschrauber mit Raketen eingriffen, wurden acht Palästinenser getötet.

Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Michael Sabbah, kritisierte in einer Mitternachtsmesse am Heiligen Abend in Bethlehem den Bau der israelischen Mauer. Der katholische Erzbischof sagte, die politischen Führer müssten die Besetzung des palästinensischen Landes als Ursache des Nahost-Konflikts erkennen, sonst werde es keinen Frieden und keine Sicherheit geben.

Die israelische Luftwaffe flog am 25. Dez. einen Liquidierungsangriff in Gaza, bei dem ein hochrangiges Mitglied des "Islamischen Dschihad", Mekled Hameid, getötet wurde. Mekled habe angeblich einen "Mega-Anschlag" im Gazastreifen geplant.
Kurz darauf sprengte sich ein 18-jähriger palästinensischer Selbstmordattentäter an der belebten Geha-Kreuzung nahe Tel Aviv in die Luft und riss vier Isrealis mit in den Tod; 15 Menschen wurden verletzt. Es war der erste Selbstmordanschlag seit dem 4. Oktober. Zu dem Attentat bekannte sich die PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas).
Nach dem Attentat beschloss die israelische Regierung mit der Umsetzung "einseitiger Maßnahmen" zu beginnen, die Scharon vor wenigen Tagen in seiner Rede angekündigt hatte. Außerdem berichtete der israelische Rundfunk am 26. Dez., Israel werde die gezielte Tötung von Führern "palästinensischer Terrorgruppen" wieder aufnehmen. Hamas sedi davon ausgenommen, weil die Organisation Anschlägen innerhalb des israelischen Kerngebiets abgeschworen habe.
US-Außenminister Colin Powell warnte am 26. Dez. die israelische Regierung davor, den Friedensfahrplan ad acta zu legen. "Wir können keine einseitigen Schritte dulden", sagte Powell, in einem CNN-Interview.

Bei einer der Razzien im Westjordanland wurde auch der Sohn des in Israel inhaftierten palästinensischen Politikers Marwan Barghouti festgenommen. Der 19-jährige Kassam Barghouti werde wegen Terrorverdachts verhört, verlautete aus israelischen Regierungskreisen.

In Kalkilja (Westjordanland) protestierten am 26. und 27. Dez. mehrere Tausend Demonstranten gegen die israelische Mauer. Nach Angaben von Demonstranten setzten israelische Soldaten Gummigeschosse ein. Ein israelicher Demonstrant wurde am 26. Dez. davon schwer verletzt. Generalstabschef Mosche Jaalon beuchte den Mann im Krankenhaus und kündigte Ermittlungen an. Auch am 27. Dez. ist ein Demonstrant leicht am Kopf verletzt worden.

Am 27. Dez. startete die israelische Armee eine großangelegte Offensive in Nablus (Westjordanland). Dabei wurde ein 17-jähriger Palästinenser durch Schüsse in den Rücken getötet. 17 Palästinenser wurden verletzt, nachdem sie die israelischen Soldaten mit Steinen beworfen hatten. Sechs der Verwundeten wurden mit scharfer Munition getroffen, die anderen von Gummimantel-Geschossen, berichteten Ärzte. Die scharfe Munition wurde von israelischer Seite dementiert.
Hunderte von Soldaten waren zuvor ) mit Panzern in Nablus eingerückt und hatten den Ostteil der Stadt (mit rund 50.000 Einwohnern) vollständig abgeriegelt. Am Abend des 28. Dez. wurde die Ausgangssperre wieder aufgehoben, nachdem die israelischen Soldaten das Haus eines gesuchten Al-Aksa-Mitglieds gesprengt hatten.

Nach einem israelischen Rundfunkbericht vom 28. Dez. sagte der israelische Premier Ariel Scharon zu, einen Aufruf des syrischen Präsidenten Baschar el-Assad zu Friedensverhandlungen "sorgfältig prüfen" zu wollen. Scharon sagte weiter, die Gespräche müssten ganz neu und ohne Bedingungen beginnen. (Entsprechende Verhandlungen waren im März 2000 abgebrochen worden, weil sich Israel geweigert hatte, vorab einem Rückzug von den 1967 besetzten Golanhöhen zuzustimmen.)

Israelische Soldaten erschossen in der jüdischen Siedlung Netzarim (südwestlich von Gaza) am Abend des 28. Dez. drei Palästinenser. Sie hätten zuvor Mörsergranaten in Richtung der Siedlung abgefeuert, hieß es.

29. bis 31. Dezember

Jüdische Siedler haben am 29. Dez. ihren Widerstand gegen die Räumung von vier sog. "illegalen" Siedlungen angekündigt. Die Bewohner der Siedlung Ginnot Arieh nördlich von Jerusalem wollen vor dem Obersten Gerichtshof Klage erheben, sagte ein Siedlersprecher. In Ginnot Arieh leben zehn Familien. Der Roadmap zufolge muss Israel mindestens 100 solcher "Außenposten" räumen.

Nach scharfer internationaler Kritik will Israel den Verlauf der Sperranlagen zum Westjordanland nun an zwei besonders umstrittenen Stellen verändern. Der Verlauf soll im Bereich Kalkilia und nördlich von Tulkarem korrigiert werden, meldete die Zeitung "Haaretz" am 30. Dez. Der palästinensische Minister für Verhandlungen mit Israel sprach aber von einer "bedeutungslosen" Veränderung. Derweil wurde bekannt, dass die Zahl jüdischer Siedler in den Palästinensergebieten in den letzten drei Jahren um 16 Prozent gestiegen ist.

Ein israelischer Kampfhubschrauber hat im Gazastreifen Mitglieder der Hamas-Bewegung mit Raketen angegriffen. Die beiden Raketen trafen am 30. Dez. ein Auto in Gaza-Stadt. Elf Menschen wurden verletzt, einer davon schwer, wie Krankenhausmitarbeiter sagten. Die israelischen Streitkräfte erklärten, der Angriff habe sich gegen militante Hamas-Mitglieder gerichtet, die einen Terroranschlag geplant hätten. Hamas-Gründer Scheich Ahmed Jassin kündigte Vergeltung an. Israel werde einen hohen Preis für den Angriff zahlen, drohte Jassin. "Diese Massaker und Verbrechen beweisen, dass Israel die Gewalt sucht und nicht Frieden, Sicherheit und Stabilität", sagte er der Fernsehnachrichtenagentur APTN.

Israel hat angekündigt, die Besiedlung der Golan- Höhen im Grenzgebiet zu Syrien drastisch voranzutreiben. Nach offiziellen Angaben vom 31. Dez. entschied eine Ministerrunde der israelischen Regierung, die Bevölkerungszahl der landwirtschaftlichen Siedlungen um 50 Prozent zu erhöhen.
In Damaskus erklärte ein Regierungssprecher, eine Ausweitung des Siedlungsbaus auf den Golan-Höhen werde jede Chance auf eine Friedenslösung zunichte machen. Der Plan sei Teil der gegen den Frieden gerichteten Politik des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, sagte der Sprecher nach einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur ANA. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Parlament, Suleiman Haddad, sagte am 31. Dez. der Nachrichtenagentur AP: "Der Golan wird immer syrisches Land sein, gleichgültig wie oft Israel die Zahl seiner Siedler dort verdoppelt." Das französische Außenministerium rief Israel auf, den Golan-Plan nicht weiter zu verfolgen. Frankreich und die Europäische Union seien der Auffassung, dass solche Maßnahmen gegen das Völkerrecht verstießen, sagte der Sprecher des Ministeriums, Herve Ladsous. Die US-Regierung hat sich zurückhaltend über die Pläne Israels geäußert, die Besiedlung der Golan-Höhen im Grenzgebiet zu Syrien drastisch auszubauen. Das US- Außenamt erklärte am 31. Dez. in Washington, es könne entsprechende Berichte nicht bestätigen. Sein Amt erwarte Aufklärung von Israel über diese Informationen, sagte Sprecher Adam Ereli.

Bei Protesten gegen den Bau der international umstrittenen israelischen Sperranlage im Westjordanland ist ein Parlamentsabgeordneter aus Schweden festgenommen worden. Wie ein israelischer Polizeisprecher sagte, handelt es sich um einen 20- jährigen Grünen-Parlamentarier. Laut israelischen Rundfunkberichten vom 31. Dez. wurde der Mann leicht verletzt. Israelische Soldaten hatten Tränengas und Hartgummimantelgeschosse auf eine Gruppe von Demonstranten bei Ramallah gefeuert. Die Armee erklärte, die Demonstranten hätten versucht, die Bauarbeiten an der Anlage zu verhindern und Steine geworfen.


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