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Schurke oder Unschuldslamm?

Der Iran und sein umstrittenes Atomprogramm

Von Wolfgang Kötter *

Im Streit um das iranische Nuklearprogramm wird häufig nur in Schwarzweiß gemalt. Die Schattierung richtet sich dabei nach der politischer Ausrichtung des Betrachters und die Rollen sind klar verteilt: Für die einen gilt der Iran als heimlicher Atomwaffenaspirant, der illegal an der Bombe bastelt. Wenn überhaupt könnten ihn nur Druck und Gewalt daran hindern. Entsprechend dem anderen Szenario gibt Teheran das verfolgte Unschuldslamm, das nichts Schlimmes im Schilde führt und die Nuklearenergie ausschließlich friedlich nutzen will. Trotzdem aber werde es haltlos verdächtigt.

Völkerrechtskonform oder vertragsbrüchig?

Möglicherweise aber ist die Wahrheit komplizierter und erfordert, einige grundlegende Zusammenhänge etwas genauer anzuschauen. Dazu gehört die Frage, ob sich der Iran gemäß seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag verhält und die entsprechenden Bestimmungen der Internationale Atomenergieagentur IAEA als dessen Kontrolleur einhält. Iran hat sich mit seinem Beitritt zum Kernwaffensperrvertrag im Jahre 1970 zum Verzicht auf Atomwaffen verpflichtet und schloss vertragsgemäß eine Vereinbarung über Sicherungskontrollen mit der Atomagentur ab. Dieses Kontrollverfahren erwies sich jedoch spätestens nach dem zweiten Golfkrieg 1991 als unzureichend, als klar wurde, dass Irak illegal an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet hatte, ohne von der IAEA entdeckt zu werden. Inzwischen gibt es ein Zusatzkontrollprotokoll, in dem die Staaten sich deutlich schärferen Kontrollen ihrer Nuklearaktivitäten unterwerfen. Teheran hat es im Dezember 2003 unterschrieben, aber bisher nicht ratifiziert, akzeptiert aber freiwillig die umfassenden Inspektionsbestimmungen.



Iran ist kein Neuling auf atomarem Gebiet. Bereits seit Mitte der siebziger Jahre läuft ein Programm zur Uranförderung. Seit 1995 baut Iran mit russischer Unterstützung ein Kernkraftwerk in der Hafenstadt Bushehr am Persischen Golf im Süden des Landes. Es soll kommendes Jahr ans Netz gehen, ein zweiter Reaktor ist bereits vereinbart. Laut Regierungsangaben ist außerdem geplant, eine Uranmine bei Sawand in Zentraliran auszubeuten sowie weitere Anlagen für die Erzanreicherung zu reaktortauglichem Nuklearbrennstoff zu errichten. Teheran will in den kommenden 20 Jahren vor allem mit Russlands Hilfe Atomreaktoren von insgesamt 7000 Megawatt Leistung bauen. Außerdem gibt es im Iran mehr als ein Dutzend weiterer zumeist kleinerer Atomeinrichtungen, die nach offiziellen Angaben der Forschung dienen. Das Ausmaß und die Ausgestaltung all dieser Anlagen, so der Vorwurf der Kritiker, seien mit zivilen Bedürfnissen nicht zu rechtfertigen.



Andererseits ist der Iran gegenwärtig vollständig in das bestehende Regime der nuklearen Nichtverbreitung eingebunden. Auch die von Teheran betriebene Urananreicherung bedeutet an sich keinen Völkerrechtsbruch. Der Nichtverbreitungsvertrag gestattet ausdrücklich die friedliche Nutzung der Kernenergie, einschließlich der Urananreicherung zur Herstellung von Brennstoff für Atomkraftwerke, solange sie unter IAEA-Kontrolle steht. Erst wenn die internationalen Inspektoren nachweisen sollten, dass die Anreicherung von Natururan den für die friedliche Nutzung erforderlichen Anreicherungsgrad übersteigt, wäre das vertragswidrig.

Wo ist der rauchende Colt?

Worauf basieren dann aber die Vorwürfe und Verdachtsmomente? Die IAEA kam nach zahlreichen Überprüfungen zu zwiespältigen Schlussfolgerungen. Erstens hat der Iran heimlich jahrelang Forschungsarbeiten an der Anreicherungstechnik betrieben, statt sie wie gefordert der IAEA zu melden. Außerdem fanden Inspektoren in Gas-Ultra-Zentrifugen Spuren hoch angereicherten Urans. Die iranische Seite erklärte die Uranreste mit Verunreinigungen importierter Elemente und versicherte, selber niemals hochgradig angereichertes Uran produziert zu haben. Die Bauteile stammen nach Ansicht von Experten zwar vermutlich aus Pakistan. Trotzdem hat der Fund waffenfähigen Urans weltweites Misstrauen erzeugt. Die IAEA kritisiert in ihrem Bericht: "Der Iran hat nicht alle notwendigen Informationen geliefert und der Agentur auch den Zugang zu Dokumenten und zu Personen verwehrt." Andererseits hätten die Inspektoren aber "keine Beweise dafür gefunden", dass Iran "gegenwärtig versucht, sein Nuklearprogramm für militärische Zwecke zu nutzen". Grundlage für die unbeantworteten Fragen sind 18 iranische Dokumente, die die Agentur von überwiegend US-amerikanischen Geheimdiensten erhalten hat. Danach soll das Land in den 90er Jahren für die Herstellung von Atomwaffen erforderliche Tests mit hochexplosivem Sprengstoff durchgeführt und Entwicklungsstudien für einen atomaren Raketensprengkopf durchgeführt haben. Um das verspielte Vertrauen wiederzuerlangen, ist der Iran aufgefordert, die Urananreicherung einzustellen und damit seine ausschließlich friedlichen Absichten zu beweisen.

Es könnte sein, dass Iran die Fähigkeiten zur eigenen Kernwaffenherstellung dadurch erreichen will, dass es den gesamten Atomkreislauf - Uranförderung, Herstellung der Brennstäbe und Anreicherung bzw. Wiederaufbereitung - beherrscht. Das in der Uran-Konversionsanlage von Isfahan produzierte Uran-Hexafluorid bzw. das von rund 4000 Gaszentrifugen in Natans angereicherte Uran könnten nach Expertenmeinung zu Ausgangsstoffen für Atombomben werden. Bis auf 6000 Zentrifugen will Teheran den Bestand noch in diesem Jahr aufstocken. Außerdem entsteht ein unterirdischer Schwerwasser-Reaktor für die Produktion waffenfähigen Plutoniums bei Arak. Hier können neben 40 Megawatt Elektroenergie jährlich auch 8 bis 10 kg Plutonium anfallen, genug für zwei nukleare Sprengsätze. Ein weiterer Verdacht richtet sich auf die Kraftwerksanlage "Kalaya Electric Company" nahe Teheran, wo ebenfalls Gaszentrifugen und angereichertes Uran vermutet werden. Nachdem Inspektoren zunächst der Zutritt zu einzelnen Räumen des Werkes verwehrt wurde, erhielten sie später Zugang, stellten jedoch "beträchtliche Veränderungen" fest.

Die mit dem Feuer spielen

Experten gehen davon aus, dass der Iran in ein bis zwei Jahren Atomwaffen besitzen und jährlich 25 bis 30 Sprengköpfe herstellen könnte. Außerdem arbeitet das Militär an einem Raketenprogramm. Die jüngst getestete Schahab-3-Rakete hat eine Reichweite von bis zu 2000 km und kann somit auch Israel erreichen. Jerusalem hat diese Perspektive als existenzielle und nicht akzeptable Bedrohung seiner nationalen Sicherheit bezeichnet. Israels eigenes Atomwaffenarsenal wird auf bis zu 400 Sprengköpfe geschätzt. In letzter Zeit mehren sich Äußerungen israelischer Politiker und Militärs, die einen möglichen präventiven Atomschlag gegen die iranischen Atomanlagen ankündigen. Einem Bericht der "New York Times" zufolge probte die israelische Luftwaffe Anfang Juni über dem östlichen Mittelmeer gezielt einen Angriff auf den Iran. Israel habe keine Angst zu handeln, wenn seine Sicherheitsinteressen bedroht seien, verkündete Verteidigungsminister Ehud Barak. Teheran seinerseits demonstriert mit Raketentests und großangelegten Luftkampfmanövern ebenfalls militärische Stärke. Auch die USA haben wiederholt gedroht. George W. Bush versichert zwar immer wieder, er bevorzuge eine diplomatische Lösung, um dann hinzuzufügen: "Aber die militärische Option bleibt auf dem Tisch." Doch das ist eine höchstgefährliche Politik. Wer mit der militärischen Karte spielt, riskiert in den Worten von IAEA-Chef El Baradei einen "Feuerball", der die gesamte Region in ein Flammenmeer verwandeln würde.

Im geopolitischen Minenfeld

Warum aber, wenn das Risiko so groß ist, betreibt der Iran - teilweise sogar begleitet von provokativen Worten und Taten - sein ambivalentes Atomprogramm, das ihm einen tödlichen Hagel gegnerischer Bomben bescheren könnte? Die Antwort mag verwundern. Gerade weil in Teheran die Angst wächst, nach dem Irak-Krieg könnte Iran das nächste Ziel auf der amerikanischen Liste für militärische Präventivschläge sein, geht es in die Offensive. Anscheinend zieht die iranische Führung aus den Kriegen gegen Afghanistan, Irak und auf dem Balkan sowie aus der Behandlung der neuen Nuklearmacht Nordkorea die Lehre: Nur wer selber Atomwaffen besitzt, ist vor einem Angriff sicher. Aus der Sicht Teherans sind Bedrohungsängste durchaus nachvollziehbar, denn außer den israelischen Nuklearwaffen gibt es weitere Verunsicherungen. Die direkten Nachbarstaaten Irak und Afghanistan sind militärisch von den USA besetzt, von der Kernwaffenmacht also, die Iran auf die "Achse des Bösen" platziert hat. Nicht zuletzt tragen die ebenfalls unmittelbar angrenzenden Atomwaffenstaaten Pakistan und Indien einen Dauerkonflikt mit Eskalationsgefahr aus.

Anscheinend gibt es im Iran noch keine endgültige Festlegung des zukünftigen Kurses. Widersprüchliche Reaktionen auf UNO- und IAEA-Beschlüsse wie auch auf die von den europäischen Staaten unterbreiteten Vorschläge deuten auf gegensätzliche Positionen innerhalb der iranischen Führung hin. Während zuweilen mit einem möglichen Abbruch der Zusammenarbeit und einem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag gedroht wird, beteuern iranische Vertreter bei anderer Gelegenheit Vertragstreue und Kooperationsbereitschaft. Offensichtlich ringen kompromissbereitere Pragmatiker mit fundamentalistischen Hardlinern. Welche Fraktion sich letztlich durchsetzen wird, hängt nicht zuletzt vom geopolitischen Sicherheitsumfeld ab. Unbestreitbar wäre die Entwicklung von Atomwaffen durch Iran, wie jede Weiterverbreitung dieser verheerenden Massenvernichtungswaffen, eine äußerst gefährliche Entwicklung, zumal mit großer Wahrscheinlichkeit in einem Dominoeffekt andere Staaten folgten und die Region weiter destabilisiert würde. Das Londoner Internationale Institut für strategische Studien IISS warnt in einer aktuellen Studie vor einem nukleares Wettrüsten im Nahen Osten: 13 Staaten in der Region hätten seit Anfang 2006 eigene Atomprogramme angekündigt.

Welches ist die richtige Strategie?

Wie sieht nun die Anti-Atomstrategie der anderen Seite aus? Das ist schwer auszumachen, denn anscheinend fehlt ein einheitliches Konzept und es zeigen sich ziemlich deutliche Differenzen. Während die europäischen Staaten eher auf ein Mischkonzept von Zuckerbrot und Peitsche setzen, schwingen die USA und Israel hauptsächlich die Waffenkeule. Weitere wichtige Akteure wie Russland und China mahnen aus politischen und wirtschaftlichen Interessen zur Zurückhaltung und bremsen im UN-Sicherheitsrat schärfere Sanktionen. Allerdings dürften auch sie über einen nuklear bewaffneten Iran nicht glücklich sein. Allmählich scheint auch bei der Bush-Regierung die Erkenntnis zu dämmern, dass der bisherige Kurs gescheitert ist und es verdichten sich Anzeichen für eine Kurskorrektur. Erstmals seit Beginn des Atomstreits nahm mit Außenstaatssekretär William J. Burns auch ein US-Spitzendiplomat direkt am Treffen mit Irans Unterhändler Said Dschalili teil. Außerdem will Washington nach fast 30 Jahren wieder eine diplomatische Repräsentanz im Iran eröffnen und Direktflüge zwischen beiden Ländern gestatten.

Es gehört zu den Grundregeln der Diplomatie, dass Lösungen ein gegenseitiges Geben und Nehmen erfordern. Druck und Sanktionen müssen durch kooperative Angebote ergänzt werden. Dazu gehören Anreize, die auch die iranischen Interessen berücksichtigen. Vorstellbar wären eine Nichtangriffserklärung und Sicherheitsgarantien, die mit der Autorität des UN-Sicherheitsrats politisches Gewicht bekämen. Der wirksamste Weg zu Frieden und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten aber wäre die Schaffung einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone in der Region. Als verlockend könnte sich darüber hinaus die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen erweisen, ebenso wie wissenschaftlich-technische Hilfe und weitere Unterstützung in der Wirtschaft und bei der Stromversorgung. Auch die risikolose Sicherung der Brennstoffversorgung könnte mit einer Auslagerung der Urananreicherung erreicht werden. Ein genereller Vorschlag der IAEA liegt bereits seit längerem auf dem Tisch. Er besteht darin, die "sensitiven Elemente" nuklearer Brennstoffkreisläufe zu multilateralisieren, d.h. in internationalen Kernbrennstoffzentren zu betreiben.

Die aus Deutschland sowie den UN-Vetomächten China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA bestehende Sechsergruppe, die bereits seit Jahren versucht, den Iran von seinem Atomprogramm abzubringen, hat im Sommer eine neue Initiative gestartet. Für einen Stopp der Urananreicherung bietet sie Unterstützung auf den Gebieten Handel, Finanzen, Landwirtschaft und Spitzentechnologie an. Teheran jedoch pocht auf sein Recht zur friedlichen Kernenergienutzung und offeriert als Gegenangebot, gemeinsam gegen den Terrorismus, Drogen, illegale Einwanderung und das organisierte Verbrechen zu kämpfen. Zu einer sofortigen "freeze for freeze"-Option als Einstieg in substantielle Verhandlungen ist die iranische Führung bisher nicht bereit. Danach würden die umstrittene Urananreicherung eingefroren und im Gegenzug weitere Sanktionen auf Eis gelegt. Nach zwischenzeitlichen Irritationen wegen der Ost-West-Differenzen über die Georgienpolitik einigte sich die Sechsergruppe auf einen weiteren Resolutionstext, den der Sicherheitsrat am vergangenen Wochenende einstimmig billigte. Darin wird der Iran erneut aufgefordert, die Urananreicherung zu stoppen und umfassend mit der IAEA zusammenzuarbeiten. Der Rat bekräftigt das Ziel einer raschen Verhandlungslösung, weitere Strafsanktionen werden nicht erwähnt. Die kommenden Wochen und Monate werden nun zeigen, ob es sich wieder einmal nur um eine Sackgasse handelt oder ob diesmal vielleicht wirklich ein Ausweg aus einer der größten Sicherheitsbedrohungen unserer Zeit gefunden werden kann.


Die Herstellung eines nuklearen Sprengsatzes kann auf zwei Wegen erfolgen:
  1. Aus dem Isotop Uran (U 235), das im Naturanerz aber nur zu 0,7% enthalten ist. Zum Bombenbau muss es deshalb mittels Gaszentrifugen auf etwa 90% angereichert werden. Je nach Technologie werden für einen Atomwaffensprengsatz 12 - 25 kg hoch angereichertes Uran benötigt.
  2. Aus Plutonium 239, das aber in der Natur so gut wie nicht vorkommt. Es entsteht, wenn U 238 ein weiteres Neutron einfängt und damit zu Pu 239 wird. Dieses lässt sich spalten. 5 - 8 kg Plutonium reichen für einen Atomsprengsatz aus, sie können beispielsweise bei der Stromerzeugung in einem Kernreaktor ("Schneller Brüter") oder durch die Wiederaufbereitung ausgebrannter Brennstäbe gewonnen werden.

Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Zusammenfassung der Hauptbestimmungen)

Artikel I
Die Kernwaffenstaaten verpflichtet sich, Kernwaffen an niemanden weiterzugeben und Nichtkernwaffenstaaten weder zu unterstützen noch zu ermutigen, Kernwaffen herzustellen oder zu erwerben.

Artikel II
Die Nichtkernwaffenstaat verpflichtet sich, Kernwaffen nicht herzustellen oder zu erwerben.

Artikel III
Kontrolle durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) auf der Grundlage individueller Abkommen.

Artikel IV
Recht auf Erforschung, Erzeugung und Verwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke. Verpflichtung zum Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie.

Artikel V
Recht auf überirdische friedliche Kernexplosionen (obsolet, da aus Umweltgründen keine mehr durchgeführt werden).

Artikel VI
Verpflichtung zu Verhandlungen über Beendigung des nuklearen Wettrüstens, nukleare Abrüstung sowie allgemeine und vollständige Abrüstung unter internationaler Kontrolle.

Artikel VII
Recht zur Bildung kernwaffenfreier Zonen.

Artikel VIII
Bestimmungen für Vertragsänderungen.

Artikel IX
Unterzeichnungs- und Ratifikationsbestimmungen.

Artikel X
Bei Gefährdung der höchsten Landesinteressen Recht auf Rücktritt nach dreimonatiger Kündigungsfrist.

Sicherungsmaßnahmen (Safeguards) der IAEA

Das Überprüfungssystem zum NVV basiert auf nationalen Deklarationen und internationaler Verifikation der nuklearen Brennstoffkreisläufe. Die Regierungen schließen mit der IAEA Abkommen ab, in denen sie sich zur Offenlegung ihrer kerntechnischen Materialien und Tätigkeiten verpflichten. Die IAEA setzt dann analytische Methoden, Umgebungsüberwachung, Satellitenbilder und Inspektionen vor Ort ein, um zu überprüfen, ob die Deklarationen korrekt und vollständig sind. Die periodisch erfolgten Inspektionen in Kernkraftwerken, nuklearen Forschungsanlagen und medizinischen Einrichtungen sollen die Übereinstimmung der gemeldeten mit den tatsächlich vorhandenen Mengen radioaktiven Materials attestieren und damit einer illegalen Abzweigung für den Bau von Atomwaffen vorbeugen. Die Kontrollen dienen zur Vertrauensbildung in das vertragskonforme Verhalten der Mitgliedstaaten bzw. als Frühwarnanlage bei entdeckten Unregelmäßigkeiten.

Die IAEA-Sicherungssystem wird seit 1997 durch ein freiwilliges Zusatzprotokoll verstärkt. Das Protokoll verpflichtet die Staaten, der IAEA umfassendere Informationen zu allen Bereichen ihrer Tätigkeiten in Bezug auf den nuklearen Brennstoffkreislauf zu liefern. Den internationalen Inspektoren werden weitgehende Zugangsrechte und die Nutzungsmöglichkeiten modernster Kontrolltechnologien einschließlich stationärer Kameras, Strahlungsdetektoren und der Entnahme von Umweltproben gewährt. Sie sind berechtigt, unverzüglich und unangemeldet jeden Ort und jede Anlage möglicher Nuklearaktivität oder Lagerstätten von Kernmaterial wie auch alle Elemente des nuklearen Brennstoffkreislaufs zu untersuchen. Bisher wurden 237 Sicherungsabkommen mit 152 Staaten abgeschlossen, das Zusatzprotokoll haben 117 Staaten unterzeichnet, für 88 ist es in Kraft.



* Dieser Beitrag erschien - leicht gekürzt unter dem Titel "Bösewicht oder Unschuldslamm?" - am 1. Oktober 2008 im "Neuen Deutschland". Es ist der erste Teil einer ND-Serie "Konflikt um Iran".


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