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Bundeswehr verschweigt zivile Opfer

Politmagazin: Bei Offensive in Afghanistan 2010 kamen bis zu 27 Unbeteiligte ums Leben *

Bei der größten Militäroffensive der Bundeswehr in Afghanistan hat es entgegen offizieller Verlautbarungen offenbar zahlreiche tote und verletzte Zivilsten gegeben. Das berichtete das WDR-Magazin »Monitor« am Donnerstag vor Ausstrahlung der aktuellen Ausgabe. Nach Recherchen der Reporter kamen bei einem Gefecht im Herbst 2010 bis zu 27 Zivilisten ums Leben, unter ihnen mindestens zwei Kinder. Die Bundeswehr hatte bislang stets beteuert, sie habe »keine Erkenntnisse« über zivile Opfer der viertägigen Operation »Halmazag«.

Das Magazin stützt sich auf die Angaben von Zeugen, Angehörigen der Opfer sowie afghanische Regierungsbeamte. Auch ein Soldat der Bundeswehr, der bei dem Einsatz vor Ort war, hält zivile Opfer für »sehr wahrscheinlich«.

Die Bundeswehr hatte stets erklärt, bei Treffen mit Dorfältesten während und nach der Operation habe es »auch nach explizitem Nachfragen keine Erkenntnisse über zivile Opfer« gegeben. Allerdings war nach »Monitor«-Recherchen ausgerechnet einer der wichtigsten Ältesten des gesamten Distrikts, der den Reportern gegenüber zivile Opfer bezeugte, über kein Treffen informiert worden. Ein weiterer Ältester, der bei einem Treffen dabei war, erklärte gegenüber »Monitor«, er habe die Deutschen explizit auf einen toten Zivilisten hingewiesen.

Die Operation »Halmazag« gilt als erste militärische Offensive der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Unbekannt ist weiterhin die Zahl der zivilen Opfer weiterer Bundeswehroperationen am Hindukusch. Das Bundesverteidigungsministerium hat auf Anfragen der »Monitor«-Redak­tion bisher nicht geantwortet.

Die mutmaßlich höchste Zahl unbeteiligter Opfer hat der damalige Oberst Georg Klein zu verantworten, der am 4. September 2009 den Angriff von US-Kampfflugzeugen auf zwei entführte Tanklastzüge angeordnet hatte. Dabei starben bis zu 142 Menschen, unter ihnen zahlreiche Zivilisten.

* Aus: junge Welt, Freitag, 11. Juli 2014

Auszug aus der Mitteilung des WDR:

Die Operation "Halmazag" gilt als erste militärische Offensiv-Operation der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei dem viertägigen Gefecht wurden auch Artillerie, Kampfflugzeuge, Schützenpanzer und Kampfhubschrauber eingesetzt. Auch ein am Gefecht beteiligter Soldat spricht gegenüber MONITOR davon, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass es zivile Opfer gegeben habe: "Angesichts der Tatsache […] dass es um ein Gebiet ging, das fünf Dörfer umfasste, wo unmittelbar Gefechtshandlungen stattgefunden haben, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass entweder Zivilisten noch in diesem Bereich waren oder auch welche getroffen worden sein könnten", so der ehemalige Soldat.


Zur Reaktion des Verteidigungsministeriums

Am 10. Juli berichtete der WDR:
Mittlerweile hat das Bundesverteidigungsministerium auf die WDR-Recherchen reagiert und will den Vorwürfen nachgehen. Man nehme die Vorwürfe von zivilien Opfern bei einem der größten Militäroffensiven der Bundeswehr in Afghanistan im Jahr 2010 sehr ernst. Die Bundeswehr werde "den Vorfällen gesondert nachgehen", heißt es in einer Stellungnahme des Bundesverteidigungsministeriums. Im Rahmen der damals durchgeführten Nachuntersuchungen (Battle Damage Assessments), so das Ministerium, habe man keine Hinweise auf "diese Vorfälle" gehabt. Allerdings finde jedes BDA auch "dort seine Grenzen, wo Soldaten einer neuen Gefährdung ausgesetzt würden", so das Verteidigungsministerium.




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