Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters,
Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.
Chronik Afghanistan
Januar 2010
Freitag, 1. Januar, bis Sonntag, 3. Januar
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In ihrer Neujahrspredigt kritisierte die EKD-Vorsitzende Bischöfin Margot Käßmann die Afghanistan-Politik der Bundesregierung. Laut Manuskript sagte si u.a. wörtlich: «Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen.» (Hier geht es zur ganzen Neujahrsansprache.)
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Beim Angriff einer unbemannten US-Drohne auf ein pakistanisches
Stammesgebiet an der Grenze zu Afghanistan sind nach pakistanischen
Behördenangaben mindestens drei radikalislamische Aufständische getötet
worden. Zwei Raketen hätten am Morgen des 1. Jan. ein Fahrzeug im Dorf
Ghundikhala in Nord-Waziristan getroffen, sagte ein Vertreter der
pakistanischen Sicherheitskräfte. Das Dorf liegt etwa 15 Kilometer
östlich von Miranshah, der wichtigsten Stadt der Region.
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Nach dem Tod von zehn Zivilisten bei einem NATO-Einsatz in Afghanistan
will die Regierung die beteiligten Soldaten vor Gericht stellen. Die
Verantwortlichen für das Blutbad müssten an die afghanische Justiz
übergeben werden, hieß es in einer Erklärung des Präsidialamtes vom 1.
Jan. in Kabul. Der Tod der zehn Zivilisten am vergangenen Wochenende
hatte die Spannungen zwischen der afghanischen Regierung und den
internationalen Truppen im Land verschärft. Laut einem von Präsident
Hamid Karsai veröffentlichten Untersuchungsbericht, wurden die zehn
Opfer von Soldaten der internationalen Afghanistan-Truppe (ISAF)
erschossen. Die NATO wies die Darstellung zurück. (Siehe unsere
Meldungen vom 28. und 30. Dez. 09)
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Bei einem verheerenden Selbstmordanschlag auf einen Sportplatz in
Pakistans unruhiger Nordwest-Grenzprovinz sind am Neujahrstag
mindestens 95 Menschen ums Leben gekommen, darunter viele Kinder. Dies
berichtete die pakistanische Zeitung «The Nation» im Internet. Mehr als
100 weitere Menschen seien verletzt worden, hieß es unter Berufung auf
Polizei- und Krankenhausangaben. Der Täter hatte sein mit Sprengstoff
beladenes Fahrzeug neben dem Sportplatz im Distrikt Lakki Marwat zur
Explosion gebracht. Den Angaben zufolge hatten sich dort Hunderte
Menschen zu einem Volleyballspiel versammelt. Mehrere umstehende Gebäude
seien schwer beschädigt worden, drei Ladengeschäfte seien zerstört
worden, berichtete die Polizei. Sicherheitskräfte machten
radikal-islamische Extremisten für die Tat verantwortlich. Bisher hat
sich keine Gruppe zu der Tat bekannt.
Der Distrikt grenzt an die Taliban-Hochburg Süd-Waziristan. In dem
Stammesgebiet an der Grenze zu Afghanistan führt das pakistanische
Militär seit Mitte Oktober ein Großoffensive gegen Taliban-Kämpfer und
El-Kaida-Terroristen. Dabei wurden nach Angaben der Armee bislang mehr
als 600 Extremisten getötet. Im Gegenzug verüben die Aufständischen
landesweit immer wieder blutige Anschläge gegen Einrichtungen der
Sicherheitskräfte und zivile Ziele, bei denen in den vergangen zwei
Monaten mehr als 500 Menschen ums Leben kamen.
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Außenminister Guido Westerwelle hat sich dafür ausgesprochen,
schon in diesem Jahr Afghanistan mehr Verantwortung für die Sicherheit
in dem Land zu übertragen. «Bereits auf der Afghanistan-Konferenz in
London sollten wir daran arbeiten, den Übergabeprozess der
Sicherheitsverantwortung an Afghanistan von 2010 an zu beginnen», sagte
der FDP-Vorsitzende dem Nachrichtenmagazin «Focus» laut einem Bericht
vom 2. Jan. Es gehe hier um den Beginn eines Prozesses, an dessen Ende
eine Abzugsperspektive für die Bundeswehrsoldaten stehe.
«Wir sollten den Ehrgeiz haben, wo es regional geht, den Afghanen mehr
Verantwortung für ihr Land zu übertragen», sagte Westerwelle. Er stellte
zugleich erneut klar, dass er nie mit einem Boykott der Konferenz am 28.
Januar gedroht habe. Gleichwohl könne das internationale Treffen keinen
Erfolg haben, wenn es nur um zusätzliche Truppen für Afghanistan gehe.
«Manche halten es schon für eine gute Außenpolitik, wenn man einfach zu
allem ja sagt, was von anderen Regierungen vorgeschlagen wird»,
kritisierte der Außenminister. Sein Anspruch sei, sich selbst eine
Meinung zu bilden und dann mit den Verbündeten gemeinsam eine Strategie
zu entwickeln. Nach Ansicht Westerwelles muss dabei an erster Stelle die
Sicherheit und die Übergabe der Verantwortung dafür an die afghanische
Regierung stehen.
Es gehe auch um die Verbesserung der Regierungsführung vor Ort und den
Kampf gegen Korruption. Afghanistan brauche zudem inneren Frieden und
die Wiedereingliederung von Abtrünnigen. Wichtig seien der Wiederaufbau
und die wirtschaftliche, soziale Entwicklung des Landes. Schließlich
komme es auf regionale und internationale Zusammenarbeit mit den
Nachbarn an. «Sie alle gehören auf die Agenda der
Afghanistan-Konferenz,» forderte der Minister.
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Eine von mutmaßlichen Aufständischen gelegte Bombe hat in Afghanistan
mindestens fünf Zivilisten getötet und sechs weitere verletzt.
Der an einer Straße in der Südwest-Provinz Nimros platzierte Sprengsatz
sei am 1. Jan. hochgegangen, als die Zivilisten im Bezirk Bakwan mit
einem Kleintransporter vorbeifuhren, wie Gouverneur Ghulan Dastagir Asad
am 2. Jan. mitteilte. In der Gegend sind die radikalislamischen Taliban
aktiv. Der Gouverneur machte die Rebellen für die Tat verantwortlich.
Zivilisten sind die Hauptopfer des Konflikts in Afghanistan; allein in
den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres kamen nach Angaben der
UNO mehr als 2000 gewaltsam ums Leben, die meisten von ihnen durch
Anschläge und Angriffe von Aufständischen.
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Bei einem Luftangriff der internationalen Truppen in Afghanistan sind
nach Behördenangaben sieben Zivilpersonen getötet worden. Der
Einsatz in Laschkar Gah in der Provinz Helmand sei am 30. Dez. 09
erfolgt, teilte Gouverneur Dawud Ahmadi am 2. Jan. mit. Präsident Hamid
Karsai habe die Stadt besucht und den Angehörigen der Opfer sein Beileid
ausgesprochen. Bei dem Angriff wurden demnach außerdem zwei
Taliban-Kämpfer getötet.
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Ungeachtet internationaler Forderungen nach einer vorherigen Wahlreform
soll in Afghanistan am 22. Mai ein neues Parlament gewählt
werden. Diesen Termin nannte der Chef der Wahlkommission, Ali Nadschafi
am 2. Jan. vor Journalisten in Kabul. Das Land brauche allerdings rund
50 Millionen Dollar (35 Millionen Euro), um die auf 120 Millionen Dollar
geschätzten Kosten der Abstimmung begleichen zu können, fügte er hinzu.
Unklar blieb zunächst, ob die Wahl auch stattfinden könnte, wenn die
internationalen Geldgeber die notwendigen Zuschüsse verweigern sollten.
Man sei sich darüber im Klaren, dass die Vereinten Nationen gewisse
Reformen am Wahlgesetz gefordert hätten, erklärte Nadschafi. Dies aber
liege in der Hand des afghanischen Parlaments. Die Wahlkommission habe
keine offiziellen Warnungen erhalten, dass die internationale
Gemeinschaft die Wahl nicht unterstützen könnte.
Eine US-Delegation hatte diese Möglichkeit allerdings bei einem
kürzlichen Besuch in Kabul angedeutet. Angesichts weitverbreiteten
Wahlbetrugs bei der Präsidentenwahl vom vergangenen August halten
internationale Beobachter eine Reform des afghanischen Wahlrechts für
unabdingbar, so dass eine Verschiebung der Abstimmung vorgeschlagen
wurde. Präsident Hamid Karsai bestand indessen auf dem Mai-Termin, der
von der Verfassung vorgegeben sei.
Eine andere Frage ist die Sicherheit während der Wahl. Nadschafi
erklärte, in den am meisten von Anschlägen bedrohten Gebieten würden
keine Wahllokale eingerichtet. Die Stimmberechtigten könnten dann aber
in Nachbarregionen wählen. Diese Regelung galt schon bei der
Präsidentenwahl in insgesamt zehn Stimmbezirken.
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Die USA haben dem Jemen weitere Unterstützung im Kampf gegen das Terrornetzwerk El Kaida zugesichert. Wie die amtliche jemenitische Nachrichtenagentur Saba am 2. Jan. meldete, traf der für den Irak und Afghanistan zuständige US-General David Petraeus in Sanaa den jemenitischen Präsidenten Ali Abdallah Saleh und bekräftigte die Unterstützung seines Landes beim Anti-Terror-Kampf. Petraeus habe eine Botschaft von US-Präsident Barack Obama überbracht, in der es um die Zusammenarbeit beider Länder im Kampf gegen Terrorismus und Piraterie ging. Petraeus habe dem Land zu seinen "erfolgreichen Operationen" gegen das Terrornetzwerk El Kaida gratuliert, meldete Saba.
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Der Deutsche Bundeswehrverband fordert von der Bundesregierung
eine ehrliche Bilanz des bisherigen Einsatzes deutscher Soldaten in
Afghanistan. Anders mache eine Debatte über eine etwaige
Truppenverstärkung am Hindukusch keinen Sinn, sagte der Vorsitzende
Ulrich Kirsch der «Rheinpfalz am Sonntag» (Ausgabe vom 3. Jan.). Eine
Bestandsaufnahme sei «überfällig». Man müsse genau analysieren, was
bisher militärisch erreicht worden sei und welche Veränderungen nötig seien.
Nach Kirschs Ansicht sollte auch überlegt werden, deutsche
Truppenkontingente aus konfliktärmeren Regionen in besonders umkämpfte
Gebiete wie Kundus zu verlegen. Dort sei eine Verstärkung der
Infanteriekräfte dringend nötig. Zugleich fordert Kirsch vom Bundestag,
«endlich Rechtssicherheit für den besonders schwierigen Einsatz in
Kundus zu schaffen». Das Parlament als Auftraggeber habe die deutschen
Soldaten bislang über den Charakter des Einsatzes im Unklaren gelassen,
kritisierte er. Der Bundestag müsse erklären, dass es sich
völkerrechtlich um einen nichtinternational bewaffneten Konflikt handle,
bei dem die Bundeswehrangehörigen Aufständischen gegenüber stehe. Diese
Klarstellung müsse Bestandteil des Mandats werden.
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Vier Wochen vor der internationalen Afghanistan-Konferenz hat Staatschef Hamid Karsai eine schwere innenpolitische Schlappe erlitten: Bei einer Abstimmung im Parlament am 2. Jan. in Kabul fielen 17 der 24 von ihm nominierten Minister durch, wie Parlamentspräsident Mohammed Junus Kanoni am 3. Jan. sagte. Der UN-Sondergesandte Kai Eide sprach von einem "politischen Rückschlag".
Nur sieben der 24 vorgeschlagenen Kandidaten seien von den Abgeordneten bestätigt worden, sagte Kanoni. Darunter waren jedoch die wichtigsten Ressorts. Im Amt bleiben die Minister für Inneres und Verteidigung, Mohammed Hanif Atmar und Abdul Rahim Wardak, die auch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft haben. Gebilligt wurden zudem Karsais Vorschläge für die Ressorts Finanzen, Bildung, Kultur, Landwirtschaft und Industrie.
Abgelehnt wurde unter anderen der Warlord Ismail Khan, den Karsai an die Spitze des Wasser- und Energieministeriums berufen wollte. Seine Nominierung wurde weithin als Belohnung für die Unterstützung gesehen, die Khan Karsai im Präsidentschaftswahlkampf gewährt hatte. Überraschend war, dass auch die einzige nominierte Frau das Vertrauen der Abgeordneten nicht erhielt. Husn Banu Ghasanfar, der bisherigen Ministerin für Frauenangelegenheiten, fehlten zwei Stimmen für den Verbleib im Amt.
Nicht zur Abstimmung stand der 25. Ministerposten, nämlich der des Außenministers. Hierüber solle erst nach der Afghanistan-Konferenz in London Ende Januar abgestimmt werden, sagte Parlamentssprecher Hasib Nuri. Zu der Konferenz werde der amtierende Chefdiplomat Rangin Dadfar Spanta reisen.
Der UN-Sondergesandte Eide zeigte sich enttäuscht. "Dies verlängert die Situation ohne funktionierende Regierung, die seit Sommer andauert", sagte er vor Journalisten. "Das ist besonders Besorgnis erregend in einem Konfliktland, das vor so vielen Herausforderungen steht und sich auf dringende Reformen konzentrieren muss." Der frühere Regierungschef und jetzige Abgeordnete Ahmad Scha Ahmadsai forderte Karsai zum Rücktritt auf.
Die Ministerien, deren designierte Ressortchefs nicht das Votum der Abgeordneten erhielten, werden bis auf weiteres von den Vize-Ministern geleitet. Meist sind es unerfahrene junge Bürokraten, die wenig Macht und keine langfristigen Strategien haben. Nach Angaben Nuris kann ein durchgefallener Kandidat kein zweites Mal aufgestellt werden. Da das Parlament am 5. Januar für 45 Tage in die Winterpause geht, wird Karsai neue Vorschläge erst wieder ab dem 20. Februar vorlegen können.
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Nach zunehmenden Hinweisen auf eine terroristische Bedrohung im Jemen haben die USA und Großbritannien am 3. Jan. ihre Botschaften in dem Land geschlossen. Grund seien wiederholte Drohungen von Al Kaida, erklärten die amerikanischen Behörden. Das Außenministerium in London begründete die Entscheidung mit Sicherheitsbedenken. Außerdem wollen beide Staaten eine Spezialeinheit zur Terrorabwehr im Jemen finanziell unterstützen, wie das Büro von Premierminister Gordon Brown mitteilte.
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Die Taliban haben jede Beteiligung an der Entführung zweier Franzosen in Afghanistan dementiert. "Wir sind nicht darin verwickelt", sagte ein Taliban-Sprecher am Sonntag in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP. Die beiden französischen Fernsehjournalisten waren am 30. Dez. 09 gemeinsam mit drei afghanischen Begleitern nördlich von Kabul verschleppt worden (unsere Chronik vom 31. Dez.). Hinter der Tat waren sogleich Taliban vermutet worden.
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Bei einem US-Luftangriff auf ein Haus in Pakistan sind am 3. Jan. zwei mutmaßliche Aufständische getötet worden. Eine unbemannte Drohne habe Raketen auf ein Haus und ein Auto in Nord-Waziristan abgefeuert, teilten die pakistanischen Behörden mit. Möglicherweise hätten sich weitere Rebellen in dem Haus versteckt, weswegen mit weiteren Toten zu rechnen sei. Der Luftangriff galt dem Dorf Mosakki 25 Kilometer östlich von Miranshah, der wichtigsten Stadt in Nord-Waziristan. Es war der dritte Drohnenangriff in weniger als einer Woche in Nord-Waziristan, einer Hochburg von Taliban, El-Kaida-Kämpfern sowie des Netzwerks Haqqani, das für zahlreiche Angriffe auf US- und NATO-Truppen in Afghanistan verantwortlich gemacht wird.
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Bei dem Taliban-Anschlag auf CIA-Agenten in Afghanistan ist auch ein ranghohes Mitglied des jordanischen Geheimdienstes getötet worden. Wie die Zeitung "Washington Post" am 3. Jan. unter Berufung auf die amtliche jordanische Nachrichtenagentur Petra berichtete, starb bei dem Angriff am 30. Dez. 09 auf dem Stützpunkt Chapman in der ostafghanischen Provinz Chost auch der jordanische Oberst Ali bin Seid. Petra würdigte diesen demnach als "Märtyrer", der bei der Erfüllung einer "heiligen Aufgabe der jordanischen Streitkräfte" in Afghanistan ums Leben gekommen sei.
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Am 3. Jan. wurden in der südafghanischen Provinz Kandahar vier US-Soldaten durch einen Sprengsatz getötet. Die Taliban bekannten sich zu dem Anschlag. In der an Kandahar grenzenden Provinz Helmand kam ebenfalls am 3. Jan. ein britischer Soldat ums Leben. Er sei während einer Fußpatrouille durch einen Sprengsatz getötet worden, teilte das Verteidigungsministerium in London mit.
Die fünf Soldaten sind die ersten Todesopfer der ISAF in diesem Jahr. In Afghanistan sind rund 113.000 ausländische Soldaten stationiert. Für die internationalen Truppen war 2009 mit rund 520 Toten das verlustreichste Jahr seit dem Einmarsch 2001, wie aus Zahlen der unabhängigen Internetseite www.icasualities.org hervorgeht.
Montag, 4. Januar, bis Sonntag, 10. Januar
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Bischöfin Margot Käßmann ist der scharfen Kritik an ihren Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz in ihrer Neujahrspredigt entgegengetreten. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte der «Bild»-Zeitung (Ausgabe vom 4. Jan.), sie habe nie den sofortigen Abzug der Bundeswehr gefordert. «Aber für unsere Kirche ist klar: Wir brauchen einen erkennbaren Plan für den Abzug», wird sie zitiert. «Immer mehr Militär zu schicken, ist doch offensichtlich keine Lösung und bringt keinen dauerhaften Frieden», sagte Käßmann weiter. Den Vorwurf, sie lasse die deutschen Soldaten im Stich, wenn sie als oberste Protestantin so predige, wies sie vehement zurück. «Das ist eine perfide Unterstellung. Ich bin schockiert, was so aus meiner Predigt gemacht wird», sagte sie. Käßmann betonte: «Katholische wie evangelische Geistliche begleiten unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan beim Einsatz und auch danach. Wir sprechen mit Traumatisierten, und wir begraben die Toten, wenn sie nach Deutschland zurückkehren und stehen ihren Angehörigen bei.»
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Vertreter westlicher Geheimdienste befürchten einen «ungewissen Ausgang» der für den 28. Januar geplanten Afghanistan-Konferenz in London. «Wenn sich die Differenzen zwischen den einzelnen Nationen, die Truppen in Afghanistan im Einsatz haben, nicht legen, wird ein positiver Ausgang der Beratungen infrage gestellt sein», erklärten Geheimdienstler verschiedener Länder übereinstimmend am 4. Jan in der afghanischen Hauptstadt Kabul und in Washington. Trotz aller Absichten, die radikalislamischen Taliban am Hindukusch und die Al-Qaida-Kämpfer zurückzudrängen, werde wahrscheinlich auf der Konferenz letztlich der «Abgang» der internationalen Truppen aus Afghanistan beschlossen, war von den Geheimdienstexperten zu hören. Auch bei der Bundesregierung zeichnet sich ab, die Voraussetzungen für einen militärischen Abzug aus Afghanistan zu schaffen. Als brisantes Konferenzthema wird auch die von den USA im Jemen eröffnete «dritte Front» gegen die islamistischen Kämpfer erwartet. Die Vorstellungen, schon in diesem Jahr mit der Übergabe der Eigenverantwortung in den verwaltungs- und sicherheitsrelevanten Bereichen an die Afghanen zu beginnen, wurde von den Geheimdienstlern als «illusorisch» bezeichnet. Die Bemühungen, eine gut funktionierende afghanische Armee und Polizei aufzubauen, hätten bislang zu keinem «durchschlagenden Erfolg geführt». Es werde im Westen nicht darüber berichtet, wie oft für das einheimische Militär und die Polizei ausgebildete Afghanen zu den Milizen von Warlords und anderen Stammesführern wegen der wesentlich besseren Bezahlung «überwechseln». Es gebe «da einen ziemlichen Schwund», berichtete ein CIA-Mann. (ddp. 4. Jan.)
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In Pakistan müssen sich seit dem 4. Jan. fünf Amerikaner vor einem Anti-Terror-Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, Anschläge geplant zu haben. Die Staatsanwaltschaft will gegen die muslimischen US-Bürger aus dem Großraum Washington lebenslange Haftstrafen verhängen lassen. Sie waren Anfang Dezember 2009 in der ostpakistanischen Stadt Sargodha festgenommen worden. Die Männer im Alter von 19 bis 25 Jahren wiesen die Vorwürfe bei der Anhörung am 4. Jan. zurück. Sie hätten weder innerhalb noch außerhalb Pakistans Anschläge durchführen wollen, sagte ihr Anwalt Ameer Abdullah Rokri. Sie hätten lediglich ihren muslimischen Brüdern in Afghanistan helfen wollen, die Opfer westlicher Kräfte geworden seien. Ob die Männer dort gegen die Koalitionstruppen kämpfen oder humanitäre Hilfe leisten wollten, sagte Rokri nicht. Das Gericht gab der Polizei nach Angaben des Anwalts zwei Wochen Zeit, um die Terroranklage vorzubereiten.
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UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat verstärkte Bemühungen und einen neuen Ansatz beim Wiederaufbau Afghanistans gefordert. Wenn der zivile Einsatz nicht unter einem «Schirm der Vereinten Nationen» koordiniert werde, könnte sich die Sicherheitslage am Hindukusch unwiderruflich verschlechtern, warnte Ban am 4. Jan. in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat. Die internationale Schutztruppe ISAF solle ihren Einsatz unter der Leitung einer Zivilperson bündeln, erklärte der UN-Generalsekretär weiter. Sollten sich die negativen Entwicklungen bei den Themen Wahlen und Sicherheit in Afghanistan fortsetzen, drohe die Gesamtsituation irreversibel abzugleiten.
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Der oberste Geheimdienstvertreter der USA in Afghanistan, Michael Flynn, hat ein verheerendes Bild des US-Nachrichtendienstes am Hindukusch gezeichnet. Die US-Agenten in Afghanistan seien "noch immer unfähig, fundamentale Fragen zu beantworten über das Umfeld, in dem wir im Einsatz sind, sowie über die Menschen, die wir versuchen zu schützen und zu überzeugen", schreibt der Generalleutnant in einem Bericht, der am 4. Jan. auf der Internetseite des Instituts Center for a New American Security veröffentlicht wurde. Die Probleme der US-Aufklärung seien "einstellungsbedingt, kulturell und menschlich".
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Die Kritik an Bischöfin Margot Käßmann wegen ihrer Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr reißt nicht ab: Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, warf der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vor, es sich mit ihren Aussagen zu einfach zu machen («Ruhr Nachrichten», 5. Jan.). Ähnlich äußerte sich die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP, Elke Hoff, die Käßmann zugleich aufforderte, sich in Afghanistan selbst ein Bild zu machen, bevor sie ein so dezidiertes Urteil fälle («Leipziger Volkszeitung», 5. Jan.).
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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat Bischöfin Margot Käßmann zu einem Gespräch eingeladen. In einem Interview mit der «Leipziger Volkszeitung» (5. Jan.) sagte Guttenberg: «Ich habe Frau Käßmann eingeladen, ein Gespräch mit mir zu führen. Ich will zunächst einmal selbst von der Bischöfin im Zusammenhang hören, wie sie zu dieser Einschätzung gekommen ist.»
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Mit einem eigenen Konzept einschließlich eines deutschen Vorschlags über die Zahl der zukünftig eingesetzten Bundeswehrsoldaten am Hindukusch will die Bundesregierung in die internationale Afghanistan-Konferenz in London Ende Januar gehen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kündigte in der «Leipziger Volkszeitung» eine entsprechende Initiative an. «Die Bundesregierung wird für die internationale Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London eigene Vorschläge unterbreiten. Diese werden nicht lediglich Vorschläge zur zukünftigen Truppenstärke beinhalten», wurde der CSU-Politiker weiter zitiert. «Unser Grundsatz lautet: Eine sichere Zukunft für Afghanistan ist nicht allein militärisch zu gewinnen.» Entscheidend werde die Konzentration auf zivile Maßnahmen sein, damit Afghanistan einer selbstbestimmten Zukunft in Sicherheit entgegensehen könne. «Entscheidungen sind noch nicht getroffen», versicherte zu Guttenberg. Er stellte dem Blatt zufolge allerdings klar: «Die immer mal wieder genannte Zahl von 2.500 zusätzlichen Soldaten ist nicht realistisch.»
Auszug aus dem Guttenberg-Interview
Frage: Ist es denkbar, dass Sie als Verteidigungsminister demnächst, wie von den USA und von Nato-Militärs gefordert, 7000 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan im Einsatz haben werden?
zu Guttenberg: Die Bundesregierung wird für die internationale Afghanistankonferenz Ende Januar in London eigene Vorschläge unterbreiten. Diese werden nicht lediglich Vorschläge zur zukünftigen Truppenstärke beinhalten. Unser Grundsatz lautet: Eine sichere Zukunft für Afghanistan ist nicht allein militärisch zu gewinnen. Entscheidend wird die Konzentration auf zivile Maßnahmen sein, damit Afghanistan einer selbstbestimmten Zukunft in Sicherheit entgegensehen kann. Entscheidungen sind noch nicht getroffen. Die immer mal wieder genannte Zahl von 2500 zusätzlichen Soldaten ist nicht realistisch.
Frage: Ist Außenminister Westerwelle eher für das Nein zu mehr deutschen Afghanistan-Truppen zuständig, während Sie, auch in der Gruppenpflicht der Nato-Verteidigungsminister, eher bereit sind, den Wünschen der USA nach zusätzlichen Truppen nachzukommen?
zu Guttenberg: Das täuscht. Ich bin niemand, der sich einem Gruppenzwang unterwirft. Zu meiner Meinungsbildung brauche ich auch keine Vorgabe aus den USA. Der isolierte Ruf nach mehr Kampftruppen wird dem bisherigen deutschen Engagement nicht gerecht. Natürlich kämpfen unsere Truppen auch. Aber wir stehen besonders für mehr und gute Ausbildung von Sicherheitskräften.
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Afghanistans Außenminister Rangin Dadfar Spanta hat der internationalen Gemeinschaft vorgeworfen, die Regierung in Kabul mit zu wenig Geld und Einfluss auszustatten, um die Probleme des Landes alleine lösen zu können. Die Regierung von Präsident Hamid Karsai verfüge nur über 20 Prozent der internationalen Hilfsmittel, werde aber "für alle Verfehlungen" beim Aufbau verantwortlich gemacht, sagte Spanta der "Frankfurter Rundschau" (Ausgabe vom 5. Jan.). 80 Prozent der Mittel kontrollierten die Geberländer. Das Geld müsse transparenter verteilt und effizienter eingesetzt werden, sagte Spanta und kritisierte damit indirekt vor allem die USA.
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In Nordafghanistan sind 14 Taliban bei der vorzeitigen Explosion einer Bombe getötet worden. Nach Polizeiangaben aus der Region Kundus vom 5. Jan. wurden die Aufständischen getötet, als sie Sprengstoff in einem Kleinbus deponierten, um eine Autobombe zu bauen, und die Bombe frühzeitig hochging. Der Vorfall ereignete sich bereits am Abend des 4. Jan. in der Stadt Kundus in der gleichnamigen Provinz. Provinzgouverneur Mohammed Omar bestätigte den Vorfall.
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Die Winterkälte bedroht nach Angaben der Vereinten Nationen Hunderttausende Afghanen. Allein 200 000 Menschen sollen durch ein Hilfsprogramm der UN und der Kabuler Regierung versorgt werden, sagte ein Sprecher der Organisation am 5. Jan. in New York. Schnelle Hilfe sei nötig, weil die Temperaturen jetzt noch einmal deutlich fallen würden. Allerdings ist die Ausrüstung nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats in diesem Jahr deutlich besser als im vergangenen Jahr. Den Menschen könnten erheblich mehr Hilfsgüter angeboten werden, darunter warme Kleidung und Gaszylinder zum Heizen und Kochen. Zudem stünden für jede Familie sechs Decken zur Verfügung. Im vergangenen Winter waren es drei. In den östlichen Gebieten des Landes seien mehr als 5000 Tonnen Weizen eingelagert worden. Damit sei das Welternährungsprogramm vorbereitet, sollte der Winter die Straßen in der Region wieder unpassierbar machen. Aus dem gleichen Grunde habe die Weltgesundheitsorganisation die Krankenhäuser im Osten Afghanistan mit Vorräten versorgt.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht die Afghanistanpolitik offenbar zur Chefsache. Die Düsseldorfer «Rheinische Post» (Ausgabe vom 6. Jan.) berichtete vorab unter Berufung auf Regierungskreise, ein Kabinettsausschuss unter Merkels Führung solle die gemeinsame Linie für die Afghanistankonferenz gut in drei Wochen in London ausarbeiten. Zu den Mitgliedern des Ausschusses, der am 4. Jan. zum ersten Mal im Kanzleramt zusammengekommen sei, gehörten Außenminister Guido Westerwelle, Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (beide FDP), Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Innenminister Thomas de Maizière und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (beide CDU).
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In Afghanistan sind am 6. Jan. bei drei Anschlägen neun Menschen, unter ihnen vier Kinder, getötet worden. Wie ein Sprecher der NATO-Truppe ISAF und örtliche Behörden mitteilten, wurden außerdem mehr als 60 Menschen verletzt, darunter neun NATO-Soldaten.
Bei der Explosion eines Sprengsatzes in der Nähe einer Schule in der Provinz Nangarhar kamen vier afghanische Kinder und ein Polizist ums Leben, 43 Menschen erlitten Verletzungen.
Bei einem weiteren Anschlag in derselben Provinz starben vier afghanische Polizisten.
In der Stadt Chost an der Grenze zu Pakistan wurden zehn Menschen verletzt, als dort auf dem Marktplatz eine Bombe hochging.
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Bei Gewalttaten in Afghanistan sind nach Angaben einer afghanischen Menschenrechtsgruppe im vergangenen Jahr mehr als tausend Kinder getötet worden. "2009 wurden täglich mindestens drei Kinder bei kriegsbedingten Zwischenfällen getötet", heißt es in einem am 6. Jan. veröffentlichten Bericht der Organisation Afghanistan Rights Monitor (ARM). "Eine starke Zunahme der Gewalt, die Kinder betrifft, hat 2009 zu dem tödlichsten Jahr für sie seit dem Fall der Taliban 2001 gemacht", sagte ARM-Direktor Adschmal Samadi dem Bericht zufolge.
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Die EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Margot Käßmann, hat sich erneut für eine vorrangig zivile Lösung des Afghanistan-Konfliktes ausgesprochen. «Als Evangelische Kirche in Deutschland haben wir immer einen 'Vorrang für Zivil' gefordert und sehen militärische Gewalt lediglich als dem zivilen Aufbau dienend», sagte die Bischöfin am 6. Jan. beim Epiphanias-Empfang der Hannoverschen Landeskirche im Kloster Loccum. Die Ultima Ratio eines militärischen Einsatzes dürfe auch um der Soldaten Willen nicht zum Normalfall werden. Die Landesbischöfin Hannovers mahnte zudem eine Rückzugsstrategie der Bundeswehr für Afghanistan an: «Es ist doch auch die Sorge um unsere Soldatinnen und Soldaten, die mich fragen lässt, ob wir nicht eine klare Exit-Strategie brauchen», sagte sie. «Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen», fügte sie hinzu. Dies könne manchmal mehr bewirken als abgeklärtes Einstimmen in einen vermeintlich pragmatischen Ruf zu den Waffen.
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Unter den acht Todesopfern eines Selbstmordanschlags auf einem CIA-Stützpunkt in Afghanistan (siehe unsere Chronik vom 30. Dez. 2009) sind auch zwei Mitarbeiter der einstigen Sicherheitsfirma Blackwater. Bei einem der beiden handelt es sich um einen 35-jährigen Mann, wie aus einer am 6. Jan. in den USA veröffentlichten Todesanzeige hervorgeht. Im zweiten Fall bestätigte die Witwe des Opfers der Zeitung «The News Tribune» in Tacoma im US-Staat Washington, dass ihr 46 Jahre alter Mann bei der inzwischen in Xe Services umbenannten Sicherheitsfirma gearbeitet habe. Das im US-Staat North Carolina ansässige Unternehmen selbst wollte die Angaben nicht bestätigen.
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Nach dem Selbstmordattentat auf CIA-Agenten in Afghanistan haben die USA islamische Extremisten im pakistanischen Grenzgebiet noch stärker ins Visier genommen. Bei zwei Luftangriffen mit Drohnen wurden am 6. Jan. in Nord-Waziristan mindestens 13 Menschen getötet. Die Opfer hielten sich in zwei Häusern in der Region Datta Khel auf, die von Raketen zerstört wurden, wie aus pakistanischen Geheimdienstkreisen verlautete. Für die wiederholten Angriffe mit Drohnen sind demnach die US-Streitkräfte verantwortlich.
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Der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Kai Eide, hat einen Strategiewechsel für das Land gefordert, wenn die internationale Mission nicht scheitern solle. Er sei "tief beunruhigt" über negative Entwicklungen in Afghanistan, sagte Eide am 6. Jan. vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Eine neue Übergangsstrategie müsse den Afghanen ermöglichen, für ihre eigene Zukunft verantwortlich zu sein. Sie müsse auf einem "systematischen Aufbau ziviler Institutionen" basieren, die die Regierung zur Entwicklung der Wirtschaft befähige, fügte Eide hinzu.
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Bei einem Anschlag im Osten Afghanistans ist der Gouverneur der Provinz Chost leicht verletzt worden. Vor dem Sitz der Provinzregierung explodierte am 7. Jan. ein in einem Mülleimer versteckter Sprengsatz, wie das Innenministerium mitteilte. Dabei seien mehrere Fenster zu Bruch gegangen, Gouverneur Tahr Chan Sabari habe eine Schnittverletzung erlitten. Chost liegt an der Grenze zu Pakistan.
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Die Bundesregierung will sich einem Zeitungsbericht zufolge stärker bei der Polizistenausbildung in Afghanistan engagieren. Wie die "Financial Times Deutschland" am 7. Jan. unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, will Deutschland auf der internationalen Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London vorschlagen, mehr afghanische Sicherheitskräfte zu qualifizieren als bisher geplant. Die Bundesregierung hält demnach eine Stärke von insgesamt 110.000 afghanischen Polizisten für sinnvoll. Das seien 30.000 Polizisten zusätzlich. An deren Ausbildung wolle sich Deutschland beteiligen. Die Bundesregierung reagiere damit auf die US-Forderung nach mehr Soldaten für Afghanistan, berichtete die Zeitung weiter.
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Bei einem Selbstmordanschlag auf einen privaten Sicherheitskonvoi sind am 7. Jan. im Osten Afghanistans mindestens acht Menschen getötet worden. Weitere 24 Menschen seien verletzt worden, teilte ein Sprecher des Gouverneurs der Provinz Paktia mit. Der Anschlag habe sich in der Provinzhauptstadt Gardes ereignet. Der Selbstmordattentäter habe sich zu Fuß dem Konvoi vor einer Bank genähert und dann seinen Sprengsatz gezündet. Unter den Todesopfern seien auch zwei Mädchen.
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Trotz Bedenken der internationalen Gemeinschaft will die afghanische Regierung an den für Mai geplanten Parlamentswahlen festhalten. Die Wahlen sollten wie vorgesehen am 22. Mai stattfinden, teilte der stellvertretende Chef der Unabhängigen Wahlkommission (IEC), Daud Ali Nadschafi, am 7. Jan. in Kabul mit. "Wir haben von den vergangenen Wahlen gelernt", sagte Nadschafi. "Wir werden keine Wahlurnen mehr in Regionen aufstellen, in denen die Sicherheit nicht gewährleistet ist." Besonders häufig kam es zu Wahlbetrug in Gegenden, in denen die radikalislamischen Taliban wieder auf dem Vormarsch sind.
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Zwei ehemalige Mitarbeiter der in der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush florierenden Sicherheitsfirma Blackwater sind in den USA wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt worden. Wie das Justizministerium in Washington am 7. Jan. mitteilte, wird ihnen zur Last gelegt, im Mai 2009 in der afghanischen Hauptstadt Kabul zwei Afghanen getötet und einen weiteren verletzt zu haben.
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Bei einem Anschlag im Osten Afghanistans ist ein US-Soldat ums Leben gekommen. Der Soldat sei am 7. Jan. bei der Explosion eines am Straßenrand versteckten Sprengsatzes getötet worden, teilte die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF am 8. Jan. mit.
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Drei Wochen vor der internationalen Afghanistan-Konferenz sieht sich der afghanische Präsident Hamid Karsai nicht auf die "Gunst" westlicher Länder angewiesen. "Ich brauche nicht die Gunst der internationalen Gemeinschaft", sagte der Staatschef in einem Interview, das am 8. Jan. veröffentlicht wurde. Die westlichen Truppen seien in Afghanistan, um den Terrorismus zu bekämpfen, "und wir arbeiten mit ihnen zusammen für ein Ziel, die Sicherheit und die Stabilität Afghanistans". Dabei müssten die Soldaten der NATO-gestützten Truppen Afghanistan und seine Regierung respektieren. "Unsere Armut darf kein Grund sein, uns lächerlich zu machen oder uns zu beleidigen", sagte Karsai. Afghanistan sei ein gutes Beispiel für Demokratie und habe in den Bereichen Bildung und Wirtschaft Fortschritte gemacht. "In Sachen Sicherheit sind wir gescheitert", räumte er allerdings ein.
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Die CSU erwartet von der Londoner Afghanistan-Konferenz eine klare Abzugsperspektive für die Bundeswehr. Die Konferenz müsse ein umfassendes außen- und sicherheitspolitisches Konzept für die gesamte Region erarbeiten, forderte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich am 8. Jan. zum Abschluss der Klausurtagung in Kreuth. Dieses müsse «einen zeitlichen Korridor für den Abzug der deutschen und internationalen Truppen» aufzeigen. Zentral sei die Stabilisierung der Region auch auf ziviler Ebene, betonte Friedrich. «Erst in zweiter Linie stellt sich dann die Frage, auf welcher Stufe braucht man welche militärischen Einrichtungen und Truppenstärken.» Spekulationen über eine Aufstockung des deutschen Kontingents um 2.500 Soldaten seien «völlig abwegig».
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Bei einer Explosion in der südpakistanischen Stadt Karachi sind am 8. Jan. acht Menschen getötet worden. Nach Angaben der Polizei wurde die Detonation in einem Wohnhaus durch dort gelagerten Sprengstoff ausgelöst, bei den Opfern handele es sich vermutlich um militante Islamisten. In dem Haus seien radikale Schriften gefunden worden, sagte der Polizeibeamte Raja Omar Chatab. Zwei Personen seien festgenommen worden.
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Im Nordwesten Pakistans wurden am 8. Jan. bei einem vermutlich von den USA ausgeführten Raketenangriff nach Angaben aus pakistanischen Geheimdienstkreisen vier Menschen getötet. Der Angriff in der Region Nord-Waziristan nahe der Grenze zu Afghanistan war der sechste innerhalb von acht Tagen.
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In Afghanistan sind erneut zwei NATO-Soldaten ums Leben gekommen. Bei einem Bombenanschlag im Süden des Landes wurde am 8. Jan. ein dänischer Soldat getötet, wie die Streitkräfte mitteilten. Fünf weitere erlitten teils schwere Verletzungen. Die Soldaten wurden nach der Detonation in ein Feldlazarett geflogen, und einer starb nach Militärangaben auf dem Weg im Flugzeug. Seit 2002 sind damit bereits 29 dänische Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen.
Nach NATO-Angaben vom 9. Jan. erlag ein weiterer Soldat am 8. Jan. seinen Verletzungen, die er bei einem Unfall im Westen des Landes erlitten hatte.
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Der schwedische Diplomat und frühere UN-Gesandte für den Irak, Staffan de Mistura, soll nach Angaben der US-Regierung neuer Afghanistan-Beauftragter der Vereinten Nationen werden. Der US-Beauftragte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, sagte am 9. Jan. dem Blog "The Cable" des US-Magazins "Foreign Policy", er sei "sehr erfreut", dass die UNO de Mistura die Nachfolge des Norwegers Kai Eide angetragen habe. "De Mistura hat die einhellige Unterstützung der US-Regierung", fügte Holbrooke hinzu. Die UNO erklärte jedoch, dass noch keine Personalentscheidung gefallen sei. Es komme UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu, die Entscheidung zu verkünden, sagte UN-Sprecher Martin Nesirky in New York. Ban habe aber "selbst gesagt, dass der Auswahlprozess noch nicht abgeschlossen ist". Die Amtszeit des derzeitigen UN-Gesandten für Afghanistan, Eide, endet im März.
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Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat einen neuen Anlauf zur Regierungsbildung gestartet. Nachdem das Parlament am 2. Jan. 17 der 24 Kandidaten für Karsais Kabinett abgelehnt hatte, stellte der Zweite Vizepräsident Karim Chalili 9. Jan. 16 neue Kandidaten vor. Darunter waren 15, die jene Bewerber ersetzen, die das Parlament zurückgewiesen hat. Außerdem präsentierte Chalili den langjährigen Sicherheitsberater Selmai Rasul als Kandidaten für das Außenministerium. Dieser Posten war in der ersten Runde nicht berücksichtigt worden. Einen Kandidaten als Ersatz für Ischmail Chan, derzeit Minister für Wasser und Energie, stellte er nicht vor. Der Warlord Chan war im Parlament durchgefallen. Auch für das Ministerium für Telekommunikation wurde zunächst kein Bewerber präsentiert. Chalili erklärte, die Kandidaten für diese Ministerien würden in Kürze bekanntgegeben.
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Sechs Tage vor der Londoner Afghanistan-Konferenz lädt die SPD zu einer Tagung über das künftige deutsche Engagement am Hindukusch nach Berlin. Wie die Partei am 9. Jan. mitteilte, werden an der Konferenz am 22. Januar auch EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton und der afghanische Außenminister Rangin Spanta teilnehmen. Eröffnet wird die Konferenz vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Das Schlusswort hat SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.
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Im Zuge der geplanten Verstärkungen der US-Streitkräfte in Afghanistan will die britische Armee laut einem Zeitungsbericht die Kontrolle über die Unruheprovinz Helmand teilweise an die US-Truppen abgeben. Die britischen Truppen würden sich nach diesen Plänen aus dem oberen Helmand-Tal zurückziehen und sich auf die dichter besiedelte Region um die Stadt Laschkar Gah konzentrieren, berichtet die britische Zeitung "Times" am 9. Jan. unter Berufung auf Armeevertreter. Damit würden etwa 1100 zusätzliche Soldaten für Patrouillen im Zentrum Helmands frei. Dieses Szenario entspreche der Strategie, die für die britische Stationierung in Helmand 2006 ursprünglich gegolten habe. - Mit einer Kabinettsentscheidung in London sei binnen sechs Wochen zu rechnen, berichtet die "Times". Je nach Verfügbarkeit der US-Truppen könne die Kontroll-Übergabe im Frühjahr erfolgen.
In Helmand sind fast 10.000 britische Soldaten für die Internationale Afghanistantruppe ISAF im Einsatz. Insgesamt kamen 108 britische Soldaten in Afghanistan im vergangenen Jahr ums Leben; 2009 war damit das Jahr mit den höchsten Verlusten für die britische Armee seit dem Falkland-Krieg 1982.
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Die NATO übergibt die Kontrolle über das berüchtigte Militärgefängnis Bagram in Afghanistan an die afghanischen Behörden. Wie das Verteidigungsministerium in Kabul am 9. Jan. mitteilte, unterzeichneten die afghanische Regierung und die NATO-Truppe ISAF ein entsprechendes Abkommen. Der genaue Zeitpunkt für die Übergabe stehe aber noch nicht fest. Das Verteidigungsministerium nannte die Übergabe einen "wichtigen Schritt hin zu einer Ausweitung der nationalen Souveränität" Afghanistans.
Das Gefangenenlager Bagram liegt auf einem US-Militärstützpunkt nahe Kabul und wurde in der Vergangenheit von Menschenrechtlern immer wieder scharf kritisiert. Die rund 650 Insassen haben den Status von "feindlichen Kämpfern". Sie haben kein Recht auf einen Militäranwalt und kein Recht darauf, die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu erfahren. Im November 2009 war das Bagram-Gefängnis unter dem Namen Haftanstalt Parwan neu eröffnet worden.
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Bei einem Luftangriff im Nordwesten Pakistans sind am 9. Jan. zwei Menschen getötet und drei weitere verletzt worden. Pakistanischen Geheimdienstbeamten zufolge wurden offenbar zwei Raketen von einer US-Drohne abgefeuert. Das Geschoss traf ein Haus in Data Khel in der Stammesregion von Nord-Waziristan.
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Bei einem Bombenanschlag in Afghanistan sind drei Menschen getötet worden, darunter ein Korrespondent der britischen Zeitung «Sunday Mirror». Rupert Hamer begleitete nach Angaben des Londoner Verteidigungsministeriums vom 10. Jan. gemeinsam mit einem Kollegen US-Marineinfanteristen im Einsatz. Dabei fuhr ihr Fahrzeug auf einen Sprengsatz auf. Hamers Kollege, der Fotograf Philip Coburn, erlitt schwere Verletzungen. Ein afghanischer und ein US-Soldat wurden ebenfalls getötet, vier US-Soldaten verletzt. Der Anschlag ereignete sich am 9. Jan. in Nawa im Süden Afghanistans. Der «Sunday Mirror» erklärte, der 39-jährige Hamer und der 43-jährige Coburn seien an Silvester in die Region geflogen und hätten die US-Truppen als sogenannte eingebettete Journalisten begleitet. Sie hätten einen Monat in Afghanistan bleiben sollen.
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SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier schließt eine Zustimmung seiner Partei zur Aufstockung des deutschen Afghanistan-Kontingents nicht aus, um schneller afghanische Sicherheitskräfte ausbilden zu können. Die Obergrenze für das deutsche Kontingent liege nach dem vom Bundestag beschlossenen Mandat bei 4500 Soldaten, sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag" (10. Jan.). Es müsse "möglich sein, dass wir aus diesem Kontingent mehr Kräfte für die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten zur Verfügung stellen können". "Sollte die Bundesregierung zusätzliche Ausbildungskapazitäten darüber hinaus für erforderlich halten, müsste sie das uns gegenüber schon sehr gut begründen, damit wir zustimmen," fügte Steinmeier hinzu. Steinmeier hob hervor, dass die Bundeswehr nicht auf Dauer in Afghanistan bleiben solle. "Realistisch ist die Reduzierung und die Perspektive für den Abzug jedoch nur, wenn wir mehr für die Ausbildung der afghanischen Polizei und Armee tun," fügte der SPD-Politiker hinzu. Die Entsendung von zusätzlichen Kampftruppen an den Hindukusch schloss er aus. Die Bundeswehr habe in Afghanistan "gute Arbeit" geleistet, einzelne Regionen im Norden würden in diesem Jahr in die Verantwortung der Afghanen zurückgegeben. Eine Erhöhung der Kampftruppen sei deshalb nicht nötig, dafür werde es daher auch keine Zustimmung der SPD im Bundestag geben, sagte Steinmeier.
Kritik übte Steinmeier an den Äußerungen der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Margot Käßmann, der Einsatz in Afghanistan sei aus christlicher Sicht nicht verantwortbar. Über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sei nicht leichtfertig entschieden worden. "Der Schutz auch deutscher Bürger vor Attentaten wie sie in New York, und später in Madrid und London stattgefunden haben, war das Motiv", sagte Steinmeier. Hinzugekommen sei der Wille, "einem in 30 Jahren durch Krieg und Bürgerkrieg geschundenen Volk wieder auf die Beine zu helfen". Die Hilfe beim Wiederaufbau von Schulen, Wasserversorgung und Krankenhäusern wäre ohne militärischen Schutz nicht angekommen, meinte Steinmeier.
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Unbemannte Flugzeuge der US-Streitkräfte in Afghanistan und im Irak sammeln einem Zeitungsbericht zufolge mehr Informationen, als die Geheimdienste auswerten können. Wie die "New York Times" am Abend des 10. Jan. berichtete, haben die Drohnen im vergangenen Jahr dreimal mehr Material erfasst als 2007. Die gesamten Videobilder am Stück anzuschauen, würde demnach rund 24 Jahre dauern. In den kommenden Jahren könnte die Masse an Bildern laut dem Bericht sogar noch zunehmen, da immer mehr Drohnen eingesetzt würden und sie teilweise schon mit mehreren Kameras ausgestattet seien.
Montag, 11. Januar, bis Sonntag, 17. Januar
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Bei Gefechten in Afghanistan sind am 11. Jan. drei US-Soldaten getötet worden. Die drei Amerikaner kamen nach Angaben der NATO-Schutztruppe ISAF bei Kämpfen mit Aufständischen im Süden des Landes ums Leben.
Wie ebenfalls am 11. Jan. bekannt wurde, wurde am 10. Jan. ein US-Soldat bei einer Bombenexplosion in Südafghanistan getötet. Zudem kamen zwei afghanische Bauarbeiter ums Leben, als ihr Fahrzeug über einen am Straßenrand versteckten Sprengsatz rollte.
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Das Ansehen Deutschlands in Afghanistan hat sich nach dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff bei Kundus mit zahlreichen zivilen Opfern spürbar verschlechtert. Dies geht aus einer am 11. Jan. veröffentlichten Umfrage unter 1554 Afghanen hervor, die von den deutschen Sendeanstalten WDR und ARD in Zusammenarbeit mit dem US-Sender ABC und der britischen BBC im Dezember l.J. abgehalten wurde. In den Provinzen des Nordens und Nordostens, wo die Einsatzgebiete der Bundeswehr liegen, sank der Anteil derer, die ein positives Bild von Deutschland haben, demnach um elf Punkte auf 63 Prozent. Der Anteil der Afghanen mit einem negativen Bild von Deutschland stieg um 17 Punkte auf 31 Prozent.
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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, zu einem Truppenbesuch in Afghanistan noch im ersten Quartal 2010 eingeladen. Käßmann habe das Angebot angenommen, berichtete die «Rheinische Post» am 11. Jan. vorab unter Berufung auf Regierungskreise.
Käßmann und Guttenberg hatten sich zuvor zu einem Gespräch getroffen, nachdem sich die Ratsvorsitzende kritisch zum Bundeswehreinsatz geäußert hatte. Beide Seiten waren sich nach Angaben der EKD einig, «dass die ethische Dimension des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan geeignet ist, dieses Thema weiter in die Öffentlichkeit zu tragen und dort auch kritisch zu diskutieren». Laut EKD verlief das Gespräch, an dem von Kirchenseite auch Militärbischof Martin Dutzmann sowie der Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Bernhard Felmberg, teilnahmen, «in konstruktiver und harmonischer Atmosphäre». Für das Ministerium war auch Staatssekretär Christian Schmidt anwesend. Käßmann und zu Guttenberg wollten das gemeinsame Nachdenken «gerne vertiefen, zum Beispiel im Rahmen von Diskussionen an der Führungsakademie der Bundeswehr oder in evangelischen Akademien», meldete die EKD weiter.
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Auch nach ihrem Gespräch mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bleibt die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann im Grundsatz bei ihrer Kritik am deutschen Afghanistan-Einsatz. Sie sagte am Abend des 11. Jan. in der ARD-Sendung «Beckmann» zu ihrer Neujahrspredigt: «Ich würde sie noch mal so halten, weil ich sie in aller Freiheit so gehalten habe und voll hinter dem Wortlaut stehe.» Sie habe «eine sehr seelsorgerische Predigt mit einer kleinen Passage zum politischen gesellschaftlichen Geschehen» gehalten, sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). «Die ist mir um die Ohren gehauen worden, dies habe ich nicht vorhergesehen, aber ich stehe zu dem, was ich gesagt habe.»
Zum Gespräch mit Guttenberg (CSU) sagte Käßmann in der Sendung: «Wir hatten gar nicht so viele Meinungsverschiedenheiten. Herr zu Guttenberg ist katholischer Christ und hat sehr wohl verstanden, was ich als evangelische Christin und auch als Bischöfin gesagt habe: Es muss für uns immer einen Vorrang für Zivil geben.» Den Vorwurf der Naivität wies die Bischöfin zurück: «Ich begreife schon, dass in Afghanistan im Moment Waffen auch dem zivilen Aufbau dienen können.» Allerdings befürchte sie, «dass wir in Deutschland lange uns beruhigt haben und gesagt haben: Unsere Soldaten bauen Brunnen, sie bauen Schulen, und deshalb ist es gut. Aber wir haben uns davor gedrückt zu erkennen, dass da Waffen natürlich im Einsatz sind.»
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Nach der Übergabe des berüchtigten Militärgefängnisses in Bagram in Afghanistan an die dortigen Behörden sollen die Insassen ein Recht auf die Anfechtung ihrer Fälle erhalten. Den Häftlingen werde es gestattet, vor den afghanischen Gerichten ihre Haft anzuzweifeln, sagte ein Sprecher des afghanischen Verteidigungsministeriums am 11. Jan. Die afghanische Regierung und die NATO-Truppe ISAF hatten am 9. Jan. ein Abkommen zur Übergabe des Gefängnisses an die afghanischen Behörden unterzeichnet. Ein Termin dafür stehe indes noch nicht fest, sagte der Sprecher des Ministeriums.
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Bei einem Angriff auf eine Patrouille in Afghanistan ist ein französischer Unteroffizier getötet worden. Ein vorgesetzter Offizier habe bei dem Vorfall vom 11. Jan. nordöstlich von Kabul zudem sehr schwere Verletzungen erlitten, teilte das französische Präsidialamt in Paris mit. Die Franzosen waren demnach mit der afghanischen Armee im Alasay-Tal unterwegs. Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy erklärte, er teile den Schmerz der Familien der Soldaten. Frankreich sei aber weiter entschlossen, innerhalb der internationalen Gemeinschaft zur Stabilisierung Afghanistans beizutragen.
Einen Tag nach einem Angriff auf seine Patrouille in Afghanistan ist ein weiterer französischer Soldat seinen Verletzungen erlegen. Er war am Militärstützpunkt Bagram behandelt worden, wie die Streitkräfte am 12. Jan. mitteilten.
Seit 2001 sind in Afghanistan damit 38 Franzosen ums Leben gekommen. Paris hat rund 3.500 Soldaten am Hindukusch stationiert.
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Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Polizeiwache in Afghanistan ist ein Polizist getötet worden. Zwei weitere Beamte wurden verletzt, wie der Polizeichef der Provinz Urusgan, Dschuma Gul Hamit, am 12. Jan. mitteilte. Der Angreifer versuchte demnach am Abend des 11. Jan., in ein Büro der Polizeiwache im Bezirk Dihrawud einzudrungen, in dem gerade eine Konferenz stattfand. Obwohl er von Beamten aufgehalten und dabei verletzt wurde, konnte er den Angaben zufolge noch seine Sprengstoffweste zünden.
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Bei einem Raketenangriff in Südafghanistan sind nach NATO-Angaben am 12. Jan. 13 Aufständische getötet worden. Zivile Opfer habe es bei dem Einsatz einer Drohne in der Provinz Helmand nicht gegeben, erklärten die Streitkräfte.
Wie die NATO-Truppe ISAF am 12. Jan. mitteilte, beobachteten Truppen am 11. Jan. in der südafghanischen Unruhe-Provinz Helmand, wie Rebellen einen Anschlag vorbereiteten. Von einer Drohne aus sei daraufhin eine Rakete auf die Gruppe abgefeuert worden. 13 Aufständische seien dabei getötet worden. Bei einem ähnlichen Angriff wurden laut NATO ebenfalls am 11. Jan. in Helmand drei weitere Rebellen getötet.
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Die Bundesregierung will die Entwicklungshilfe für Afghanistan angeblich verdoppeln. Wie die Zeitungen der WAZ-Gruppe am 12. Jan. unter Berufung auf Regierungskreise berichten, schlug Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) für die Ende Januar in London geplante Afghanistan-Konferenz vor, die Ausgaben für den zivilen Wiederaufbau im Norden des Landes bis zum Jahr 2013 von derzeit 125 Millionen Euro auf 250 Millionen Euro pro Jahr zu verdoppeln. "Das sind keine Mondzahlen, das ist im Bereich des Erfüllbaren", sagte ein Regierungsvertreter der WAZ-Gruppe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe die Idee "ausgesprochen wohlwollend" aufgenommen.
Der Mediengruppe zufolge plant Innenminister Thomas de Maizière (CDU) unterdessen, die Zahl der Polizeiausbilder von derzeit rund 100 ebenfalls zu verdoppeln. Um die Stärke der afghanischen Polizei binnen drei Jahren von 80.000 auf 100.000 Mann anzuheben, sollen deutsche Fachleute demnach künftig gezielt afghanische Polizei-Ausbilder schulen.
Einer wie von den USA gewünschten Truppenaufstockung könne die Bundeswehr dagegen "rein faktisch gar nicht nachkommen", hieß es demnach aus dem Verteidigungsministerium. Maximal "1000 bis 1500 zusätzlich verfügbare Soldaten" in der gesamten Bundeswehr erfüllten gegenwärtig die "Einsatzreife für Afghanistan".
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Vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in London am 28. Januar will die Türkei zwei regionale Vorbereitungstreffen mit Beteiligung Afghanistans und Pakistans abhalten. "Die Türkei organisiert am 25. Januar ein politisches Gipfeltreffen und am 26. Januar einen Regionalgipfel", kündigte Außenminister Ahmet Davutoglu am 12. Jan. nach einem Treffen mit seinem britischen Kollegen David Miliband in London an. Die Treffen in Istanbul sollten zur Vorbereitung der Londoner Konferenz dienen - des größten internationalen Forums, das sich je mit dem Land am Hindukusch beschäftigt hat.
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Die Regierung von US-Präsident Barack Obama will im Kongress weitere 33 Milliarden Dollar für den Krieg in Afghanistan beantragen. Die zusätzlichen Mittel sollen den Rekordhaushalt von 708 Milliarden Dollar für das Verteidigungsministerium im Budgetjahr 2011 ergänzen, wie am 12. Jan. aus Regierungskreisen verlautete. Die Mittel sind bestimmt für die Auslandseinsätze, darunter auch im Irak, sollen aber im Wesentlichen nach Afghanistan fließen.
In Afghanistan sind in 2009 bei Kämpfen und Anschlägen mehr als 2400 Zivilisten getötet worden. Dies sei die höchste Zahl an zivilen Opfern seit dem Sturz der Taliban 2001, teilte die UN-Mission in Afghanistan in Kabul am 13. Jan. mit. "Das Jahr 2009 war das schlimmste Jahr für die Zivilisten", hieß es in dem Bericht. Exakt seien 2412 Zivilisten getötet worden, das waren 14 Prozent mehr als noch 2008.
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Bei einer Demonstration gegen die ausländischen Truppen in Afghanistan sind nach Polizeiangaben im Süden des Landes mindestens neun Menschen getötet worden. Wie die Polizei am 13. Jan. mitteilte, kam es bei der Protestkundgebung im Bezirk Garmsir in der südlichen Unruheprovinz Helmand am 12. Jan. zu einer Schießerei zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Wie der Vize-Polizeichef der Provinz, Kamaluddin Chan, der Nachrichtenagentur AFP sagte, hatten die Demonstranten das Feuer eröffnet und einen Polizisten erschossen. Daraufhin seien acht Demonstranten getötet worden.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am 27. Januar im Bundestag eine Regierungserklärung zu Afghanistan abgeben. Das kündigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am 13. Jan. in Berlin an. Die Rede der Kanzlerin werde vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in London am 28. Januar erfolgen, die auf Ebene der Außenminister tagen soll.
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Eine der legendären Figuren aus dem Freiheitskampf der Afghanen und zugleich einer der prominentesten Vermittler deutscher Wiederaufbauhilfe im Raum um Kundus, Dadgul Delawar, hat die Seiten gewechselt. Nach einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" (Ausgabe vom 14. Jan.) ist Dadgul, über den zahlreiche Medien als Freiheits- und Aufbauheld berichteten, in den Sold der Taliban übergegangen. Für die deutsche Afghanistan-Helferin Sybille Schnehage, die an der Spitze des vielfach ausgezeichneten Vereins Katachel e.V. - Verein für Humanitäre Hilfe in Afghanistan - steht ist der Frontwechsel Dadguls ein schleichender Prozess gewesen. "Die Taliban gewinnen an Macht und Einfluss, wer Macht hat, will sie auch sichern."
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Die USA wollen einem Zeitungsbericht zufolge die Rolle der Führungsnation im Süden Afghanistans von Großbritannien übernehmen. Wie die "Times" am 14. Jan. berichtete, will Washington nach der Ankunft von 21.000 zusätzlichen Soldaten in der Region auch Befehlsgewalt im unruhigsten Teil des Landes übernehmen. Dazu soll die bisherige Struktur geändert werden. Bislang teilten sich dort abwechselnd Großbritannien, die Niederlande und Kanada das Kommando, Stellvertreter war stets ein Amerikaner.
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Meldung 1 (AFP): Bei einem US-Drohnenangriff im Nordwesten Pakistans sind mindestens zehn Menschen getötet worden. Die Drohne habe vier Raketen auf ein Trainingslager für Islamisten im Bezirk Nord-Waziristan abgefeuert, sagte am 14. Jan. ein Vertreter des pakistanischen Geheimdienstes, der nicht namentlich genannt werden wollte. Die Gegend an der Grenze zu Afghanistan gilt als Hochburg des Terrornetzwerks El Kaida und radikalislamischer Taliban. Ein ranghoher Armeevertreter bestätigte, dass mindestens zehn Menschen getötet worden seien.
Meldung 2 (AP): Auf der Jagd nach dem pakistanischen Taliban-Chef Hakimullah Mehsud haben die USA eine ehemalige Religionsschule mit Raketen beschossen und mindestens zwölf Menschen getötet. Mehsud habe den Angriff am Morgen des 14. Jan. aber überlebt, sagten Geheimdienstmitarbeiter und militante Islamisten der Nachrichtenagentur AP. Die Raketen wurden offenbar von einem unbemannten US-Kampfflugzeug abgefeuert. Es war der achte US-Luftangriff im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet in zwei Wochen. Taliban-Chef Mehsud sei zu einem Treffen in der ehemaligen Religionsschule nahe der Ortschaft Pasalkot im Stammesgebiet Nord-Waziristan erwartet worden, verlautete aus pakistanischen Geheimdienstkreisen. Unter den zwölf Opfern des Angriffs seien zwei Ausländer.
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UN-Ermittler Philip Alston rief die US-Regierung auf darzulegen, wem die Angriffe gelten und die Zahl der Todesopfer zu nennen. «Das gesamte Programm ist so geheim, dass wir nur sehr wenige Informationen haben um zu prüfen, ob die Vereinigten Staaten ihre Verpflichtungen entsprechend der Genfer Konvention achten», sagte Alston. Washington setze inzwischen systematisch Drohnen ein, und Klarstellungen seitens der Regierung würden immer wichtiger.
Im vergangenen Jahr gab es nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP mindestens 45 Raketenangriffe, denen rund 700 Menschen zum Opfer fielen. Im Jahr zuvor wurden 27 Angriffe gezählt. Bei den meisten Getöteten handele es sich um Zivilpersonen, erklärten Einwohner von Mir Ali in Nord-Waziristan.
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Bei einem Selbstmordanschlag auf einem belebten Markt in Zentralafghanistan sind am 14. Jan. mindestens 16 Menschen getötet worden (die Zahl erhöhte sich später auf 20). Der Gouverneur der Provinz Urusgan, Dschuma Gul Himat, teilte mit, der Attentäter habe sich inmitten der Basarstände des Wochenmarkts in Dihrawud in die Luft gesprengt. Mindestens 13 Menschen seien verletzt worden.
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Kanzlerin Angela Merkel wertet die kritischen Äußerungen der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr als konstruktiven Beitrag. «Ich glaube, dass die Einmischung in aktuelle politische Fragen begrüßt werden sollte von der Politik», sagte sie dem Sender Phoenix laut Vorabmeldung vom 14. Jan. Sie könne «mit einer solchen Meinungsäußerung sehr gelassen umgehen, weil ich mich auch nicht genötigt fühle, das alles zu teilen», sagte die CDU-Vorsitzende. Es sei halt so, dass «in dem Moment, wo Frau Käßmann Ratsvorsitzende ist, ihr Wort noch gewichtiger geworden ist, als wenn sie nur Bischöfin in Hannover ist», sagte Merkel. Käßmann habe im Grunde aus den Denkschriften, die die Evangelische Kirche verfasst habe, für sich bestimmte Schlussfolgerungen gezogen. «Ich sage jetzt, dass das meine Meinung nicht ist, aber dass ich auch manche Aufregung nicht so ganz verstehen kann, weil man mit unterschiedlichen Meinungen auch leben muss», sagte Merkel.
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Vier Monate nach dem Luftangriff von Kundus hat sich die Bundeswehr zu einer Nothilfe für besonders betroffene Familien bereiterklärt. Im diesem Winter soll ihnen Nahrungsmittel, Kleidung, Decken und Brennstoff zur Verfügung gestellt werden. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Bundeswehr, Vertretern des Gouverneurs und lokalen Abgeordneten sei am Montag unterzeichnet worden, sagte ein Bundeswehrsprecher am 14. Jan. in Berlin. Die genauen Einzelheiten der Verteilung will die Bundeswehr in Afghanistan mit den Dorfältesten abstimmen.
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Bei einer Bombenexplosion in Südafghanistan ist am 15. Jan. eine Mutter mit ihren vier Kindern getötet worden. Das Auto der Familie sei von einem am Straßenrand versteckten Sprengsatz zerrissen worden, teilte ein Sprecher der afghanischen Grenzpolizei mit. Der Vater der Kinder und ein weiterer Verwandter hätten die Explosion überlebt. Der Sprengsatz sei vermutlich für afghanische oder ausländische Sicherheitskräfte bestimmt gewesen, sagte der Polizeisprecher. Die Explosion ereignete sich im Bezirk Spin Boldak der afghanischen Provinz Kandahar, nahe der Grenze zu Pakistan.
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Bei einem mutmaßlichen US-Luftangriff in der pakistanischen Grenzregion zu Afghanistan sind am 15. Jan. erneut mindestens drei Menschen getötet worden. Vier Geschosse schlugen bei Zarniri in der Stammesregion von Nord-Waziristan ein, wie aus pakistanischen Geheimdienstkreisen verlautete. Es war der neunte US-Luftangriff im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet binnen zwei Wochen.
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Nahe der deutschen Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul hat sich am 15. Jan. eine starke Explosion ereignet. Ein AFP-Reporter sagte, eine Rakete sei in der Nähe der Botschaft eingeschlagen. Ein Sprecher der Kabuler Kriminalpolizei erklärte, ersten Informationen zufolge habe es sich um einen Raketenangriff gehandelt. Auch ein Sprecher der Internationalen Afghanistan-Truppe ISAF sprach von einem Raketenangriff. Er kündigte eine Untersuchung an. Laut dem Auswärtigen Amt wurden keine deutschen Botschaftsmitarbeiter verletzt.
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Im Norden Afghanistans haben Bundeswehrsoldaten am 15. Jan. auf ein ziviles Fahrzeug geschossen und dabei den Fahrer verletzt. Wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mitteilte, ereignete sich der Vorfall am frühen Morgen an einem Überwachungspunkt deutscher Bodentruppen nahe der nordafghanischen Stadt Kundus. Das Fahrzeug sei mit hoher Geschwindigkeit auf den Posten zugefahren und der Fahrer habe nicht auf Warnsignale reagiert, hieß es. Daraufhin sei das Fahrzeug gezielt beschossen worden.
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Der Gouverneur der nordafghanischen Unruheprovinz Kundus hat den dortigen Einsatz der Bundeswehr als «wirkungslos» kritisiert. Angesichts der schlechten Sicherheitslage in der Region forderte Gouverneur Mohammad Omar in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Kundus mehr US-Engagement. «Wir haben einen Feind und wissen, dass er uns töten will», sagte er mit Blick auf die Taliban. «Unsere (deutschen) Freunde beobachten das und retten uns nicht. Nun müssen wir unsere anderen (amerikanischen) Freunde bitten, uns zu retten.» Omar verteidigte zugleich den von der Bundeswehr im vergangenen September angeordneten Luftangriff.
Der Sprecher der Bundeswehr in Kundus, Jürgen Mertins, sagte: «In den vergangenen Monaten haben wir eine ganze Reihe von Operationen im Raum Kundus durchgeführt zusammen mit der afghanischen Seite. Wir meinen, dass sich die Sicherheitslage im Raum Kundus dadurch deutlich verbessert hat.» (dpa, 15. Jan.)
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Die japanische Marine wird die Unterstützung des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan mit Tankschiffen beenden. Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa wies an, die Mission im Indischen Ozean zu beenden und die Soldaten nach Hause zu schicken, wie sein Ministerium am 15. Jan. in Tokio mitteilte. Das letzte Schiff sollte nach Angaben des Ministers bereits heute aufgetankt werden. Die japanische Armee hatte Schiffe aus elf Ländern mit Öl und Wasser versorgt. - Die Regierung von Japans neuem Ministerpräsidenten Yukio Hatoyama hatte bereits nach dem Amtsantritt im September angekündigt, die logistische Unterstützung des NATO- und US-geführten Afghanistan-Einsatzes zu beenden. Im Gegenzug versprach Hatoyama mehr Entwicklungshilfe für Afghanistan.
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Die USA haben eine bisher geheimgehaltene Liste mit den Namen von 645 Gefangenen auf einem Militärstützpunkt in Afghanistan veröffentlicht. Mit der Freigabe dieser und anderer Dokumente folgte die Regierung am 15. Jan. einer Verfügung in einem Verfahren, das von der Amerikanischen Bürgerrechtsunion (ACLU) angestrengt wurde. «Hunderte von Menschen siechen seit Jahren in entsetzlichen Verhältnissen auf dem Militärstützpunkt Bagram dahin, ohne dass ihnen je gesagt wurde, warum sie festgehalten werden», sagte ACLU-Anwältin Melissa Goodman. Sie forderte, dass die Regierung auch Details zur Gefangennahme und zu den ihnen vorgeworfenen Sachverhalten nennen soll.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel strebt Zeitungsberichten zufolge ein neues Afghanistan-Mandat an, dem auch die SPD zustimmen kann. Merkel habe mit SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ein Sondierungsgespräch geführt, meldet die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post" in ihrer Ausgabe vom 16. Jan. Steinmeier habe eine Zustimmung in Aussicht gestellt, falls die Bundesregierung ein Gesamtkonzept für den zivilen Aufbau vorlege und auf eine Erhöhung der Kampftruppen verzichte.
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Die Zahl der Selbstmorde beim Heer der US-Streitkräfte, der Army, ist im vergangenen Jahr mit 160 so hoch gewesen wie noch nie. "2009 war ohne Frage ein schmerzliches Jahr für die Army, was die Selbstmorde betrifft", sagte Oberst Christopher Philbrick in Washington. Philbrick ist Vizechef einer Einsatzgruppe, die Selbstmorde verhüten soll. Das Heer steht angesichts der langjährigen Kampfeinsätze im Irak und in Afghanistan unter großem Druck. Häufige Einsätze in diesen Kampfgebieten können nach Berichten von Offizieren Depressionen und Eheprobleme verschärfen. Aus einer vom US-Verteidigungsministerium veröffentlichten Erklärung geht jedoch hervor, dass der Zusammenhang zwischen Kampfeinsätzen und Selbstmorden nicht selbstverständlich sei. Offenbar unterscheiden sich die Gründe für häufige Suizide von einem Army-Stützpunkt zum anderen. Ein Drittel der Soldaten, die sich das Leben nahmen, waren noch nicht in Kampfeinsätzen gewesen. (AFP, 16. Jan.)
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Das afghanische Parlament hat auch in der zweiten Abstimmung über die Kabinettsliste von Präsident Hamid Karsai die Mehrheit der Kandidaten abgelehnt. Die 223 Abgeordneten stimmten am 16. Jan. in Kabul lediglich für sieben der 17 Kandidaten. Damit sind nun 14 der insgesamt 25 Ministerämter besetzt. Als neuen Außenminister akzeptierten die Abgeordneten Salmay Rasul, den bisherigen Sicherheitsberater des Präsidenten.
Für Karsai bedeutet das Votum eine neuerliche innenpolitische Niederlage, nachdem bei einer ersten Abstimmung des Parlaments Anfang Januar 17 von 24 Kandidaten durchgefallen waren. Karsai verschob daraufhin die parlamentarische Winterpause und legte für die noch offenen Ämter eine neue Kabinettsliste vor. Die von ihm vorgeschlagenen 14 Männer und drei Frauen wurden in der vergangenen Woche von den Parlamentariern befragt.
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Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel fordert den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ab dem nächsten Jahr. 2011 fingen die Vereinigten Staaten damit an, ihre Truppen zu reduzieren, sagte Gabriel der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (Vorabbericht vom 16. Jan.). Deshalb müsse auch Deutschland 2011 mit dem Abzug beginnen. Bis dahin müsse Deutschland «bedeutend mehr afghanische Polizisten und Soldaten ausbilden und das sehr viel schneller als bisher».
Gabriel warnte vor einer «Vietnamisierung» des Kriegszustandes, der in Teilen Afghanistans herrsche. In Vietnam hätten die USA geglaubt, der Vietcong könnte durch Militäreinsätze geschlagen werden. Am Ende habe der Vietcong nicht zuletzt durch die vielen zivilen Opfer mehr Anhänger als jemals zuvor gehabt, sagte der SPD-Vorsitzende. Die Forderung nach mehr Kampftruppen in Afghanistan nannte er falsch.
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"Wer einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan will, muss jetzt damit beginnen, statt eine Truppenaufstockung zu planen", fordert der außenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE Wolfgang Gehrcke angesichts von Debatten in Union und SPD über konkrete Abzugspläne. "Merkels Versuch, die SPD in ein neues Afghanistan-Mandat einschließlich einer Truppenaufstockung einzubinden, wird zum Lackmustest für die SPD. Was ist die von SPD-Chef Gabriel geplante innerparteiliche Debatte wert, wenn schon Ende Februar im Bundestag mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen?" Gehrcke weiter: "Der Versuch, eine Zustimmung im Bundestag zu einer
Truppenaufstockung der Bundeswehr in Afghanistan durch eine imaginäre
Abzugsdebatte zu erkaufen, ist so durchsichtig wie verantwortungslos.
Einen gerechten Frieden für Afghanistan, wie in die evangelische und
die katholische Kirche fordern, gibt es nicht mit mehr, sondern
letztlich nur ohne ausländische Soldaten. Die Einleitung eines
politischen Versöhnungsprozesses in Afghanistan unter Einbeziehung
der Taliban setzt einen Waffenstillstand voraus. Ein solcher Prozess
wird durch eine Aufstockung der internationalen Truppen nachgerade
torpediert." (ots, 16. Jan.)
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Die beiden am Luftangriff auf einen Tanklastzug in der Nähe der afghanischen Stadt Kundus beteiligten US-Piloten sind nach einem Zeitungsbericht wenige Tage nach dem Vorfall vom Einsatz abberufen und strafversetzt worden. Damit reagierte der Kommandeur der NATO-Truppe ISAF, Stanley McChrystal, auf die Verletzung von Einsatzregeln, wie die "Süddeutsche Zeitung" am 16. Jan. berichtet. Bei dem von Bundeswehroberst Georg Klein angeordneten Bombardement am 4. September 2009 wurden nach NATO-Angaben bis zu 142 Menschen getötet, darunter auch Zivilisten. Laut "Süddeutscher Zeitung" forderte McChrystal auch die Abberufung von Oberst Klein, scheiterte damit jedoch am Widerstand des Bundesverteidigungsministeriums. Offenbar sei dort befürchtet worden, eine Abberufung käme einem Schuldeingeständnis nahe und würde staatsanwaltschaftliche Ermittlungen beschleunigen.
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Bundeswehr-Soldaten haben an einem Checkpoint in Kundus in Nordafghanistan einen Zivilisten erschossen. Das teilte die Bundeswehr am 17. Jan. in Berlin mit. An einer provisorischen Kontrollstelle habe ein Fahrzeug «trotz Handzeichen und Warnschüssen» nicht gestoppt, sondern sei mit hoher Geschwindigkeit auf die Soldaten zugefahren. Sie hätten daraufhin mit Handfeuerwaffen geschossen. Zwei Insassen des Fahrzeugs seien verletzt worden. Einer von ihnen sei später im zivilen Krankenhaus von Kundus an seinen Verletzungen gestorben, hieß es in der Mitteilung.
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Bei einem US-Drohnenangriff auf Talibanstellungen sind am 17. Jan. im Nordwesten Pakistans mindestens 15 Menschen getötet worden. Nach Geheimdienstangaben wurden bei dem Luftangriff auf Ziele in der Ortschaft Shaktoi an der Grenze zwischen Süd- und Nord-Waziristan zwei Raketen abgefeuert. Das Areal wird als Rückzugsgebiet für Taliban-Kämpfer und Terroristen des Netzwerks Al Qaida betrachtet. "Der Tod von 15 Militanten, zumeist Usbeken, wurde bestätigt", sagte ein Geheimdienstmitarbeiter. In den Schuttbergen werde nach weiteren Toten gesucht.
Das getroffene Gebäude sei häufig von Aufständischen besucht worden, die jenseits der Grenze tödliche Anschläge auf die internationalen Truppen in Afghanistan verübten, erklärte ein Sicherheitsbeamter.
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Am Wochenende trafen sich in Kassel über 40 Vertreterinnen und Vertreter
zahlreicher Friedensorganisationen und Friedensbündnisse, um über die
Lage in Afghanistan und die Politik der Bundesregierung zu beraten.
Dabei wurde die Befürchtung laut, dass die Regierungskoalition die
Londoner Konferenz am 28. Januar nur abwarten wolle, um danach ein
"neues" Konzept für den Afghanistan-Krieg zu verkünden. In einer Pressemitteilung vom 17. Jan. kündigte die Friedensbewegung bundesweite Aktionen in Berlin am 20. Februar gegen die zu erwartende Truppenaufstockung an. (Siehe: "Die Friedensbewegung fordert 'Abzugsperspektive', die diesen Namen auch verdient".)
Montag, 18. Januar, bis Sonntag, 24. Januar
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Koordinierter Angriff radikalislamischer Rebellen im Zentrum von Kabul: Taliban haben am 18. Jan. in der Innenstadt der afghanischen Hauptstadt mehrere Regierungsgebäude angegriffen. Die Ziele der 20 Selbstmordattentäter seien unter anderem der Palast von Präsident Hamid Karsai und das Finanz- und Justizministerium gewesen, sagte ein Taliban-Sprecher der Nachrichtenagentur AFP. Augenzeugen zufolge stürmten Aufständische ein fünfstöckiges Gebäude mit Geschäften und lieferten sich mit Sicherheitskräften davor Schusswechsel.
Nach offiziellen Angaben sind laut AFP mindestens neun Menschen getötet und weitere 38 verletzt worden (AP spricht von mind. 12 Toten). Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, unter den Toten seien vier Attentäter, Zivilisten und Sicherheitskräfte. Die meisten Verletzten sind demnach Zivilisten. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, unter den Getöteten seien ein Kind und ein Soldat. (Siehe hierzu: Taliban griffen Regierungsviertel in Kabul an.)
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US-Verteidigungsminister Robert Gates hält eine Versöhnung der Taliban-Chefs und der Regierung in Afghanistan für unwahrscheinlich. Er begrüße zwar, dass der afghanische Präsident Hamid Karsai auf der Ende Januar in London geplanten Afghanistan-Konferenz einen neuen Plan zur "Versöhnung" vorstellen wolle. "Ich persönlich wäre über eine Aussöhnung mit (dem afghanischen Taliban-Anführer) Mullah Omar aber sehr überrascht", sagte Gates am 18. Jan. während eines Flugs nach Indien.
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Nach dem Anschlag auf das Regierungsviertel in der afghanischen Hauptstadt Kabul hat der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok gefordert, die Strategie des Westens für das Land zu überdenken. «Die Taliban beherrschen über Nacht fast 80 Prozent des Landes. Die NATO-Kräfte können die militärische Sicherheit nicht herstellen», sagte Brok der «Neuen Presse» aus Hannover (19. Jan.). Dies belege, «dass der militärische Konflikt offensichtlich nicht zu gewinnen ist». «Wenn man die Taliban schon in den Dörfern drei Kilometer vor den deutschen Lagern hat, dann kommen Zweifel an der Richtigkeit der Strategie auf», erklärte der CDU-Politiker. Nach acht Jahren müssten die Europäer «endlich eine gemeinsame Position erarbeiten: Was ist eine gewinnbare Strategie, was ist ein erreichbares Ziel?» Auf dieser Grundlage könne man dann mit den USA verhandeln. Allerdings sieht der Europaabgeordnete für diese gemeinsame Position der Europäer schwarz: Er fürchte, dass die grundsätzliche Debatte nicht stattfinden werde, sondern nur das thematisiert werde, was die Amerikaner vorgeschlagen haben. «Weil die Europäer keine gemeinsame Haltung haben», kritisierte Brok.
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Die Bundesregierung will nach der Afghanistan-Konferenz bei allen Oppositionsfraktionen um Zustimmung zu einem neuen Mandat werben. «Zurzeit stimmen wir auf Regierungsebene unser Afghanistan-Konzept im Detail ab», sagte Kanzleramtsminister Pofalla (CDU) der «Leipziger Volkszeitung» (Ausagabe vom 19. Jan.). «Auch nach der Londoner Afghanistan-Konferenz werden wir selbstverständlich mit den Oppositionsfraktionen darüber reden», sagte Pofalla. Es gehöre zur guten Parlamentstradition, Bundeswehr-Einsätze auf eine möglichst breite politische Basis zu stellen. Eine abschließende deutsche Vorstellung für das neue Afghanistan-Mandat werde es erst im Licht der Ergebnisse der Londoner Konferenz vom 28. Januar geben.
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Schmiergelder und Drogen - damit wird in Afghanistan das meiste Geld verdient. Laut einem UN-Bericht zahlten die Bürger des Landes 2009 fast ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts an Bestechungsgeldern - ganze 2,5 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro). Die Nutznießer waren meistens öffentliche Bedienstete, wie aus der am 19. Jan. veröffentlichten Studie des UN-Büros für Drogenkontrolle und Verbrechensbekämpfung hervorgeht. Der Wert des Opiumhandels 2009 wird darin auf 2,8 Milliarden Dollar geschätzt. (Hier geht es zu einem Bericht: Korruption größtes Problem in Afghanistan / The Afghan people regard corruption as their biggest problem.)
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Beim Angriff einer US-Drohne sind nach pakistanischen Militärangaben am 19. Jan. im Grenzgebiet zu Afghanistan mindestens fünf radikalislamische Aufständische getötet worden. Von dem unbemannten Flugzeug wurde demnach eine Rakete auf einen von Aufständischen genutzten Gebäudekomplex in dem Dorf Degan abgefeuert, eine weitere traf ein in der Nähe stehendes Fahrzeug. Der Ort liegt rund 30 Kilometer westlich der Hauptstadt des Bezirks Nord-Waziristan, Miranshah.
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Der katholische Bischof Heinz Josef Algermissen hat den bisherigen Afghanistan-Einsatz der internationalen Gemeinschaft für gescheitert erklärt. "Gerade wer den deutschen Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan den Rücken stärken will, muss den Mut zur Wahrheit haben und das Scheitern des bisherigen Afghanistan-Einsatzes offen benennen", erklärte der Präsident der kirchlichen Friedensbewegung Pax Christi. Der massive Widerstand, wie er sich inzwischen im Norden Afghanistans gegen die internationale ISAF-Truppe formiere, "ist nicht mit militärischen Mitteln zu überwinden", erklärte Algermissen weiter. Wenn die Bundesregierung den Aufbau ziviler Strukturen in Afghanistan fördern und den Kampf gegen den Terror effektiv gestalten wolle, "muss sie jetzt mit der selbst beschworenen Exit-Strategie ernst machen", verlangte der Bischof von Fulda. Mit Blick auf die internationale Afghanistan-Konferenz kommende Woche in London nannte Algermissen es "fatal, wenn hinter dem Vorhang eines erhöhten zivilen Engagements an der militärischen Präsenz festgehalten oder gar das deutsche Kontingent erneut aufgestockt würde". (AFP, 19. Jan.) (Hier geht es zur Erklärung im Wortlaut.)
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Aufständische haben Einheiten der Bundeswehr im Norden Afghanistans am 19. Jan. mit Mörsergranaten beschossen. Dabei seien keine Soldaten verletzt worden, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mit. Die deutschen Soldaten hätten sich zusammen mit afghanischen Sicherheitskräften im Hauptquartier der Polizei in Nawabad rund 50 Kilometer nordöstlich von Kundus aufgehalten. Insgesamt seien fünf Schüsse abgegeben worden. Die Bundeswehr untersuchte den Angaben zufolge die Abschussstelle, konnte aber keine Einzelheiten zu dem Angriff ermitteln.
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Die USA haben die Entscheidung der neuen japanischen Regierung kritisiert, die Unterstützung des Einsatzes in Afghanistan mit Tankschiffen zu beenden (siehe unsere Chronik vom 15. Januar). Japans logistische Unterstützung habe "einen enormen Unterschied für unsere Einsatzkapazität" bedeutet, sagte der für Ostasien zuständige Abteilungsleiter im Außenministerium, Kurt Campbell, am 19. Jan. in Washington. "Es wäre untertrieben zu sagen, dass uns dieser Beitrag fehlen wird." Dies hätten die USA gegenüber der japanischen Regierung "sehr klar" zum Ausdruck gebracht.
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Der amerikanische ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal hat die Bundeswehr zu höherer Risikobereitschaft in Afghanistan aufgefordert. Darüber hinaus verlangte der Vier-Sterne-General von den ISAF-Mitgliedern eine Aufstockung der Truppen. McChrystal sagte der «Bild»-Zeitung (20. Jan.), er werde alle Mitglieder des ISAF-Schutztruppe auffordern, «weitere Ausbilder zu stellen, um die afghanischen Sicherheitskräfte zu trainieren». In Hinblick auf die Afghanistan-Konferenz in London am 28. Januar sollten sich alle Länder überlegen, «was sie leisten können, um genug Soldaten für die Ausbildung der Afghanen bereitzustellen». Er unterstrich die strategische Bedeutung von Nord-Afghanistan und forderte die Deutschen auf, mehr Risiken einzugehen. Die Taliban hätten die dortigen Zustände gezielt genutzt, «um sich auszubreiten. Sie wollen den Eindruck vermitteln, dass ihre Bewegung im ganzen Land aktiv sein kann». Wie alle Truppen in ganz Afghanistan müssten auch die deutschen Truppen mit den höheren Risiken seiner neuen Strategie leben. «Vielleicht müssen sie sogar die Art und Weise ändern, wie sie bisher vorgegangen sind.» Er bekräftigte, dass er plane, amerikanische Truppen in den Norden des Landes zu schicken. Die US-Soldaten sollten aber dem dortigen deutschen Regionalkommandeur unterstellt werden.
Derweil sprach sich SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dafür aus, den Bundeswehr-Einsatz zwischen den Jahren 2013 und 2015 zu beenden. «Wir müssen jetzt die einigermaßen beruhigten Distrikte vollständig an Afghanen übergeben», sagte der ehemalige Außenminister der Wochenzeitung «Die Zeit».
Verteidigungsmionister zu Guttenberg sah McChrystals Äußerungen positiv. «Er hat die Realitäten benannt», sagte der CSU-Politiker. Die deutschen Soldaten seien täglich großen Risiken ausgesetzt. Zu Steinmeiers Forderung, bis 2015 den Einsatz zu beenden, sagte er: «Ich halte nichts von einem Enddatum.» Dies würde nur in die Hände jener spielen, die in Afghanistan wieder das Licht ausknipsen wollten.
Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Andreas Peschke, sagte, Außenminister Guido Westerwelle habe bereits deutlich gemacht, mehr beispielsweise für die Ausbildung der Polizei tun zu wollen. Damit befinde man sich in breiter Übereinstimmung mit den Verbündeten.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kündigte an, der afghanische Präsident Hamid Karsai werde auf seinem Weg zur Londoner Afghanistan-Konferenz am 26. und 27. Januar Berlin besuchen. Karsai werde nicht nur mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammentreffen, sondern auch mit Vertretern des Bundestags.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Jan van Aken, kritisierte McChrystal: «Natürlich will ein General mehr Truppen, mehr Waffen und grenzenlose Einsatzbefugnis. Aber es ist völlig inakzeptabel, dass McChrystal jetzt den Deutschen vorschreiben will, noch mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken und noch mehr Leben zu riskieren.»
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Eine Woche vor der Afghanistan-Konferenz in London hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eine engere Verknüpfung der Schutz- und Ausbildungsaufgaben der Bundeswehr gefordert. Die Aufgaben der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte und die Schutzfunktion seien "untrennbar verbunden", sagte Guttenberg am 20. Jan. bei der Debatte über den Verteidigungshaushalt im Bundestag. Dies könne «ab und an ein höheres Risiko mit sich bringen». Die Neuerung sei allerdings noch nicht "überall durchgedrungen, und es ist wichtig, dass wir darüber offen diskutieren".
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Mit einer Personalaufstockung auf 400.000 Mann will Afghanistan die Sicherheitslage deutlich verbessern. Diese Verdoppelung der aktuellen Anzahl ist über die kommenden fünf Jahre hinweg geplant, wenn dies erforderlich sein sollte, wie die Regierung in Kabul und ihre internationalen Partner am 20. Jan. vereinbarten.
Binnen zwei Jahren ist in jedem Fall eine Verstärkung auf 300.000 Mann vorgesehen. Nach UN-Angaben soll der Plan der Londoner Afghanistan-Konferenz am 28. Januar zur Beschlussfassung vorgelegt werden.
Demnach sollen mehr als 100.000 zusätzliche Sicherheitskräfte bis Ende kommenden Jahres von den internationalen Partnern Afghanistans ausgebildet werden. Die derzeitige Truppenstärke soll bis dahin von derzeit 97.000 auf 171.600 Soldaten erhöht werden, und statt der bislang 94.000 Polizisten soll es dann 134.000 geben. Danach könnte eine Aufstockung um weitere 100.000 Sicherheitskräfte auf insgesamt 400.000 erfolgen, was der afghanische Verteidigungsminister Rahim Wardak als «notwendiges Minimum» bezeichnete.
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Die heftige Debatte nach ihren kritischen Worten zum Afghanistaneinsatz hat Margot Käßmann nach eigenen Worten vollkommen überrascht. "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass meine Predigt solche Reaktionen auslöst", sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)in der neuen, am
21. Jan. erscheinenden Ausgabe des Hamburger Magazins stern.
Gleichzeitig verschärfte Käßmann eine Woche vor der Londoner
Afghanistan-Konferenz ihre Kritik an dem deutschen Engagement.
Natürlich würde sie ihre Predigt "nochmals so halten", denn: "Wir
brauchen Menschen, die gegen Gewalt und Krieg aufbegehren." Es sei,
so die Bischöfin zum stern, "ganz klar die Aufgabe der Kirche zum
Frieden aufzurufen. Als Christen können wir nicht vom gerechten Krieg
reden".
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US-Verteidigungsminister Robert Gates hat vor einer massiven Bedrohung Südasiens durch das Terrornetzwerk El Kaida gewarnt, durch die sogar ein neuer Krieg zwischen Indien und Pakistan ausgelöst werden könnte. Terrorgruppen versuchten nicht nur Afghanistan oder Pakistan zu destabilisieren, sondern könnten möglicherweise einen Konflikt zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan provozieren, sagte Gates nach einem Gespräch mit seinem indischen Kollegen A.K. Antony in Neu Delhi am 20. Jan. Gates nannte neben El Kaida auch die radikalislamischen Taliban sowie die Islamistengruppe Lashkar-e-Taiba. Es sei wichtig, das Ausmaß der Bedrohung für die gesamte Region zu erkennen, betonte Gates. Er lobte, dass sich Indien nach den tödlichen Angriffen auf Mumbai im November 2008 zurückgehalten habe. Es könne jedoch nicht erwartet werden, dass Indien bei einer erneuten Attacke wieder so viel Geduld haben werde, sagte der Pentagon-Chef.
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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat an die Politik appelliert, über ein Ausstiegsszenario für den Afghanistan-Einsatz nachzudenken. Damit würden einerseits die eigenen Ziele und Vorstellungen klar, sagte Zollitsch am 20. Jan. der Nachrichtenagentur AFP. Dies sei andererseits aber auch nötig, "damit die Afghanen wissen, welche Erwartungen sich an sie und ihren Beitrag richten". Der Freiburger Erzbischof sagte, das Ausstiegsszenario müsse auch mit der afghanischen Seite diskutiert werden. "Es wäre für mich der wichtigste Gesichtspunkt zu schauen, welche Kräfte die Afghanen mobilisiert haben müssen, damit das Land beim Abzug auch tatsächlich nicht ins Chaos rutscht." Einen einseitigen Abzug würde er für falsch halten. "Wir würden alle einem äußerst ungewissen Schicksal überlassen, die unsere Hilfe bislang in Anspruch genommen haben." Zollitsch forderte zugleich die Bundesregierung auf, bei dem Bundeswehr-Einsatz stärker mit afghanischen Kräften zu kooperieren: "Je mehr Kräfte wir vor Ort einbinden, desto schneller kann das Land sich tragen und desto eher können wir unsere eigene Last abgeben." Der Erzbischof von Freiburg forderte eine klarere Ausrichtung des deutschen Einsatzes auf den zivilen Aufbau. "Ich schließe nicht aus, dass vorübergehend auch weiterhin ein gewisser militärischer Schutz nötig für die zivilen Aufbauhelfer ist." Vielleicht sei es aber wichtig, stärker auf den Aufbau einer Infrastruktur zu setzen, den Gesundheitsbereich, den Bau von Schulen, die Ausbildung von afghanischen Polizeikräften und eigenen Streitkräften.
Anders als die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, die in ihrer Neujahrspredigt mit den Worten "nichts ist gut in Afghanistan" für Kritik gesorgt hatte, hob Zollitsch Erfolge des bisherigen Einsatzes hervor. "Wir sehen zu wenig das, was positiv aufgebaut worden ist in Afghanistan." Dies sei "durchaus beträchtlich", dies würden auch die vor Ort eingesetzten Seelsorger der katholischen Kirche ihm sagen.
Den Einsatz von Waffen als Mittel schloss Zollitsch nicht grundsätzlich aus. Krieg sei zwar menschlich betrachtet immer eine Katastrophe und völkerrechtlich als Mittel der Konfliktlösung geächtet. Richtig sei aber, "dass es Situationen gibt, in denen Verteidigung auch mit militärischen Mitteln erlaubt und angemessen ist".
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Die Bundesregierung wird sich nach Worten des FDP-Verteidigungsexperten Rainer Stinner erst nach der Londoner Afghanistan-Konferenz auf eine mögliche Aufstockung des deutschen Kontingents festlegen. «Wir nehmen uns Zeit und warten London ab. Unsere Verbündeten haben sich auch Zeit genommen», sagte der FDP-Politiker der in Halle erscheinenden «Mitteldeutschen Zeitung» (21. Jan.) zufolge. «Wir wollen erstens die Ziele in Afghanistan definieren, wir wollen daraus zweitens die Strategie ableiten und drittens mitteilen, welche Ressourcen wir einsetzen.» Dazu zählten «Entwicklungshilfe, Polizei und eventuell die Bundeswehr», wurde er weiter zitiert. Stinner fügte hinzu: «Ich finde es wichtig, dass wir nicht primär über Soldaten reden.»
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Viereinhalb Monate nach den tödlichen Luftschlägen von Kundus befasst sich ab dem 21. Jan. ein Bundestags-Untersuchungsausschuss mit den Ereignissen. Er soll klären, was bei dem vom deutschen Oberst Georg Klein befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklaster am 4. September in Nord-Afghanistan passierte. Zudem soll erörtert werden, welche Rolle die verantwortlichen Politiker bei der Aufarbeitung des Angriffs spielten.
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Deutschland muss nach Ansicht des Sicherheitspolitik-Experten Markus Kaim den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sowohl ausweiten als auch aufstocken. "Wenn die Sicherheitslage in dem Land verbessert werden soll, führt an mehr Truppen kein Weg vorbei", sagte der Wissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die auch Bundesregierung und Bundestag berät, der Nachrichtenagentur AFP. Kaim sagte mit Blick auf die internationale Afghanistan-Konferenz nächste Woche in London, ein "symbolischer Beitrag" Deutschlands von einigen hundert Soldaten mehr werde nicht ausreichen. Derzeit liegt die deutsche Mandatsobergrenze für Afghanistan bei 4500 Mann. Kaim begründete seine Forderung nach einer Aufstockung mit der deutlich verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan: "Unsere Antwort auf das Ausbleiben der Erfolge kann doch nicht ein 'weiter so' sein." Der sicherheitspolitische Experte forderte darüber hinaus, das Einsatzgebiet der deutschen Soldaten nicht länger auf den Raum Kabul und den Norden Afghanistans zu beschränken. Das Festhalten an derartigen nationalen Vorbehalten erschwere der Führung der Internationalen Afghanistan-Truppe ISAF das operative Geschäft. Womöglich könne durch die Ausweitung der Einsatzgebiete die Wirksamkeit des ISAF-Engagements so weit erhöht werden, dass eine deutliche Truppenverstärkung gar nicht mehr nötig sei. Zugleich plädiert der SWP-Wissenschaftler dafür, einen klaren Abzugsrahmen für die ISAF-Mission für das Jahr 2013 oder 2014 festzustecken. Bis dahin müsse der Abzug abgeschlossen sein. Fraglich sei aber, ob dieser Zeitrahmen schon auf der Londoner Konferenz öffentlich so benannt werden könne. Kaim wies darauf hin, dass bei einem klar begrenzten Zeitrahmen die Öffentlichkeit womöglich leichter von einem verstärkten Einsatz überzeugt werden könne. (AFP, 21. Jan.)
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Die NATO in Afghanistan will für den Wiederaufbau des Landes laut einem Zeitungsbericht einen neuen Spitzenposten schaffen. Der britische Botschafter in Kabul, Mark Sedwill, sei als neuer oberster ziviler NATO-Beauftragter im Gespräch, berichtete das "Wall Street Journal" am 21. Jan. Der neue Posten könne bei der internationalen Afghanistan-Konferenz am 28. Jan. in London aus der Taufe gehoben werden. Zusammen mit dem NATO-Oberkommandierenden in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, würde der neue NATO-Vertreter künftig eine zivil-militärische Doppelspitze bilden.
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Die NATO hat Vorwürfe zurückgewiesen, Soldaten hätten südwestlich von Kabul vier unbewaffnete Dorfbewohner getötet. Der Einsatz in der Provinz Ghasni habe Aufständischen gegolten, erklärte die internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) am 21. Jan. Rund 500 Menschen schlossen sich derweil einer Trauerprozession für die Getöteten an. Sie holten deren Särge vom Krankenhaus ab und fuhren damit in die Provinzhauptstadt Ghasni. Ausländische Soldaten hätten am 20. Jan. in der Ortschaft Baram zwei Häuser gestürmt und einen Vater, dessen zwei Söhne und einen Nachbarn getötet, sagten Mussa Dschalali und andere Bewohner des Dorfes. Er glaube, jemand habe der ISAF bewusst einen falschen Tipp gegeben. Dagegen hieß es in einer Erklärung der ISAF, die Truppen hätten Aufständische angegriffen und getötet, darunter einen etwa 15-jährigen Jugendlichen, der die Waffe eines Soldaten an sich gerissen habe. Auch der Polizeichef von Ghasni, Khial Bas Schirsai, sagte, bei den Getöteten handele es sich um Extremisten.
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Volker Wieker ist neuer Generalinspekteur der Bundeswehr: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) führte den 55-jährigen General in Berlin am 21. Jan. feierlich in sein Amt ein. Wieker war zuletzt als Chef des Stabs im Hauptquartier der Internationalen Afghanistan-Truppe (ISAF) in Kabul im Einsatz. Er ist der 15. Generalinspekteur der Bundeswehr und damit der oberste deutsche Soldat.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben sich am 21. Jan. für die anstehende internationale Afghanistan-Konferenz in London abgestimmt. Außerdem sei es bei dem Telefonat um die Vorbereitung des deutsch-französischen Ministerrats am 4. Februar gegangen, teilte die französische Präsidentschaft in Paris mit.
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US-Außenministerin Hillary Clinton hat am 21. Jan. die Grundzüge der künftigen zivilen US-Strategie für die Stabilisierung von Afghanistan und Pakistan vorgestellt. "Während unsere militärische Mission in Afghanistan ein Ende haben wird, haben wir uns dennoch verpflichtet, langanhaltende Partnerschaften mit Afghanistan und Pakistan eingehen", sagte sie in Washington. Zu einer zivilen Strategie gehört laut Clinton unter anderem die Unterstützung des afghanischen Landwirtschaftssektors und die Reintegration von Extremisten in die Gesellschaft.
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Der britische Außenminister David Miliband erhofft sich von der bevorstehenden Afghanistan-Konferenz Fortschritte in dem Bemühen, die Verantwortung für die Sicherheit des Landes zunehmend der afghanischen Regierung zu übertragen. Bei einer Anhörung im US-Senat eine Woche vor Beginn der internationalen Konferenz in London beklagte Miliband an 21. Jan., dass die NATO noch weit von dem Ziel entfernt sei, eine tüchtige afghanische Polizeitruppe aufzubauen. Geringe Bildung der Rekruten und Drogenmissbrauch beeinträchtigten die Polizeiausbildung, sagte Miliband. Der britische Außenminister und Gastgeber der Konferenz erwartet nach eigenem Bekunden auch die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, zusätzliche Soldaten und Experten nach Afghanistan zu entsenden.
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Die SPD will ihre Zustimmung zu einem weiteren Bundeswehreinsatz in Afghanistan offenbar an Bedingungen knüpfen. Parteichef Sigmar Gabriel und der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier fordern nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" (Ausgabe vom 22. Jan.) in einem Positionspapier von der Bundesregierung eine Verdopplung der Zahl der deutschen Polizeiausbilder und den Abzug der Tornado-Aufklärungsflugzeuge aus Masar-i-Scharif. Zudem mahnen sie eine "konkrete Perspektive" für eine schrittweise Verringerung der Internationalen Afghanistan-Truppe ISAF ab dem Sommer 2011 an.
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Die SPD fordert eine konkrete Exitstrategie für die Bundeswehr aus Afghanistan. In einem gemeinsamen Positionspapier, das zur Afghanistan-Konferenz der Partei am 22. Jan. in Berlin veröffentlicht wurde, fordern Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, dass der Abzug der Truppen im Sommer 2011 beginnt und zwischen 2013 und 2015 abgeschlossen wird. Eine weitere Aufstockung des Bundeswehrkontingents, das derzeit eine Obergrenze von 4.500 hat, lehnt die SPD ab.
Neben Steinmeier und Gabriel nehmen an der Konferenz in Berlin unter anderen der ehemalige afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta, der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, der US-Botschafter bei der NATO, Ivo Daalder, und der ehemalige Leiter der UN-Mission in Afghanistan, Tom Koenigs, teil. Die Sozialdemokraten wollen ihre Position zu Afghanistan auch im Lichte der internationalen Afghanistan-Konferenz in London am kommenden Donnerstag (28. Jan.) erörtern. (Zur Kritik aus der Friedensbewegung an der SPD-Konferenz siehe: "Die Tür der SPD in Richtung Friedensbewegung hat sich keinen Spalt weit geöffnet")
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In der Debatte über die künftige Afghanistan-Strategie hat sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gegen die Festlegung eines Abzugstermins gewandt. Es solle jetzt "nicht leichtsinnig mit Enddaten" hantiert werden, sagte der Minister am 22. Jan. in Berlin. Es müsse vielmehr ein Prozess in Gang gesetzt werden, der "perspektivisch" auch den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan beinhalte. Guttenberg reagierte damit auf Forderungen aus der SPD. Diese verlangt den vollständigen Abzug der Bundeswehr zwischen 2013 und 2015.
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Der afghanische Präsident Hamid Karsai will gemäßigte Taliban-Rebellen und andere Aufständische wieder ins zivile Leben einbinden. Wenn sie bereit seien, ihre Waffen niederzulegen, sollte ihnen die Möglichkeit gegeben werden, Arbeit zu finden und in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, sagte Karsai dem britischen Radiosender BBC am 22. Jan. Dafür wolle er Gelder aus den Fonds der internationalen Gemeinschaft verwenden. Für Hardliner des Terrornetzwerks El Kaida und anderer Terrorgruppen solle das Angebot aber nicht gelten.
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Die Zahl der im Auslandseinsatz traumatisierten deutschen Soldaten hat sich nach Angaben der Bundeswehr im vergangenen Jahr fast verdoppelt. «Wir haben insgesamt 466 Fälle im Jahr 2009, 418 davon in Afghanistan. Im Jahr 2008 hatten wir 245 Soldaten, die wegen einer Postraumtischen Belastungsstörung in Behandlungen waren», sagte ein Sprecher der Verteidigungsministeriums am 22. Jan. der Nachrichtenagentur DAPD. Als PTBS bezeichnen Fachleute eine psychische Störung, die bei Menschen nach extremen Erfahrungen auftritt.
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Die Bundesregierung will ihren Beitrag zu der internationalen Afghanistan-Konferenz am 25. Jan. festlegen. Am Abend des 25. Jan. werde im Kanzleramt unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das letzte Treffen der eigens zur Vorbereitung der Londoner Konferenz gebildeten Ministerrunde stattfinden, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am 22. Jan. in Berlin. Teilnehmer sind demnach neben Merkel Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sowie Entwickungshilfeminister Dirk Niebel (FDP).
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Zur Afghanistankonferenz der SPD am 22. Jan. erklärt der Stellvertretende Vorsitzende für Umwelt- und Entwicklungspolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Christian Ruck MdB: "Mit Überschallgeschwindigkeit wirft die SPD ihre staatspolitische Verantwortung über Bord. Gestern noch hat die SPD Deutschland am Hindukusch verteidigt - heute kann es mit dem Abzug gar nicht schnell
genug gehen. Jeder wäre froh, wenn es tragfähige Alternativen zum Einsatz von
Militär zur Sicherung des Wiederaufbaus gäbe. Klar ist aber: Ohne
Sicherheit gibt es keine Entwicklung und ohne Entwicklung keine
Sicherheit - auch für uns in Deutschland. Wir müssen strategische
Geduld haben und eine Übergabe in Verantwortung umsetzen."
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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa vom 22. Jan. in der Bundesregierung eine Aufstockung um möglichst 1500 deutsche Soldaten durchsetzen. Ein Sprecher des Ministeriums dementierte die Angaben allerdings offiziell.
Hohe Angehörige des Verteidigungsministeriums sagten der dpa, um eine realistische Abzugsperspektive zu eröffnen, müsse das deutsche Kontingent von derzeit 4500 auf 6000 Mann erhöht werden. 500 dieser 1500 Soldaten sollten als «Reserve» eingeplant werden, damit die vom Bundestag zu beschließende neue Obergrenze nicht gleich wieder ausgeschöpft werde. So könne man mit Blick auf Kritiker von nur «knapp unter 1000» Soldaten mehr sprechen. Da die USA ihre Truppen um 30 000 Soldaten aufstocken wollen, wird auch von den internationalen Partnern mehr verlangt.
Der militärische Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, sagte zu den dpa-Informationen, die Zahl «entbehrt jeder Grundlage». Das Ministerium hat in der Vergangenheit oft Angaben dieser Art zunächst zurückgewiesen, später dann selbst verkündet.
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Der Bundeswehrverband hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, in ihrer Regierungserklärung zur Afghanistan-Konferenz am Mittwoch "eine schonungslose Bilanz des bisherigen deutschen Einsatzes" zu ziehen. Es müssten "Daten, Zahlen und Fakten" genannt werden, sagte der Vorsitzende des Verbandes, Ulrich Kirsch, der "BZ am Sonntag" (24. Jan.), wie am 23. Jan. bekannt wurde. Merkel müsse für die Bevölkerung "klar ersichtlich die Ergebnisse des bisherigen Einsatzes von Militär- und Zivilkräften" darlegen, sagte Kirsch. "Dazu gehört auch der Stand von Polizeiausbildung und zivilem Wiederaufbau von Justiz und Verwaltung." Daraus ergebe sich dann die Schlussfolgerung, was Deutschland an militärischen und zivilen Kräften künftig einsetzen müsse.
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Bei Gefechten zwischen den Streitkräften und Aufständischen im Nordwesten Pakistans sind nach Militärangaben mindestens zwei Soldaten und 22 militante Kämpfer getötet worden. Demnach griffen Extremisten am 23. Jan. Kontrollposten der Sicherheitskräfte in den Stammesgegenden Orakzai und Kurram an. Die Region an der Grenze zu Afghanistan gilt als Rückzugsgebiet für Taliban-Kämpfer nach der Militäroffensive in Süd-Waziristan. Die USA haben Pakistan aufgefordert, die Einsätze gegen die Taliban auszuweiten. Die Streitkräfte sehen sich nach eigenen Angaben zurzeit aber nicht in der Lage dazu.
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Mit Blick auf die internationale Afghanistan-Konferenz hat Außenminister Guido Westerwelle SPD und Grüne aufgefordert, zu ihrer Verantwortung für den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch zu stehen. «Ich appelliere an diejenigen, die den Einsatz in Regierungszeiten gestartet haben, sich nicht in Oppositionszeiten aus der Verantwortung zu stehlen», sagte der FDP-Vorsitzende der «Bild am Sonntag» (Vorabbericht vom 23. Jan.). Nachdrücklich lehnte es Westerwelle ab, schon jetzt ein festes Abzugsdatum zu benennen. «Kein Politiker kann heute versprechen: Am 31.12.2013 ist alles gewonnen und alles vorbei.» Damit lade man Terroristen ein, «noch zwei, drei Jahre durchzuhalten, bis wir verschwunden sind und sie ihr Unwesen wieder treiben können». Der Außenminister fügte hinzu: «Wir wollen in London vereinbaren, dass wir 2010 und 2011 mit dem Prozess der Übergabe der Verantwortung an die Afghanen beginnen. Es geht darum, eine Abzugsperspektive zu schaffen. Ein vorab verkündeter Stichtag stärkt die Falschen.»
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Bei einem Bombenanschlag in Afghanistan sind am 23. Jan. zwei US-Soldaten getötet worden. Der am Straßenrand gelegte Sprengsatz explodierte nach Angaben der NATO im Süden des Landes. Nähere Einzelheiten wurden zunächst nicht mitgeteilt. Seit Jahresbeginn sind in Afghanistan nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP bereits 22 amerikanische Soldaten ums Leben gekommen.
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Die ursprünglich für Mai geplante Parlamentswahl in Afghanistan wird um vier Monate verschoben. Die Wahl solle nicht wie geplant am 22. Mai, sondern erst am 18. September stattfinden, teilte die Unabhängige Wahlkommission (IEC) am 24. Jan. in Kabul mit. Als Begründung nannte der Kommissionsvertreter Fasal Ahmad Manawi die schlechte Sicherheitslage, organisatorische Probleme und Geldmangel. Laut der afghanischen Verfassung muss die Wahl der Abgeordneten eigentlich 30 bis 60 Tage vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode stattfinden, die am 22. Juni endet. Die Wahlkommission hatte bereits vor einigen Wochen über eine Finanzierungslücke von rund 120 Millionen Dollar geklagt. Noch Ende Dezember hatte sich die Regierung von Präsident Hamid Karsai aber entschlossen gezeigt, trotz Bedenken der internationalen Gemeinschaft an dem Wahltermin im Mai festzuhalten und die Abstimmung notfalls selbst zu finanzieren.
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Im Umgang mit den Taliban in Afghanistan will die Bundesregierung neue Wege beschreiten. Außenminister Guido Westerwelle kündigte ein Aussteiger-Programm für die Kämpfer an. «Es gibt viele Mitläufer der Taliban-Terroristen, die nicht aus fanatischer Überzeugung, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen auf einen falschen Weg geraten sind. Wir wollen diesen Menschen eine wirtschaftliche und soziale Perspektive für sich und ihre Familien bieten», sagte Westerwelle der «Bild am Sonntag» (24. Jan.). Dafür werden man zusätzliches Geld bereitstellen. Der Vizekanzler, der Deutschland bei der Afghanistan-Konferenz in London vertreten wird, sagte weiter: «Darum wird es in London auch einen völlig neuen Ansatz zur Wiedereingliederung von Aufständischen in die Gesellschaft geben.»
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Stinner, warnte im «Focus» davor, dass ein solches Programm nicht wie ein Belohnung der radikal-islamischen Kämpfer aussehen dürfe. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), erklärte, bevor man mit den Taliban zusammenarbeite, müssten sich diese von der Al Kaida lossagen und die afghanische Verfassung akzeptieren.
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Außenminister Guido Westerwelle hat bekräftigt, einer Aufstockung der deutschen Afghanistan-Truppen nicht im Weg zu stehen. «Ich habe nie gesagt, dass es keinerlei Truppenaufstockung geben darf», erklärte der FDP-Vorsitzende am Sonntagabend (24. Jan.) im ARD- «Bericht aus Berlin».
Montag, 25. Januar, bis Sonntag, 31. Januar
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Nach unbestätigten Informationen der «Rheinischen Post» (Ausgabe vom 25. Jan.) sollen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Westerwelle und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bereits verständigt haben, das Bundeswehr-Kontingent am Hindukusch um 500 auf dann maximal 5000 Soldaten aufzustocken.
Das konkrete Angebot für die internationale Konferenz am 28. Jan. in London wollen Merkel, Westerwelle, Guttenberg, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) an diesem Montagabend (25. Jan.)vereinbaren.
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Die Geschäftsträgerin der afghanischen Botschaft in Berlin, Freschta Rahimi Neda, erhofft sich von der Afghanistan-Konferenz in London deutlich mehr Unterstützung bei der Ausbildung von Sicherheitskräften. "Nicht die Anzahl der ausländischen Soldaten ist entscheidend, sondern ob sie künftig in einem noch größeren Umfang Polizisten und Soldaten ausbilden können", sagte Neda in einem AFP-Gespräch. Die Qualität der Ausbildung und Ausrüstung müsse verbessert werden und es müssten auch höhere Löhne für Soldaten und Polizisten gezahlt werden. (AFP, 25. Jan.)
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Der NATO-Chef in Afghanistan, General Stanley McChrystal, sieht in der bevorstehenden Aufstockung der US-Truppen eine Möglichkeit, Frieden mit den radikalislamischen Taliban zu erreichen. Er wolle mit den etwa 30.000 Mann, die bis zum Sommer an den Hindukusch geschickt werden sollen, für Sicherheit im ganzen Land sorgen, von den Taliban-Hochburgen im Süden bis in die Hauptstadt Kabul, sagte McChrystal in einem Interview mit der "Financial Times" vom 25. Jan. Die Aufständischen sollten dadurch so geschwächt werden, dass ihre Anführer zu einer politischen Einigung bereit seien.
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Die USA haben den deutschen Beitrag zu der internationalen Afghanistan-Mission gelobt. Deutschlands derzeitiger Beitrag sei ein «unerlässlicher, unverzichtbarer Teil der Bemühungen», sagte am 25. Jan. der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Richard Holbrooke. Auf die Frage, ob die USA enttäuscht seien über Berichte, wonach Deutschland weniger als 1.000 Soldaten zusätzlich bereitstellen will, wich Holbrooke aus. Er begrüße jede zusätzliche Hilfe, sagte er.
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Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy hat die Entsendung weiterer französischer Kampftruppen nach Afghanistan abgelehnt. Allerdings könnte Frankreich zusätzliches Militärpersonal zur Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte schicken, sagte Sarkozy am 25. Jan. in einem Interview mit dem Fernsehsender TF1. Derzeit hat Frankreich 3300 Soldaten in Afghanistan stationiert.
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Das Treffen im Bundeskanzleramt zur neuen Afghanistan-Strategie ist am späten Abend des 25. Jan. zu Ende gegangen, ohne dass anschließend offizielle Erklärungen abgegeben wurden. An dem Gespräch nahmen außer Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) teil.
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Bewaffnete Männer haben am 26. Jan. im Süden Afghanistans eine Kontrollstelle der Polizei überfallen und vier Beamte getötet. Der Angriff im Morgengrauen ereignete sich nach Angaben der Behörden in Lashkar Gah, der Hauptstadt der Provinz Helmand. Die Polizisten sicherten die dortige Vertretung des Informations- und Kulturministeriums.
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Die Konferenz in London soll am 28. Jan. neue Perspektiven für Afghanistan aufzeigen und damit auch die Voraussetzungen für einen Abzug der ausländischen Soldaten. «Adressat dieser Konferenz ist die Heimatfront, weniger Afghanistan», erklärt der Afghanistan-Experte Conrad Schetter vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) in Bonn. Der Ausbau der afghanischen Sicherheitskräfte werde als eine Art «Allheilmittel» präsentiert, kritisierte ZEF-Experte Schetter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur DAPD. «Verschwiegen wird dabei allerdings, dass die Mentoren mit in den Kampf ziehen müssen.» Denn vor allem für die Schulung der einheimischen Soldaten werden Ausbilder-Teams benötigt, die die Einsätze der Afghanen begleiten.
Die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, Citha Maaß, hält das Ziel von 240.000 afghanischen Soldaten und 160.000 Polizisten ohnehin für unrealistisch. «Wir brauchen nicht tausende zusätzliche Soldaten, sondern wir brauchen zehn bis 20 fähige Bataillons- und Brigadeführer», sagte sie der DAPD. Für diese afghanischen Offiziere könnten Schulungen auch außerhalb Afghanistans, beispielsweise an der Bundeswehrakademie in Hamburg, angeboten werden, empfiehlt Maaß.
ZEF-Experte Schetter hält die Strategie von US-Präsident Barack Obama, die Truppen jetzt zu verstärken und dann im Sommer 2011 ihren Abzug einzuleiten, allerdings für «eine reine politische Propaganda-Aktion, die in Afghanistan nichts bringen wird». Die Entsendung von 30.000 zusätzlichen Soldaten erfordere schließlich auch die Errichtung weiterer Feldlager und mehr ziviles Personal wie Dolmetscher. «Bis das alles steht, vergeht ein halbes Jahr», prophezeit Schetter. Wenn dann bereits Mitte 2011 der Abzug beginnen solle, erscheine die Verstärkung wenig sinnvoll.
Die SWP-Expertin Maaß befürchtet sogar, dass die Aufstockung der Truppen kontraproduktiv sein könnte. «Ich fürchte im nächsten halben Jahr zusätzliche Militanz, denn wenn 30.000 zusätzliche US-Soldaten kommen, wird es auch mehr Ziele geben, die man angreifen kann. Gleichzeitig werden die Angriffe zunehmen, weil auch die Aufständischen ihre Schlagkraft unter Beweis stellen wollen.»
Schetter warnt, in Afghanistan sei der Vorwurf der Besatzung immer häufiger zu hören. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Entwicklungshelfern und Militär, wie sie Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel anstrebe, wäre deshalb «fatal», warnt der ZEF-Experte. Schon jetzt habe die Zusammenarbeit im deutschen Einsatzgebiet in Kundus dazu geführt, «dass Entwicklungshilfe-Organisationen mehr und mehr Ziele von Anschlägen sind».
Um der wachsenden Unzufriedenheit der afghanischen Bevölkerung zu begegnen, müssten vor allem Arbeitsplätze geschaffen werden, «weil sich die Aufständischen zu einem großen Teil aus arbeitslosen Männern rekrutieren». Geeignet dafür seien besonders Infrastrukturprojekte, die der Bevölkerung zugleich den Einruck vermittelten, «es passiert was», erklärt Schetter. Allerdings warnt der Experte die Bundesregierung davor, kurzfristig große Geldmengen nach Afghanistan zu pumpen, die das Land mangels funktionierender Strukturen gar nicht sinnvoll einsetzen könne. Seine Kollegin Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist sogar der Ansicht, Berlin sollte auf der Afghanistan-Konferenz in London gar kein zusätzliches Geld anbieten, «weil wir mit der internationalen Hilfe massiv zur Korruption beigetragen haben». Sie empfiehlt, «dass die deutsche Hilfe zunehmend an Kabul vorbeigeleitet und schwerpunktmäßig im Norden und Nordosten eingesetzt wird». (AP, 26. Jan.)
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Die neue Afghanistan-Strategie der Bundesregierung wird nach Auskunft von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) "deutlich" mehr zivile Aufbaumaßnahmen beinhalten. "Überall da, wo unsere Soldaten für Sicherheit sorgen, brauchen die Menschen eine Friedensdividende, das heißt auch da müssen die Aufbaumaßnahmen intensiviert werden", sagte Niebel am 26. Jan. im ZDF-Morgenmagazin.
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Die Bundesregierung will die deutsche Truppe in Afghanistan um insgesamt 850 Soldaten aufstocken. Das teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 26. Jan. nach einem Treffen mit den Parteispitzen im Kanzleramt mit.
Merkel hatte am 25. Jan. mit mehreren Bundesministern über das deutsche Afghanistan-Konzept beraten und am Morgen des 26. Jan. die Fraktionsspitzen unterrichtet.
Das Bundeswehrkontingent wird laut Merkel um 500 auf 5000 Soldaten aufgestockt. Dabei soll es allerdings eine Umschichtung zu mehr Ausbildern geben. Statt 280 Ausbilder sollen es künftig 1400 deutsche Soldaten für diese Aufgabe sein. Zudem sollen 200 deutsche Polizisten künftig afghanische Kollegen ausbilden, derzeit sind es 123 Polizisten. Mit der Erhöhung der Ausbilder könnten pro Jahr 5000 afghanische Polizisten geschult werden. Insgesamt wird international damit gerechnet, dass Afghanistan 171 000 Soldaten und 134 000 Polizisten benötigt.
Neben den 500 Soldaten sollen zusätzlich noch 350 Kräfte als «flexible Reserve» zur Verfügung stehen. Sie sollen nach Angaben von Merkel etwa bei der Absicherung von Wahlen, bei Kontingentswechseln sowie eventuell bei neuen Aufklärungstechnologien zum Einsatz kommen. Über die Aufgaben dieser Reservetruppe werde der Verteidigungsausschuss des Bundestages beraten.
Die zivilen Hilfsgelder will Deutschland von 220 Millionen Euro im laufenden Jahr auf 430 Millionen Euro fast verdoppeln. Dabei sollen vor allem die ländlichen Räume entwickelt werden. Ziel sei bis Ende der Legislaturperiode, dass im Norden Afghanistans 50 Prozent der Menschen Zugang zu Energie und Trinkwasser haben. Heute seien es nur 22 Prozent. Der Anteil der Kinder, die in die Schule gehen, solle von 25 auf 60 Prozent steigen. Merkel zufolge sollen auch die Bundeswehrsoldaten wieder Aufbauhilfe leisten. Diese sei fast zum Erliegen gekommen.
Deutschland wird sich außerdem an dem Fonds zur Reintegration von Taliban-Kräften in die afghanische Gesellschaft beteiligen. In den Fonds, der rund 350 Millionen Euro umfassen soll, will Deutschland 50 Millionen Euro zahlen, je zehn Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren.
Merkel sprach von einem Gesamtpaket, das dem Ansatz der «vernetzten Sicherheit» folge. Hinzu komme eine neue Etappe: die Übergabe der Sicherheit in die Verantwortung der Afghanen. Auf der Londoner Konferenz wird Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Bundesregierung vertreten.
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Die NATO-Truppen in Afghanistan planen im unruhigen Süden des Landes nach britischen Angaben ihre bislang größte Offensive. Wie der Kommandeur der NATO-geführten ISAF-Truppen in Südafghanistan, der britische Generalmajor Nick Carter, am 26. Jan. dem Rundfunksender BBC sagte, sollen die radikalislamischen Taliban aus bislang von ihnen kontrollierten Gebieten in der Provinz Helmand vertrieben werden. "Wir müssen die Kontrolle der Regierung über die Bereiche durchsetzen, die bislang nicht von ihr kontrolliert werden", sagte Carter. Große Teile der Provinz würden von "Parallelregierungen" regiert, die oft von den Taliban gestellt würden, sagte Carter. Wann die Großoffensive der internationalen und afghanischen Truppen starten soll, sagte der General nicht.
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Ein britischer Diplomat wird der nächste Zivilbeauftragte der NATO in Afghanistan. Bisher Botschafter seines Landes in Kabul, tritt Mark Sedwill die Nachfolge des Italieners Fernando Gentilini an, wie am 26. Jan. aus diplomatischen Kreisen in Kabul verlautete. Der 45-Jährige erhält damit die Aufgabe, die Bemühungen um den Wiederaufbau zu koordinieren und als ziviles Pendant zu NATO-General Stanley McChrystal engen Kontakt mit den Vereinten Nationen und anderen Organisationen zu halten.
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Die SPD steht wichtigen Teilen der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung weiter kritisch gegenüber. Parteichef Sigmar Gabriel (SPD) sagte am 26. Jan. in Berlin, die Pläne von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezüglich des Schutzes der afghanischen Zivilbevölkerung und der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen entsprächen in vielen Punkten der Haltung seiner Partei. Offene Fragen gebe es aber bei der angestrebten Erhöhung des Bundeswehr-Kontingents um bis zu 850 Soldaten. Dies sehe seine Partei "sehr kritisch".
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Die geplante Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan stößt bei den Grünen auf Widerstand. «Wir sehen die Truppenaufstockung nicht ein», sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast am 26. Jan. in Berlin. Ihre Partei werde sich die Regierungspläne im Detail anschauen. Bisher seien die deutschen Soldaten aber nicht gezielt genug für die Ausbildung in Afghanistan eingesetzt worden. Zudem sollte künftig klar definiert werden, was bis wann beim zivilen Aufbau in Afghanistan erreicht werden müsse.
Auch die Linke lehnt eine Aufstockung der Bundeswehrtruppe in Afghanistan ab. «Mehr Soldaten bedeuten mehr Krieg», erklärte Linke-Vorstandsmitglied Christine Buchholz. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg trügen so die Verantwortung für den Tod von mehr Soldaten und weiteren afghanischen Opfern. Die Verdopplung der Entwicklungshilfe bezeichnete Buchholz als «Feigenblatt», um der afghanischen Bevölkerung die Entsendung von mehr Kampftruppen schmackhaft zu machen.
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Deutschland löst seine «Quick Reaction Force» in Afghanistan auf. Das kündigte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am 26. Jan. in Berlin an. Die Soldaten würden künftig bei der Ausbildung und zum Schutz der Bevölkerung eingesetzt, sagte der CSU-Politiker. Die Bundeswehr hatte seit Juli 2008 für das unter deutscher Führung stehende Regionalkommando Nord diese offensiv operierende Kampftruppe gestellt.
Guttenberg sagte, Deutschland werde auf der Afghanistan-Konferenz in London einen «wirklichen Strategiewechsel» bei seinem Engagement verkünden und dazu das bestehende Mandat umstrukturieren. So würden statt 280 künftig 1.400 deutsche Soldaten zur Ausbildung eingesetzt. Statt auf offensiv operierende Truppen werde künftig der Schwerpunkt auf den Schutz der Zivilbevölkerung und die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte gelegt.
Das neue Konzept unter dem Stichwort «Partnering» bedeute, dass die Soldaten mehr Präsenz in der Fläche zeigten, erklärte Guttenberg. So könnten die Rückzugsräume für Taliban minimiert werden. Das Konzept bedeute weder mehr noch weniger Gefahr für Bundeswehrsoldaten.
Der Verteidigungsminister sagte, die USA schickten 5.000 Soldaten in den Norden Afghanistans. Das Gebiet werde unter deutschem Kommando bleiben. Die deutsche Führungsstruktur werde verbreitert.
Der Minister kündigte an, ab März wolle die Bundesregierung ihr neues Afghanistan-Konzept umsetzen. Ein Abzug deutscher Soldaten sei «in Teilbereichen» bereits 2011 denkbar. Einen festen Abzugstermin werde die Bundesregierung aber auf keinen Fall nennen.
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Bei einem Selbstmordanschlag in der Nähe eines US-Stützpunktes in Kabul wurden am 26. Jan mindestens 14 Menschen verletzt. Zu der Bluttat bekannten sich die Taliban. Bei den Verletzten handelt es sich nach Polizeiangaben um mindestens sechs Afghanen, der NATO zufolge wurden außerdem acht US-Bürger verwundet. Der Attentäter brachte einen mit Sprengstoff beladenen Kleinlaster zur Explosion.
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Bei einem Überfall in der Provinz Helmand wurden am 26. Jan. vier Polizisten getötet. Motive und eine Beteiligung der Taliban waren nach Angaben der Behörden in der Provinzhauptstadt Lashkar Gah allerdings unklar.
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In der ostafghanischen Provinz Kunar wurden bei einem NATO-Luftangriff am 26. Jan. mehrere Aufständische getötet. Militärsprecherin Virginia McCabe sagte, Ziel sei eine Gruppe von Militanten gewesen, die eine Angriffsposition aufgebaut hätten. Fünf bis zehn Personen seien getötet worden.
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Die Gewerkschaft der Polizei hat Zweifel daran geäußert, dass die Polizistenausbildung durch deutsche Beamte in Afghanistan große Erfolge bringt. In Afghanistan würden keine Polizisten wie in Deutschland gebraucht, sondern eher paramilitärische Milizen, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Konrad Freiberg am 26. Jan. dem Rundfunksender MDR Info. "Solch eine Ausbildung können deutsche Polizisten aber nicht leisten." Deutsche könnten zwar Polizisten in höheren Rängen ausbilden oder bestimmte Spezialisten, nicht aber die Masse der Polizisten. Freiberg lehnte es zudem strikt ab, dass deutsche Polizisten in Afghanistan operativ außerhalb von Lagern eingesetzt werden.
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CARE und sieben weitere Hilfsorganisationen warnen im Vorfeld der
Afghanistan-Konferenz in London davor, dass
die Militarisierung der Entwicklungshilfe die Bevölkerung in Gefahr
bringe. Die Hilfsorganisationen fordern am 27. Jan. in einem Hintergrundpapier (pdf-Datei) die an
der Konferenz teilnehmenden Länder dazu auf, den militärischen
Hilfsansatz zu überdenken und eine langfristige Hilfsstrategie zu
entwickeln, die den Bedürfnissen der afghanischen Bevölkerung
entspricht. Sie kritisieren, dass die Hilfe oft zugunsten von
Regionen umgesetzt werde, wo die Truppenpräsenz am stärksten ist,
anstatt dort, wo der Bedarf am größten sei.
Neben CARE sind Oxfam, ActionAid, Afghanaid, Concern,
Christianaid, Trocaire und Norwegian Refugee Council Unterzeichner
des Hintergrundpapiers "Quick Impact, Quick Collapse" beteiligt.
Lesen Sie hierzu: Hilfsorganisationen schlagen Alarm.
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Umfrage:
Die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, mehr deutsche Soldaten nach Afghanistan zu schicken, stoßen in der Bevölkerung auf erhebliche Skepsis. Kurz vor der Londoner Afghanistan-Konferenz lehnen nach einer Umfrage für das Hamburger Magazin stern vier von fünf Deutschen (79 Prozent)
eine Truppenaufstockung ab. Auch unter den Anhängern der
Regierungskoalition ist der Widerstand enorm - 77 Prozent der Unions-
und sogar 86 Prozent der FDP-Wähler sind gegen eine
Truppenverstärkung.
Überraschend hoch ist die Zahl der Bundesbürger, die einen
sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verlangen: Fast jeder
Dritte (32 Prozent) plädiert in der stern-Umfrage dafür. Vor allem
die Wähler der Linken (52 Prozent) fordern dies, bei den Unions- und
SPD-Wählern sind es je 27 Prozent. Den Rückzug bis spätestens Ende
2011 wünscht rund ein Viertel aller Befragten (24 Prozent). 14
Prozent sind dafür, spätestens Ende 2015 abzuziehen, ein Viertel (25
Prozent) meint, die Bundeswehr solle bei Bedarf noch länger bleiben.
Die Umfrage zeigt auch, wie gering der Rückhalt der Bevölkerung
für die Afghanistan-Mission ist. Auf die Frage, ob sie persönlich
hinter dem Einsatz der deutschen Soldaten stehen, antwortete knapp
die Hälfte (49 Prozent) der Befragten mit "Nein". Sogar ein Drittel
(36 Prozent) der Unions- und fast die Hälfte der FDP-Wähler (47
Prozent) erklärten, sie stünden nicht hinter dem Einsatz. Mit "Ja"
antworteten 47 Prozent. (stern, 27. Jan.)
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Die NATO hat mit der früheren Sowjetrepublik Kasachstan ein Abkommen geschlossen, das den Transport ziviler Versorgungsgüter durch das zentralasiatische Land nach Afghanistan ermöglicht. Der Transport mit dem Zug solle bereits in den kommenden Tagen beginnen, teilte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am 27. Jan. in Brüssel mit. Ausgeschlossen seien Waffen und Kriegsmaterial. Die Züge sollen über Russland, mit dem die NATO bereits 2008 ein Abkommen geschlossen hatte, über Kasachstan nach Afghanistan fahren. Damit soll die Transitroute über Pakistan entlastet werden, wo NATO-Konvois häufig angegriffen werden.
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Die Taliban haben die internationale Afghanistan-Konferenz in London als "Zeitverschwendung" bezeichnet. "Es gab in der Vergangenheit ähnliche Konferenzen. Keine hat die Probleme Afghanistans gelöst", hieß es in einer am 27. Jan. veröffentlichten Erklärung. Die einzige Lösung sei der sofortige Abzug der internationalen Truppen. Erst dann würden die Taliban mit der Regierung verhandeln.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet von der Afghanistankonferenz in London die Vereinbarung «ganz konkreter Ziele». Die internationale Staatengemeinschaft habe das Ziel ihres Einsatzes noch nicht erreicht, «und deshalb müssen wir handeln», sagte Merkel am 27. Jan. bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Es gehe um eine Weichenstellung, die über Erfolg und Misserfolg des Einsatzes entscheide. Es müssten daher klare Verabredungen getroffen werden, welchen Umfang die afghanischen Sicherheitskräfte 2010 und 2011 erreichen sollten. Gut acht Jahre nach Beginn der Mission am Hindukusch zog Merkel eine gemischte Bilanz des Einsatzes. Es gebe «manche Fortschritte und zu viele Rückschläge». (Hier geht es zur ganzen Debatte.)
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Zum Auftakt der internationalen Afghanistan-Konferenz hat NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Teilnehmerländer aufgefordert, einen "klaren politischen Fahrplan" für das Land am Hindukusch vorzulegen. Die Zeit für Reflexionen über die instabile Zukunft Afghanistans sei abgelaufen, schrieb Rasmussen in einem Meinungsbeitrag der britischen Tageszeitung "The Times" vom 28. Jan. "Die Anstrengungen und Opfer unserer Soldaten allein werden nicht genügen, um die Wende in Afghanistan zu bringen", erklärte der NATO-Generalsekretär. Die Londoner Afghanistan-Konferenz müsse dazu beitragen, eine politische "Road map" aufzustellen.
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Mehr als acht Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes dringt die internationale Gemeinschaft auf eine baldige Befriedung des Landes. Vertreter aus 44 Staaten und von internationalen Organisationen kamen am 28. Jan in London zusammen, um über Abzugsperspektiven für die internationalen Truppen zu beraten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, es solle ein «neues Kapitel» in der Afghanistan-Politik aufgeschlagen werden. Künftig solle der Akzent mehr auf dem zivil-politischen Wiederaufbau liegen. «Wir wollen einen Wendepunkt schaffen,» sagte Westerwelle vor Beginn der Verhandlungen, die von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dem britischen Premierminister Gordon Brown und dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai geleitet werden.
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Nach acht Jahren des militärischen Konflikts will die internationale Gemeinschaft in Afghanistan eine Wende herbeiführen: Dies soll mit einer schrittweisen Übertragung der Sicherheitsaufgaben und einem Programm zur Wiedereingliederung gemäßigter Taliban geschehen, wie der britische Premierminister Gordon Brown in London bekanntgab. Afghanistans Präsident Hamid Karsai kündigte einen Aussöhnungsprozess an. Der Prozess der Übertragung der Sicherheitsaufgaben an die afghanische Armee solle Ende 2010/Anfang 2011 beginnen, hieß es im Entwurf der Abschlusserklärung der internationalen Afghanistan-Konferenz in London, welcher der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Nach Angaben Browns wird dabei "Distrikt für Distrikt" vorgegangen. Bis Ende 2011 solle die afghanische Armee durch verstärkte internationale Ausbildungsanstrengungen eine Stärke von 171.000 Mann und die Polizei von 134.000 Mann erreicht haben. (Hier geht es zu einer Kritik an den Ergebnissen der London-Konferenz.)
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Soldaten der Internationalen Afghanistan-Truppe (ISAF) haben am 28. Jan. aus Versehen einen Imam erschossen. Der Mann sei bei dem Feuer auf seinen Wagen in der Hauptstadt Kabul getötet worden, hieß es in einer NATO-Erklärung. Der Wagen sei als Gefahr für einen NATO-Konvoi wahrgenommen worden, daher sei das Auto beschossen worden. Anschließend habe sich herausgestellt, dass es sich um einen Zivilisten gehandelt habe. Er bedauere den Tod des Mannes außerordentlich, erklärte ISAF-Sprecher Eric Tremblay. Der Vorfall werde genau untersucht; der Familie des Opfers versprach er eine Entschädigung.
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Beim Angriff auf eine Patrouille der Bundeswehr im Norden Afghanistans ist ein deutscher Soldat verletzt worden. Wie das Bundesverteidigungsministerium am 29. Jan. in Berlin mitteilte, wurden die Soldaten der deutschen Infanteriekompanie bereits am Nachmittag des 28. Jan. südlich des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) in Kundus von Aufständischen mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten angegriffen. Die deutschen Soldaten erwiderten das Feuer. Der verletzte Soldat wurde den Angaben zufolge zur Behandlung in das deutsche Feldlager bei Masar-i-Scharif gebracht.
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Pakistanische Sicherheitskräfte haben bei Gefechten mit Aufständischen im Grenzgebiet zu Afghanistan nach Angaben der Regierung in den vergangenen drei Tagen 30 Militante getötet. Die Kämpfe in der Region Bajur dauerten am 29. Jan. an, sagte ein Vertreter der Regierung weiter. Es seien auch mehrere Soldaten verwundet worden. Die pakistanische Armee hatte bereits 2008 eine Großoffensive in Bajur geführt und anschließend erklärt, die Aufständischen seien aus der Region vertrieben worden. Dennoch dauerten die Zusammenstöße fort.
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Für den Einsatz in Afghanistan erlernen deutsche Soldaten in Israel den Umgang mit Aufklärer-Drohnen. Einige Soldaten würden in Israel an dem Überwachungssystem Heron 1 geschult, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums einen Bericht der "Financial Times Deutschland" vom 29. Jan. Die Bundeswehr will die Aufklärer-Drohne den Angaben zufolge ab März in Afghanistan einsetzen. Laut "FTD" trainieren derzeit deutsche Piloten in sechswöchigen Lehrgängen den Einsatz der Aufklärungs-Drohne, die von dem israelischen Unternehmen IAI in Zusammenarbeit mit dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall gebaut wird. Bei den Deutschen handele es sich um "erfahrene Piloten" von Kampf- und Transportflugzeugen sowie Hubschraubern, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.
Nach Angaben von Ministeriumssprecher Steffen Moritz ist es nicht das erste Mal, dass deutsche Soldaten in Israel ausgebildet werden. Es gebe im Rahmen der deutsch-israelischen Kooperation auf Offiziersebene immer wieder Ausbildungen, die sowohl in Deutschland als auch in Israel stattfänden, sagte er.
Die Bundeswehr hat nach Angaben eines weiteren Ministeriumssprechers mit Rheinmetall einen Dienstleistungsvertrag über die Nutzung von drei Heron-1-Systemen geschlossen. Der befristete Vertrag umfasst den Angaben zufolge die fliegenden Plattformen, die Bodenstationen sowie logistische Maßnahmen.
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Bei einem US-Drohnenangriff in den pakistanischen Stammesgebieten sind nach Angaben örtlicher Behörden mindestens fünf mutmaßliche Aufständische getötet worden (Zahl der Getöteten erhöhte sich später auf 9). Nach dem Angriff auf einen Stützpunkt von Aufständischen in Muhammad Khel in Nord-Waziristan drohe die Opferzahl noch zu steigen, sagte ein örtlicher Regierungsvertreter am 29. Jan. Ein Vertreter der Sicherheitsbehörden sagte, die US-Drohne habe in dem Gebiet in der Nähe von Afghanistan drei Raketen abgefeuert. Ziel des Angriffs sei ein Treffpunkt örtlicher Taliban-Kämpfer sowie des radikalislamischen Haqqani-Netzwerkes gewesen, das für viele Angriffe auf US- und NATO-Truppen in Afghanistan verantwortlich gemacht wird.
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Im Osten Afghanistans sind nach NATO-Angaben am 29. Jan. zwei amerikanische Soldaten und ein weiterer US-Bürger getötet worden. Wo genau sie ums Leben kamen, wurde nicht bekannt. Seit Monatsbeginn sind in Afghanistan mindestens 29 Amerikaner getötet worden, mehr als doppelt so viele wie im Januar vergangenen Jahres.
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Die afghanischen Taliban haben am 30. Jan. Berichte dementiert, sie hätten sich mit UN-Vermittlern zu einem Sondierungsgespräch über Friedensaussichten getroffen. Angaben über ein Treffen zwischen Taliban-Vertretern und dem Leiter der UN-Mission in Afghanistan, Kai Eide, seien völlig aus der Luft gegriffene Gerüchte, hieß es in einer Erklärung des Taliban-Rates. Eide hat bisher kein Treffen mit Taliban öffentlich bestätigt. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte aber angedeutet, Eide wolle sich selbst ein Bild über die Vorstellungen einiger Taliban machen. In deren Dementi wurde die Fortsetzung des Krieges in Afghanistan bekräftigt. Die Ablehnung von Friedensangeboten habe der US-Strategie in Afghanistan einen «vernichtenden Schlag» versetzt.
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Bei der Londoner Afghanistan-Konferenz sind nach Ansicht der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, "zentrale Anliegen" der Kirche berücksichtigt worden. Die deutsche Entwicklungshilfe werde verdoppelt, sagte Käßmann der "Frankfurter Rundschau" vom 30. Jan. zu den Beschlüssen der internationalen Konferenz am Donnerstag in London. Das zeige, dass der Vorrang des Zivilen wahrgenommen werde. Der Versuch eines Aussteigerprogramms für Taliban-Kämpfer zeige auch, dass mehr Fantasie für den Frieden ins Spiel komme. Es müsse sich jedoch noch zeigen, ob London einen Strategiewechsel markiere.
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NATO-Soldaten haben in Afghanistan versehentlich vier afghanische Soldaten getötet. Bei dem Zwischenfall in der Nacht zum 30. Jan. in der Provinz Wardak südwestlich von Kabul wurden sieben weitere Afghanen verletzt, wie ein Sprecher des Provinzgouverneurs mitteilte. Die afghanischen Soldaten waren den Angaben zufolge nach einem gemeinsamen Einsatz mit Soldaten der NATO-Truppe ISAF auf dem Weg zurück zu ihrem Stützpunkt, als im Dunkeln die tödlichen Schüsse fielen. Seinen Angaben zufolge gab es auch auf Seiten der NATO Verluste. Die ISAF äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorfall.
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Die Londoner Afghanistan-Konferenz geht von einer Wende in Afghanistan aus. Doch trotz des von dem internationalen Treffen beschlossenen «Neuanfangs» am Hindukusch zieht sich die Bonner Welthungerhilfe jetzt wegen der unsicheren Lage aus einem Teil der nördlichen Regionen Afghanistans zurück. «Die Situation ist in der Provinz Kundus für die Arbeit der Welthungerhilfe zu gefährlich geworden und wir haben uns im Herbst 2009 für ein Auslaufen des dortigen Engagements entschieden», sagte der Referent der Hilfsorganisation, Timo Christians, am 30. Jan. der Nachrichtenagentur ddp in Bonn. «Unsere Arbeit in Ostafghanistan und Nordwestafghanistan geht jedoch weiter», unterstrich Christians. Im vergangenen September hatte ein von der Bundeswehr befohlenes Bombardement gegen die Taliban im Raum Kundus für weltweite Schlagzeilen gesorgt. Im vorigen Jahr war ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation durch eine Sprengfalle von Aufständischen ums Leben gekommen. 2007 starben zwei Mitarbeiter bei Anschlägen. Christians bedauerte den Stopp der Arbeiten für Wasserprojekte und Forstanpflanzungen im Raum Kundus und der benachbarten Provinz Takhar.
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Knapp vier Monate nach dem tödlichen Luftangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan gibt es neue Vorwürfe gegen den verantwortlichen Bundeswehr-Oberst Georg Klein. Wie der «Spiegel» am 30. Jan. unter Berufung auf den geheimen NATO-Abschlussbericht schrieb, soll sich Klein während des Angriffs «vom System der gegenseitigen Kontrolle und gemeinsamen Verantwortung» isoliert haben. Außerdem enthielt die Bundeswehr dem Bericht zufolge den US-Jagdbomberpiloten, die den Angriff ausführten, wichtige Informationen vor.
Wie der «Spiegel» berichtet, waren die mutmaßlichen Verstöße des Obersts gegen NATO-Vorschriften nur möglich, weil dieser ausschließlich vom Gefechtsstand der Task Force 47 aus agiert habe. Während die Bundeswehr die Rolle der Task Force und damit des KSK bisher stets heruntergespielt habe, komme die NATO zu einem anderen Ergebnis. In dem Bericht heiße es, «dass der Einsatz hauptsächlich vom Personal der Task Force 47 initiiert und ermöglicht wurde». Die deutsche Spezialeinheit Task Force 47 agiert strikt abgeschirmt auf dem Gelände des deutschen Feldlagers in Kundus. Die Einheit besteht zur Hälfte aus KSK-Elitesoldaten und zur anderen aus Aufklärern der Bundeswehr. Aus dem geheimen NATO-Bericht geht laut «Spiegel» hervor, dass die Bundeswehr über einen Informanten wusste, dass mindestens einer der beiden Fahrer der Tanklastwagen noch am Leben war, als diese die Sandbank im Fluss erreicht hatten. Einer der beiden US-Piloten machte dem Bericht zufolge gegenüber den NATO-Ermittlern klar, dass sie ihre Waffen nicht eingesetzt hätten, wenn ihnen klar gewesen wäre, dass einer der entführten Tanklasterfahrer unter den Menschen im Zielgebiet sei.
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Bei einem Einsatz von NATO-Soldaten gegen militante Islamisten ist in der mittelafghanischen Provinz Urusgan ein Baby getötet worden. Das teilte das Militärbündnis am 31. Jan. mit. Wie es hieß, geriet am Abend des 30. Jan. eine gemeinsame Einheit von internationalen und afghanischen Soldaten in Urusgan unter Beschuss. Bei dem anschließenden Feuergefecht seien vier mutmaßliche Aufständische erschossen worden. Nach dem Gefecht seien eine leicht verletzte Frau und ein Baby gefunden worden, das tödliche Verletzungen erlitten habe. Ein NATO-Sprecher, US-Oberst Wayne Shanks, äußerte sein Bedauern über den «tragischen Verlust an unschuldigem Leben».
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Im Zusammenhang mit dem schweren Anschlag auf den US-Geheimdienst CIA in Afghanistan (siehe unsere Chronik vom 30. Dezember sowie den Bericht Selbstmordanschlag auf Stützpunkt der CIA.)sind in Jordanien Dutzende mutmaßliche Islamisten festgenommen worden. Nach dem Anschlag von Chost seien in mehreren Landesteilen mehr als 40 jordanische Dschihadisten festgenommen worden, darunter auch ehemalige Häftlinge, sagte ein Geheimdienstvertreter am 31. Jan. in Amman. Die Verdächtigen würden verhört.
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Die Tauglichkeit der neuen Afghanistan-Strategie wird sich nach Ansicht von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bereits in wenigen Monaten zeigen. "Im Herbst 2010 müssten wir absehen können, ob wir Erfolg haben werden", sagte Guttenberg am 31. Jan. "Wir müssen Erfolg haben." Notwendig sei die Mitwirkung der afghanischen Führung. Sie erhalte nun eine neue Chance.
Das Konzept der Bundesregierung sieht eine Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes, der Ausbildung von afghanischen Sicherheitskräften und der Aufbauhilfe vor. Die Soldaten der Bundeswehr müssten künftig "länger und häufiger die großen Feldlager verlassen", sagte Guttenberg der "Bild"-Zeitung. Ziel gemeinsam mit den afghanischen Sicherheitskräften sei es, den Taliban vor allem rund um Kundus im Norden des Landes die Rückzugsräume zu nehmen.
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