Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

August/September 2005

Friedensbewegung in den Medien

Die Abstimmung des (alten) Bundestags über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr am 28. September 2005 war Thema der Berichterstattung am 29. September. Es war ein Ereignis der politischen Bühne in Berlin unter vielen anderen. Das lag daran, dass es sich um eine Routineabstimmung handelte und das Interesse der Medien sich eher auf Fragen der künftigen Regierungsbildung richteten. Vom Protest draußen vor dem Bundestag war in den wenigsten Zeitungenn etwas zu lesen. Ausnahmen waren die "junge Welt", die auf die Aktion der Linksfraktion hinwies, und das "Neue Deutschland", das ein großes Foto vom Transparent der Linksfraktion mit kurzem Text brachte:

535 Abgeordnete des Bundestages stimmten am Mittwoch für eine Erweiterung des Bundeswehr-Afghanistan-Einsatzes, 14 votierten dagegen, vier enthielten sich. Nun können ein Jahr lang bis zu 3000 deutsche Soldaten vor allem im Norden wie in allen anderen Teilen Afghanistans operieren. Vor dem Bundestag protestierten Friedensgruppen sowie gewählte Abgeordnete der Linkspartei.PDS gegen militärische Auslandseinsätze.

Aus: Neues Deutschland, 29. September 2005

Auch am 28. September 2005, dem Tag, an dem der alte Bundestag zu einer Sondersitzung zusammen gerufen wurde, um über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes abzustimmen, schwiegen sich die meisten Zeitungen aus. Entsprechend dünn das Echo auch auf die inhaltlichen Einwände aus den Reihen der Friedensbewegung. Lediglich das "Neue Deutschland" wies auf angekündigte Proteste hin und erwähnte die Erklärung der "Kooperative für den Frieden"; die "junge Welt" bemerkte am Ende des Artikels auf Seite 1:

(...) Die Linksfraktion will die Ausweitung des Afghanistan-Mandats mit Protesten zu begleiten. Zu einer Kundgebung um 13.30 Uhr werden zahlreiche Abgeordnete vor dem Brandenburger Tor erwartet. Während die Linksfraktion den außerparlamentarischen Protest übernimmt, hält sich die deutsche Friedensbewegung zurück. Vor dem Reichstag sind lediglich einige kleinere Proteste geplant.

Aus: junge Welt, 28. September 2005

"Deutschland ist Kriegspartei", überschrieb ngo-online ihren Bericht über den Appell, den der Bundesausschuss Friedensratschlag an den Bundestag sandte, um ihn von dem Vorhaben abzubringen, die gescheiterte Afghanistan-Mision zu verlängern. Darin heißt es u.a.:

(...)In einem Appell an die Abgeordneten fordert der Bundesausschuss Friedensratschlag, den Antrag der noch amtierenden Bundesregierung abzulehnen und die Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Der Bundesregierung wird vorgeworfen, den Bundestag und die Öffentlichkeit über den wirklichen Auftrag der Bundeswehr in Afghanistan im Unklaren zu lassen. Durch die verdeckten Operationen der KSK-Truppen "als Teil des US-Krieges Enduring Freedom" sei Deutschland "Kriegspartei" und als solche nicht geeignet, "zugleich eine wirksame zivile Aufbauhilfe im Kriegsgebiet zu leisten". Der Bundestag müsse wissen, dass er einer Verlängerung eines "unsinnigen und nicht ungefährlichen Militäreinsatzes" zustimmen solle.
(...)
"Schluss mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr", heißt es in dem Appell, in dem ein Bezug zur Sozialpolitik in Deutschland hergestellt wird. Der Sozialstaat Deutschland werde nicht am Hindukusch verteidigt, "sondern hier bei uns". Wer bei der Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer schlagkräftigen Interventionsarmee und bei Militäreinsätzen in aller Welt mit der Genehmigung von Millionen und Milliarden Euro nicht zimperlich sei, hat nach Auffassung der Friedensbewegung "kein Recht, gleichzeitig mit der Agenda 2010 und Hartz IV die sozialen Leistungen des Staates immer weiter zu reduzieren". (...)

Aus: www.ngo-online

Die "junge Welt" meinte es diesmal nicht so gut mit der Friedensbewegung. Zwar berichtete sie über die Initiative des Bundesausschusses Friedensratschlag "(Stille Post aus Oberhof"), in den Bericht mischte sich aber unverhohlen der Vorwurf, nicht mit ebenso vielen Menschen den Protest gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu mobilisieren wie es die US-Amerikaner am Wochenende gegen die Bush-Kriegspolitik und die Briten gegen Tony Blair geschafft haben. Rüdiger Göbel schrieb u.a.:

Nirgendwo ist Protestieren so einfach wie in Deutschland. Während die Antikriegsbewegung in den USA und Großbritannien am Wochenende Hunderttausende Menschen gegen die Besetzung des Irak auf die Straße brachte, zogen sich Vertreter der deutschen Friedensbewegung zu einer kleinen Klausur zurück. Auf dem "Strategieseminar" im thüringischen Oberhof beschlossen die Aktivisten um den Bundesausschuß Friedensratschlag, sich per Brief und E-Mail an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags zu wenden. Darin werden die Parlamentarier aufgefordert, dem Antrag der Bundesregierung auf Verlängerung und Erweiterung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan nicht zuzustimmen.
(...)
Der Afghanistan-Appell wurde am Montag an alle Bundestagsabgeordneten geschickt. Am Mittwoch will der "Friedensratschlag" zusammen mit Gruppen der Berliner Friedensbewegung vor und während der Bundestagssitzung vor dem Reichstag protestieren.

Aus: junge Welt, 27. September 2005

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Kaum ein Presseerzeugnis, das nicht am 25. oder 26. September von den großen Antikriegs-Demonstrationen in den USA und in Großbritannien berichtet hätte (FR, SZ, jw, ND usw., siehe: "End the War on Iraq" - Druck auf Bush erhöht). Wir zitieren diesmal aus dem Wiener "Standard", in dem auch die Demo in San Francisco erwähnt wird.

(...) Hunderttausende Menschen haben am Samstag in London und Washington einen Rückzug britischer und US-Truppen aus dem Irak verlangt. Auch in anderen amerikanischen Städten (u.a. San Francisco und Los Angeles) fanden Demonstrationen statt. In London nahmen rund 10.000 Menschen an einer Demonstration gegen den Krieg statt. In Washington erhöhte sich die Zahl der Demonstranten nach Angaben der Veranstalter im Laufe des Tages auf 300.000. (...)
(...) Prominente Sprecherin bei der Kundgebung in Washington war die trauernde US-Soldatenmutter Cindy Sheehan, die mit ihrem Anti-Kriegsprotest vor der Ranch von Präsident George W. Bush im August in Texas weltweit Schlagzeilen machte und die Anti-Kriegsbewegung neu belebte. "Schämen Sie sich!", rief sie und meinte die Kongressabgeordneten, die den Krieg genehmigt hatten. "Wie viele Kinder anderer Leute wollt ihr noch opfern?"
Die Demonstranten, die aus dem ganzen Land nach Washington gekommen waren, zogen mit Plakaten und aus Plastikeimern gebastelten Trommeln direkt am Weißen Haus vorbei. Zwei ältere Frauen trugen T- Shirts mit der Aufschrift "Florida gegen den Krieg". Sharon (9), die mit zwei Freundinnen und deren Eltern dabei war, hielt ein Plakat hoch mit der Aufschrift "Geld für Schulen, nicht für Krieg". (...)
(...)
In London übergaben Mütter getöteter britischer Soldaten am Amtssitz des Premierministers in der Downing Street Unterschriftenlisten mit der Forderung nach einem Abzug britischer Truppen aus dem Irak. Sie warfen Tony Blair vor, das Land unter Vortäuschung falscher Tatsachen in den Krieg gezogen zu haben. Die Unruhen der vergangenen Woche zwischen Irakern und britischen Streitkräften machten zudem deutlich, dass die Besatzung des Iraks durch 8500 britische Soldaten schleunigst beendet werden müsse, wurde in Reden bei der Kundgebung und auf Spruchbändern betont.
Auch in den kalifornischen Metropolen Los Angeles und San Francisco fanden Kundgebungen statt. In Los Angeles demonstrierten etwa 15.000 Menschen friedlich gegen die Irak-Politik von US-Präsident George W. Bush. In San Francisco forderten auf den Straßen ebenfalls Tausende, die Soldaten fast 30 Monate nach dem Einmarsch im Irak abzuziehen. (APA/dpa/Reuters)

Aus: Der Standard, 26. September 2005

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Ein lokales Ereignis, aber von überregionaler Bedeutung: das feierliche Gelöbnis nebst Zapfenstreich in Köln am 21. September (siehe weiter unten). Vom Tag berichtete der WDR in verschiedenen Hörfunkbeiträgen und Nachrichtensendungen (hier: online-Ausgabe) u.a.:

(...) Um sechs Uhr morgens hatte der Tag mit einem Friedensfrühstück begonnen, anschließend feierten die Soldaten einen Gottesdienst im Dom. Außerhalb der Kathedrale hielten Friedensaktivisten eine Mahnwache ab. Als aber gegen 12.00 Uhr ein Wachbatallion der Bundeswehr und das Musikkorps aus Münster die Gelöbnisfeier eröffneten, protestierten die Demonstranten lautstark mit Trillerpfeifen und Gelächter. Schramma verteidigt Ortswahl
Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) verteidigte in seiner Rede die "Sondernutzung" des Roncalli-Platzes. Mitglieder der christlichen Friedensinitiative "Pax Christi" hatten vor dem Kölner Verwaltungsgericht dagegen geklagt und die willentliche Nähe der Bundeswehr zur Kirche kritisiert. Schramma widersprach dem und sagte, es sei richtig, Gelöbnisse nicht nur hinter Kasernenmauern, sondern auch auf öffentlichen Plätzen abzuhalten. "Ich sage es auch ausdrücklich an diesem Tag", fuhr er fort und spielte damit auf die im Vorfeld kritisierte Terminwahl am Weltfriedenstag an. Als Schramma zu seinem Platz zurückging, entrollten drei Ratsmitglieder der Linkspartei auf der Ehrentribüne eine Friedensfahne. Sie wurden kurz darauf von Feldjägern abgeführt. (...)
(Später, während des feierlichen Gelöbnisses) ... entrollten plötzlich mehrere Demonstranten auf einem hoch gelegenen Balkon des Kölner Doms ein Transparent mit der Aufschrift "Wir geloben zu morden, zu rauben und zu vergewaltigen". Ihr Protest wurde von lautstarkem Sirenengeheult begleitet. Auch sie wurden kurze Zeit später unter dem Applaus der Zuschauer von den Feldjägern abgeführt. (...)

In der Kölnischen Rundschau vom 22. September hieß es zur Dom-Aktion außerdem:

(...) Wie Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner mitteilte, müssen die Männer in der Nacht oder am frühen Morgen über einen Bauzaun geklettert sein und sich anschließend mühsam hochgehangelt haben. „Eine Leiter, die dort nicht stehen durfte, ermöglichte es den Demonstranten, auf den Dom zu kommen“, so Schock-Werner. Sie kündigte an, Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung zu erstatten - auch weil die Männer ihre Notdurft auf dem kleinen Balkon verrichteten. (...)
(...) Am Abend demonstrierten erneut Gegner mit Trillerpfeifen gegen den Großen Zapfenstreich. Zu Ausschreitungen kam es bis zum Abend nicht.

Aber auch überregionale Tageszeitungen berichteten über das Kölner Ereignis. In der Frankfurter Rundschau war am 22. September u.a. folgendes zu lesen:

(...) Erst nach dem Ende des Gelöbnisses gelang es kirchlichen Mitarbeitern und Feldjägern der Bundeswehr, das Transparent zu entfernen und die Gegner zum Verlassen des Doms zu bewegen. Anlass für das Gelöbnis vor der Kulisse des Doms war das 50-jährige Bestehen der Bundeswehr. Gegner der Veranstaltung hatten vor Gericht erfolglos eine Verlegung verlangt, weil die Bundeswehr religiöse Gefühle verletze.
Schon seit dem Mittwochmorgen hatten Mitglieder mehrerer Friedensgruppen mit Mahnwachen und Straßentheater-Aktionen gegen "das öffentliche Militärspektakel" protestiert. "Betende Hände sollten keinen Finger am Abzug haben" und "Helm ab - Luft fürs Hirn" stand auf Transparenten und Flugblättern.

Die "junge Welt" brachte einen längeren Artikel, dem weitere Informationen zu entnehmen waren:

(...) Ab sechs Uhr morgens hatten Mitglieder mehrerer Friedensgruppen mit Mahnwachen und Straßentheater gegen "das öffentliche Militärspektakel" protestiert. "Wir halten öffentlichen Widerspruch und Aktivitäten gegen das Eindringen des Militärs in den zivil-öffentlichen Raum für mehr als angezeigt", erklärte Manni Stenner von der Bonner Friedenskooperative. "Mit der Wiederbelebung religiös überhöhter militaristischer Rituale, die durch ihre Pflege bei der NS-Wehrmacht völlig diskreditiert sind, begibt sich die Bundeswehr bewußt in diese unselige Tradition." Die katholische Friedengsgruppe Pax Christi hatte vor Gericht erfolglos eine Verlegung des Gelöbnisses vor dem Dom verlangt, weil die Bundeswehr religiöse Gefühle verletze. "Betende Hände sollten keinen Finger am Abzug haben" und "Helm ab - Luft fürs Hirn" stand auf Transparenten und Flugblättern. Auch ein Text des Friedensnobelpreisträgers Albert Einstein wurde verbreitet: "Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon. Er hat sein großes Hirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen." (...)

Die Bundeswehr feiert ihr 50-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass finden im Herbst zahlreiche Feierlichkeiten und militärische Aufmärsche statt. So auch am 21. September in Köln, wo u.a. ein "Großer Zapfenstreich" geplant ist. Dagegen macht die örtliche und regionale Friedensbewegung mobil. Die Frankfurter Rundschau berichtete am 17. Sept. u.a.:

(...) Am kommenden Mittwoch [21. Sept.] ist mit symbolträchtigen Bildern zu rechnen: Morgens wird ein "Soldatengottesdienst" im Dom abgehalten, später versammeln sich 280 Rekruten auf dem "Roncalliplatz" im Schatten der gotischen Kathedrale zum öffentlichen Gelöbnis, abends wird der "Große Zapfenstreich" zelebriert. Dass am selben Tag die UN ihren Internationalen Weltfriedenstag abhält, wird nicht als problematisch empfunden. Schramma findet: "Es passt sogar."
Für die Bundeswehr, die ihr 50-jähriges Bestehen feiert, gilt das Zeremoniell am Dom als eine der zentralen Veranstaltungen. Die rheinische Metropole ist die größte Garnisonsstadt mit rund 10 000 militärischen und zivilen Mitarbeitern.
Für gläubige Pazifisten ist das Ereignis "Blasphemie", sagt Martin Singe, Diplom-Theologe und Mitglied von Pax Christi. Das Evangelium beruhe auf Gewaltfreiheit, während die Soldaten mit Gewehr aufmarschierten. Ein Staat besitze "keine Berechtigung, der bei der Verherrlichung des Soldatendienstes, der dem Erlernen des Kriegshandwerks und damit des Tötens dient, demonstrativ die Nähe unserer Kirche zu suchen." Das Netzwerk Friedenskooperative sieht darin ein "überhöhtes Militärritual, das spätestens durch die exzessive Ausübung durch die NS-Wehrmacht völlig diskreditiert" sei. Vor dem Verwaltungsgericht sollen mindestens zwei der fünf bereits verbotenen Mahnwachen erstritten werden, sagt Martin Stenner, Chef des Netzwerks. Vor allem aber wollen die Friedensgruppen die Zeremonie mit einer Klage verhindern.
"Die Instrumentalisierung des Christentums durch die Bundeswehr, deren Legitimation auf diese Weise bestärkt werden soll, und die Indienstnahme christlicher Symbole und Traditionen verletzen unsere religiösen Überzeugungen und Gefühle zutiefst", heißt es in der Klageschrift. Das Gericht wies die Klage ab, weil sie die religiösen Gefühle und die Neutralität des Staates nicht verletzt sieht. (...)

Aus: Frankfurter Rundschau, 17. September 2005

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Auch wenn Gerhard Schröder aus durchsichtigen Gründen versucht hat, das Thema "Frieden" in den Wahlkampf hinein zu tragen, indem er mehrfach an die Haltung der Bundesregierung beim Irakkrieg erinnerte, bleiben friedenspolitische Fragen im Wahlkampf weit unterbelichtet. Daran ändern auch Einmischungen der Friedensbewegung auf örtlicher Ebene wenig. Die Wahlen 2005 werden auf wirtschafts- und sozialpolitischem Terrain entschieden. Dies drückt sich auch darin aus, dass Belange der Friedensbewegung in dieser Zeit wenig Gehör finden. Nur hier und da gelingt es doch, überregionale Medien zu erreichen. Z.B. fand die Friedensbewegung Resonanz mit ihrer Kritik an den US-Plänen, ihre Nukleardoktrin zu verändern. (Siehe hierzu: "Pentagon prüft Strategie präventiver Atomangriffe".) So nahm sich die Internetzeitung "ngo-online" des Falles an und berichtete in einem längeren Beitrag über die Positionen von Bundesausschuss Friedensratschlag und IPPNW: "Gutdünken des Präsidenten". Relativ breit über die Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensrataschlag berichtete am 13. Sept. auch die Internetseite von Franz Alt: www.sonnenseite.com

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In einem längeren Bilanz-Beitrag ("Berlin liegt am Hindukusch") über die rot-grüne Außenpolitik webt Olaf Standke auch die Positionen der Friedensbewegung ein:

(...) Die Auslandseinsätze der Bundeswehr in der rot-grünen Amtszeit kosteten über 20 Soldaten das Leben und insgesamt rund sieben Milliarden Euro. Eine Summe, die im Bundeshaushalt verschleiert wird. Wobei neue Rüstungsprojekte, deren Ursprung in der Strategie weltweiter Militäreinsätze liegen, nicht einmal eingerechnet sind. Rot-Grün habe die »Militarisierung der deutschen Außenpolitik« vorangetrieben und sich zum »Handlanger der Waffenschmieden« gemacht, so der Vorwurf der Friedensbewegung. Bis hin zum neuen Raketenabwehrsystem MEADS, das – weil mobil – auch bei Interventionen zum Einsatz kommen könnte. In Zeiten leerer Kassen und wachsender sozialer Probleme ein unverantwortliches Projekt. (...)
(...) Kritiker werfen der Regierung vor, dass für sie das Streben nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat die Debatte um die UN-Reform beherrschte, obwohl es wichtiger wäre, sich für die Stärkung der friedenskonsolidierenden Kapazität der UNO einzusetzen: die Einrichtung einer Peace Building Commission und eines entsprechenden Koordinierungsbüros bei der UNO etwa oder die Schaffung eines Menschenrechtsrats. Die rot-grüne Koalition habe es sich mit ihrer Außen- und Sicherheitspolitik selbst zuzuschreiben, wenn ihr die letzten Sympathien aus dem Friedenslager abhanden kommen, hieß es im Wahlaufruf des Bundesausschusses Friedensratschlag.

Aus: Neues Deutschland, 13. September 2005
(Hier geht es zum ganzen Artikel: "Berlin liegt am Hindukusch"

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Norman Paech, in der Friedens- und Menschenrechtsbewegung anerkannter Experte, gab der Tageszeitung "junge Welt" ein Interview über seine Rolle als Bundestagskandidat für die Linkspartei in Hamburg. Darin nimmt er verschiedentlich auch direkt Bezug auf die Friedensbewegung, der er verpflichtet sei und bleiben werde, was auch die Überschrift verrät: "Natürlich bleibe ich Teil der Friedensbewegung":

(...) Frage: Sie kommen Ihren Forderungen aber nur dann näher, wenn außerparlamentarischer Druck der Friedensbewegung dazukommt. Woran liegt es, daß diese so geschwächt erscheint?
Paech: Die Friedensbewegung kann nicht ständig unter Hochdruck arbeiten. Da gibt es auch Zeiten, wo eher die Aufarbeitung bisheriger Erfahrungen und die Analyse angesagt sind. Das hat aber nichts damit zu tun, daß die Friedensbewegung geschwächt oder handlungsunfähig wäre. Zum Jahrestag des Atombombenabwurfs gab es in 57 deutschen Städten Aktionen und Demonstrationen. Das zeigt: Das Netzwerk der Friedensbewegung ist sehr dicht.
Wenn sich Kriegsgefahren zuspitzen, ist diese Friedensbewegung jederzeit präsent. Verweisen möchte ich auf den soeben beschlossenen Aktionsplan des Friedensratschlages in Kassel. Da geht es um Aufklärungsaktionen zum "Kommando Spezialkräfte" in Afghanistan, den andauernden Krieg im Irak, die Militarisierung der EU und die Forderung nach dem Rückbau des deutschen Militärhaushaltes.
(...)
Die Forderung nach Abzug der Atomwaffen aus Deutschland ist eine uralte Forderung nicht nur der deutschen Friedensbewegung, sondern auch der großen internationalen Fachverbände der Juristen und Ärzte, in deren wissenschaftlichen Beiräten ich Mitglied bin. Das ist die "International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA)" und die "International Physicians for the Prevention of Nuclear War" (IPPNW). Ebenso verhält es sich mit der Forderung zum Rückzug deutscher Truppen von den Auslandseinsätzen. Das sind Kernforderungen der Friedensbewegung, die ich auch vertreten werde, wenn ich ins Parlament einziehe.
Die Medien übergehen z. B. die Forderung nach Abzug der Atomwaffen, sobald sie von einer Person aus der Friedensbewegung kommt. Auch die wenigen linken Zeitungen haben darüber nicht berichtet. Ich bin mir aber sicher: Sobald wir das Thema ins Parlament einbringen, bekommt die Sache die Aufmerksamkeit, die ihr zusteht. Natürlich bleibe ich Teil der Friedensbewegung, ob an der Universität oder im Parlament. Das entspricht meinem Verständnis von parlamentarischer Arbeit.

Aus: junge Welt, 13. September 2005

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Das Jahr 2005 ist Jubiläumsjahr - für die Bundeswehr. Grund für zahlreiche Zapfenstreiche und andere Festivitäten, die vorwiegend im Herbst stattfinden. Dass dadurach auch die Friedensbewegung auf den Plan gerufen wird, versteht sich von selbst. Über Protest in Bochum berichtet am 12. September Markus Bernhardt für die "junge Welt" u.a.:

Mit diversen kreativen Aktionen haben Kriegsgegner in den vergangenen Tagen gegen ein Fest der Bundeswehr in Bochum demonstriert. Diese hatte den Kirmesplatz an der Castroper Straße in der Ruhrgebietsmetropole von vergangenen Donnerstag [8. Sept.] an zum militärischen Sperrgebiet erklärt, um dort bis zum heutigen Montag abend ihr 50jähriges Bestehen zu feiern.
Vor allem das Bochumer Friedensplenum hatte gemeinsam mit anderen antimilitaristischen Gruppen und Parteien gegen die olivgrüne Propagandashow protestiert. (...)
Diese [die Bundeswehr] reagierte mehr als gereizt ob der mannigfaltigen Kritik an ihrem militärischen Wirken. Kinder und Jugendliche, die einen Luftballon des Friedensplenums bei sich trugen, durften das militärische Sperrgebiet nicht betreten. Begründet wurde dies mit der kritischen Botschaft, die in großen Lettern auf die Ballons gedruckt worden war "Militarismus ist kein Grund zum Feiern" war dort ebenso zu lesen wie der Slogan "Ausgestorben! Zuviel Panzer zu wenig Hirn!", neben dem ein Dinosaurier zu sehen war.
Felix Oekentorp, einer der Sprecher des Bochumer Friedensplenums kritisierte das Vorgehen der Bundeswehr gegenüber junge Welt als "lächerlich und demokratiefeindlich". Zudem forderte er ein "Verbot derartiger Militärspektakel" für die Zukunft. Auch in Magdeburg und Fürth wollen die deutschen Krieger für ihre völkerrechtswidrigen Aktivitäten werben und ihr 50jähriges Bestehen feiern. (...)

Aus: junge Welt, 12. September 2005

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Das OLG Frankfurt hat am 9. September zwei Freisprüche des Landgerichts bestätigt: Vier Mitglieder der Friedensbewegung, die aus Protest gegen den Irak-Krieg im März 2003 die US-Airbase Frankfurt gewaltfrei blockiert hatten, sind damit endgültig vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen. Zu diesem Urteil veröffentlichte die Internetzeitung "www.ngo-online.de" noch am selben Tag einen Artikel. Am Tag darauf reagieren die Zeitungen Frankfurter Rundschau (auf der Frankfurt-Seite") und die "junge Welt". (Mehr dazu auf unserer Seite: Blockade der US-Airbase während des Irakkrieges war keine "Nötigung".)

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Die Passauer Neue Presse berichtet derweil über eine andere "Größe der Friedensbewegung": Peter Maffay:

Der Rockmusiker Peter Maffay wird mit einem Sonderpreis des Bundesdeutschen Arbeitskreises für umweltbewusstes Management ausgezeichnet. Der 56-Jährige engagiere sich seit Jahren in der Friedensbewegung, für den Umweltschutz, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus, so die Begründung. Bundesumweltminister Jürgen Trittin und Hamburgs Erster Bürger- meister Ole von Beust werden den Preis am Dienstag überreichen.

Aus: Passauer Neue Presse, 10. September 2005

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Eine Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zu den bevorstehenden Bundestagswahlen hat relativ große Resonanz hervorgerufen. Die Wochenzeitung "uz" ("unsere zeit") dokumentierte die Pressemitteilung und den Wahlaufruf ungekürzt in ihrer Ausgabe vom 9. September. Selbst die Tageszeitung "Die Welt" berichtete in ihrer Printausgabe unter der Überschrift "Friedensbewegung gegen Wiederwahl von Rot-Grün" darüber u.a.:

Die deutsche Friedensbewegung hat sich gegen eine Wiederwahl der rot-grünen Bundesregierung am 18. September ausgesprochen. "Rot-Grün hat es sich mit ihrer fortgesetzten militärisch gestützten Außen- und Sicherheitspolitik selbst zuzuschreiben, wenn ihr die letzten Sympathien aus dem Friedenslager abhanden kommen", sagte der Sprecher des Bundesausschuß Friedensratschlag, Peter Strutynski, in Kassel. Unter einer CDU/FDP-Regierung sei allerdings mit keinem Kurswechsel zu rechnen. Die Wähler sollten nur solchen Kandidaten ihre Stimme geben, die bereit seien, einen "friedenspolitischen Kurswechsel" im Bundestag zu unterstützen, sagte der Sprecher des Bundesausschusses. (...)

Aus: Die Welt, 6. September 2005

Der "Welt"-Artikel gibt als Quelle die Nachrichtenagentur AP an. Darauf basieren auch die Meldungen in anderen Zeitungen, z.B. in der Berliner "Morgenpost":
Die "junge Welt" widmete dem Thema einen längeren Artikel, in dem die Positionen der Friedensbewegung ausführlich dargelegt werden. Außerdem wird auf die bevorstehenden Herbstaktivitäten der Friedensbewegung eingegangen. Reimar Paul schreibt u.a.:


Maßgebliche Teile der Friedensbewegung rufen indirekt zur Wahl der Linkspartei auf. "Noch nie war es für friedensengagierte Bürger leichter, eine Entscheidung für die Bundestagswahl zu treffen", sagte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, am Sonntag bei einer Konferenz der Organisation in Kassel. Mit ihrer fortgesetzten militärisch gestützten Außen- und Sicherheitspolitik habe es sich die rot-grüne Regierung selbst zuzuschreiben, wenn ihr die letzten Sympathien aus dem Friedenslager abhanden kämen. "Und unter einer schwarz-gelben Regierung würde nichts besser, sondern manches noch schlimmer", betonte Strutynski.
Der Bundesausschuß Friedensratschlag empfehle, nur solchen Kandidatinnen und Kandidaten die Stimme zu geben, die Bereitschaft zeigten, einen friedenspolitischen Kurswechsel im Bundestag zu unterstützen, erklärte Strutynski. Ausdrücklich genannt wird die Linkspartei in dem in Kassel verabschiedeten Aufruf jedoch nicht. (...)
Die Androhung und Anwendung militärischer Gewalt müsse ausgeschlossen werden. Dazu gehöre auch Gewaltanwendung unter dem Deckmantel der weltweiten Terrorbekämpfung. "Krieg selbst ist Terror", so der Aufruf. Die Rüstungsausgaben, die weltweit jährlich nahezu eine Billion Dollar erreichen, müßten zum Aufbau einer friedlichen, demokratischen und sozial gerechten Welt aufgewendet werden. (...)
Neben dem Wahlaufruf verabschiedete der Bundesausschuß Friedensratschlag auch einen Aktions- und Kampagnenfahrplan der Friedensbewegung für den Herbst. (...)

Aus: junge Welt, 6. September 2005

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"Weitgehend unbeachtet von den großen Agenturen und Medien haben Friedensgruppen und Gewerkschaften am Donnerstag mit mehr als 160 Veranstaltungen an den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 66 Jahren erinnert." So beginnt die Berichterstattung in der "jungen Welt" am 2. September. In der Tat fanden die vielfältigen Aktivitäten zum Antikriegstag in den überregionalen großen Zeitungen keinen Niederschlag. Die Friedensinitiativen und Gewerkschaften waren ausschließlich auf die Lokalpresse angewiesen.
Die "junge Welt" thematisiert in ihrem Artikel ("'Sympathie' für Linkspartei") u.a. auch die Haltung der Friedensbewegung zur Linkspartei:


(...) Viele der Kundgebungen, Mahngänge und Gedenkfeiern zum Weltfriedenstag waren explizit gegen die Einsätze der Bundeswehr im Rahmen der Operation "Enduring Freedom" sowie gegen die anstehende Verlängerung und Ausweitung des Afghanistan-Mandates. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte in einer Erklärung zum 1. September, Deutschland müsse "innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft die Ächtung aller Massenvernichtungswaffen von Landminen bis zur Atomtechnologie durchsetzen". Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete seien "unmoralisch und gewissenlos". (...)
Peter Strutynski vom "Bundesausschuß Friedensratschlag" sah in den gestrigen Aktivitäten einen "kraftvollen Auftakt der Friedensbewegung zu ihrem eigenen, überparteilichen, aber doch Partei ergreifenden Wahlkampfbeitrag". Auch wenn er keine Empfehlung für eine Partei abgeben wolle, werde doch deutlich, daß die Sympathien eindeutig dem antretenden Linksbündnis gelten. "Eine starke Fraktion im Bundestag, die sich als Ansprechpartner der Friedensbewegung verstünde, wäre nach sieben Jahren rot-grüner Enttäuschung ein klarer Fortschritt", so Strutynskis zurückhaltender Wahltip. Tatsächlich hat bis dato noch keine der größeren Friedensgruppen direkt zur Wahl der Linkspartei aufgerufen.
Dabei war es einzig die Linkspartei, die auf einer Großkundgebung in Frankfurt am Main am Donnerstag an den Überfall auf Polen vor 66 Jahren erinnerte. Spitzenkandidat Oskar Lafontaine forderte den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und die Schließung der US-Militärbasen in Deutschland. Keine andere der am 18. September zur Wahl antretenden Parteien bezog sich gestern auf den Weltfriedenstag.

Aus: junge Welt, 2. September 2005

Das "Neue Deutschland", immerhin die größte überregionale Tageszeitung in Ostdeutschland, bringt am 2. September zwei Artikel über die Friedensbewegung: Der eine befasst sich mit der Verleihung des Aachener Friedenspreises ("Aachener Friedenspreis für Jesuiten und Künstlerin"), der andere Artikel bringt eine Vorschau auf die Antikriegstags-Veranstaltung in Stukenbrock am 3. September.

Schon am 31. August brachte das Neue Deutschland eine Meldung über die bevorstehenden Aktionen der Friedensbewegung. Darin hieß es u.a.:

(...) 66 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges müsse sich die Europäische Union als "Bündnis für zivile Konfliktbearbeitung" profilieren, erklärte das Netzwerk Friedenskooperative am Dienstag in Bonn. Die Friedensinitiative warnte zudem vor einer gefährlichen Eskalation im Atom-Konflikt mit Iran. Das Verbot eines Angriffskrieges im deutschen Grundgesetz sei durch die "regierungsamtliche Neudefinition der Aufgaben der Bundeswehr" unterhöhlt, kritisiert die Friedenskooperative weiter. (...)

Aus: Neues Deutschland, 31. August 2005

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Der Antikriegstag wird überall im Land begangen - mit dezentralen kleineren bis größeren Aktionen, Demos, Mahnwachen und Veranstaltungen. Die Resonanz in den überregionalen Zeitungen und Medien ist relativ gerin, zahlreich sind aber die Ankündigungen und Berichte über lokale Aktivitäten in den Lokalzeitungen.
Über die Presseerklärungen der bundesweiten Friedensbewegung zum Antikriegstag informierte als erste "ngo-online" am 30. August:


Der Bundesausschuss Friedensratschlag wies in einer Pressemitteilung darauf hin, dass auch in diesem Jahr am 1. September wieder ein "Antikriegstag" stattfinden soll. Nach Informationen des Friedensratschlags werden sich sehr viele Veranstaltungen kritisch mit der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung, aber auch der Opposition befassen. Es sei zum Beispiel in zahlreichen Aufrufen kritisiert worden, dass die Bundeswehr mit der erklärten Absicht umgerüstet werde, um wieder kriegsfähig zu sein und um gleichzeitig in mehreren militärischen Konflikten weltweit eingreifen zu können. (...)
Der Bundesauschuss Friedensratschlag kritisierte die etablierten Parteien. Deren Positionen seien "fast identisch". Regierung und Opposition hätten "wieder erstarkte Weltmachtsambitionen". Nicht nur "die gewünschte Kriegsfähigkeit" der Bundeswehr wurde in diesem Zusammenhang kritisiert.
(...)
Die sozialen und ökologischen Probleme hier zu Lande und weltweit könnten nur durch nur Abrüstung und die Stärkung der zivilen Instrumente der Politik gelöst werden. Militär sei hierzu vollkommen ungeeignet. Die Bonner Friedenskooperative führt einen "Veranstaltungskalender", in dem auf rund 130 Veranstaltungen hingewiesen wird, wie etwa Infoveranstaltungen, Mahnwachen, Kundgebungen und Protestwanderungen.
In Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl teilte der Friedensratschlag mit, dass "der weit überwiegende Teil der FriedensaktivistInnen" davor warne, die Regierungsparteien und die etablierten Oppositionsparteien zu wählen.

Aus: www.ngo-online.de

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"Ohne Friedenstauben" heißt ein Artikel in der Frankfurter Rundschau, in dem Pitt von Bebenburg die These vertritt, grundsätzliche Positionen gegen den Krieg spielten im Wahlkampf 2005 "keine Rolle". Das sei im übrigen schon 2002 so gewesen, doch damals sei das nicht aufgefallen, weil sich Gerhard Schröder als Gegner des Irak-Kriegs profiliert habe. Über die Rolle der Friedensbewegung heißt es am Ende des Artikels:

(...) Große Teile der Linken haben - widerwillig und unterschiedlich schnell - Joschka Fischers Entwicklung nachvollzogen. Seine Kehrtwende im Angesicht der Massaker in der bosnischen Stadt Srebrenica hatte ihn zu der Einsicht bewogen, dass "Nie wieder Krieg" kein unumstößliches Bekenntnis sein dürfe, wenn es um die Verhinderung eines Völkermordes geht. In der PDS hat Gregor Gysi ähnliche Überlegungen angestellt, nicht ohne zu erwähnen, dass man nur über Einsätze im Rahmen eines UN-Mandats nachdenken könne.
Das Wachsen der Friedensbewegung im Einsatz gegen den Irak-Krieg widerspricht dieser Entwicklung nicht - im Gegenteil. Denn die Protestbewegung der Jahre 2002 und 2003 war eine andere als die der 60er bis 80er Jahre, auch wenn sich unter den Organisatoren nicht wenige der alten Gesichter fanden. Bei den Demonstrationen gegen den Irak-Krieg waren die pazifistischen Parolen in der Minderheit. Natürlich wurde mit den regenbogenfarbenen "Pace"-Flaggen auch die generelle Sehnsucht nach einer friedlichen Welt ausgedrückt. Vor allem aber zogen die Menschen mit Argumenten gegen diesen einen Krieg auf die Straßen.
Sie bezweifelten (völlig zu Recht) die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Kriegsmotive und sie fürchteten, dass die Region eher instabiler als stabiler werden würde durch den Krieg. Vieles kam in diesem Protest zum Ausdruck, nicht zuletzt auch die Angst, dass Deutschland in Krieg und Terror hineingezogen werden könnte.
So konnte Gerhard Schröder die Wahl 2002 dank seiner Position zum Irak-Krieg gewinnen, mit Hilfe von Stimmen aus dem Friedenslager - und das, obwohl er keineswegs zum Pazifisten geworden war. Es genügte, dass er den Militäreinsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan nicht noch einen in Irak folgen lassen wollte. So gründlich hatten sich schon damals die Zeiten geändert.

Aus: Frankfurter Rundschau, 11. August 2005

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Die Gedenkveranstaltungen zum Hiroshima-Nagasaki-Tag fanden in diesem Jahr - es war der 60. Jahrestag - ein besonders großes Medienecho. In der Süddeutschen Zeitung erschien am 6. August eine ganzseitige Anzeige der IPPNW mit Hunderten von Unterzeichnern. Über lokale Aktivitäten, die im ganzen Land stattfanden, berichteten Radio-, Fernsehestationen und die lokale Presse ausführlich.
In der Süddeutsche Zeitung heißt es in einem Artikel am 8. August zu den Aktionen der Friedensbewegung u.a.:


(...) In den USA versammelten sich hunderte Friedensaktivisten in der Nähe von Atomanalegn und -testgeländen. Am Ferienort von US-Präsident George W. Bush, dem texanischen Crawford, erinnerten ein Hiroshima-Überlebender und ein US-Veteran an den Angriff vor 60 Jahren. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace stellte in Berlin nahe der US-Botschaft eine Figur in Form einer Atombombe auf, in die eine Freiheitsstatue mit einem Totenkopf eingelassen war. Auf einem Banner wurden die USA zu nuklearer Abrüstung aufgefordert. Nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative beteiligten sich in Deutschland Menschen in mehr als 80 Städten an Gedenkveranstaltungen. Friedensgruppen starteten eine Unterschriftenaktion mit dem Ziel, den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland zu erreichen. (...)

Aus: Süddeutsche Zeitung, 8. August 2005

Und das Neue Deutschland berichtete über Aktionen in der Hauptstadt u.a.:

Berlin hat am Sonnabend der Atombombenabwürfe auf Japan vor 60 Jahren gedacht. Vor der US-Botschaft demonstrierten Vertreter von Greenpeace für atomare Abrüstung. Sie gruppierten sich um ein etwa sechs Meter hohes Modell einer Atombombe, aus der eine Freiheitsstatue herausragte. Auf Plakaten und Flugblättern warben sie »für eine Welt ohne Atomwaffen«.
An der Friedensglocke im Volkspark Friedrichshain wurde bei einer Gedenkstunde die Forderung erneuert, die Welt bis spätestens 2020 von allen Nuklearwaffen frei zu machen. Auf dem Alexanderplatz verwiesen Medizinstudenten und die IPPNW mit ihrer Aktion »Target Berlin« auf die drohende Gefahr. (...)

Aus: Neues Deutschland, 8. August 2005

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Die Internetzeitung ngo-online veröffentlichte am 1. August einen Beitrag über die Haltung von pax christi zum Hiroshima-Tag. Darin heißt es u.a.:

Die deutsche Sektion der katholischen Friedensbewegung Pax Christi fordert die sofortige und vollständige Abschaffung der Atomwaffen im Sinne des Atomwaffensperrvertrages. Anlass sind die 60. Jahrestage der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August. Pax Christi betont, auch in der deutschen und europäischen Militärpolitik sollten nukleare Optionen ausgeschlossen und bestehende Programme beendet werden. Weiterhin solle die Bundesregierung den Abzug der in Deutschland lagernden Atomwaffen durch die USA voran treiben. Die Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki verpflichteten zur totalen nuklearen Abrüstung.
Auch die deutsche Bundesregierung müsse sich ihrer "Verstrickung in die Atomgefahr" bewußt werden, meint die Organisation. "Seit der Änderung des Abschnitts zu den Atomwaffen im deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz im Jahr 1990 ist es Deutschland erlaubt, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen und mit ihnen Handel zu treiben." Seit 1999 seien Versuche der deutschen Bundesregierung erkennbar, die Etablierung einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion einschließlich einer europäischen Nuklearstreitmacht im EU Rahmen und unter deutscher Beteiligung zu etablieren. (...)

Aus: www.ngo-online.de, 1. August 2005


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