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Frieden als historisches Vermächtnis - Krieg ist keine Alternative

Dokumentiert: Pressemitteilungen zum Antikriegstag (1. September 2005) aus der Friedensbewegung und vom DGB

Im Folgenden dokumentieren wir drei Stellungnahmen zum diesjährigen Antikriegstag (1. September): zwei aus der Friedensbewegung (stellvertretend: Bundesausschuss Friedensratschlag und Bonner Friedenskooperative), die andere aus der Gewerkschaftsbewegung (DGB).



"Frieden als historisches Vermächtnis"

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Antikriegstag 2005
  • 66. Jahre nach dem Überfall auf Polen
  • "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus"
  • In Kassel schon um 5.45 Uhr
  • Friedensbewegung kritisiert Konsens der etablierten Parteien
  • Sympathien der Friedensbewegung am ehesten für Linksbündnis
Kassel, 29. August 2005 - Vor 66 Jahren, am 1. September 1939, begann mit dem Überfall der faschistischen deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg. Mit diesem Krieg brachte Deutschland zum zweiten Mal im 20. Jahrhundert ungeheures Leid über Millionen von Menschen, besonders in Osteuropa: 55 Millionen Menschen wurden getötet, davon allein 20 Millionen Sowjetmenschen, unzählige wurden verletzt und verstümmelt, Hunderttausende zu Zwangsarbeit verschleppt, Tausende von Dörfern und Städten wurden zerstört. Den Höhepunkt fand die faschistische Barbarei in der systematischen und industriellen Ermordung von 6 Millionen Juden in den Vernichtungslagern.

Der 1. September, der in der Öffentlichkeit leider in "Vergessenheit" geraten ist und von der "großen Politik" wenig Beachtung findet, wird seit vielen Jahren von den Gewerkschaften und der Friedensbewegung als "Antikriegstag" begangen. Der Schwur der Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald "Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!" ist das Leitmotiv der Mahn- und Gedenkveranstaltungen zum Antikriegstag.

Bundesweit finden anlässlich des Antikriegstages zahlreiche Veranstaltungen statt - die Bonner Friedenskooperative listet in ihrem Veranstaltungskalender rund 130 Veranstaltungen auf: von Infoveranstaltungen im Saal über Mahnwachen und Kundgebungen an zentralen Orten bis hin zu Protestwanderungen.

Am frühesten aufstehen müssen wieder die FriedensaktivistInnen und Gewerkschafter/innen in Kassel: Hier beginnt am 1. September das Gedenken bereits um 5.45 Uhr - zur Erinnerung an den Kriegsbeginn, der mit der Hitler-Lüge "Ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen" eingeläutet wurde. (Es war eine doppelte Lüge: Erstens wurde nicht "zurückgeschossen", sondern die Wehrmacht fingierte einen Grenzübertritt polnischer Soldaten, um "zurückschießen" zu können, zweitens begann der Angriff real bereits um 4.45 Uhr.) Und die letzten Veranstaltungen finden am Sonntag, den 4. September statt, u.a. Protestwanderungen gegen das geplante "Bombodrom" in der "Freien Heide" oder der "146. Friedensweg zur zivilen Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide" bei Magdeburg.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag weist darauf hin, dass sich sehr viele Veranstaltungen sowohl kritisch mit der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung als auch mit den fast identischen Positionen der bürgerlichen Parteien befassen. Kritisiert wird in zahlreichen Aufrufen u.a., dass heute die Bundeswehr mit der erklärten Absicht umgerüstet wird, wieder kriegsfähig zu sein und gleichzeitig in mehreren militärischen Konflikten weltweit eingreifen zu können. Zugleich werde die Öffentlichkeit wieder darauf vorbereitet, dass die Kampfeinsätze der Bundeswehr keine "Spaziergänge" bleiben würden, sondern dass künftig vermehrt mit gefallenen Soldaten und Soldatinnen sowie mit Terroranschlägen im eigenen Land gerechnet werden müsse.

Den wieder erstarkten Weltmachtambitionen von Regierung und Opposition setzt die Friedensbewegung ihre Auffassung entgegen, dass nur Abrüstung und die Stärkung der zivilen Instrumente der Politik geeignet seien, die sozialen und ökologischen Probleme hier zu Lande und weltweit zu lösen. Militär ist hierzu vollkommen ungeeignet.

Der Antikriegstag kann insoweit als kraftvoller Auftakt der Friedensbewegung zu ihrem eigenen, überparteilichen, aber doch Partei ergreifenden Wahlkampfbeitrag aufgefasst werden. "Wenn der weit überwiegende Teil der FriedensaktivistInnen heute davor warnt, die Regierungsparteinen und die etablierten Oppositionsparteien zu wählen, dann haben diese sich das selbst zuzuschreiben." Auch wenn der Bundesausschuss Friedensratschlag keine Wahlempfehlung für eine Partei herausgibt, wird doch deutlich, dass die Sympathien bei dieser Wahl eindeutig dem antretenden Linksbündnis gelten. Ein Sprecher des Bundesausschusses: "Eine starke Fraktion im Bundestag, die sich als Ansprechpartner der Friedensbewegung verstünde, wäre nach sieben Jahren rot-grüner Enttäuschung ein klarer Fortschritt."

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


PM Friedenskooperative zum Antikriegstag 2005

Antikriegstags-Veranstaltungen verlangen Rückzug der Bundeswehr und Zivilisierung der Politik
Warnung vor Krieg gegen Iran - mehr als 160 Veranstaltungen


Mit zahlreichen Veranstaltungen erinnern Friedensgruppen und Gewerkschaften an den Beginn des 2. Weltkriegs vor 66 Jahren, wenden sich gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt, warnen vor einer gefährlichen Eskalation im Atom-Konflikt mit Iran und fordern die Profilierung der Europäischen Union als Bündnis für Zivile Konfliktbearbeitung.

Eine wesentliche Lehre aus dem Kriegsende vor 60 Jahren sehen die Friedensgruppen im grundgesetzlichen Verbot des Angriffskrieges, das mittlerweile durch die regierungsamtlichen Neudefinitionen der Aufgaben der Bundeswehr unterhöhlt ist. So wenden sich viele der Kundgebungen, Mahngänge und Gedenkfeiern zum Antikriegstag explizit gegen die Einsätze der Bundeswehr im Rahmen der Operation "Enduring Freedom" und auch gegen die anstehende Verlängerung und Veränderung des Afghanistan-Mandates. Verlangt wird auch die Rücknahme des Aufrüstungsgebotes im EU-Verfassungsvertrag.

Das Bonner Netzwerk Friedenskooperative kritisiert die zahlreichen Feiern der Bundeswehr zu ihrem 50jährigen Bestehen mit Soldatengottesdiensten, öffentlichen Rekrutenvereidigungen und "Großem Zapfenstreich" als "Wiederbelebung religiös überhöhter militaristischer Rituale" sowie "Werbefeldzug an der Heimatfront". Die Bundeswehr begebe sich damit bewusst in eine unselige auch von der NS-Wehrmacht gepflegte Tradition. Dies gehe einher mit offensiven Äußerungen des obersten Dienstherrn Peter Struck über die "Verteidigung am Hindukusch", Soldaten der Zukunft "mit Gewehr und Laptop", der Aufforderung, die Gesellschaft solle sich auf tote deutsche Soldaten einstellen sowie der zunehmenden Diskussion um Bundeswehreinsätze im Innern. Man solle sich nicht an militaristische Zurschaustellung gewöhnen sondern gegen die Militärspektakel im öffentlichen Raum protestieren.

Krieg gegen den Iran?

Wichtiges Thema sind bei den Antikriegstags-Kundgebungen auch die Abschaffung aller Atomwaffen und geeignete politische Maßnahmen zur Nicht-Weiterverbreitung. Dazu hatte es 60 Jahre nach den ersten Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki schon eindringliche Forderungen u.a. der weltweiten Initiative "Bürgermeister für den Frieden" und Demonstrationen zur New Yorker Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages gegeben. Deren vor allem durch die USA verursachtes Scheitern darf nicht das letzte Wort sein, betont das Netzwerk Friedenskooperative auch mit Blick auf den eskalierenden Streit um das iranische Nuklearprogramm. Experten aus Friedensbewegung und Friedensforschung sehen eine massive Gefahr von baldigen Luftangriffen der USA und evtl. Israels gegen iranische Nukleranlagen und militärische Ziele, die mehr noch als der Irak- Krieg einen Flächenbrand im gesamten Nahen und Mittleren Osten und neue Terrorwellen gegen "den Westen" auslösen würden. "Wenn Sie Irak mögen, werden Sie Iran lieben", warnen Autoren aus der amerikanischen Friedensbewegung. Die rechtlich nicht haltbare Verhandlungsposition des EU-Dreier-Teams und dessen Schuldzuwendung an Iran für das Scheitern einer Verhandlungslösung droht dabei zur moralischen Rechtfertigung für Kriegshandlungen zu werden. Einen Ausweg aus der Verhandlungs-Sackgasse sehen Friedensgruppen in Angeboten von Nicht-Angriffs-Garantien gegenüber dem ungeliebten Mullah-Regime und einer KSZE ähnlichen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in der Region inclusive von Verhandlungen für eine atomwaffenfreie Zone für den Nahen und Mittleren Osten, verbunden mit Sicherheitsgarantien für Israel.

Beim Antikriegstag mitten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes werden oftmals auch die KandidatInnen zu friedenspolitischen Diskussionsrunden gebeten oder um Antworten auf entsprechende Fragenkataloge ersucht. So stellt sich z.B. Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul einer Diskussion zu "Entwicklung braucht Frieden – Frieden braucht Entwicklung" in Wiesbaden. Die Dachverbände der Friedensbewegung geben keine Wahlempfehlung, sondern wollen die kritische Auseinandersetzung mit den außen-, verteigigungs- und friedenspolitischen Positionen der Parteien und DirektkandidatInnen.

In Aachen wird am 1. September der Aachener Friedenspreis an den amerikanischen Theologen Roy Bourgois und die antifaschistische Schauspielerin und Regisseurin Hanne Hiob vergeben. Mehr als 160 Veranstaltungen zum Antikriegstag führt die Friedenskooperative im Internet-Terminkalender auf. Schwerpunkt der Aktionen ist vom Donnerstag bis zum Wochende.

Terminkalender wie lokale Aufrufe, Kundgebungsbeiträge und Hintergrundinformationen zum Antikriegstag finden sich unter http://www.friedenskooperative.de.

Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative


DGB: Aufruf zum Antikriegstag

1. September 2005

Am 1. September 1939 begann der nationalsozialistische Angriffskrieg, der mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 endete. Der 1. September steht für einen gnadenlosen Vernichtungskrieg mit mehr als 60 Millionen Toten, der 8. Mai für das Ende der zwölfjährigen Nazidiktatur und des in der Geschichte beispiellosen industriellen Massenmordes an den europäischen Juden. Mit dem Krieg endete die Verfolgung der Sinti und Roma, Homosexueller, so genannter Asozialer und politisch Andersdenkender. Für die Überlebenden und für Deutschland war es ein Tag der Befreiung.

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund sind der 1. September und der 8. Mai Mahnung und Verpflichtung zugleich: Rechtsextremistischer Ideologie und Gewalt muss auf allen Ebenen, mit den Mitteln unseres demokratischen Rechtsstaates, entgegen getreten werden.

Krieg und Terrorismus sind direkte Angriffe auf die Würde und die Rechte von Menschen sie müssen international geächtet werden. Die Vermeidung bewaffneter Konflikte durch eine präventive Friedenspolitik ist die Kernaufgabe der Vereinten Nationen, deren Rechtsrahmen alle Mitgliedsstaaten zu respektieren haben. Die Bundesrepublik Deutschland muss innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft die Ächtung aller Massenvernichtungswaffen von Landminen bis zur Atomtechnologie durchsetzen. Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete sind unmoralisch und gewissenlos. Der internationale Waffenhandel muss einem noch strikteren Kontrollregime unterworfen werden.

Kriegsverbrechen sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit und sind zu bestrafen. Alle Staaten sind aufgerufen, die internationale Gerichtsbarkeit anzuerkennen. Die Eskalation der Gewalt im Irak, unter der vor allem die Zivilbevölkerung leidet, ist ein trauriges Beispiel dafür, dass militärische Interventionen ohne UN-Mandat keine Lösung darstellen. Der Aufbau einer friedlichen und demokratischen Gesellschaft im Irak ist nicht in Sicht. Eine Friedensperspektive wird dieses Land erst dann haben, wenn die Besatzung beendet ist und das irakische Volk über seine politische Zukunft in freier Selbstbestimmung entscheiden kann. Die Europäische Union und die internationale Staatengemeinschaft sind aufgefordert, ihre friedenspolitische Verantwortung wahrzunehmen und den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen im Irak verstärkt zu unterstützen.

Kriegerische Auseinandersetzungen oder Terrorismus auf einen Kampf der Kulturen zu reduzieren, ist der falsche Erklärungsansatz. Er verhindert eine mittel- und langfristige friedenspolitische Strategie. Statt militärische Konflikte zu ideologisieren, müssen Kriegsursachen aufgedeckt und vorbeugend bekämpft werden.

Die Überwindung von Armut, sozialer Ausbeutung, politischer, kultureller, religiöser und sexueller Diskriminierung ist die Grundlage ziviler Konfliktlösung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund engagiert sich auch in Zukunft für eine nachhaltige Friedenspolitik.

Krieg ist keine Alternative.

DGB Bundesvorstand, Berlin, Abt. Grundsatz/Abt. Öffentlichkeitsarbeit;
www.dgb.de



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