Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Juni/Juli 2004

Friedensbewegung in den Medien

Über Freisprüche in Verfahren gegen Friedensaktivisten berichtet die Internetzeitung "www.ngo-online" am 23. Juli u.a.:

Das Amtsgericht Frankfurt hat am Donnerstag [22.07.2004] vier Angeklagte aus der Friedensbewegung vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen. Die vier hatten am Tag des Beginns des Irak-Krieges vor der US-Airbase Frankfurt demonstriert und dabei den Verkehr marginal behindert. Die Staatsanwaltschaft sah dies als Nötigung an und beantragte Strafbefehle, gegen die die Betroffenen Widerspruch einlegten. Das Gericht habe angesichts des völkerrechtswidrigen Krieges die Verwerflichkeit der Nötigung verneint, teilten das Netzwerk Friedenskooperative und das Komitee für Grundrechte und Demokratie mit. (...)

Die ganze Meldung: "Airbase-Blockierer freigesprochen".

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Auch die diesjährigen Feiern zum Gedenken an das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 waren Anlass zu Demonstrationen. Nicht dass der Widerstandskämpfer des 20. Juli gedacht wurde, war dabei der Grund der Proteste, sondern weil der offizielle Staatsakt dies mit einem öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr verband. Die Proteste fanden aber kaum Niederschlag in den überregionalen Medien. Uns sind nur zwei Reaktionen bekannt geworden:

Die Gegend rund um den Bendlerblock in Berlin-Tiergarten glich am 20. Juli einem militaerischen Sperrgebiet. Anlaesslich der Feiern zum Gedenken an das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler vor 60 Jahren waren zwei Kompanien Feldjaeger der Bundeswehr und 1000 Polizisten rund um den Ort der Feierlichkeiten zur Absperrung zusammengezogen worden. Wie schon in den vergangenen fuenf Jahren gab es auch in diesem Jahr vor Hunderten von geladenen Gaesten und Politikern am Abend eine Vereidigung von 500 Bundeswehrrekruten im Hof des ehemaligen Oberkommandos des Heeres am Reichpietschufer. (...)
Trotz der massiven Sicherheitsvorkehrungen sprangen waehrend des Geloebnisses der Bundeswehrsoldaten zum Entsetzen der zahlreichen Ehrengaeste eine junge Frau und ein Mann im feinen Outfit von der Pressetribuehne und rannten – antimilitaristische Losungen rufend – quer ueber den Geloebnisplatz. Die beiden wurden von einem Dutzend Feldjaeger verfolgt und schliesslich sehr unsanft abgefuehrt. Wie die Polizei hinterher verlauten liess, haetten sich die beiden Studenten als Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Projekts zu Militaerritualen ausgegeben und sich so die Eintrittskarte erschlichen. (...)

Aus: junge Welt, 23. Juli 2004

(...) Das Ansinnen der Kampagne gegen Wehrpflicht, wie in jedem Jahr den »vergessenen Widerstand« – den der Deserteure und Kriegsdienstverweigerer der Wehrmacht – am gleichen Ort zu würdigen, gelang nur unter Behinderungen der Polizeikräfte.
Noch am Vortag war vom Verwaltungsgericht als Kundgebungsplatz die Stauffenbergstraße genehmigt worden, nachdem man in einer zweistündigen Anhörung die Interessen der Seiten abgewogen hatte. Stadtkommandantur, Verteidigungs- und Innenministerium hatten die Einschränkung des Hausrechtes der Bundeswehr zugunsten zweier Protestveranstaltungen akzeptiert. Nicht aber die Polizei. »Wir sind für die Sicherheit zuständig, nicht die, die das beschlossen haben,« so ein Polizist vor Ort.
Man wies der Kundgebung einen weiter entfernten Ort zu, der noch dazu von Fahrzeugen besetzt und einem Feldjägerzelt verstellt war. »Von hier aus machte Protest aber keinen Sinn. Wir wären mit uns allein gewesen,« kommentierte Ralf Siemens, Sprecher der Kampagne, gegenüber ND. Offenbar sei es darum gegangen, das Thema Deserteure totzuschweigen. Erst hartnäckige Proteste, die Ankündigung einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Einsatzleiter sowie einer Klage beim Verwaltungsgericht öffneten offenbar eine gesperrte Straße zum Bendlerblock. Zu dem Sinneswandel bei der Polizei mag auch die demonstrative Anwesenheit zweier namhafter Berliner Rechtsanwälte ein wenig beigetragen haben: Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des Republikanischen Anwältevereins, und Volker Ratzmann, Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus.
So wurde der Kranz, der das Gedenken an die Deserteure symbolisierte, unmittelbar nach Ende der Regierungs-Gedenkstunde ebenfalls im Ehrenhof des Bendlerblocks niedergelegt. Auf einer Kundgebung am gleichen Ort sagte Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz, dass 20000 Deserteure und Wehrkraftzersetzer hingerichtet wurden. Statt ihrer würden die Verschwörer des 20. Juli geehrt, die den verbrecherischen Krieg erst möglich gemacht und aktiv auch mitgetragen hätten, so Baumann.

Aus: Neues Deutschland, 21. Juli 2004

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Der Fall des degradierten Bundeswehrmajors Florian Pfaff (siehe unsere Dokumentation) hat sicher (noch) nicht die gebührende öffentliche Aufmerksamkeit gefunden. Eine Presseerklärung des kritischen Arbeitskreises "Darmstädter Signal" wurde unseres Wissens nur in der linken Tageszeitung Neues Deutschland aufgegriffen:

(...) Die Offiziere und Unteroffiziere des Darmstädter Signals erklärten ihren "großen Respekt" vor dem konsequenten Verhalten ihres Kameraden Florian Pfaff und fordern, das wehrdisziplinargerichtliche Verfahren sofort einzustellen. "Die Bundeswehr sollte froh sein, mutige und rechtlich sensible Offiziere in ihren Reihen zu haben, statt sie disziplinarrechtlich zu verfolgen", so Oberstleutnant a. D. Helmuth Prieß, Sprecher des Arbeitskreises. Pfaff hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Aus: Neues Deutschland, 13. Juli 2004

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Man mag von Bush halten, was man will. Für eines ist er immer gut: Wo er hinkommt, belebt sich die Friedensszene, gehen Demonstranten zu Zigtausenden auf die Straße. Letzter Schauplatz: Istanbul. Am 28. Juni berichtete die "junge Welt" von einer großen Demonstration am Vorabend des NATO-Gipfels u.a.:

(...) Bis zu 50.000 Menschen waren in Istanbul dem Aufruf der "Allianz gegen die NATO und Bush" zur Teilnahme an der Manifestation gefolgt. Da die Polizei angekündigt hatte, alle Proteste in der Innenstadt, wo ab dem heutigen Montag der NATO-Gipfel stattfindet, sofort gewaltsam zu beenden, mußte die Demonstration im Stadtteil Kadiköy auf der asiatischen Seite der Stadt stattfinden.
Ohne Zwischenfälle zogen die großen Blöcke von Gewerkschaftern, der Türkischen Kommunistischen Partei, der Freiheits- und Solidaritätspartei (ÖDP), verschiedener maoistischer Parteien und eine lautstarke Gruppe des Bündnisses "Anarchistanbul" durch die Stadt. Ein Gewerkschaftsredner appellierte auf der Schlußkundgebung an die Entführer von drei türkischen Arbeitern im Irak, diese freizulassen und betonte zugleich, die Istanbuler Demonstration sei der Beweis, daß das türkische Volk die Besatzung des Zweistromlandes ablehne. "Wir stehen auf der Seite der Menschen in Irak und Palästina", erklärte auch Emin Soganci, der Vorsitzende der Architekten- und Ingenieursgewerkschaft TMMOB.
Bereits am Samstag (26. Juni) war es in vielen türkischen Städten zu Protesten gekommen. In der kurdischen Metropole Díyarbakir gingen Mitglieder der Gewerkschaft KESK auf die Straße. Nach Steinwürfen aus dem Block der Sozialistischen Plattform der Unterdrückten griff die Polizei in Ankara eine Demonstration von rund 5.000 NATO-Gegnern mit Knüppeln und Tränengas an. (...)

Aus: junge Welt, 28.06.2004

In einem Artikel von Christiane Schlötzer in der Süddeutschen Zeitung über den Bush-Besuch in Istanbul - nachdem Bush zuvor in Ankara zu Gesprächen mit dem türkischen Premier Tayyip Erdogan zusammengetroffen war - werden auch die Demonstrationen erwähnt:

(...) Ganze Stadtviertel auf der europäischen Seite wurden schon am Samstagabend für den Verkehr gesperrt. Auf dem Bosporus patrouillierten Schnellboote mit schwer bewaffnetem Sicherheitspersonal. Mehr als 50 000 Menschen demonstrierten auf der asiatischen Seite friedlich gegen Bush und die Irak-Politik der USA. In Ankara setzte die Polizei Tränengas ein, als 150 Randalierer aus einer friedlichen Demo ausbrachen und Steine warfen. Bush wird in Istanbul auch religiöse Führer treffen und am Dienstag in einer Universität auftreten.

Aus: Süddeutsche Zeitung, 28.06.2004

Eine hübsche Geschichte über die Sicherheitsmaßnahmen der irischen Polizei bei EU-USA-Gipfel in Irland präsentierte Daniela Weingärtner in der taz ("Bush überfällt die irische Provinz"):

(...) Der junge Mitarbeiter der russischen Nachrichtenagentur Itar Tass schien seinen Englischkenntnissen nicht zu trauen: "Warum genau müssen wir hier warten?", fragte er seine Kollegen ein ums andere Mal. Es war Samstag gegen zwei, irgendwo auf einer schmalen Landstraße zwischen dem Pressezentrum in Ennis, County Clare, und dem feudalen Golfhotel Dromoland Castle, wo der US-Präsident samt Ehefrau, Außenminister, Sicherheitsberaterin und einem riesigen Tross an Beratern, Geschäftsleuten und Sicherheitsbeamten abgestiegen war.
Die Tatsache, dass eine Pressekonferenz mit dem mächtigsten Mann der Welt aufgeschoben werden musste, weil ein paar hundert junge irische Demonstranten die Zufahrt zum Tagungsort blockierten, wollte dem russischen Journalisten nicht in den Kopf. Die Stimmung im Bus war ausgelassen. Die Erkenntnis, ganz ungewollt Mitspieler in einer irischen Farce geworden zu sein, bei der überforderte Landpolizisten aus dem friedlichen Conemara Regie führten, löste hysterische Lachsalven aus. (...)
Ein BBC-Team stieg aus, um das skurrile Bild festzuhalten: Ein schwerfälliger blau gespritzter Doppeldeckerbus mit weißen Sternen darauf, gestrandet in den berühmten grünen Hügeln von Conemara - zu beiden Seiten Schafe, Kühe und irische Polizisten, so weit das Auge reicht. Auf die Frage, ob es nicht besser wäre, das kleine Stück zum Schloss zu Fuß zu gehen statt darauf zu warten, dass die fröhlich auf Blechtabletts trommelnden Demonstranten die Zufahrt räumten, hatte der Sicherheitsbeamte im Bus eine verblüffende Antwort: "Sie können hier nicht raus, weil Sie schon sterilisiert sind. Wenn Sie rausgehen, werden Sie kontaminiert und zur Pressekonferenz nicht mehr zugelassen."
Also ließen sich die "sterilisierten", also bereits sicherheitsüberprüften Journalisten eine weitere halbe Stunde durch die Landschaft chauffieren und konnten dabei ihre Gedanken schweifen lassen: über die Parabel von der Mücke, die den Elefanten mit einem winzigen Stich zum Wahnsinn treiben kann. Über das gute alte Europa, wo die Demonstranten in der Kultur friedlichen Protests einige Raffinesse entwickelt haben. Und über die grotesken Szenarien, die entstehen, wenn der von Terrorfurcht gepeinigte Chef der Supermacht in eine friedliche Landprovinz einfällt. (...)

Aus: taz, 28. Juni 2004

Und noch einmal zum Schauplatz Dublin beim EU-USA-Gipfel am Abend des 25. Juni: Von 10.000 Demonstranten berichteten die Medien, die Organisatoren des Protestes sprachen von 40.000. In der Frankfurter Rundschau war am 26. Juni zu lesen:

Auf diese Ehre hätten die Iren verzichten können. Dass ihnen der EU-US-Gipfel am heutigen Samstag den amerikanischen Präsidenten für ein paar Stunden ins Land bringt, wäre nach Ansicht der Mehrheit der Inselbevölkerung "nicht nötig" gewesen. Irische Demonstranten empfingen George W. Bush schon bei seiner Ankunft statt mit dem Traditionsgruß "Cead mile failte" (Hunderttausendmal willkommen) mit tausend zornigen Protesten. (...)
(...) Vor sieben Wochen schon begann die irische Regierung, das Gelände um Shannon zusperren, Gullys zu versiegeln und die örtliche Bevölkerung mit Sonderausweisen zu versehen - sehr zum Ärger der Betroffenen. 6.000 Polizisten und Soldaten mit sieben Panzern bewachten Shannon Airport und Dromoland Castle - nicht nur als Schutz vor Terroristen, sondern auch vor den Demonstranten, die heute noch einmal ihren Unmut, insbesondere über die Irak-Politik der USA, deutlich machen wollen.
Anti-Kriegs-Aktivisten, Labour-Leute, Republikaner und grüne Politiker Irlands fordern schon lange eine Distanzierung Dublins von der Bush-Administration (und ein Ende der Nutzung Shannons als eines militärischen Brückenkopfs der Amerikaner beim Anflug auf den Nahen Osten). Nun haben 170 Anwälte gar zur "Verhaftung Bushs" während seiner Anwesenheit in Dromoland Castle aufgerufen. (...)

Aus: Frankfurter Rundschau, 26. Juni 2004

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Die Anhörung zu einem Internationalen Irak-Tribunal (siehe unser Dossier), die am 19. Juni in der Humboldt-Universität Berlin stattfand, fand nur ein mäßiges Echo in den Medien. Lediglich linke Zeitungen berichteten - dafür aber sehr ausführlich. Im Folgenden ein Auszug aus dem Bericht des "Neuen Deutschland":

(...) Völkerrechtler und Friedensaktivisten kamen zusammen, um mit den Methoden eines Gerichtsverfahrens in einem symbolischen Tribunal Beweise gegen die für Kriegsverbrechen Verantwortlichen zusammenzutragen. Augenzeugen wie Gert van Moorter oder die irakische Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Haifa Zangana berichteten über die prekäre Lage in Irak. Teilnehmer aus Indien, den USA, Russland und Großbritannien hielten Vorträge über die dort stattfindenden Vorbereitungen für das geplante Internationale Abschlusstribunal im kommenden Jahr.

Einig waren sich alle Teilnehmer in einem Punkt: Die Besatzungstruppen müssen Irak unverzüglich verlassen. Immer wieder wurde gefordert, dass die volle und uneingeschränkte Souveränität an die Iraker übergeben werden müsse. Nur so könne das Land den Weg zum Frieden finden. "Penetrant wird an der Lüge des Terrorismus festgehalten, um so die moralische Legitimation für eine Intervention zu schaffen", verurteilte der Völkerrechtsexperte Norman Paech das Vorgehen der USA.

Die "illegale Invasion" der USA und ihrer Bündnispartner habe weder eine juristische noch eine moralische Legitimation und verstoße darüber hinaus gegen das Völkerrecht und die Genfer Konvention, beklagte der US-amerikanische Völkerrechtler Lennox Hinds, Vizepräsident der Internationalen Organisation demokratischer Anwälte (IADL). Er warf den USA "entsetzliche Überheblichkeit" vor.

Viel Raum wurde den irakischen Stimmen und Berichten von Augenzeugen gegeben. Es ging um die konkreten Auswirkungen der immer noch andauernden Kampfhandlungen für die Bevölkerung. Van Moorter und Zangana stimmten in ihren Beiträgen überein, dass die Situation für die Menschen im vergangenen Jahr "in fast jeder Hinsicht schlechter geworden ist". Es fehle an überlebenswichtigen Gütern wie sauberem Wasser und Elektrizität. 70 Prozent der irakischen Bevölkerung seien heute arbeitslos. Das Leben sei, besonders für Frauen und Kinder, noch unsicherer geworden, Entführungen und auch Morde sorgten für zusätzliche Angst, so Zangana.

Begleitet von lautstarker Zustimmung der rund 150 Tribunalteilnehmer schloss van Moorter seine wortgewaltige Rede über die andauernden Verbrechen der Besatzungsmächte mit einem Aufruf, der exemplarisch für das Anliegen der Anhörung stehen kann: Stoppt die Vereinigten Staaten der Aggression! (...)

Aus: Neues Deutschland, 21. Juni 2004

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Am Samstag, den 19. Juni, findet in Berlin im Rahmen einer internationalen Initiative für ein Völkertribunal über den Irak-Krieg ein Hearing statt. Das "Neue Deutschland" berichtete darüber ein paar Tage zuvor:

Die Vorbereitungen für ein internationales Tribunal der Völker (ITI) über die Aggression gegen Irak laufen auf Hochtouren. In Japan, Türkei, England, Belgien und der Ukraine fanden bereits Anhörungen statt. Nun folgt Deutschland. Am kommenden Sonnabend findet in Berlin eine Konferenz mit internationalen Teilnehmern statt.
Ziel des Internationalen Tribunals ist es, eine breite Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Bei den nationalen Anhörungen sollen gerichtsverwertbare Beweise zusammengetragen werden, sagte Laura Wimmersperg, Sprecherin der Friedenskoordination Berlin. Mit den Methoden eines Gerichtsverfahren sollen Fakten über die Vorgeschichte des Irak-Krieges, die Kriegsbegründungen sowie die Vorgehensweisen im Krieg und die Maßnahmen der Besatzungsmacht dokumentiert werden. Das Tribunal soll nicht bloß moralische Kategorie bleiben, so Wimmersperg weiter. Auf dem abschließenden Internationalen Tribunal im kommenden Jahr sollen die gesammelten Informationen als Grundlage für eine öffentliche Anklage gegen die Verantwortlichen dienen.
Unter anderem werden die Völkerrechtler Norman Paech und Gregor Schirmer sowie der ehemalige Koordinator des humanitären UN-Hilfsprogramms für Irak, Hans von Sponeck, sprechen. Außerdem werden zwei Augenzeugen berichten.

Aus: Neues Deutschland, 16. Juni 2004

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Nachwirkungen der Proteste gegen den Irakkrieg vor mehr als einem Jahr: In Frankfurt hatte ein Richter den Mut, den Krieg als völkerrechtswidrig einzustufen und die wegen Blockadeaktionen vor der US-Airbase angeklagten Demonstranten entsprechend gnädig zu behandeln, d.h. mit einer lediglich symbolischen Strafe zu belegen. Wenig Gnade fand die Pressemitteilung der damals zuständigen "resist"-Kampagne vor der überregionalen Presse. Doch die alternative Internetzeitung www.ngo-online.de sprang wieder einmal ein und berichtete ausführlich:

Richter Rupp vom Frankfurter Amtsgericht hat am Montag, 14.6.2004, fünf angeklagte Kriegsgegner zu einer Geldbuße von je 5 Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte Strafen zwischen 375 und 1.750 Euro gefordert. Die Betroffenen hatten während des Irakkrieges am 29.3.2003 an einer gewaltfreien Sitzdemonstration vor der US-Airbase Rhein/Main teilgenommen. Rupp gestand in seiner Urteilsbegründung den Kriegsgegnern zu, dass diese zu Recht in ihren Begründungen von einem völkerrechtswidrigen Krieg gesprochen haben. Obendrein wurde versucht, diesen nicht gerechtfertigten Krieg mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten zu verkaufen, so Richter Rupp.
Richter Rupp hatte die von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafbefehle ursprünglich nicht unterzeichnet. Daraufhin zwang ihn die Staatsanwaltschaft über das Landgericht, dennoch eine Hauptverhandlung durchzuführen. Wenn Richter Rupp nicht wegen des Nötigungsvorwurfs bestrafen wolle, müsse er zumindest in ein Ordnungswidrigkeitenverfahren überführen, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft.
Im Prozess forderte die Staatsanwaltschaft erneut die strafrechtliche Verurteilung wegen Nötigung (§ 240 StGB). Richter Rupp lehnte dies unter Bezugnahme auf die Verfassungsgerichtsentscheidung (sog. Sitzblockadenentscheidung) von 1995 eindeutig ab. Bei gewaltfreien Sitzblockaden sei das Tatbestandsmerkmal der Gewalt nicht erfüllt. Außerdem könne er im Verhalten der Angeklagten kein sozialwidriges, rechtswidriges, mithin verwerfliches Handeln erkennen, worauf es aber für die Verwirklichung des Nötigungstatbestandes ankomme.
Der Staatsanwaltschaft warf Rupp vor, das Ordnungswidrigkeitenrecht als Hebel benutzt zu haben, um ihn zu einer Verurteilung zu drängen. Am liebsten - so Rupp - hätte er die Einstellung auch des Ordnungswidrigkeitsvorwurfs beschlossen. Da dies ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft in einer Hauptverhandlung nicht möglich sei, vollzog er eine "symbolische Verurteilung" (Rupp) der Angeklagten. Die Kampagne "resist the war", die die Blockadeaktionen gegen den Irak-Krieg mitinitiiert hatte, wertet dieses Prozessergebnis als großen politischen Erfolg. Erstmals habe in den Frankfurter Verfahren ein Richter eindeutig von der Völkerrechtswidrigkeit des Irak-Krieges gesprochen und zugleich den Nötigungsvorwurf der Staatsanwaltschaft mit klarer verfassungsrechtlicher Begründung zurückgewiesen.

Aus: www.ngo-online.de (15. Juni 2004)

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Die Peiner Nachrichten (online) berichteten von einer lokalen Kundgebung gegen Sozialabbau, zu der auch die Friedensbewegung aufgerufen hatte:

Für soziale Gerechtigkeit - gegen Sozial-, Bildungs- und Kulturabbau. Unter diesem Motto stand die erste Braunschweiger Montagsdemonstration auf dem Kohlmarkt, die nun jeden zweiten Montag im Monat wiederholt werden soll.
An den Vorbereitungen haben sich die unterschiedlichsten Organisationen beteiligt: Soziale Bewegungen und Initiativen, Kirchenvertreter, Verbände, Mitglieder der Friedensbewegung, der Gewerkschaften, Attac und viele andere Gruppen, aber auch Betroffene vom Arbeitslosenzentrum.
Wie Manfred Kays, Sprecher des Bündnisses, erläuterte, "können und wollen wir uns mit den Zuständen und Entwicklungen in unserem Land nicht zufrieden geben und sorgen uns um die Zukunft einer solidarischen Gesellschaft".
Kays sparte dabei nicht mit Politikschelte: "Was die SPD und Bündnisgrüne in der Bundesregierung, aber auch die Opposition von CDU/CSU und FDP als Reform bezeichnen, entpuppt sich zunehmend als blanker Sozialabbau und würde am Ende eine Gesellschaft ohne jegliche soziale Sicherung mit sich bringen. Dies ist eine Politik der sozialen Kälte, und dem wollen wir uns widersetzen." (...)

Aus: Peiner Nachrichten (online-Ausgabe), 14. Juni 2004

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Auch so kann die Friedensbewegung von sich reden machen: Sie bietet ein spezielles Vortragsangebot für Schülerinnen und Schüler an. Der Giessener Anzeiger berichtete darüber:

"Friedenspolitik im 21. Jahrhundert", unter dieser Überschrift bittet die Gießener Fördergemeinschaft Friedensarbeit und die Friedensinitiative Gießen eine Reihe von Vorträgen und Referaten für Schulen an.
Das Ziel des kostenlosen Bildungsangebotes sei es, die Schüler "aus der Sicht der Friedensbewegung über sicherheitspolitische Themen zu informieren", sagte die Sprecherin der Friedensinitiative, Christa Schreier.
Die Referate mit anschließender Diskussion von 45 bis 90 Minuten Länge werden dabei von bekannten Personen der Friedensbewegung abgehalten. In seinem Vortrag zum Thema Krieg und Umweltschutz beschäftigt sich der emeritierte Professor Dr. Knut Krusewitz mit dem "militärisch-ökologischen Zyklus", der den ökologischen Prozess von der Planung der Waffensysteme bis zu deren Einsatz im Krieg beschreibt. Weitere Themenschwerpunkte des Umwelt- und Friedensforschers sind "die Frage von Moral und Ethik im Krieg" und "Warum führt Nato Krieg?". Im Vortrag "Frieden ist der Ernstfall" beschäftigt sich der Politikwissenschaftler und Oberstleutnant außer Dienst, Dr. Lothar Liebsch, mit den neuen Aufgaben und Einsätzen der Bundeswehr und der Militarisierung der Europäischen Union.
Die Schulpfarrerin und Vorsitzende des Vereins Solidarische Welt, Ilse Staude, hat für das Bildungsangebot der Friedensinitiative zwei Themen vorbereitet: "Christlicher Pazifismus - von der Bibel bis heute" und "Junge Menschen mit den Erfahrungen einer engagierten Friedens-Aktivistin bekannt machen".
Mit "Chancen für eine friedenspolitische Alternative der Europäischen Union" beschäftigt sich in seinem Vortrag zum Thema Militarisierung der EU der Politologe Dr. Johannes M. Becker. Die vier Referenten können von allen Schulen kostenlos für einen vereinbarten Termin "gebucht" werden.

Aus: Giessener Anzeiger (online-Ausgabe), 11. Juni 2004

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Eine politische Radl-Tour der besonderen Art hat sich die DFG-VK in Süddeutschland einfallen lassen. Die "junge Welt " berichtete am 9. Juni u.a.:

Aktivisten der »Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)« sind seit 1. Juni mit Fahrrädern unterwegs, um an verschiedenen süddeutschen Rüstungsstandorten für »Abrüstung statt Sozialabbau« zu demonstrieren. Am gestrigen Dienstag traf der Fahhrradcorso in Ingolstadt ein, wo über den Mittag mit Transparenten, einem Infostand und dem Verteilen von Flugblättern große Aufmerksamkeit erregt werden konnte. Am Nachmittag wurde die Produktionsstätte des auf 230 Millionen Euro pro Stück veranschlagten Eurofighters bei Manching heimgesucht. Allein für den Eurofighter wurden im Rüstungsetat der Bundesregierung bis 2015 insgesamt 18 Milliarden Euro bereitgestellt.
Begonnen hatte die Tour, die den Zusammenhang zwischen Rüstungsausgaben und Sozialabbau verdeutlichen soll, vor den Werkstoren der schwäbischen Waffenfabrik Heckler & Koch in Oberndorf. Denn obwohl in Oberndorf »nur« Kleinwaffen produziert würden, seien es gerade diese Waffen, mit denen in weltweit zwischen 30 und 50 Kriegen und kriegsähnlichen Konflikten die meisten Menschen getötet werden. (...)
Auch am Standort des mit der Produktion von Militärhubschraubern befaßten Unternehmens Eurocopter und vor dem Fliegerhorst Neuenburg protestierte die Gruppe. Sie kritisierte die geplanten Steigerung der Verteidigungsausgaben ab 2006 von 24,3 Milliarden auf über 25 Milliarden Euro, die ab 2007 jährlich weitergeführt werden solle. (...)

Aus: junge Welt, 9. Juni 2004

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Die am 8. Juni vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete neue Irak-Resolution, lehnte der Bundesausschuss Friedensratschlag in einer Pressemitteilung vom selben Tag ab (siehe "Irak-Resolution ändert nichts am Besatzungsregime und unterstellt die UNO den USA". Die Internetzeitung www.ngo-online.de hat die Meldung ebenfalls am 8. Juni in voller Länge auf ihrer Homepage veröffentlicht: www.ngo-online.de.

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Am 5. Juni findet in Köln eine Konferenz statt, die sich mit den aktuellen Vorgängen im israelisch-palästinensischen Konflikt, insbesondere mit dem Bau der Mauer befasst. Die "junge Welt" (Autor: Henning v. Stoltzenberg) berichtet vorab in ihrer Ausgabe am 2. Juni u.a.:

Eine internationale Konferenz »Für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina« findet am kommenden Samstag in der Alten Feuerwache in Köln statt*. Die Initiatoren der Konferenz, etwa 70 Personen aus der Linken und der Friedensbewegung, trafen sich bereits im Januar in der Domstadt, um eine gemeinsame Erklärung gegen die im Bau befindliche Apartheidmauer in Palästina zu verabschieden und mit der Planung einer internationalen Konferenz zu beginnen. In dieser »Kölner Erklärung« wird der Bau der Mauer, die über 50 Prozent der besetzten Westbank annektieren wird, als weiterer Schritt zur Eskalation des Konfliktes bewertet, der dadurch auch der israelischen Bevölkerung keine Sicherheit bieten könne. »Nur ein Ende der Besatzung, ein rascher und endgültiger Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten und eine faire Lösung des Flüchtlingsproblems werden auch zu einem Ende der Gewalt führen und den verbrecherischen Angriffen auf unschuldige Zivilisten beider Seiten den Nährboden entziehen«, heißt es in dem Dokument weiter. (...)
Auf der Konferenz werden in vier Panels verschiedene Aspekte des Konfliktes beleuchtet und diskutiert. Als Referenten reisen Vertreter israelischer und palästinensischer Initiativen an, um über ihre politische Arbeit und Einschätzung zu berichten. Mit Musik- und Tanzgruppen aus Palästina, Israel und dem Libanon soll die Konferenz beendet werden. (...)

* Die Konferenz am 5. Juni beginnt um 11 Uhr in der Alten Feuerwache, Melchiorstraße 3 in Köln

Aus: junge Welt, 2. Juni 2004


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