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Es ist die Pflicht des Soldaten, sich gesetzwidrigen Befehlen zu widersetzen

Der Fall des Majors Florian Pfaff

Die große Öffentlichkeit hat der Fall nicht erreicht. Das ist schade, da es sich um einen Vorgang von grundsätzlicher Bedeutung für das Rechtsverständnis der Bundeswehr und der Truppengerichtsbarkeit handelt. Die Rede ist vom Fall Florian Pfaff, einem Major der Bundeswehr, der sich während des Irakkriegs weigerte, bestimmt Befehle auszuführen, die als Unterstützung für den seiner Meinung nach völkerrechtswidrigen Krieg ausgelegt werden könnten. Die folgenden Dokumente beleuchten die Auseinandersetzung zwischen Pfaff und seinem Dienstherrn. Es handelt sich
  1. um einen Artikel in der tageszeitung taz vom April 2004, worin der Hergang journalistisch aufgearbeitet wird,
  2. um einen Brief des Offiziers an den Wehrbeauftragten des Bundestags, in dem die Beweggründe für die Befehlsverweigerung erläutert werden,
  3. um eine Presseerklärung des Arbeitskreises Darmstädter Signal vom 10. Juli 2004, in dem die kritische Soldatenvereinigung sich hinter den degradierten Major Pfaff stellt, und
  4. um eine entsprechende Pressemeldung aus der Tageszeitung "Neues Deutschland".



D O K U M E N T A T I O N

Die reine Logik der Befehlsverweigerung

Von Heide Platen*

(...) Major Florian Pfaff (48) ist ... ein Militär aus Überzeugung. In der Armee hat er gerne gelernt: "Nervenstärke, Ehrlichkeit, Mut." Und außerdem hatten ihn die Vorgesetzten schon 1976 in der Grundausbildung gelehrt, dass die Bundeswehr sich nie an einem Angriffskrieg beteiligen werde, schon gar nicht an einem völkerrechtswidrigen: "Das haben die uns regelrecht eingebläut." (...) Im Streitkräfteamt spezialisierte er sich auf das Entwickeln von logistischen Computerprogrammen für die Verwaltung: "Ich habe einen Sinn für formale Logik."

Deshalb ist Pfaff zum Befehlsverweigerer geworden, zuerst beim Einsatz der Bundeswehr in Somalia, dann in den Golfkriegen. Es gibt keine Order und Aufgabe, die er nicht danach hinterfragt, ob ihre Ausführung nicht eventuell direkt oder indirekt der Unterstützung der US-Armee und damit deren ohne UN-Mandat geführtem Krieg gegen den Irak dienen könne. Dazu gehört für ihn der Schutz der US-amerikanischen Einrichtungen in Deutschland durch die Bundeswehr ebenso wie die Materialbeschaffung, "egal, ob Socken oder Fahrzeuge".

Das Nichtausführen gesetzwidriger Befehle, so Pfaff, sei seine Pflicht als Soldat und vom Gesetzgeber gefordert. Außerdem sei er es seinen eigenen Untergebenen schuldig, sie seinerseits gar nicht erst in die Verlegenheit zu bringen, Weisungen folgen zu müssen und damit gegen Paragraf 80 des Strafgesetzbuches und das Völkerrecht zu verstoßen. Pfaff begründete seine Haltung akribisch: Die USA seien ohne UN-Mandat in ein Land einmarschiert, in dem kein Bürgerkrieg geherrscht habe und von dem eine weitaus geringe Friedensbedrohung ausgegangen sei als von anderen Staaten. Die USA habe keinen Verteidigungskrieg geführt, der Nachweis der Beteiligung des Irak am Terrorismus sei nicht erbracht. Bundeskanzler Schröder habe Deutschlands Neutralität erklärt, diese aber durch die Unterstützung des US-Kombattanten Kuwait durch Spürpanzer, den Einsatz von Awacs-Flugzeugen über der Nordtürkei, die Bewachung der US-Kasernen gebrochen. (...)

Das brachte Pfaff unweigerlich in Konflikt mit seinen Vorgesetzten. Im Februar [2004, Anm. d. Webmasters] musste er sich einem Disziplinarverfahren wegen Befehlsverweigerung und Ungehorsam stellen. Das Truppengericht berief sich auf die Gehorsamspflicht, andernfalls könne "die Funktionsfähigkeit einer Armee gelähmt oder zumindest in Frage gestellt werden". Aber es lobte ihn auch als guten Soldaten, lehnte seine Entlassung aus der Bundeswehr ab und degradierte ihn stattdessen zum Hauptmann - eine Entscheidung, die noch nicht rechtskräftig ist. Pfaff legte Berufung beim Bundesverwaltungsgericht ein und ist bereit, auch vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen.

Die Gesetzestreue hatte ihm schon im März 2003 eine Untersuchung seines Geisteszustandes eingebracht. Im Bundeswehr-Zentralkrankenhaus Koblenz wurde festgestellt, dass er ein ganz normaler Mensch sei. Pfaff schrieb einen Brief an den Wehrbeauftragten des Bundestages, in dem er seine Erfahrungen schilderte. (...) [Siehe den Brief weiter unten.]

Damit bringt er seine Dienstherren in eine prekäre Situation. Entweder hat er Recht mit seiner Befehlsverweigerung, dann müsste die Bundeswehr jedwede Unterstützung der USA und ihrer Verbündeten einstellen. "Ein Unrechtszustand", so Pfaff, wäre vorbei. Würde er vor dem Bundesverwaltungsgericht in der Sache unterliegen, so Pfaff, wäre die Kriegsbeteiligung in seinem Einzelfall am Parlament vorbei legitimiert. (...)

* Auszüge aus dem Artikel, der in der taz vom 7. April 2004 erschien.

Brief an den Wehrbeauftragten

Wehrbeauftragter
des Deutschen Bundestages
Herrn Dr. Willfried Penner
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Betr.: Gewaltsame völkerrechtswidrige Besetzung des Irak durch die USA (und andere)
hier: Beteiligungsverbot

Sehr geehrter Herr Dr. Penner,

Sie wissen, dass es zur Frage der Unrechtmäßigkeit und der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Morden im Irak derzeit unterschiedliche Auffassungen gibt. Das ist für Soldaten wie mich insofern ein Problem, als ich im Gegensatz etwa zu einem Freiberufler die Pflicht habe, mich jeglicher Beteiligung zu enthalten, wenn ich die Mitwirkung an einem rechtswidrigen Angriff darin erkenne*, was auf mich zutrifft.

Ich möchte Ihnen hiermit zur Kenntnis bringen, wie ich nach der Bekanntgabe meines Entschlusses, mich an einem rechtswidrigen Angriffskrieg nicht zu beteiligen und mich durch Wort und Tat (pflichtgemäß) zu widersetzen, behandelt wurde.

Ich bat am 20.03.2003 morgens den Truppenarzt (…) auf der Hardthöhe und meinen Militärpfarrer (…), mir zu bestätigen, dass die von mir beschriebenen Tatsachen (konkret: die Meldungen über den Kriegsbeginn und die Auslegung als Völkerrechtsbruch auch im WDR-Fernsehen) von mir so zutreffend wahrgenommen würden, weil ich in einem solchen Fall jegliche Zusammenarbeit und Beteiligung demonstrativ verweigern müsse. Dabei machte ich klar, dass ich von dieser Sicht überzeugt sei, wegen der Bedeutung der Sache jedoch jegliches bestehende Restrisiko, etwas falsch in den Hals bekommen oder übertrieben wahrgenommen zu haben, ausschließen wolle. Dies kann keinem der beiden (auch durch mein Verhalten) entgangen oder von ihm anders gedeutet worden sein.

Während der Herr (…) mir mitteilte, dass auch er die Meldungen so vernommen habe und dies sehr bedauerte, weigerte sich der Truppenarzt, mir das Zutreffen der Berichte zu bestätigen. Ich wurde von ihm zunächst zuständigkeitshalber zum Neurologen verbracht. Dieser beantwortete meine Frage, indem er mich mit einem Fahrzeug des SanZentrums umgehend in stationäre psychiatrische Untersuchung in das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz verbrachte. "Solche Fragen sind nicht so einfach zu beantworten."

Es mag sein, dass es viel Überwindung kostet, die missliche Lage zuzugeben. Das ist aber kein Grund, stattdessen an meinem Verstand zu zweifeln und mich auf diese Weise aus dem Verkehr zu ziehen. Schließlich waren die Berichte wahr (sie werden es auch bleiben), später wurden sie noch schlimmer. Auch hatte ich mich (auf Nachfrage) von allen Maßnahmen, die Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringen, und terroristischem Verhalten, ausdrücklich und wiederholt klar distanziert (wo bliebe auch die moralische Überlegenheit?).

Natürlich ist man zunächst mehr als verblüfft, wenn man deshalb in der Unterhose vor einem Nervenarzt steht, um zu belegen, dass alle Reflexe noch funktionieren. Nachdem ich hunderte von Fragen beantwortet hatte und mehrere medizinische Untersuchungen (Urin, Blut und Computertomografie) hinter mir hatte, wurde mir eröffnet, dass ich auf keiner einzigen der medizinischen Skalen aus dem normalen Bereich falle, wobei meine Art, die Dinge rational, also mit Hirn und Verstand, anzugehen, sehr auffallend, aber durchaus normal sei.

Bei den psychologischen Skalen, die nicht nur normal und krank auswerfen, wie Geselligkeit, Ehrlichkeit usw., sei ich vorwiegend aus der Norm heraus gefallen, aber ausschließlich in positiver Richtung.

Nachdem ich zu erkennen gab, dass ich eine solche Bewertung bereits vom Truppenarzt erwartet hätte, die Feststellung anhand der Fragebögen von mir aber auch als positiv bewertet werde, weil ich auch auf dieser Grundlage meiner Pflicht zur (passiven und aktiven) Widersetzung nachkommen könne, eröffnete mir der behandelnde Arzt (…), er könne, logisch gesehen, kein Problem erkennen: "Da sind Sie mir über". Auch wolle er sich, da es um Politik und Moral gehe, inhaltlich nicht einlassen. Nach seinem Gefühl sei ich aber in der Tat verbohrt, wenn ich glaube, ich könne gegen die "Realität" ankommen. Dass jemand etwas zu ändern versucht, was sich nur bei allergrößter Anstrengung, wenn überhaupt, ändern lässt, weil er rechtlich und moralisch ansonsten mitverantwortlich wäre, ist solchen Leuten, die "da unter" sind, offenbar zumindest z. T. so suspekt, dass sie es gefühlsmäßig für abnormal halten.

In Folge durfte ich einen weiteren Test ausfüllen, der zwanghaftes Handeln misst. Nachdem ich auch dort auf keiner einzigen Skala negativ, im Schnitt wieder deutlich positiv, aus dem Raster fiel, bescheinigte man mir Gesundheit und setzte mich am 26.03.2003 mittags, also nach einer Woche, in Marsch zurück zu meiner Dienststelle.

Ich will an dieser Stelle keinesfalls vergessen zu erwähnen, dass ich in Koblenz auch große Unterstützung erfuhr. Ein wehrübender Feldwebel, der als Krankenpfleger eingesetzt war, die Schwestern, insbesondere Schwester Margret, und ein Leutnant (Arzt im Praktikum) konnten mir meine Frage sehr schnell beantworten. Sie bezogen auch inhaltlich Stellung und haben mir das Leben dort leicht gemacht. Zuletzt war auch Oberstarzt (…) sehr hilfreich mit seiner mir gegenüber geäußerten Feststellung, es sei doch sehr fraglich, ob man jemandem, der nicht bereit sei, faule Kompromisse einzugehen, Verbohrtheit unterstellen sollte.

Auch wenn die Einlieferung in die "Klappsmühle" ungeheuerlich erscheint (z. T. wurde sie mir zunächst gar nicht geglaubt: "Sie machen einen Witz, Herr Pfaff!"), so kann ich solches Verhalten, z. B. bei Berufung auf "letzte Sicherheit" (wegen der Konsequenzen) und auf die Fürsorgepflicht durchaus noch nachvollziehen.

Einen Vorwurf erhebe ich daher nur in sofern, als ich nicht nachvollziehen kann, weshalb die Bestätigung meines Verstandes länger dauern konnte als 24 Stunden. An meiner schlüssigen Argumentation hätte man dies sofort erkennen können; ich halte noch heute daran fest.

Ungeheuerlich und in keinem Fall hinnehmbar ist dagegen, was man nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus unternahm, um mich, wie ich meine rechtswidrig, auf Kurs zu bringen, mich zur Missachtung meiner Pflicht zur Beachtung der mir erteilten Befehle zu nötigen.

Selbst wenn ein Vorgesetzter für die Morde im Irak wäre, weil er z.B. Bush's Märchenstunden gelauscht hat oder für eine gewaltsame Beseitigung aller Diktaturen ist (S. Hussein ist ja auch ein rigoroser Diktator), so kann es nicht angehen, dass schlicht ignoriert wird, dass es sich um einen rechtswidrigen Krieg handelt, an dem Deutschland leider indirekt faktisch beteiligt ist, trotz der (übrigens auch in den USA von vielen gelobten) Absicht, sich zu enthalten.

Es kann nicht richtig sein und wird von mir auch nicht hingenommen werden, dass ich nach anfänglicher Respektierung meiner Haltung am nächsten Tag auf der Grundlage von Lügen massiv unter Druck gesetzt wurde. Schon zu Anfang, bevor der Rechtsberater meine schriftliche Meldung zur Kenntnis nahm, versuchte er, mich einzuschüchtern, indem er mir grundlos eine Dienstpflichtverletzung vorwarf, von der er nach eigener Aussage wusste, dass sie gar nicht vorlag. (…) Auch wenn es im Einklang stehen mag mit den Praktiken der derzeitigen US-Administration, ist es schändlich, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eine einseitige Drohkulisse aufzubauen.

Mir wurde zweitens vorgelogen, es gebe nur eine klare Rechtsauffassung. Und mir wurde nur für den Fall mit negativen Konsequenzen gedroht, dass ich der angeblich einzig verbindlichen Auffassung (die so nicht existiert) mich widersetzen würde.

Inzwischen weiß fast jeder, dass viele Leute, darunter so angesehene wie Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, den Kriegsbeginn als Rechtsbruch bewerten. Selbst der Bundesminister für Verteidigung, von dem der Rechtsberater behauptete, auch dieser habe eindeutig die Rechtmäßigkeit festgestellt, hat genau dies nicht getan, sondern statt dessen verkündet: "Ich sage, es ist rechtlich zweifelhaft."

Aber selbst, wenn man nicht versucht hätte, mir solchen Unfug vorzulügen, wäre die einseitig einschüchternde Art, mir mit der Degradierung oder Entlassung zu drohen, nicht zulässig gewesen. Schließlich drohte mir, wenn ich den Befehl verweigerte, mich an dem rechtswidrigen Angriff nicht zu beteiligen, und mitspielte, nachdem ich die Rechtswidrigkeit erkannt habe, ebenso die Degradierung oder Entlassung. Darin besteht die Problematik, die offenbar weggelogen werden soll. Ein anderer Grund für die Lügen ist mir nicht ersichtlich.

Als ich fragte, was denn in dem Fall sei, dass ich meiner Pflicht konsequent nachkäme, musste ich sogar Hohn über mich ergehen lassen ("Held" der Friedensbewegung). Es ging ganz offensichtlich gar nicht um Beratung oder Eröffnung von Rechten.

Wenn man wie ich in einem solchen "Gespräch" von Anfang an als Schuldiger hingestellt wird, wenn einem ein nicht begangenes Delikt vorgehalten wird, ja vom "Rechtsberater" geradezu demonstrativ Druck ausgeübt wird und jegliche objektive juristische Erläuterung oder Stellungnahme abgelehnt wird, dann fühlt man sich wie in dem System, das angeblich bekämpft werden soll. Ich verachte solches Pack [wie Hussein und Leute, die ihn stützen, woran ich mich, wie gesagt, erinnert fühle (Ergänzung zur Klarheit vom 11.04.2003)].

(…) Ich melde ferner, dass (…) (mein) Disziplinarvorgesetzter (…) den Sachverhalt nicht überprüft und (obwohl er an dem Gespräch nicht teilgenommen hatte) sich gegen meinen Vorwurf sogar "verwahrt". So einfach ist es: Wenn die Täter beim Namen genannt werden, verbietet man einfach die Wahrheit (Meldung).

Mit solchen Methoden wird aber nicht nur ein pflichtbewusster Soldat massiv unter Druck gesetzt, ein unbedarfterer wird damit sogar zu Fall gebracht. Es wird in der konkreten Lage mit solchem Druck auch eine "Sache" unterstützt: Nur dann, wenn Kritiker, die die Wahrheit sagen, zum Schweigen gebracht werden, ist es vorstellbar, dass der Krieg weitergeht. Und nur mit Menschen, die moralisch wie intellektuell derart bankrott sind, dazu stehe ich, war es auch möglich, einen solchen Angriff zu beginnen. Ich hoffe, dass Gott solchen Verbrechern gnädig ist, wenn sie irgendwann erkennen sollten, was sie tun. Ich hoffe, sie kommen nur sehr langsam dahinter und haben die Kraft, dies dann zu verarbeiten (andere Leute würden vielleicht wünschen, der Teufel möge sie holen; dies tue ich nicht).

Ich möchte Sie, Herr Dr. Penner, bitten, sich persönlich für ein schnelles Ende dieser unzulässigen Art der Unterstützung in die falsche Richtung einzusetzen. Wenn schon ein vorausschauender kluger Geist das System von Befehl und Gehorsam so gestaltet hat, dass die Unterstützung eines rechtswidrigen Angriffskrieges (auch schon die indirekte) unmöglich gemacht oder zumindest erschwert wird, dann darf dies nicht mit o. a. Methoden, Lügen und falschen Anschuldigungen sowie einseitiger Angstmache, wieder außer Kraft gesetzt werden. Ansonsten handelte es sich doch nicht um ein reales Unterscheidungsmerkmal einer Armee in einem so genannten Rechtsstaat, sondern in Wahrheit nur um eine weitere geschickte Lüge.

Ich bitte Sie, dabei auch das Verhalten des Chefs des Stabes zu prüfen, der dazu möglicherweise angestiftet hat oder wurde. Dabei ist seine Haltung, mich von vornherein quasi als "Beschuldigter" zu betrachten, dem seine "Rechte" zu eröffnen seien, wie sein Auftrag zunächst wörtlich lautete, vor allem nach dem eher kameradschaftlichen Gespräch vom Vortag, m. E. in erster Linie als Indiz dafür zu bewerten, dass er selbst unter Druck geraten sein könnte. Ich finde es mehr als unglaublich, und das hat mein Vertrauen in ihn restlos zerstört, dass er sich gegen meine Vorwürfe gegen den "Rechtsberater" einfach verwahrte. Indem er mir mein Melderecht verwehrte und damit versuchte, die geschehenen ungeheuerlichen Ereignisse zu decken, bescheinigte er sich nicht nur eine verwerfliche Parteilichkeit in der Sache, sondern auch, was er von meinen Rechten in Wahrheit hält.

Da ich weder von Leuten, die unter Begehung einer schweren Straftat zu einer anderen anstiften, noch von Leuten, die solchen Abschaum decken, Befehle entgegennehmen kann, werde ich, zumindest bis Herr (…) mir eine Erklärung für sein Verhalten liefert, die ihn in meinen Augen ausreichend entschuldigt, von ihm überhaupt keinen einzigen Befehl mehr entgegennehmen. Ich habe dies dem Amtschef gemeldet.

In der Sache selbst, also bezüglich meiner Absicht, mich an die mir erteilten Befehle zu halten und mich gegen den Krieg einzusetzen, solange Deutschland beteiligt ist, bitte ich Sie ebenfalls um Unterstützung: Ich erhalte meine Überzeugung und meine Haltung zu meinen Pflichten trotz des gegen mich inzwischen ausgeübten vorwiegend rechtswidrigen Drucks, mich befehlswidrig zu verhalten, aufrecht (…) mit im Wesentlichen folgender Änderung:

Die Argumentation meines Abteilungsleiters vom 27.03.2003, meine derzeitige Tätigkeit (Hauptauftrag) könne sich entgegen der von mir geäußerten Begründung durchaus auf die Beteiligung am Krieg "positiv" auswirken, kann ich zumindest formal nicht entkräften. Ich sehe mich somit seither auch nicht mehr in der Lage, meinem Hauptauftrag nachzukommen.

Mit herzlichstem Dank im Voraus, auch an alle Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sowie mit freundlichem Gruß

gez.
F. Pfaff
Major
53170 Bonn, 29.03.2003

P R E S S E M I T T E I L U N G

Arbeitskreis Darmstädter Signal
Veitshöchheim/Swisttal, 10.07.2004

Wehrdisziplinargerichtliches Verfahren gegen Major Florian Pfaff ist ein Skandal
Bundeswehroffiziere stellen sich vor ihren Kameraden


Veitshöchheim/Swisttal. Die im Arbeitskreis DARMSTÄDTER SIGNAL (AkDS) zusammengeschlossenen aktiven und ehemaligen Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr haben sich bei ihrem Zusammentreffen am Wochenende intensiv mit dem Verfahren gegen Major Florian Pfaff auseinandergesetzt. Major Pfaff ist vom Truppendienstgericht Münster in 1. Instanz wegen Ungehorsam vom Major zum Hauptmann degradiert worden; dagegen hat er Berufung eingelegt.

Pfaff ist der Meinung, dass es sich bei dem Irakkrieg um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt, der gemäß der Verfassung der Bundesrepublik nicht unterstützt werden darf. Tatsächlich hat diese Unterstützung z.B. durch Abstellung von Soldaten in AWACS-Flugzeugen, mit ABC-Spürpanzern in Kuweit oder Wachsoldaten für den US-Stützpunkt Ramstein dennoch stattgefunden. Da Major Pfaff in der zentralen EDV-Steuerung tätig war und somit auch die Verbesserung der Versorgung dieser Truppenteile organisierte, teilte er seinen Vorgesetzten mit, dass er diese Aufträge nicht durchführen könne, da er sich anderenfalls strafbar mache. Das Truppendienstgericht schloss sich dieser Bewertung nicht an, ließ im Urteil auch die Frage der Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges unbeantwortet und degradierte Major Pfaff wegen Ungehorsam vom Major zum Hauptmann.

Major Pfaffs Feststellung, dass der Irakkrieg völkerrechtswidrig war, ist vorherrschende Rechtsmeinung. Die "Signaler" stimmen auch seiner Meinung zu, dass es die Aufgabe des Verteidigungsministers und der verantwortlichen Politiker ist, bereits vor (!) jeder Kriegsunterstützung sicherzustellen, dass es sich um verfassungskonforme Einsätze handelt und damit verbundene dienstliche Tätigkeiten erlaubt sind. Solange diese Fragen nicht eindeutig geklärt sind, darf Soldaten nicht zugemutet werden, unterstützenden Dienst in ungeklärter Rechtslage tun zu müssen.

Die Offiziere und Unteroffiziere des AkDS haben großen Respekt vor dem konsequenten Verhalten ihres Kameraden Florian Pfaff und fordern, das wehrdisziplinargerichtliche Verfahren sofort einzustellen! "Die Bundeswehr sollte froh sein, mutige und rechtlich sensible Offiziere in ihren Reihen zu haben, statt sie disziplinarrechtlich zu verfolgen", so Oberstleutnant a.D. Helmuth Prieß, Sprecher des AkDS.

Degradierung wegen Kritik an Irak-Krieg

Darmstädter Signal: Respekt vor Kameraden

Veitshöchheim/Siwsttal (ND). Die im Arbeitskreis Darmstädter Signal zusammengeschlossenen aktiven und ehemaligen Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr debattierten am Wochenende unter anderem über ein unlängst stattgefundenes Verfahren vor dem Truppendienstgericht in Münster. Es hat den Major Florian Pfaff wegen Ungehorsam vom Major zum Hauptmann degradiert.

Pfaff hatte betont, dass es sich bei dem Irakkrieg der USA um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt, der gemäß der Verfassung der Bundesrepublik nicht unterstützt werden darf. Da der Offizier in der zentralen EDV-Steuerung tätig war und somit auch die Verbesserung der Versorgung dieser Truppenteile organisierte, teilte er seinen Vorgesetzten mit, dass er seine Aufgaben nicht erfüllen kann. Andernfalls würde er sich strafbar machen. Das Truppendienstgericht schloss sich dieser Bewertung nicht an, ließ im Urteil auch die Frage der Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges unbeantwortet und degradierte Major Pfaff wegen Ungehorsam vom Major zum Hauptmann.

Die Offiziere und Unteroffiziere des Darmstädter Signals erklärten ihren "großen Respekt" vor dem konsequenten Verhalten ihres Kameraden Florian Pfaff und fordern, das wehrdisziplinargerichtliche Verfahren sofort einzustellen. "Die Bundeswehr sollte froh sein, mutige und rechtlich sensible Offiziere in ihren Reihen zu haben, statt sie disziplinarrechtlich zu verfolgen", so Oberstleutnant a. D. Helmuth Prieß, Sprecher des Arbeitskreises. Pfaff hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Aus: Neues Deutschland, 13. Juli 2004


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