Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

1. bis 15. Januar 2003

Friedensbewegung in den Medien

Als Reaktion auf eine Pressemeldung des Bundesausschusses Friedensratschlag über die Ergebnisse seines Treffens in Berlin (12.01.2002) gab es neben ein paar Rundfunk-Meldungen bzw. Interviews (z.B. HR) eine Reihe von Artikeln in überregionalen Zeitungen.

Die taz berichtete am 14. Januar in einem Sammelartikel über verschiedene kritische Stellungnahmen u.a.:

BERLIN epd/dpa Friedensinitiativen bereiten europaweit Demos gegen einen Irakkrieg vor. Für den 15. Februar seien in Berlin und zwölf weiteren europäischen Hauptstädten Massenkundgebungen geplant, teilte der Bundesausschuss Friedensratschlag gestern mit. Mit einer Friedenstour durch 16 deutsche Städte wollen die Globalisierungsgegner von Attac für eine rege Beteiligung an der Anti-Kriegs-Demo in Berlin werben. "Nur ein breiter gesellschaftlicher Konsens kann den Krieg noch stoppen", hieß es von Attac.
Vor "unkalkulierbaren Risiken" eines Irakkriegs hat der DGB gewarnt. Eine militärische Intervention könne zu einer Destabilisierung des gesamten Nahen Ostens führen. Zudem trage die "ohnehin leidgeprüfte Zivilbevölkerung" die Hauptlast eines Krieges. Die Auseinandersetzung mit Terrorismus und Massenvernichtungswaffen sei "Sache der Völkergemeinschaft". Ein "globales Gewaltmonopol als Ultima Ratio" dürfe nur von den UN beansprucht werden. Rot-Grün müsse im UN-Sicherheitsrat für eine friedliche Lösung werben.
(...)
Die Grünen wollen einen Irakkrieg nach eigener Aussage um jeden Preis verhindern. Der Parteirat verabschiedete einstimmig eine Resolution, in der es heißt: "Wir lehnen den Krieg ab, und Deutschland wird sich daran nicht beteiligen." Es dürfe keinen Automatismus durch den Militäraufmarsch am Golf geben. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte: "Wir betrachten uns als die Speerspitze der Friedensbewegung."
(...)
Aus: taz vom 14.01.2003

Reimar Paul schrieb am selben Tag in der "jungen Welt" u.a.:

Gruppen der Friedensbewegung haben sich am Wochenende auf einen »Aktionsfahrplan« gegen einen drohenden Irak-Krieg verständigt. Um den von langer Hand geplanten Feldzug der USA womöglich doch noch zu verhindern, müsse die weltweite Bewegung gegen den Krieg allerdings noch »einen Zahn zulegen«, erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, am Montag gegenüber junge Welt. Die zentrale Aktion der Friedensbewegung bleibt seinen Angaben zufolge die bundesweite Großdemonstration in Berlin am 15. Februar. Zeitgleich sind Großkundgebungen in zwölf weiteren europäischen Hauptstädten geplant. Laut Strutynski sollen daran »Millionen von Menschen teilnehmen«. Vor allem kirchliche Friedensgruppen hatten in den zurückliegenden Wochen den 15. Februar als zu späten Zeitpunkt für die Großdemonstration kritisiert.
Strutynski zufolge plant die Friedensbewegung zum Jahrestag des zweiten Golfkrieges am 17. Januar Mahnwachen und Demonstrationen in zahlreichen Städten. Außerdem werde dazu aufgerufen, am 17. und 18. Januar an Häusern und Wohnungen im ganzen Land weiße Tücher mit Antikriegsparolen anzubringen. Die Kampagne »resist« bereitet für den sogenannten Tag X eine Sitzblockade vor der US-Air-Base am Frankfurter Flughafen vor. Weiterhin rufen der Bundesausschuß Friedensratschlag und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) am 30. Januar, dem 70. Jahrestag der Machtübertragung an Hitler, zu Demonstrationen und Protesten auf. Auch die vom 7. bis 9. Februar anläßlich der Münchner NATO-Sicherheitskonferenz geplanten Proteste und alternativen Konferenzen sollen bundesweit unterstützt werden, erklärte Strutynski. »Es ist eine Zumutung, mit ansehen zu müssen, wie zu diesem Zeitpunkt von der Stadt München Militärs und Politiker empfangen werden, die einen völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Angriffskrieg gegen Irak vorbereiten.« Die große Antikriegs-demonstration am 8. Februar in München müsse ein deutliches Zeichen für den Friedenswillen der Stadt und ihrer Bewohner setzen.
Mit ihren Protesten wähnt sich die Friedensbewegung nach Angaben Strutynskis »im Einklang mit einer überwältigenden Mehrheit in der Bevölkerung, die den Krieg ablehnt«.

Aus: junge Welt, 14.01. 2003

Die Westfälische Rundschau berichtete in ihrer Online-Ausgabe bereits am 13. Januar, brachte aber ein paar Dinge durcheinander.

(zu) In allen Hauptstädten Europas soll am 15. Februar gegen den Irak-Krieg protestiert werden. Die deutsche Friedensbewegung ruft für diesen Tag zu einer bundesweiten Demonstration in Berlin auf.
Koordiniert wird die Kundgebung (Motto: "Nein zum Krieg gegen Irak") vom "Bundesausschuss Friedensratschlag". Neben der federführenden "AG Friedensforschung" an der Universität Kassel sind daran u. a. die Friedensorganisationen der Kirchen, Gewerkschaften, die Ärzteorganisation IPPNW und die Bonner Friedenskooperative beteiligt. Die Veranstalter, die europaweit mit Millionen Teilnehmern rechnen, schreiben in einem Aufruf: "Ein neuer Golf-Krieg bringt der irakischen Bevölkerung, die unter dem Embargo bittere Not leidet und durch das diktatorische Regime Saddam Husseins unterdrückt wird, noch mehr Elend, weitere Tausende Tote und die Zerstörung von Städten und Infrastruktur." Der Krieg bedeute "einen weiteren Schritt zur Globalisierung der militärischen Gewalt, er stellt einen weiteren Angriff der US-Regierung auf das Völkerrecht dar". Und an die Adresse der deutschen Regierung heißt es: "Wir fordern von der Bundesregierung, alle politischen Mittel zu nutzen, um sich dem Krieg entgegenzustellen. Jegliche Unterstützung eines solchen Angriffskriegs verstößt gegen deutsches und internationales Recht."
Aus: Westfälische Rundschau (online), 13.01.2003

***

Zu den Vorfällen um das Flugblatt des Kasseler Friedensforums bei der SPD-Wahlveranstaltung mit Kanzler Schröder in Kassel legte die Redakteurin der Frankfurter Rundschau einen Tag später nach. Gundula Zeitz schreibt in ihrem Artikel ("Mit dem Flugblatt des Friedensforums kein Eintritt") u.a.:

(...) "Nein zum Irak-Krieg" und der Hinweis auf eine Demonstration für Frieden am 15. Februar in Berlin waren auf dem Flugblatt zu lesen, das Mitglieder des Kasseler Friedensforums am Donnerstagnachmittag während der SPD-Wahlkampfveranstaltung verteilt hatten - draußen vor der Stadthalle. Während drinnen Bundeskanzler Gerhard Schröder den meisten Beifall für eben jene Passagen seiner Rede bekam, in denen er bekräftigte, unter seiner Führung würden sich "deutsche Soldaten nicht an einer militärischen Intervention im Irak beteiligen".
Weiter gehen die Forderungen auf dem Flugblatt: Die Bundesregierung müsse alle politischen Mittel nutzen, um sich dem Krieg entgegenzustellen, heißt es. Und: Dass es der US-Regierung bei ihrer Vorbereitung eines "Präventivkrieges" nicht um Menschenrechte, Demokratie und um den Kampf gegen den internationalen Terrorismus oder um irakische Massenvernichtungswaffen gehe, sondern um politische und wirtschaftliche Interessen in einer der ölreichsten Regionen der Erde.
"Für solche Positionen ist hier wohl kein Platz, oder was?", empörte sich ein Besucher der Veranstaltung. Er hatte ein einziges Flugblatt in seine Jackentasche gestopft, um es später zu lesen - und war damit an der Sicherheitskontrolle vor dem Festsaal gescheitert: Nicht nur ihm, etlichen Besuchern wurden die blauen Papiere dort abgenommen. Sogar aus den Tiefen von Journalisten-Aktentaschen klaubten die Security-Mitarbeiter die Blätter. Die lapidare Begründung einer Mitarbeiterin: "Die SPD und das Bundeskriminalamt haben das angeordnet."
Beim Bundeskriminalamt (BKA), das an jenem Abend für den Personenschutz des Bundeskanzlers zuständig war, weiß man davon nichts: "Wenn politische Veranstaltungen stattfinden, ist die jeweilige Partei Inhaber des Hausrechts und kann Maßnahmen ergreifen, um tatsächliche oder befürchtete Störungen zu unterbinden", sagte der stellvertretende Sprecher des BKA, Dirk Büchner, am Freitag. Der beauftragte Sicherheitsdienst sei "ausführendes Organ des Hausrechts" gewesen. Der SPD-Landesverband, der die Veranstaltung organisiert hatte, bedauert den Vorfall: "Es kann sich nur um eine einmalige Überreaktion des Sicherheitsdienstes handeln", sagt Axel Weiss-Thiel, Referent beim SPD-Landesverband. (...)
Aus: Frankfurter Rundschau, 11. Januar 2003

Die Frankfurter Rundschau berichtete am 10. Dezember im Hessenteil über den Wahlkampfauftakt der SPD in Kassel. ("Koch hat Hessen geschadet" von Gundula Zeitz; in der überregionalen Ausgabe erscheint der Beitrag erst am 11. Januar.) Erwähnung fand auch die Aktion der Friedensbewegung vor der Stadthalle, die durch die peinlichen Taschenkontrollen des Ordnerdienstes noch eine besondere Note erhielt. Die FR schreibt dazu:

(...) Beifall bekam Schröder für den Satz, dass sich unter seiner Führung "deutsche Soldaten nicht an einer militärischen Intervention im Irak beteiligen" würden. "Wir wollen die Umsetzung der UN-Resolution, und wir wollen das ohne militärische Auseinandersetzung hinbekommen." Vor einem Krieg in Irak warnten vor der Stadthalle auch Mitglieder des Kasseler Friedensforums mit einer Mahnwache. Sie verteilten Flugblätter, auf denen sie den Kanzler an sein Versprechen erinnerten und auf geplante Aktionen aufmerksam machten. Die Flugblätter des Friedensforums wurden den Besuchern der Veranstaltung bei den Eingangskontrollen abgenommen, einigen Journalisten sogar aus den Aktentaschen entfernt.
Aus FR, 10. Januar 2003

Auch in der lokalen Monopolzeitung HNA (Hessisch-Niedersächsische Allgemeine) fand die Aktion Erwähnung. Hier die erste und die letzte Passage des Artikels ("Die Show mit Gerd und Gerd"):

Vor der Stadhalle trotzte die Gruppe des Kasseler Friedensforums der Kälte. Sie erinnerte den Kanzler an sein Wahlversprechen zum drohenden Irak-Krieg. Drinnen bildeten sich lange Schlangen vor der peniblen Sicherheitskontrolle. (...)
(...) Den stärksten Applaus erhielt der SPD-Chef indes für ein außenpolitisches Thema: die erneute Absage an die an die Entsendung deutscher Soldaten in den Irak.
Aus, HNA, 10.01.2003

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Am 10. Januar berichtete die Süddeutsche Zeitung in ihrem Lokalteil über die geplanten Aktivitäten der Friedensbewegung anlässlich der "Sicherheitskonferenz" im Februar u.a.:

Die Gegner der Sicherheitskonferenz erwarten für den 8. Februar "eine der größten Antikriegsdemonstrationen" in der Geschichte Münchens. Claus Schreer, Sprecher des Demonstrationsbündnisses, rechnet mit mindestens 10.000 Menschen, die sich den "Protesten gegen das Treffen der Welt-Kriegselite" anschließen werden. Die Sicherheitskonferenz ist nach Auffassung der Demo-Initiatoren ein Treffen von Politikern und Militärexperten, die seit Monaten einen "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg" gegen den Irak vorbereiten. An OB Christian Ude appellierte Schreer, den städtischen Empfang für die Konferenzteilnehmer abzusagen. (...)
Zu den Kundgebungen am 7. und 8. Februar rufen unter anderem das Antiglobalisierungs-Netzwerk Attac und das Münchner Friedensbündnis auf. Für die Veranstalter steht fest: "Angesichts immer neuer Kriegsdrohungen der US- Regierung und der auf Hochtouren laufenden Kriegsvorbereitungen gegen den Irak müssen sich die Teilnehmer der Nato-Sicherheitskonferenz in München darauf einstellen, dass sie mit Massenprotesten konfrontiert sein werden, die sie bisher nicht erlebt haben." Günther Wimmer vom Friedensbündnis begrüßt es, dass sich OB Ude diesmal gegen ein Demo-Verbot ausgesprochen hat und unter Umständen sogar selbst demonstrieren wolle. (...)
Attac-Sprecherin Sophia Deeg begründet den Protest gegen die Sicherheitskonferenz mit dem Argument, die Nato habe sich von einem Verteidigungs- zu einem Angriffsbündnis gewandelt. Seit dem 11.September werde der internationale Terrorismus als Bedrohungsszenario kultiviert, um Vorwände für militärisches Eingreifen überall dort zu haben, wo es um ungehinderten Zugriff auf Ressourcen oder um geostrategische Vorteile gehe. In einer Presseerklärung schreiben die Konferenzgegner: "Saddam Hussein, früher einmal das ,Lieblingsmonster' der USA, ist heute nach übereinstimmender Meinung aller Kenner des Irak weder für seine Nachbarstaaten und erst recht nicht für die USA oder Europa eine ernsthafte Bedrohung." Den Amerikanern gehe es ausschließlich um die Kontrolle über die irakischen Ölquellen sowie um die Vorherrschaft im Nahen Osten. (...)
Aus: Süddeutsche Zeitung, 10. 01. 2003

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Dass die Friedensbewegung auf regionaler und lokaler Ebene den Kampf gegen den drohenden Irak-Krieg organisiert und dabei auf konkrete örtliche Anlässe zurückgreift, wird aus den nun folgenden Zeitungsmeldungen deutlich.

Am 9. Januar berichtet die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine unter der Überschrift "Protest wird breiter" über die vorgesehenen Aktivitäten der Kasseler Friedensbewegung u.a.:


Das Kasseler Friedensforum will den Protest gegen den drohenden Krieg im Irak verbreitern. Für Kassel und Umgebung sind bis zum 15. Februar mehrere Aktionen geplant. (...)
Der Aktions-Fahrplan beginnt nach Angaben von Dr. Peter Strutynski, Sprecher des Friedensforums, mit einer Demonstration anlässlich des Kassel-Besuchs von Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag. Ab 15.30 Uhr wollen die Friedensaktivisten vor der Stadthalle mit Plakaten und Flugblättern den Kanzler und die Bundesregierung zu einem eindeutigen Nein zum Irak-Krieg drängen.
Vom 16. Januar bis zum 13. Februar hält das Friedensforum jeden Donnerstag zwischen 16.30 und 18 Uhr eine Mahnwache gegen den Krieg auf dem Opernplatz in der Kasseler Fußgängerzone. Die Mahnwache am 30. Januar wird um 17.30 Uhr in eine Demonstration „Gegen Krieg und Faschismus“ münden, da sich an diesem Tag die Machtübernahme der Nationalsozialisten zum 70. Mal jährt. Am Rathaus findet um 18 Uhr eine Kundgebung statt.
Aus Protest gegen einen weiteren Golfkrieg, der letzte hatte am 17. Januar 1991 begonnen, sind für Freitag, 17. Januar, in der Zeit von 17 bis 18 Uhr Protestzusammenkünfte in einigen Kasseler Stadtteilen geplant.
(...) Außerdem sollen am 17. und 18. Januar an Häusern und Wohnungen weiße Tücher mit Anti-Kriegs- oder Friedensemblemen angebracht werden.
Auch aus Kassel werden am Samstag, 15. Februar, Busse zur Demonstration nach Berlin fahren. Abfahrt ist um 7 Uhr am Theatervorplatz (Steinweg). (...)
Aus: HNA, 9. Januar 2003

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Der Artikel aus den Nürnberger Nachrichten vom 8. Januar 2003 handelt von einer gelungenen Aktion am Dreikönigstag (Auszüge):

(...) Über 300 Friedensaktivisten haben am Dreikönigstag im Nürnberger Flughafen gegen eine verstärkte militärische Nutzung des Airports demonstriert. Sie befürchten, durch den Ausbau der US-Truppenübungsplätze in Grafenwöhr und Hohenfels werde der Flughafen künftig „als Startrampe und Drehscheibe für Kriege missbraucht". Die Friedensschützer appellierten an die Verantwortlichen des Flughafens, im Falle eines Kriegs gegen den Irak, die Abwicklung jeglichen militärischen Flugverkehrs abzulehnen.
Unter dem Motto „Sternsingen für den Frieden" hatte ein „offenes Bündnis" von über 30 Bürgerinitiativen, Friedens- sowie Umweltgruppen aus der Region zur Demonstration aufgerufen. Als „heilige Könige" verkleidet, verbanden sie das traditionelle Sternsingen mit ihrer Forderung, dass sich Deutschland in keiner Form an der „Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskriegs gegen den Irak" beteiligen dürfe. Die Anweisung des Bundesverkehrsministeriums an den Nürnberger Flughafen, den Transport von US-Truppen und Rüstungsgütern zuzulassen, käme einer offiziellen Zustimmung gleich, die USA bei der Vorbereitung eines Angriffskriegs zu unterstützen, argumentierten die Demonstranten.
„Gerade Nürnberg als Stadt der Menschenrechte muss sich dem widersetzen", sagte Hans-Joachim Patzelt vom Nürnberger Friedensforum. In einem Krieg der USA gegen den Irak sieht er einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Auch die Unterstützung eines Angriffskriegs sei laut UN-Charta ein Verstoß. Und ein solcher liegt aus Sicht der Demonstranten vor, sobald das US-Militär von Nürnberg aus mobil macht für einen Irak-Krieg. (...)
Sei ein Völkerrechtsverstoß belegt, wären Oberbürgermeister Ulrich Maly, aber auch der Nürnberger Stadtrat in der Pflicht, „Nein zu sagen zu einer militärischen Nutzung des Flughafens“. In diesem Zusammenhang lehnten die Demonstranten ebenso den Ausbau der Truppenübungsplätze in Grafenwöhr und Hohenfels ab. Denn dann sei geplant, vom Nürnberger Flughafen aus eine schnelle Eingreiftruppe der US-Army in Krisengebiete zu entsenden (wir berichteten).
(...) Helmut Sörgel von der Vereinigung „Ärzte für den Frieden“ (IPPNW) übergab Eberhard Asché, für Verkehr und Sicherheit am Flughafen verantwortlich, nicht nur einen symbolischen „Friedensorden“. Er forderte ihn und die Flughafenverwaltung auf, sich der Anordnung des Bundesverkehrsministeriums zu widersetzen und militärische Transporte abzulehnen. Doch diesem Appell wird man wohl nicht nachkommen. „Wir sind ein internationaler Flughafen und müssen uns an die Vorgaben halten“, sagte Asché. (...) „Wir betrachten den Flughafen als neutralen Boden, eigentlich erlauben wir keine Demonstrationen", sagte Pressesprecher Reto Manitz. Daher habe man auch die Anfrage zunächst abgelehnt. Die Demonstranten hatten dennoch ihr Kommen angekündigt. Des Friedens wegen habe man sich ausnahmsweise für eine „Duldung“ entschieden, sagte Manitz ...
ANDREAS DALBERG
Aus: Nürnberger Nachrichten (Lokalteil), 8.01.2003

***

Auch in Köln tut sich eine Menge, wie aus dem folgenden Artikel des "Kölner Stadtanzeigers" ("Kölner formieren sich gegen möglichen Irak-Krieg" von Kirsten Boldt) vom 8. Januar zu entnehmen ist.

(...) Zum Protest gegen eine Teilnahme der Bundesrepublik am Kriegseinsatz gegen den Irak schließen sich Kölner Gruppen und Einzelpersonen zusammen.
"Wir hoffen auf die Renaissance einer breiten Friedensbewegung", erklärte Christoph Butterwegge, Leiter der Abteilung Politikwissenschaft der Kölner Universität, im Kreise gleichgesinnter Kriegsgegner. Etliche Gruppierungen und Einzelpersonen, darunter auch die Bürgermeister Renate Canisius (SPD) und Angela Spizig (Die Grünen) sowie weitere 100 Ratsmitglieder, Schriftsteller, Universitätsprofessoren, Medienvertreter, Pfarrer und andere unterstützen den Aufruf der Kölner Initiative "Kein Krieg im Irak". Einige Engagierte hefteten im Verlauf einer Aktion Protestplakate am Amerikahaus an. "Wir fordern in einem ersten Schritt alle Kölner auf, ebenfalls Plakate dort anzubringen, wenn sie gegen einen Irak-Angriff sind", so Elvira Hoegemann, Koordinatorin der Kölner Initiative. Weitere Aktionen werden geplant.
"Wenn Amerika die Zustimmung bekommt, in ein Land einzumarschieren, bloß weil die dortige Regierung nicht amerikafreundlich genug ist, dann wird das Recht des Dschungels installiert, dann folgen noch mehr Kriege", sagte Franz Kersjes, ehemaliger Landesvorsitzender der IG Medien NRW. Bei einem Kriegseinsatz werde auch die finanzielle Bürde für die Bundesrepublik hoch sein. "Der letzte Einsatz gegen den Irak kostete Deutschland 17 Milliarden Mark", so Butterwegge. (...)
Aus: Kölner Stadtanzeiger, 8. 01. 2003

Die Thüringische Landeszeitung brachte am 7. Januar einen längeren Bericht ("Der Tag X wird schon vorbereitet" von Hartmut Kaczmarek) über die Aktivitäten der regionalen Friedensbewegung. Auszüge:

(...) Die Friedensbewegung im Lande wird wieder aktiv. Und Ute Hinkeldein ist mittendrin. Sie ist in Thüringen die Koordinatorin für die Aktionen gegen einen möglichen Irak-Krieg, so wie sie es auch schon bei den Kriegen auf dem Balkan war. Sie telefoniert den ganzen Tag, sie sammelt die Friedensbewegten im Land. Und die evangelische Christin hat dabei Erfolge, um die sie andere Bundesländer beneiden. Sie hat es geschafft, dass in Thüringen Christen, PDS-Mitglieder und Grüne gemeinsam Veranstaltungen bestreiten, wo es andernorts oft getrennte Veranstaltungen zur gleichen Sache gibt. Trotzdem ist es schwer, die Friedensbewegten zu aktivieren.
(...) Warum das so ist? Die Friedensaktivistin kommt ins Grübeln. Wahrscheinlich, so ihre Antwort, ist es noch eine Folge des "Wendeschocks", die Erfahrungen danach, die Enttäuschungen hätten viele sprachlos gemacht. "Sie äußern sich einfach nicht." Und dann sind da auch die Arbeitslosen, denen, so die Erfahrung von Hinkeldein, bei längerer Arbeitslosigkeit einfach ein Stück Selbstbewusstsein abhanden gekommen ist. "Viele kommen zu uns ins Büro, aber sind nicht zu einer öffentlichen Positionierung bereit", beschreibt sie die Situation. Denn aus eigener Erfahrung weiß sie, "es gehört auch ziviler Mut dazu, sich zu äußern und damit vielleicht auch anzuecken".
In der nächsten Woche treffen sich die Thüringer Friedensgruppen. Gemeinsam soll der Tag X vorbereitet werden, der Tag, an dem der offenbar mittlerweile unvermeidbare Irak-Krieg beginnt. Dann will auch die Friedensbewegung in der Öffentlichkeit ihren Protest zeigen. ...
Enttäuscht ist Ute Hinkeldein, wie viele Friedensbewegte, von der Haltung der Bundesregierung. Von dem strikten Nein des Bundeskanzlers zu einem Irak-Krieg im Wahlkampf ist nicht mehr viel übrig geblieben außer der Zusicherung, dass keine deutschen Soldaten an dem Feldzug teilnehmen sollen. Ute Hinkeldein hat, wie viele andere auch, dem Versprechen Schröders geglaubt - und sieht sich jetzt getäuscht. (...)
Aus: Thüringische Landeszeitung, 7. 01. 2003

***

Dass die Aktivitäten der Friedensbewegung auch im neuen Jahr weitergehen, davon zeugt folgender Artikel von Thomas Klein ("Ordensleute wollen mit zivilem Ungehorsam nicht länger warten"). Er erschien am 4. Januar 2003 im "Neuen Deutschland". Wir dokumentieren Auszüge:

Am 17. Januar will die Initiative »Ordensleute für den Frieden« eine Sitzblockade vor der US-Air-Base in Frankfurt (Main) durchführen. Auf den Tag genau ist es dann zwölf Jahre her, dass der erste Golfkrieg begann. Unter dem Motto »Unser Wirtschaftssystem geht über Leichen« veranstaltet die Initiative regelmäßig Mahnwachen vor der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt. Angesichts des drohenden Kriegs gegen den Irak ist der Gruppe nun die Verknüpfung politischer und wirtschaftlicher Interessen mit dem Aspekt weltweiter Militäreinsätze und Kriege ein zentrales Anliegen. Angesichts der Nähe zur Rhein-Main Air-Base, die nach Angaben des US-Militärs bei Kriegseinsätzen im Nahen und Mittleren Osten eine Schlüsselstellung für die Transportgeschwader innehat, müssen die Ordensleute keinen weiten Weg zurücklegen, um diese Verknüpfung anschaulich zu machen.

Unzufrieden damit, dass zahlreiche Gruppen der Friedensbewegung zu massenhaften Protestkundgebungen erst nach Beginn des Krieges aufrufen, zeigt sich Gregor Böckermann. »Ich verstehe nicht, wenn viele Gruppen dazu aufrufen, erst an dem Tag, wenn der Krieg losgeht, auf die Straße zu gehen«, sagt der Sprecher der Initiative. »Es ist zwar richtig zu sagen, wir wollen nicht unvorbereitet sein und rufen daher für diesen Tag und das darauf folgende Wochenende zu Protestkundgebungen auf. Aber sehenden Auges wochenlang damit zu werben, erst wenn es losgegangen ist, massenhaft gegen den Krieg zu protestieren – das versetzt mich regelrecht in Rage.«

Deshalb sei man mit anderen lokalen Gruppen übereingekommen, jetzt zu handeln. Wie sehr die Position, mit Aktionen des zivilen Ungehorsams nicht länger zu warten, ihre Berechtigung habe, zeige sich schnell mit Blick auf die Vorgänge auf der Air-Base. Zwar werde vom US-Militär augenblicklich nicht ausdrücklich gesagt, dass die Verlegung von Truppen und Material über die in Deutschland gelegenen US-Luftwaffenstützpunkte mit dem von der Bush-Regierung geplanten Krieg gegen den Irak zusammenhänge. Aber den offiziellen Stellungnahmen sei dies deutlich zu entnehmen. Bereits im Oktober hatte der Oberbefehlshaber der NATO in Europa, Joseph Ralston, bei einem Besuch in Stuttgart erklärt: Wie beim Golfkrieg 1991 würden auch diesmal wieder US-Einrichtungen beim Kampf gegen den Terror und »gegen Schurkenstaaten wie den Irak«, eine zentrale Rolle spielen. Ralston nannte ausdrücklich die US-Kommandozentrale für Europa, Afrika und den Nahen Osten in Stuttgart, das Hauptquartier für die Landstreitkräfte außerhalb der USA in Heidelberg und die beiden US-Luftwaffenbasen in Hessen und Rheinland-Pfalz, Rhein-Main und Ramstein.
(...)
Die im Darmstädter Signal organisierten aktiven und ehemaligen Bundeswehroffiziere haben sich mit Nachdruck bei der Bundesregierung für ein deutsches Nein zu einer militärischen Intervention im UN-Sicherheitsrat stark gemacht. Über die jüngsten Erklärungen des Bundesaußenministers, eine Zustimmung sei durchaus möglich, sei man »entsetzt«. Die Folgen eines Waffengangs im Irak seien unkalkulierbar, Opfer des Kriegs würde vor allem die irakische Zivilbevölkerung sein. An einem völker- und grundgesetzwidrigen Einsatz dürften sich deutsche Soldaten keinesfalls, auch nicht indirekt, beteiligen, erklärten die Sprecher des Darmstädter Signals am Freitag. Unterdessen haben Aktivisten der katholischen Friedensorganisation Pax Christi eine weitere Strafanzeige gegen Mitglieder der Bundesregierung wegen der Vorbereitung eines Angriffskrieges erstattet.

Aus: Neues Deutschland, 4. Januar 2003


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