Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Wir lehnen den Krieg ab und Deutschland wird sich daran nicht beteiligen."

Beschluss des Parteirates von Bündnis 90/Die Grünen zur Irak-Krise

Im Folgenden dokumentieren wir einen Beschluss des Parteirats von Bündnis 90/Die Grünen zur Irak-Krise

In der aktuellen Irak-Krise stehen wir und steht die Völker- und Staatengemeinschaft vor wichtigen Entscheidungen. Wenn die UN-Waffeninspekteure in zwei Wochen ihren Bericht abgeben, wird der Sicherheitsrat der UN über den weiteren Kurs zu beraten haben. Deutschland als nichtständigem Mitglied des Sicherheitsrates, das im Februar dort auch den Vorsitz haben wird, kommt dabei eine außerordentlich hohe Verantwortung zu.

Die Menschen in unserem Land wollen keinen Krieg, sondern eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts. Seit dem Bundestagswahlkampf haben wir Grüne wie die Sozialdemokraten versprochen, unsere ganze Kraft für eine friedliche Lösung einzusetzen, um ohne den Einsatz militärischer Gewalt eine Entwaffnung des Irak im Bereich der Massenvernichtungswaffen zu erreichen.

Ein neuer Irak-Krieg wäre falsch und hätte verheerende Folgen. Wir Grünen haben wie die Sozialdemokraten zugesagt, dass wir einen solchen Krieg, wenn er doch stattfinden sollte, nicht unterstützen. Wir werden uns nicht daran beteiligen. Ein neuer Irakkrieg würde nicht nur die internationale Koalition gegen den Terrorismus sprengen. Er würde auch die ohnehin außerordentlich gefährliche Situation im Nahen Osten weiter destabilisieren. Schon gar nicht rechtfertigt das Interesse an Ressour-cen einen solchen Krieg. Diese Grundposition unserer Politik in der Irak-Krise ist in der Sache seit langem gut begründet. Sie gilt unverändert auch in Zukunft.

Die Führung der CDU/CSU dagegen, welche die Anti-Kriegs-Position von Rot-Grün massiv angreift, redet die Kriegsrisiken klein und praktiziert faktisch den Schulterschluss mit dem Kurs der Bush-Administration.

Unter dem Eindruck der Bilder und Informationen über die Vorbereitungen vor allem der USA auf einen möglichen Krieg wird suggeriert, der Irak-Krieg sei unausweichlich. Dem widersprechen wir. Es ist möglich und nötig, eine friedliche Lösung zu erreichen. Wir setzen uns mit allen unseren Mitteln für diese ein. Wir rufen dazu auf, sich öffentlich dafür zu engagieren.

Eine friedliche Lösung der Irak-Krise hat die völlige Entwaffnung des Irak im Bereich der Massenvernichtungswaffen zum Ziel. Dafür hat der UN-Sicherheitsrat mit seiner einstimmig verabschiedeten Resolution 1441 den Rahmen gesetzt.

Die UN-Waffeninspekteure haben bei ihrer Arbeit bisher keine Beweise für das Vorhandensein von irakischen Massenvernichtungswaffen gefunden. Zwar hat der irakische Bericht, der den UN übergeben wurde, viele Fragen ungenügend beantwortet. Aber die irakische Kooperation mit den UN-Waffeninspekteure vor Ort ist ein positives Faktum.

UN-Generalsekretär Annan hat die Auffassung geäußert, dass die Waffeninspekteure ihre Arbeit fortsetzen sollten. Dies unterstützen wir. Wir fordern auch alle anderen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auf, dies zu tun. Wir erwarten vom Irak, uneingeschränkt und ohne Zweideutigkeiten die noch offenen Fragen zu beantworten. Zur vollständigen Information gehört es, die Geheimdienstinformationen zur Verfügung zu stellen, die für möglichst wirksame Inspektionen benötigt werden. Es ist nicht akzeptabel, dass Teile der US-Regierung die Inspektionen für wenig wirksam erklären und für militärisches Vorgehen trommeln, aber die angeblich beweiskräftigen Geheimdienstinformationen den Inspekteuren nur höchst selektiv zur Verfügung stellen oder zurückhalten.

Das Mandat für die Inspektionen ist nicht befristet. Der UN-Sicherheitsrat muss weiterhin Herr des Verfahrens bleiben. Es darf keinen Automatismus durch den Militäraufmarsch geben. Einen Grund für ein militärisches Vorgehen gegen den Irak hat die ausgezeichnete Arbeit der Inspekteure nicht geliefert. Im Gegenteil - schon lange dürfte der Irak nicht so gut unter Kontrolle gewesen sein, wie während der jetzigen Inspektionen. Ein Krieg würde nicht mehr, sondern weniger Sicherheit bedeuten.

Es ist unsere Grundsatzposition, dass Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrates autorisiert werden müssen. Aber unsere Politik zielt darauf, dass der Sicherheitsrat sich verständigt, die Krise ohne militärische Gewalt zu lösen.

Die klare Ablehnung eines möglichen Irak-Krieges durch die Bundesregierung hat europa- und weltweit viel Anerkennung gefunden. Die internationale Opposition gegen einen Irak-Krieg ist in den letzten Wochen deutlich stärker geworden. In unseren europäischen Partnerländern überwiegt in Meinungsumfragen wie bei uns die Ablehnung des Krieges. Auch in der US-amerikanischen Öffentlichkeit gibt es keine Mehrheit für einen bedingungslosen Kriegskurs wie ihn manche Falken in der Bush-Administration verfolgen. Das "andere" Amerika, das sich gegen diesen Krieg wendet, hat angefangen sich zu formieren. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die große Demonstration gegen den Krieg, die am 18. Januar 2003 in Washington, D.C. stattfinden wird.

In den vor uns liegenden Wochen sind auch in unserem Land sichtbare Friedensaktivitäten wichtig, in denen sich der gesellschaftliche Wille zu einer friedlichen Lösung ausdrückt. Bündnis 90/Die Grünen initiieren, unterstützen und begrüßen solche Aktivitäten. Gerade jetzt, wo der friedliche Weg noch möglich ist, werben wir dafür.

Wir wollen die grundlegende Freundschaft mit den USA erhalten, auch wenn wir in dieser Irak-Krise anderer Auffassung sind als die US-Regierung. Die Bundesrepublik wird zu den Verpflichtungen stehen, die sich aus dem Bündnis und dem Völkerrecht ergeben, aber nicht von ihrem Nein zum Krieg abrücken. Wir wollen die Koalition gegen den internationalen Terrorismus stärken, statt sie durch einen Krieg gegen Saddam Hussein zu gefährden. Wir wenden uns entschieden gegen diejenigen, die die klare Absage der Bundesregierung an einen Irak-Krieg klein reden, um das für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren.

Wir lehnen den Krieg ab und Deutschland wird sich daran nicht beteiligen. Ziel unserer Politik ist die Umsetzung der Resolution 1441 ohne den Einsatz militärischer Gewalt. Das wird auch die Haltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat bestimmen. Dabei haben unser Außenminister Joschka Fischer und die gesamte Bundesregie-rung unsere volle Rückendeckung.

Einstimmiger Beschluss bei 13 Anwesenden.
13.01.03



Zurück zur Seite "Stimmen gegen den Krieg"

Zurück zur Homepage