Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Der Rahmenvertrag im Wortlaut

"Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr" - Rahmenvertrag

I.

Grundlagen und Ziele

1.

Mit diesem Rahmenvertrag verfolgen die Unterzeichner folgende Ziele:

-

Die Fähigkeit der deutschen Industrie zur Innovation nutzen und daraus abgeleitet die Möglichkeiten der Bundeswehr zur Investition steigern.

-

Die Investitionskraft von Wirtschaft und Streitkräften stärken und verstetigen.

-

Die Wirtschaftlichkeit der Betriebs- und Beschaffungsabläufe beim öffentlichen Auftraggeber und in den Unternehmen verbessern.

-

Die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu Gunsten neuer Investitionsfreiräume steigern.

Dazu werden Organisation, Betrieb und Verfahren der Bundeswehr strikt an den Kriterien Wirtschaftlichkeit und Effizienz orientiert. Damit wird zugleich ein Beitrag geleistet zum Ziel der Bundesregierung, den "Modernen Staat" zu verwirklichen.

2.

Die deutsche Industrie besitzt weltweit anerkannte technologische Kapazitäten und Managementfähigkeiten. Sie gilt es, in einer Phase der europäischen Restrukturierung und der Globalisierung der Wirtschaft auch durch Unterstützung der Investitionsfähigkeit der Bundeswehr zu erhalten. Dies stärkt die Innovationskraft der Unternehmen, verbessert ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit und sichert Arbeitsplätze sowie industrielle Kernkompetenz.

3.

Angesichts der Aufgaben der Bundeswehr, die in einem veränderten sicherheitspolitischen Umfeld aus Landes- und Bündnisverteidigung, Krisenprävention, Krisenreaktion und Krisenbewältigung bestehen, wird die Ausrüstung der Bundeswehr, nach einem mehrjährigen Investitionsrückstau, grundlegend modernisiert.

4.

Deshalb vereinbaren die Unterzeichner eine strategische Partnerschaft, um die drängenden Herausforderungen zu bestehen. Die Beteiligten gestalten diese strategische Partnerschaft als lebendigen Prozeß und werden die Zusammenarbeit fortwährend optimieren. Diese Partnerschaft ist offen für den Beitritt weiterer Partner, die aktiv daran mitwirken wollen, die Ziele dieses Rahmenvertrages zu verwirklichen.

5.

Der Bundesminister der Verteidigung gestaltet die Realisierung für die Mitarbeiter seines Geschäftsbereiches sozialverträglich; betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen.

II.

Maßnahmen

6.

Der Bundesminister der Verteidigung reformiert die Verfahren und Bestimmungen zur Entwicklung und Beschaffung von Material und Ausrüstung für die Bundeswehr, um

-

die Entwicklungs- und Beschaffungszeiten zu verkürzen,

-

handelsübliches Material, soweit wie möglich, nach marktüblichen Regeln zu beschaffen,

-

die Finanzierungs- und Zahlungsmodalitäten an denen des zivilen Marktes zu orientieren,

-

die Eigenverantwortung der ausführenden Unternehmen durch funktionale Leistungsbeschreibung zu stärken, begleitet von einem amtsseitigen Controlling.

7.

Der Bundesminister der Verteidigung richtet eine privatwirtschaftlich organisierte "Agentur für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb" ein mit dem Ziel, bei
Bedarfsdeckung und Betrieb der Bundeswehr ein systematisch und institutionell gesichertes Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Die Agentur wird das Bundesministerium der Verteidigung beratend und bewertend bei der Auswahl und der Ausgestaltung der Beschaffungs-, Betriebs-, Finanzierungs- und Zahlungsmodalitäten unterstützen und unter den jeweiligen Realisierungsformen und -modalitäten die wirtschaftlichste Lösung identifizieren und zur Umsetzung vorschlagen.

8.

Die Agentur kann Gesellschaften gründen, über deren Rechtsform, Beteiligungsverhältnisse und Finanzierungsinstrumente aufgabenorientiert entschieden wird und in die der Bundesminister der Verteidigung, aufgabenorientiert, Anlage- und Sachvermögen einbringt. Projektabhängig entscheiden die Gesellschaften sowohl über die Anwendung in der Wirtschaft bewährter Finanzierungsinstrumente als auch über die wirtschaftlichste Form der Kooperation, wie z.B. Betreibergesellschaft, Agenturlösung oder joint venture.

9.

Die Beteiligten vereinbaren im Interesse größtmöglicher betrieblicher Effizienz, die Bundeswehr von aufgaben zu entlasten, die nicht zu den militärischen Kernfähigkeiten gehören und die durch moderne Formen der Kooperation und Finanzierung wirtschaftlicher erledigt werden können.
Zu diesem Zweck vereinbaren die Unterzeichnenden zunächst die nachfolgend genannten Pilotprojekte, deren weitere Konkretisierung in Einzelverträgen erfolgen wird:

9.1

Bewirtschaften des Materials in den bundeseigenen Lagern und Sonderverwahrlagern des Bundes auf der Grundlage moderner Datenverarbeitung. Ziel ist eine effiziente Materialbewirtschaftung bei größtmöglicher Kostentransparenz.

9.2

Schaffen eines "Verkehrs- und Transportverbundes Bundeswehr" auf der Grundlage moderner Datenverarbeitung. Das Pilotprojekt wird im Zuständigkeitsbereich der Logistikbrigade 1 (Lingen/Ems) durchgeführt. Ziel ist, die vorhandenen zivilen und militärischen Transportkapazitäten effizient zu nutzen.

9.3

Betrieb von administrativen Rechenzentren der Bundeswehr. Ziel ist, die Dienstleistungen dieser Rechenzentren für die Bundeswehr zu sichern, aber auch Dritten zur Verfügung zu stellen.

9.4

Schaffen eines allgemeinen flächendeckenden und leistungsstarken Kommunikations- und Datennetzes (Festnetz einschließlich Mobilfunkanteil) unter Nutzung von in der Industrie bzw. in der Wirtschaftlichkeit vorhandener Fähigkeiten und Kapazitäten.
Als Teil dieser Maßnahme wird die volle Interoperabilität der im Kosovo eingesetzten Fernmeldesysteme unter Ergänzung durch moderne Mobilfunktechnik hergestellt.
Ebenso wird in einem ersten Schritt die Vernetzung der einzelnen Liegenschaften der Marine verwirklicht.
Ziel ist, die Bundeswehr einschließlich Bundeswehrverwaltung mit moderner Kommunikationstechnologie in Friedensbetrieb und internationalem Einsatz auszustatten.

9.5

Einrichten von Kompetenzzentren "Informationstechnologie" mit folgenden Aufgaben:

-

Ausbilden von Ausbildern;

-

Ausbilden von Soldaten und zivilem Personal;

-

Qualifizieren von ausgebildetem Personal für Anschlußverwendungen in der Privatwirtschaft

Ziel ist, den Bedarf der Bundeswehr und der deutschen Industrie an qualifiziertem IT-Personal zu decken.

9.6

Betrieb des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) Colbitz-Letzlinger Heide (nördlich von Magdeburg / Sachsen-Anhalt). Ziel ist, den Streitkräften eine kostengünstige Nutzung des GÜZ im Rahmen eines Betreibermodells zu ermöglichen und zugleich die Betriebskosten zu minimieren.

9.7

Durchführen der regionalen Friedensversorgung im Wehrbereich II (Hannover) in einem Betreibermodell und versorgen des Unterstützungsbereichs je einer Logistikbrigade mit Endverbrauchsgütern und Munition in Kooperation mit privaten Unternehmen. Ziel ist, den Bedarf an Einzelversorgungsgütern und Munition im Bereich je einer Logistikbrigade des Heeres effizient und wirtschaftlich zu decken.

9.8

Flottenmanagement für:

-

Personenkraftwagen und Busse in einem Wehrbereich (Wehrbereich II),

-

Lastkraftwagen in einem Wehrbereich (Wehrbereich II),

-

Ausbildungsfahrzeuge der Panzertruppenschule in Munster.

Ziel ist, die vorhandenen Transportkapazitäten effizient zu nutzen und Überbestände abzubauen oder für Dritte nutzbar zu machen.

9.9

Betrieb von Ausbildungseinrichtungen der Luftwaffe mit dem Schwerpunkt bei der

-

Technischen Ausbildung Eurofighter (EF 2000),

-

Grundschulung Eurofighter (EF 2000),

-

Simulatorgestützten Ausbildung für Eurofighter (EF 2000) und NATO-Transporthubschrauber (NH 90).

Ziel ist, durch einen gemeinsamen Ausbildungsbetrieb mit der Industrie, die Kosten für die Ausbildung bei Amtsseite und Industrie zu senken.

9.10

Anwenden ziviler Verfahren auf den Betrieb der Luftwaffe am Beispiel der Verkürzung der "turn-around-Zeiten" in der Instandsetzung an Standorten der Industrie. Ziel ist, im Betrieb der Luftwaffe Kosten zu sparen und Stillstandszeiten zu verkürzen.

9.11

Betrieb eines "Lenksimulators Hohlstablenkboot Kl. 352" der Marine. Ziel ist, die Besatzungen mit Hilfe modernster Technologie kostengünstig auszubilden.

9.12

Logistische Vollunterstützung der Radargeräte APAR und SMART-L für die Fregatte 124. Ziel ist, die Marine von logistischen Unterstützungsleistungen zu entlasten, die privatwirtschaftlich kostengünstiger erbracht werden können.

9.13

Vollbetreuung der U-Boot-Flottille. Ziel ist, durch industriell erbrachte Leistungen im Rahmen von Instandsetzung, Training, Dokumentation und Versorgung mit Ersatzteilen die Marine von Aufgaben zu entlasten, die nicht zu den militärischen Kernaufgaben gehören.

9.14

Reorganisieren des Managements von Liegenschaften in den Wehrbereichsverwaltungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Beteiligung von Eigentümern, Nutzern, Betreibern und Bauverwaltung und unter Nutzung des Sachverstandes von Facility Management-Unternehmen. Das wird gegebenenfalls im Rahmen eines Portfolio-Managements sowie durch die Bildung einer Betreibergesellschaft gemeinsam mit leistungsfähigen Firmen erfolgen.
Ziel ist, die Verwaltung von Gebäude- und Grundstücksmanagement zu entlasten, sofern die Liegenschaften nicht unmittelbar der Einsatzunterstützung dienen.

 
III.

Verpflichtungen

 

10.

Die Beteiligten verpflichten sich, alle notwendigen Änderungen und Maßnahmen - wie unter den Ziffern 11 und 12 im einzelnen dargestellt - vorzunehmen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen.

11.

Der Bundesminister der Verteidigung verpflichtet sich, die notwendigen Voraussetzungen für die angestrebten Reformen herzustellen und so zu ermöglichen, daß vereinbarte Projekte in industrieller Verantwortung oder in amtlich industrieller Kooperation ausgeführt werden können.

12.

Die unterzeichnenden Unternehmen verpflichten sich,

-

an der Verwirklichung dieser Neuorientierung der Bundeswehr, der damit beabsichtigten Konzentration auf ihre Kernaufgaben und der Effizienzsteigerung ihrer Betriebs- und Beschaffungsprozesse aktiv und gestaltend mitzuwirken;

-

im Interesse der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr die erforderlichen Unterstützungsleistungen zu übernehmen.

 
 

Stand:25. April 2000


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