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Zitate der Woche (13 bis 19)

Februar bis Mai 2001

Zitat Nr. 19: 8. Mai 2001

Arthur Schopenhauer zur Debatte um den Nationalstolz:

Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein.

Arthur Schopenhauer (1788-1860), deutscher Philosoph, vertrat in seiner Philosophie einen irrationalistischen Subjektivismus und gehörte mit seinen pessimistischen Anschauungen nicht gerade zur fortschrittlichen Fraktion des deutschen Idealismus. Aber wo er Recht hat, hat er nun mal Recht. Sein Hauptwerk hieß: "Die Welt als Wille und Vorstellung" (1819).




Zitat Nr. 18: 22. April 2001

Francis Bebey

Diesmal - nach der etwas archaisch-blutrünstigen Friedenssehnsucht von Aristophanes (Zitat Nr. 17) - der letzte Teil eines längeren Gedichts des Kameruner Schrifstellers, Musikers und UNESCO-Mitarbeiters Francis Bebey (Dank an Elke für den Hinweis!)

Francis Bebey: Zum beginnenden Frühling

...
Träume erbauen auf der Geduld
so vieler Tage, so vieler Monde, von Träumen sprechen wie vom Fliegen im Nichts,
träumen,dass die Beine in Wolken thronen,
und der Kopf die Tiefe des Himmels berührt,
rückwärts schreiten im Krebsgang von weither,
schlicht sich bekennen mit Worten,
die ungereimt klingen
von Grün zu Grün und zu Indigo hin
am äußersten Rand,
Luftschlösser bauen,
wenn wir den zarten Abend erwarten, wenn wir warten
wie auf ein sanftes Grün, einen sanften Sommer
in harter Zeit, hart wie die Mühsal,
ein bisschen Grün, nur ein bisschen Hoffen,
lockend wie eine verbotene Frucht, so überreif
reif.

Die Erde dürstet nach Liebe und duftendem Lachen.




Zitat Nr. 17: 14. April 2001

Aristophanes

Der griechische Komödiendichter Aristophanes (445 bis 385 v.u.Z.) gilt als Vollender der alten attischen Komödie. Leider sind nur elf seiner insgesamt 44 Werke erhalten geblieben - die aber haben es in sich. Die meisten der erhaltenen Dramen stammen aus der Zeit des Peleponnesischen Krieges. Obwohl die Stücke einen starken Zeitbezug hatten und viele Anspielungen auf damals aktuelle Ereignisse und Personen der Politik und Philosophie enthalten, sind sie auch 2.400 Jahre nach ihrer Entstehung noch auf den Bühnen der Welt zu finden. Unvergleichlich seine genialen Wortschöpfungen, seine drastische Sprache (wovon der nachfolgende Text zeugt) und sein derber Witz! Die bekanntesten Stücke: Der Friede, Die Vögel, Lysistrate, Die Wolken, Die Frösche.

Aristophanes: Der Frieden

Wer mächtig heut in den gedrehten Strick greift,
Dem wird der Krieg einst keinen Strick mehr drehen;
In Frieden wird er leben, eine weiche
Freundin am Hals, im Herd die Scheiter wendend.
Wer aber will, es sei und bleibe Krieg,
Dionysos, den spick mir ganz und über
Mit ehernen Lanzenspitzen, dass er Rost schwitzt.
Und wer, ein Feldwebel und Leuteschinder,
Sich Mann nur fühlt, wenn Männer er entmannt,
Soll Pfeile fressen, bis er Schäfte scheißt.
Und wer, als Feldherr, große, müde Heere
So gern bewegt, sei, auf dem Rücken liegend,
Von Heeren überquert, zahllosen Stiefeln,
Die ins Gekrös ihn treten und Gemächt.
Wer aber, Gold aus Eisen sich zu schlagen,
Ein Brot-aus-Blut-Bäcker, ein von Hunger Satter,
Sei Harnischschmied er oder Armbrusthändler,
Des Mordens Fortführung anrät aus Fressgier:
Der soll in diesem hohlen Brunnenloch
Mit keiner Nahrung als für zwei, drei Tage,
Dem Kern der Erde nah, langsam verschmachten,
Das letzte Fett wegschmorend, das letzte Wasser
Ausatmend, bang der Wolken Flug ansehn
In fernen Himmels rötlichem Oval
Und ohne Tröstung vor sich hinkrepieren
Zum haarigen Skelett, zur Sündenmumie,
Mählich bedeckt vom Kot der schwirrenden Vögel.

Übertragung von Peter Hacks




Zitat Nr. 16: 27. März 2001

Noch einmal Subcomandante Marcos (siehe auch Zitat Nr. 14)

Vom 25. Februar bis zum 11. März marschierten Angehörige der Guerillaorganisation EZLN (Zapatistisches Heer der Nationalen Befreiung) in Vertretung der Ureinwohner des mexikanischen Bundesstaates Chiapas von San Cristóbal de las Casas nach Mexiko-Stadt, wo sie von 200 000 Menschen auf dem Zócalo-Platz begeistert empfangen wurden. Bei dieser Mobilisierung handelte es sich um eines der bedeutendsten Ereignisse der politischen Solidarität und der Massenbewegung des mexikanischen Volks in den letzten Jahrzehnten. Der Marsch des EZLN war in gewisser Weise eine Wiederholung der Mobilisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Pancho Villa und Emiliano Zapata in die mexikanische Hauptstadt eingezogen waren.
Unter Rufen wie "Viva Marcos" standen Tausende an den Straßen der zwölf Staaten Mexikos, während der legendäre Indígenaführer Marcos flammende Reden zur Realität des Bundesstaats Chiapas hielt. Im Folgenden bringen wir einen kleinen Ausschnitt aus einer seiner Ansprachen:


"Unser Marsch steht für die Würde der Indígenas! Heute bedeutet die Würde, mit unseren Händen die Flagge zu erringen. Bisher gibt es auf ihr keinen Platz für uns, die wir die Farbe der Erde als Hautfarbe haben. Bis jetzt haben wir darauf warten müssen, dass jene, die hinter dieser Fahne sich verstecken, akzeptieren, dass auch unsere Geschichte diese Flagge wehen lässt. Wir Ureinwohner Mexikos sind Indígenas und Mexikaner. Aber der Herr, der viel redet und wenig zuhört, der, der uns regiert, bietet nur Lügen für uns und keine Flagge! ... Die Mächtigen besitzen die Regierung, aber ihre Könige sind falsch. Ihre Zunge ist gespalten, und es gibt keine Wahrheit in dem, was sie sagen. Wir marschieren heute, damit diese mexikanische Fahne akzeptiert, dass sie auch unsere ist, und uns wird nur Elend angeboten. Wir marschieren heute für eine gute Regierung, und man sät Zwietracht. Wir marschieren heute für Gerechtigkeit, und man gibt uns Almosen. Wir marschieren heute für die Freiheit, und man bietet uns Schuldensklaverei an."




Zitat Nr. 15: 16. März 2001

Georg Christoph Lichtenberg*:
"Über einer Pulvertonne schlafen" und über die "anhaltende Hornviehseuche"
(Danke, Klaus, für den Tipp!)

In einem Lande N.N. müssen bei einem Kriege der Regent so wohl als seine Räte, solange der Krieg währt, über einer Pulvertonne schlafen, und zwar in besonderen Zimmern des Schlosses, wo jedermann frei hineinsehn kann um zu beurteilen, ob das Nachtlicht auch jedesmal brennt. Die Tonne ist nicht allein mit dem Siegel der Volksdeputierten versiegelt, sondern auch mit Riemen an dem Fußboden befestigt, die wieder gehörig versiegelt sind. Alle Abend und alle Morgen werden die Siegel untersucht. Man sagt, dass seit der Zeit die Kriege in jenen Gegenden ganz aufgehört hätten.

Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbrevier, herausgegeben von Gisbert Haefs, Haffmanns Verlag, Zürich 1988

Und daraus noch als aktuelle Zugabe:
Erklärung der anhaltenden Hornviehseuche. Apoll hat den Ochsen ein Problem aufgegeben, das sie nicht lösen können.

* Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799, Physiker und Schriftsteller. Studierte Mathematik, Astronomie und Naturgeschichte in Göttingen. Wurde 1770 Professor für Mathematik. Sein Nachruhm gründet u.a. auf seinen satirischen und scharfzüngigen (und ebenso scharfsinnigen) Aphorismen, in denen er mit religiöser Intoleranz, feudalen Vorrechten, gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, adliger Borniertheit und spießbürgerlich-deutscher Kleingeisterei ins Gericht ging. Ein brillianter Aufklärer eben!




Zitat Nr. 14: 3. März 2001

Subcomandante Marcos
"Jemand hat behauptet, gegen die Globalisierung anzugehen sei das gleiche, wie gegen die Schwerkraft anzugehen. Wenn das so ist, dann meine ich eben: Nieder mit dem Gesetz der Schwerkraft!"
Subcomandante Insurgente Marcos, zit. n. Manuel Vásquez Montalbán: Marcos. Herr der Spiegel, Berlin 2000, S. 30




Zitat Nr. 13: 23. Februar 2001

Fischer, bombenfest
Aus einem Kommentar (Kürzel: pra) der Süddeutschen Zeitung (22.02.2001) zur Amerika-Reise des deutschen Außenministers Fischer:

"Der Bundesaußenminister hat eine neue diplomatische Waffe installiert: Die Schere in seinem Kopf. Sie klappt so schnell auf und zu, dass kritische Gedanken über US-amerikanische Politik schon im Ansatz weggeschnitten werden. Deshalb fällt Joschka Fischer zum Bombardement im Irak nichts anderes ein als der Satz: Wahre Freundschaft soll nicht wanken. Fischer ignoriert, der deutsch-amerikanischen Freundschaft wegen, die völkerrechtliche Problematik der Luftangriffe auf den Irak so souverän, wie dies die Amerikaner und die Briten tun. Kurz gesagt: Die Beziehungen zwischen Fischer und der US-Regierung sind bombenfest."




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