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Rohstoffimperialismus – auch mit Hilfe der Bundeswehr

Interview mit Jan Pehrke, Vorstandsmitglied des BAYER-kritischen Netzwerkes CBG


FriedensJournal (FJ): Rohöl ist nicht nur der Treibstoff für den Straßen- und Flugverkehr. Was bedeutet eigentlich "Peak Oil" für die chemische Industrie?

Pehrke: Erdöl stellt für die Chemie-Industrie die mit Abstand wichtigste Rohstoff-Quelle dar. Über drei Prozent der Jahresproduktion geht an BAYER & Co. Allein die bundesdeutschen Multis brauchen pro Jahr 14 Millionen Tonnen des Stoffes, dessen weltweite Reserven bereits zu ca. 40 Prozent ausgeschöpft sind.
BAYER konkret kann seinen Bedarf nach konzern-internen Prognosen noch ca. 20 Jahre decken, danach dürfte es knapp werden. Deshalb plädiert das Unternehmen auch schon einmal fürs Umverteilen und fordert, einen größeren Anteil des Rohöls für die chemische Industrie zu verwenden statt es - etwa in Heizungen - einfach zu verfeuern.

Zudem führt die Abhängigkeit von dem Öl bereits jetzt zu Kräfte-Verschiebungen auf dem Weltmarkt. Die Förderländer haben nämlich ihre Einnahmen genutzt, um eigene Industrien mit einem privilegierten Zugriff auf die Öl-Hähne aufzubauen und so die Wertschöpfungskette zu verlängern. Besonders die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige INTERNATIONAL PETROLEUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) und die saudisch-arabische SABIC entwickeln sich mehr und mehr zu einem Ernst zu nehmenden Konkurrenten für die westlichen Unternehmen.

FJ: Auf welchen Wegen versuchen Großkonzerne wie BAYER Ihre Interessen politisch durchzusetzen?

Die Unternehmen machen das hauptsächlich durch ihre Interessensverbände wie den „Bundesverband der deutschen Industrie“. Dieser setzte das Thema bereits im Jahr 2005 auf die Agenda und veranstaltete einen Rohstoff-Kongress, der seither alle zwei Jahre stattfindet. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Zusammenkünfte mit Militärs und Politikern im Rahmen des so genannten „Celler Trialogs“. Auch beim letzten Weltwirtschaftgipfel in Davos gab es ein Treffen zwischen Guttenberg und Managern zur Rohstoff-Frage, und bei der Münchner Sicherheitskonferenz war der BDI ebenfalls mit von der Partie und lud zu der Veranstaltung „Risiko Rohstoff-Versorgung“ ein.

FJ: Welchen Einfluss hat dieses auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik?

Die Konzerne finden ein offenes Ohr bei den Politikern. Auf den Rohstoff-Kongressen des BDI waren z. B. immer die jeweiligen Bundeskanzler zu Gast. Und sie hören nicht nur zu. So hat Verteidigungsminister Guttenberg in einem Zeitungsinterview bereits eine Neugestaltung der deutschen Sicherheitspolitik gefordert, weil die Sicherheit des Landes maßgeblich von einer sicheren Versorgung mit Energie-Rohstoffen abhänge und sich da in letzter Zeit zu viele Unsicherheitsfaktoren aufgetan hätten. Darüber hinaus hat die Bundesregierung den „Arbeitskreis Rohstoffe“ eingerichtet, an dem der BDI regelmäßig teilnimmt, und sich auch schon im Koalitionsvertrag den Versorgungszielen von BAYER & Co. verpflichtet.

FJ: Werden dabei auch Szenarien mit kriegerischen Auseinandersetzungen zur Grundlage strategischer Überlegungen und Planungen?

Bereits die „verteidigungspolitischen Richtlinien“ von 1992 verpflichteten sich auf die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen auf aller Welt. Das 2006 erschienene Bundeswehr-Weißbuch macht die Gewährleistung der Sicherheit der Energie-Infrastruktur gleichfalls zur Aufgabe der Truppe. Und auch die 1991 in Rom verabschiedete NATO-Strategie sieht bei einer Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen einen Einsatz vor. Das in Arbeit befindliche neue Konzept des Militärbündnisses dürfte der Rohstoff-Frage noch mehr Aufmerksamkeit widmen.

Und 2007 hat der heutige Innenminister Thomas de Maizière 2007 in seiner damaligen Funktion als Kanzleramtsminister bei SicherheitsexpertInnen und WirtschaftsmanagerInnen das Zukunftsszenario „Energiesicherheit 2050“ bestellt. In einem seiner Planspiele geht es beispielsweise von drohenden Auseinandersetzungen mit China und Russland aus.

Im Blickfeld: Coordination gegen BAYER-Gefahren

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) ist ein 1983 gegründeter Verein, der sich für Umweltschutz und soziale Anliegen einsetzt. Erklärtes Ziel der CGB ist, auf Risiken der chemischen Großproduktion aufmerksam zu machen, Gefahrenpotentiale aufzuzeigen und Alternativen zu entwickeln. Insbesondere richten sich die Kampagnen der CBG gegen den Bayer-Konzern.
In der CBG arbeiten ehrenamtlich Menschen aus der ganzen BRD mit Kooperations-PartnerInnen in über 40 Ländern zusammen.
Die CBG ist eingetragener Verein seit 1983 und Mitglied beim BBU (Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz), im Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und bei Attac. Der Verein hat derzeit rund 1000 Mitglieder und Förderer. 1986 war die CBG an der Gründung des Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beteiligt, und sie ist seit 1982 auf den jährlichen Aktionärsversammlungen der Bayer AG vertreten, wo sie wiederholt die "Profitgier" des Konzerns kritisierte.
Zu zahlreichen Projekten des Konzerns wurden immer wieder Gegenanträge in den Generalversammlungen eingebracht.

Quelle: Wikipedia



FJ: Bei welchen militärischen Interventionen unter Beteiligung der Bundeswehr gab und gibt es bereits eine direkte Umsetzung eines solchen Rohstoffimperialismus?

Die EU-Mission EUFOR im Kongo 2006 verfolgte mitnichten das offiziell angegebene Ziel, den regulären Ablauf der Präsidenten-Wahl zu garantieren. Es ging vielmehr darum, China und den USA beim Run auf Coltan, Kupfer und Kobalt zuvorzukommen. Nur sagen durfte man dies nicht, wie der damalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Walter Stützle in einem Phoenix-Interview bedauert hat. Im Kongo sei das Problem, dass der Öffentlichkeit von der Bundeskanzlerin nicht gesagt worden ist, worum es eigentlich geht, sagte er da.

Gegenwärtig ist die Bundeswehr im Osten des Kongo, am Horn von Afrika, aktiv. Im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“ (OEF) schützt sie dort unter anderem die vom Persischen Golf durch den Suezkanal nach Europa verlaufende Öl-Route vor Piraten. Und auch am Hindukusch wird die Ressourcen-Sicherheit der Konzerne verteidigt. Das Thema „Afghanistan“ müsse man ebenfalls im energiepolitischen Kontext sehen, sagte Guttenberg nämlich beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Der Menschenrechtskontext ist dagegen für ihn nur etwas für die Galerie. Der Taz hat er einmal anvertraut, dass die Regierung diesen Grund lediglich nachgeschoben hätte, um in schwierigen Momenten die Anerkennung der Bevölkerung zu bekommen. Und in jüngster Zeit spricht er ja unumwunden Klartext.

FJ: Was kann das Bayer-kritische Netzwerk CBG hiergegen tun? Ist das nicht ein Kampf von David gegen Goliath?

Auf sich allein gestellt, ist es natürlich schwierig, etwas zu erreichen. Aber wenn sich mehrere Davids zusammentun sieht es schon etwas anders aus. Und ich glaube auch, dass die Öffentlichkeit in letzter Zeit verstärkt auf das Thema aufmerksam wird.


Dieser Beitrag erschien in: FriedensJournal, Nr. 6, November/Dezember 2010

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