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Zahl der kriegerischen Konflikte erstmals seit längerem wieder gestiegen

Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) *


im Folgenden dokumentieren wir die Presseerklärung der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) am Institut für Politikwissenschaft der Universität Hamburg anlässlich der Vorstellung ihres Jahresberichts über das Kriegsgeschehen in der Welt. Hier geht es zu einem ausführlicheren Überblick über das Kriegsgeschehen 2011 .

Pressemitteilung 12.12.2011

Nach Untersuchungen der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) wurden 2011 erstmals seit sechs Jahren wieder mehr Kriege und bewaffnete Konflikte geführt als im Jahr zuvor. Die Zahl erhöhte sich um drei auf nunmehr 36. Darüber hinaus waren auch 2011 eine ganze Reihe von gewaltsam ausgetragenen Konflikten zu beobachten, die nicht als Kriege oder bewaffnete Konflikte zu bezeichnen sind.

Als beendet sind insgesamt drei kriegerische Konflikte zu betrachten. Umgekehrt eskalierten 2011 sechs Kriege und bewaffnete Konflikte neu. Die von organisierten Kämpfen zahlenmäßig am stärksten betroffenen Weltregionen waren 2011 Afrika mit 13, gefolgt von Asien und dem Vorderen und Mittleren Orient mit jeweils 11 kriegerischen Konflikten. In Lateinamerika war ein Krieg verzeichnen.

Beendete Kriege und bewaffnete Konflikte

Mitte Februar 2010 schlossen die Regierung des Jemen und die sogenannten Huthi-Rebellen einen Waffenstillstand. In den 2004 begonnenen Krieg mit den schiitischen Rebellen im Nordosten des Landes hatte in den letzten Kriegsmonaten auch Saudi-Arabien massiv eingegriffen, sodass den Aufständischen keine andere Wahl mehr blieb als die Bedingungen der Regierung für einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Für die Regierung des Tschad zahlte sich eine Vereinbarung mit dem Sudan aus, mit der beide Seiten darauf verzichteten, Rebellengruppen im jeweils andern Land zu unterstützen. Im Laufe des Jahres 2010 ließen Rebellenaktivitäten im Tschad deutlich nach und für 2011 lagen keine entsprechenden Berichte mehr vor. Dies war für den Tschad damit das erste Jahr seit 1966 ohne kriegerische Auseinandersetzungen. In Peru erreichte die kurzzeitige Neueskalation zwischen Sicherheitskräften und dem Leuchtenden Pfad in den Jahren 2009 und 2010 nie die Intensität der 1980er und 1990er Jahre. Aufgrund ausbleibender Kämpfe scheint der bewaffnete Konflikt nach zwei Jahren wieder beendet zu sein.

Neu eskalierte Kriege und bewaffnete Konflikte

Von den neuen Kriegen des Jahres 2011 erhielt der in Libyen nicht nur die größte Aufmerksamkeit, sondern forderte auch die meisten Todesopfer. In den im Februar eskalierten Konflikt zwischen Aufständischen und der Regierung fanden ab Mitte März nach einer UN-Resolution NATO-geführte Luftangriffe statt. Mit der Tötung Muammar al-Ghaddafis am 20. Oktober endete der Krieg nach etwa acht Monaten. In Côte d’Ivoire hatte Amtsinhaber Laurent Gbagbo Ende November 2010 die Präsidentschaftswahl verloren, sich jedoch geweigert abzutreten. In den folgenden Monaten starben über 200 Anhänger des Wahlsiegers Alassane Ouattara durch die Gewalt von Polizei und Militär. Ende Februar wurde auch der seit sechs Jahren bestehende Waffenstillstand zwischen den beiden Konfliktparteien gebrochen. Mitte April wurde Gbagbo schließlich gefangen genommen und der Krieg wenige Tage später beendet. Dagegen dauert der dritte neue Krieg des Jahres 2011 weiterhin an. Einige Wochen vor der offiziellen Unabhängigkeit des Südsudan am 9. Juli eskalierten Auseinandersetzungen zwischen Sudan und Kämpfern der ehemaligen südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA. Diese dauerten in den an Südsudan grenzenden Provinzen Südkordofan und Blauer Nil seitdem an. Im Jemen wurden Proteste wie in vielen anderen arabischen Ländern zunächst mit Gewalt durch Polizei und Militär unterdrückt. Im Mai und noch einige weitere Male im Laufe des Jahres griffen jedoch Kämpfer verschiedener Stämme gegen die Regierung in den Konflikt ein, sodass sich daraus ein bewaffneter Konflikt entwickelte. Kämpfe zwischen Truppen Thailands und Kambodschas fanden Anfang Februar und erneut Ende April in einem strittigen Grenzgebiet statt. In Burundi kam es wiederholt zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen nicht eindeutig identifizierbaren Gruppen und staatlichen Sicherheitskräften.

Gewaltkonflikte jenseits von Kriegen und bewaffneten Konflikten

Auch 2011 war eine ganze Reihe von gewaltsam ausgetragenen Konflikten zu beobachten, die nicht als Kriege oder bewaffnete Konflikte zu bezeichnen sind. Dazu gehörte vor allem auch gewaltsame Unterdrückung der Proteste in fast allen arabischen Staaten. Die meisten Todesopfer – abgesehen von dem Krieg in Libyen – gab es dabei in Syrien, wo die Gewalt auf hohem Niveau andauert. Ebenfalls mehrere Hundert der Protestierenden wurden in Ägypten und Tunesien getötet, bevor die jeweiligen Präsidenten abdanken mussten. In Nigeria soll Gewalt nach den Präsidentschaftswahlen Mitte April 500 Menschen das Leben gekostet haben. In Südsudan sollen Mitte August bei lokalen Auseinandersetzungen um Vieh in der Provinz Jonglei über 600 Menschen getötet worden sein. Dauerhaft von Gewalt geprägt blieben weiterhin die von Drogenbanden beherrschten Gebiete in Mexiko.

* Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung
Universität Hamburg
Allende-Platz 1
D-20146 Hamburg
Ansprechpartner: Felix Gerdes


Hier finden Sie diese Presseerklärung zusammen mit der Liste aller Kriege und bewaffneten Konflikte nach Kontinenten geordnet als pdf-Datei




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