Pannen bei Rüstungsprogrammen programmiert - Warten auf die Fregatte 125
Ein Beitrag von Christoph Rasch in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *
Andreas Flocken (Moderator):
Rüstungsprojekte der Bundeswehr sind immer wieder mit großen Risiken behaftet. Die Waffensysteme werden regelmäßig teurer als geplant, und sie werden fast immer nur mit Verspätung ausgeliefert. Diese Entwicklung zeichnet sich jetzt auch für die neue Fregatte F125 ab. Über das Prestige-Projekt der deutschen Marine: Christoph Rasch.
Manuskript Christoph Rasch
Erst im zweiten Anlauf klappt es: Die obligatorische Sekt-Flasche zerspringt am grauen Schiffs-Rumpf, hier, im Dock Nummer 5 der Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss. Es ist Mitte Dezember. Die neue Fregatte BADEN WÜRTTEMBERG wird getauft, vor 400 geladenen Gästen und staatstragender Kulisse.
Die BADEN WÜRTTEMBERG mit ihren 7.000 Tonnen Gewicht thront im Bau-Dock auf zahllosen Holzklötzen und Gerüsten. Sie ist das erste von vier geplanten Exemplaren der neuen Fregattenreihe F125: 150 Meter lang, Platz für 120 Mann Besatzung plus Spezialkräfte. Ein Schiff, das bis zu zwei Jahre ununterbrochen auf See bleiben kann, das weltweit Handelswege sichern und Piraten jagen soll, schwärmt Stephane Beemelmanns, Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium...
O-Ton Beemelmanns
„Heute stehen wir hier vor dem Rumpf des größten seit 1945 auf deutschen Werften gebauten Kampfschiffes - mit einer sehr interessanten Konstruktion, wie man das Schiff hält. Also, ich versuche, nicht zu laut zu reden..."
...ein vielleicht unbeabsichtigtes Bonmot des Staatssekretärs. Denn tatsächlich knirscht es zwischen Ministerium, Marine und dem verantwortlichen Werften-Konsortium unter Führung von Thyssen Krupp Marine Systems, kurz TKMS. Schuld ist unter anderem ein falscher Farbanstrich am Rumpf der Fregatte: Ein Subunternehmer hatte den speziellen Brandschutz-Lack aufgetragen - doch die Farbe blätterte ab. Teile der gesamten Schiffskonstruktion mussten daraufhin wieder herausgerissen und erneut zusammengesetzt werden. Ein herber Rückschlag, räumt auch Hans Christoph Atzpodien ein, der Vorstandschef der Thyssen-Marinesparte TKMS.
O-Ton Atzpodien
„Aus unserer Sicht ist das ein Thema des Unterlieferanten, der dafür verantwortlich ist. Solche Vorhaben sind halt technologisch sehr komplex. Wir hatten hier ein Thema bei bestimmten Stellen beim Aufbau der Brandschutzbeschichtung – das ist behoben. Aber die Verspätung von circa acht Monaten bleibt leider.“
Denn die Bau-Panne hat nicht nur die Kosten für die neue Fregatte in die Höhe schnellen lassen: Von einem Mehraufwand von bis zu 100 Millionen Euro ist die Rede, bei einem Ursprungs-Stückpreis von 650 Millionen. Vor allem aber könnte die Verzögerung die Marine in Planungsnöte bringen: Denn ihre ältesten Fregatten-Modelle vom Typ 122 werden bereits nach und nach außer Dienst gestellt. Axel Schimpf, der Inspekteur der Deutschen Marine sagt:
O-Ton Schimpf
„Wir brauchen jedes Schiff dringend. Jeder, der unsere Marinefamilie verstärkt, ist hoch willkommen. Ich guck jetzt nicht mehr nach hinten. Ich rede auch nicht mehr in Monaten der Verzögerung. Sondern ich bin zuversichtlich, dass es ein Ehrgeiz auch der Werft ist, hier wieder aufzuholen.“
Ursprünglich sollte die neue Fregatte BADEN WÜRTTEMBERG schon in diesem Jahr in Dienst gestellt werden. Nun aber könnte es - auch nach früheren Verzögerungen in der Planungsphase - sogar bis 2017 dauern, bis die erste F125 voll einsatzbereit wäre. Was aber heißt das für die Einsatzplanung der Marine? Bedeutet es, dass man ältere Fregatten, die teilweise noch aus den 80er Jahren stammen, länger fahren lassen muss als geplant – bis die neuen Schiffe endlich kommen?
O-Ton Schimpf
„Das entscheiden wir dann, wenn wir uns dem Indienststellungstermin nähern. Und dann beantworte ich Ihnen die Frage nochmal...“
...sagt Schimpf. Zumal bis dahin durchaus noch weitere technische Herausforderungen und Probleme lauern könnten, glauben unabhängige Marine-Experten – wie Heinz Dieter Jopp vom Hamburger Institut für Strategische Zukunftsanalyse.
O-Ton Jopp
„Ich würde bei der neuen Fregatte 125 die Probleme nicht so sehr jetzt in dem erkannten Mangel eines falschen Farbanstriches sehen, sondern würde sie eher sehen in den Herausforderungen, die auch die Werft eingegangen ist, weil sie teilweise technologisches Neuland betreten will..."
...etwa mit seinem neuartigen Hybrid-Antrieb aus Diesel-/Elektro-Motor und Gasturbine. Bei einer deutschen Fregatte sei so etwas in der Praxis noch nicht getestet worden - und Kinderkrankheiten sind bei neuen Systemen nicht auszuschließen. Das gilt auch für die geplante stärkere Automatisierung der Schiffs-Systeme, die sich ebenfalls erst einspielen und bewähren müsse. Und dann sei da noch der vorgesehene Bordhubschrauber NH-90. Der erscheint Militär-Experten wie Heinz Dieter Jopp als wenig geeignet, weil er bisher - als umgerüsteter Armeehubschrauber – lediglich zu Transport- oder Sanitätszwecken eingesetzt werden kann.
O-Ton Jopp
„Nur: Die ureigenste Rolle des neuen Hubschraubers, einmal Seezielbekämpfung und U-Jagd wird dieser Hubschrauber nicht haben, wenn er an Bord kommt. Sondern hierzu bedarf es erst mal noch langwieriger Verhandlungen auch mit der Industrie...“
...und nicht nur hier. Auch die schnellen Beiboote der neuen Fregatte standen zuletzt in der Kritik: Diese „Speedboote“ hätten zu hohe Antennenaufbauten – und zu enge Sitzbänke für voll ausgerüstete Spezialkräfte, hieß es. Auch hier wird die Werft-Industrie wohl nachbessern müssen. All diese Probleme aber führen zu Wartezeiten, die die Langzeitplanung der Marine durchaus aus dem Takt bringen könnten, sagt Hans-Joachim Stricker. Als Vizeadmiral war er Befehlshaber der Flotte. Heute ist Stricker Präsident des Deutschen Maritimen Instituts.
O-Ton Stricker
„Jede Verzögerung ist natürlich bitter. Gerade in einer Phase, wo die Marine auch andere Projekte laufen hat. Ich erinnere hier nur an die so genannte Fähigkeitsanpassung der Fregatte 123. Das heißt, diese Schiffe sind dann für die Einsätze der Marine zeitweise auch nicht verfügbar...“
...weil diese frühere Fregatten-Baureihe grundlegend überholt und mit neuer Bord-Elektronik ausgerüstet werden muss. In den nächsten Jahren, befürchten Experten wie Stricker, könnte der Marine also durchaus ein Engpass bei ihren Fregatten drohen - selbst dann, wenn ältere Schiffe später außer Dienst gestellt werden sollten als geplant: Allein bis 2020 sollten eigentlich acht Fregatten verschrottet werden. Und kleinere Minenjagd- und Schnellboote will die Marine schon früher ausmustern: Sie sollen durch die fünf neuen Korvetten der Baureihe 130 ersetzt werden. Doch gerade bei diesen Korvetten gab es über Jahre reihenweise technische Probleme - von defekten Getrieben bis hin zu Schimmel im Maschinenraum. Die Frage steht also im Raum: Mehren sich technische Probleme, Verzögerungen und Kostenexplosionen bei großen Rüstungsprojekten nun auch im Marineschiffbau? Hans-Joachim Stricker:
O-Ton Stricker
„Man kann den Eindruck haben, dass es sich häuft. Ich erinnere auch an den Einsatzgruppenversorger BONN: Hier gab es ja auch Probleme. Und ich finde, die Werftindustrie muss sich Gedanken machen, wie man so was minimieren kann. Und es ist schon ein bisschen bezeichnend, dass, wenn Probleme auftreten, sich alle an die Marine wenden und nicht an das Bundesamt...“
...das zuständige Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr nämlich ist der Dreh- und Angelpunkt großer Beschaffungsprojekte der Truppe. Seit Monaten schon steht die Koblenzer Behörde in der Kritik, gerade erst wurde sie reformiert und umgebaut. Branchenkenner bemängeln noch immer ihre schwerfällige, bürokratische Struktur. Doch auch politische Gründe spielen für die Anfälligkeit der Marine-Aufträge eine Rolle: Der Staat verlange High-End-Technik in Top-Qualität, aber in äußerst geringen Stückzahlen, das treibe die Preise nach oben und setze die Hersteller unter enormen Druck, sagt Heino Bade - der Werften-Experte der IG Metall Küste.
O-Ton Bade
„Das Problem ist ein bisschen in Deutschland, dass wir - anders als in Frankreich, in Spanien oder in Italien – keine staatlichen Rüstungsunternehmen haben. Wir haben private, zum Teil Mittelständler. Es ist so, dass man unterm Strich sagen kann: Die Bundeswehr lastet diese Standorte - Lürssen, Thyssen - die im Bereich Rüstung tätig sind, nicht aus."
Um dennoch möglichst viele heimische Betriebe mit Marine-Aufträgen zu beschäftigen, werden Milliarden-Aufträge wie für die neue Fregatten-Reihe an Bau-Konsortien vergeben: Neben Thyssen und Blohm+Voss ist auch die Bremer Lürssen-Werft an dem aktuellen Vorhaben beteiligt: Rohbau-Segmente müssen dann eben per Schlepper von Bremen nach Hamburg bewegt werden. Die Aufteilung in Arbeitsgemeinschaften, bei denen noch zahlreiche Zulieferer mitspielen, macht die Großaufträge allerdings unübersichtlicher. Bade kritisiert auch, dass der Hersteller TKMS sich inzwischen ausschließlich auf den Marineschiffbau konzentriert - und die zivile Schiffsparte verkauft hat. Damit, glaubt der Gewerkschafter, habe man Kompetenzen und Synergien aus der Hand gegeben – und das räche sich nun, so Bade.
TKMS-Chef Hans Christoph Atzpodien weist diese Kritik zurück. Auf der Taufzeremonie für die neue Fregatte sagt er: als Bau-Konsortium sei man bei diesem Auftrag gut aufgestellt.
O-Ton Atzpodien
„Wir haben nur ein Konzept gewählt, bei dem wir die Flexibilität gewinnen, mit Bauwerften zusammenzuarbeiten. Wir sind der Systemführer, wir machen das Design, wir machen das Projektmanagement...“
...dabei muss TKMS nun allerdings erst einmal Krisen-Management betreiben. Denn bei wem die Millionen-Mehrkosten für den falschen Farbanstrich letztlich hängenbleiben - darum wird hinter den Kulissen zwischen Hersteller, Zulieferer und Bundesverteidigungsministerium noch gerungen. Es dürfte nicht der letzte Streitfall bleiben, bei diesem Prestige-Projekt der Deutschen Marine.
* Aus: NDR Info: Das Forum STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 8. Februar 2014; www.ndr.de/info
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