"Politik und Wirtschaft – eine Hand wäscht die andere"
Das SPD-regierte Bremen ist einer der wichtigsten Rüstungsstandorte. Proteste bei der "Eiswette". Gespräch mit Hartmut Drewes
Hartmut Drewes ist Sprecher des Bremer Friedensforums.
Das Bremer Friedensforum hat am Samstag eine Mahnwache zum traditionellen Bremer Eiswette-Essen veranstaltet. Der Protest richtete sich insbesondere gegen Thomas Enders, Chef des Rüstungskonzerns EADS/Airbus, der dort eine Rede hielt. Was war los?
Zur Eiswette erst einmal: Das traditionelle Treffen hat ein Männerbund aus der Romantik 1828 gegründet. Es beruht auf der Idee zu wetten, ob dieses Jahr die Weser zugefroren ist oder nicht. Am Samstag nun waren der Rüstungsindustrielle Enders und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) dort als Redner eingeladen. Schwarze Edellimousinen fuhren vor, um an der Rampe zum Bremer Kongreßzentrum mit Smoking bekleidete Herren abzusetzen, die am Elite-Essen der Eiswette teilnahmen.
Zu ihrer »Begrüßung« waren Vertreter verschiedener Bremer Organisationen erschienen, mit Transparenten, Plakaten und Handzetteln; unter anderem vom Bremer Friedensforum, von der Deutschen Friedensgesellschaft – VK, den Nordbremer Bürgern gegen den Krieg, dem Arbeiterbund und der Linksjugend solid. Wir protestieren vor allem dagegen, daß immer Leute aus der Rüstungsindustrie und dem Militär eingeladen werden: Verteidigungsminister, Generalinspekteure, hohe Offiziere sowie Spitzen der Rüstungsindustrie. Vergangenes Jahr war Dieter Zetsche da, Vorstandsmitglied der Daimler AG.
Sind Frauen eigentlich nicht zugelassen, wenn sich die Bremer Männerelite trifft?
So ist es. Die Ehefrauen treffen sich gesondert im Parkhotel.
Wie verliefen die Proteste gegen diesen Auftrieb von Prominenten?
Festredner Enders blieb unsichtbar, wurde wohl durch einen Hintereingang bugsiert. Auf einem Flugblatt hatte das Bremer Friedensforum ein »rüstungsfreies Bremen« gefordert. Einige nahmen es entgegen. Hier und da gab es Wortwechsel; einer der Herren sagte zu einer älteren Frau: »Kriege bezahlen Ihre Rente!«. Wir halten dagegen: Moralisch wie sozial ist es unverantwortlich, an dieser Produktion festzuhalten Weil die Polizei dieses Jahr erstmals den Protest auf der Rampe untersagt hatte, hatte die Linksjugend solid sie kurzfristig abgesperrt und an das rot-weiß gestreifte Band Schilder mit der Aufschrift gehängt: »Achtung Gefahrengebiet. Hier können Sie ohne konkreten Verdacht kontrolliert werden.« Sie spielten damit auf die verschärften Polizeikontrollen an, wie sie kürzlich in Hamburg praktiziert wurden – verantwortlich war dort Festredner Scholz.
Was charakterisiert den Rüstungskonzern-Chef Enders?
Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist er ein »harter Reserveoffizier« sowie »leidenschaftlicher Fallschirmspringer und Hubschrauberpilot«. Er leitet eines der größten Rüstungsunternehmen in Europa. EADS/Airbus produziert unter anderem Satelliten, Hubschrauber, Flugzeuge, Drohnen. Enders beklagt einen Auftragsrückgang seiner Branche. Er will insgesamt 6000 Stellen streichen, aber im Rüstungsgeschäft bleiben. Auf keinen Fall will er Konversion. Obgleich der Betrieb Gewinne einfährt, hatte die Bundesregierung sogar auf die Vertragsstrafe für das zu spät gelieferte Militärflugzeug A400M verzichtet.
Wie kommt es, daß ausgerechnet die sozialdemokratisch regierte Stadt Bremen die Rüstungsindustrie derart hofiert?
Das frage ich mich auch. Seit dem Ersten Weltkrieg gab es in Bremen enge Verbindungen zu Rüstungsindustriellen. Die Stadt hat die höchstentwickelte Rüstungsindustrie in Deutschland, so stark wie heute ist sie nie gewesen. Nach der Wende war man davon ausgegangen, die Militärblöcke Ost und West könnten sich möglicherweise auflösen. Selbst Leitungen der Konzerne hatten auf zivile Umrüstung gesetzt. Aber schließlich stellte sich heraus: Die NATO blieb. Insbesondere für den Afghanistan-Krieg ging die Produktion weiter.
Welche Rolle spielt der Bremer SPD-Senat dabei?
Unternehmer und Politiker – da wäscht eine Hand die andere, wie sich immer wieder bei der Eiswette zeigt. Wir verlangen, daß sich der Senat für die Konversion von Militärgütern einsetzt. Statt Rüstung muß Sinnvolles für Klimaschutz, Bildung, Gesundheit und andere wichtige Lebensbereiche Deutschlands und der Entwicklungsländer hergestellt werden.
Interview: Gitta Düperthal
* Aus: junge Welt, Dienstag, 21. Januar 2014
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