Nahost-Schaulaufen deutscher Marinetechnik
Hersteller und Planer deutscher Kriegsschiffe hoffen auf gute Exportgeschäfte
Von Hermannus Pfeiffer *
Für den UN-Einsatz der Deutschen Marine gibt es auch wirtschaftliche Gründe. Unbemerkt arbeitet eine Hightech-Firma seit Jahrzehnten an der maritimen Aufrüstung.
Der deutsche Marineverband für die Libanon-Mission der UNO hat am Mittwoch im Hafen von Limassol auf Zypern festgemacht; hier ist die deutsche Logistikbasis. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der erste Nahost-Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr eine »historische Dimension«.
Die politisch-militärische Mission hat aber auch einen ökonomischen und technologischen Hintergrund. Für Manager in dieser nur noch mit der Luft- und Raumfahrt vergleichbaren Hochtechnologiebranche ist die bundesdeutsche Flotte eine »Parent Navy«, also eine »Eltern-Marine«, die Kriegsschiffe als Referenzprojekte für Auslandsaufträge der Industrie aufzieht. Zwei Drittel des militärischen Marinebaus in Deutschland werden exportiert.
Klaus Borgschulte, Vorstandschef der ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS), baut auf die elterliche Hilfe der Deutschen Marine, wie sich die frühere Bundesmarine heute nennt, um dem Ziel eines europäischen Werftgiganten näher zu kommen – nach dem Vorbild von EADS/Airbus. Zwar ist eine »Großlösung« mit der französischen DCN unwahrscheinlich, da die führende Rolle der Regierung in Paris bei DCN die deutsche Seite schreckt. Dafür sind aber Partner in Italien und Großbritannien im Gespräch. Eine weitere Konzentration in Europa wird als Gegenwicht zur US-Dominanz als notwendig angesehen.
Vor der Küste Libanons stellt derweil die Kriegsflotte die teuersten Rüstungsprodukte der Bundeswehr ins Schaufenster für den maritimen Weltmarkt. Allein der Anschaffungspreis für das Führungsschiff des Verbandes, die Fregatte »Mecklenburg-Vorpommern«, beträgt zirka 300 Millionen Euro. Aus klugem strategischen Kalkül hat die lange Zeit dahin dümpelnde Marineführung übrigens allen Großkampfschiffen eine Partnerschaft mit Bundesländern und Städten verpasst. So schreckte jüngst Hamburgs Oberbürgermeister Ole von Beust (CDU) nicht davor zurück, die erste Senatssitzung außerhalb des Rathauses auf der neuen Fregatte »Hamburg« (Stückpreis rund 750 Millionen Euro) abzuhalten.
Lange Zeit hatten sich Politik, Marine und Werftindustrie auf den »Tag X« im Stillen vorbereitet. Bereits 1966 gründeten auf Betreiben des damaligen Verteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel (CDU) 14 Firmen der Werft- und Elektroindustrie, darunter AEG, Krupp und Siemens, die MTG Marinetechnik GmbH, um nach politischen, militärischen Vorgaben und unabhängig von den einzelnen Herstellerinteressen Marineschiffe zu planen und komplette Bauanweisungen für die später bauausführende Werft zu entwickeln. Auch das Führungsschiff der Levante-Expedition, die eigentlich für die Jagd von U-Booten vorgesehene Fregatte »Mecklenburg-Vorpommern«, wurde in den neunziger Jahren von diesem »Planungsbüro für Kriegsschiffe« entworfen. Von dort kommen auch die Pläne für die nächste Schiffsgeneration: fünf schnelle Korvetten (1,2 Milliarden Euro), die, kleiner als Fregatten, mit Raketensystemen ausgerüstet werden, mit denen erstmals wieder von See aus ferne Bodenziele beschossen werden können. Damaskus, Kinshasa oder Jakarta befinden sich ab kommendem Mai, wenn die Marineführung die erste Hightech-Korvette »Braunschweig« von TKMS in Dienst stellt, in Reichweite deutscher Marschflugkörper.
Auch in Paris, in der Zentrale des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, wird mit Spannung auf die deutsche Kriegsmarine geschaut. EADS hat erst im Sommer, zusammen mit ThyssenKrupp, die auch von amerikanischen und britischen Konzernen begehrte Atlas Elektronik übernommen, in die nun das gesamte Marine-Elektronikgeschäft von EADS einfließen soll.
Werftenverbund
Die ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) ist der größte deutsche Werftenverband. Zu ihm gehören Blohm + Voss in Hamburg, HDW in Kiel, die Nordseewerke in Emden, Nobiskrug in Rendsburg sowie Werften in Schweden und Griechenland. Rund zwei Drittel des Umsatzes (2005: 2,2 Milliarden Euro) erzielt die Gruppe im Rüstungsbereich, z.B. mit U-Booten. Bei Fregatten und Korvetten liegt der Marktanteil nach eigenen Angaben bei 65 Prozent. TKMS gehört zu drei Vierteln dem Stahlkonzern ThyssenKrupp, 25 Prozent hält der US-Finanzinvestor One Equity Partners.
KSt
* Aus: Neues Deutschland, 6. Oktober 2006
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