Deutschland ist größter Waffenexporteur der Europäischen Union
Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) kritisiert Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung - "Armutszeugnis für Bundestag"
Am 17. Dezember 2007 stellte die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) in Berlin ihren neuen Rüstungsexportbericht vor. Er nimmt Bezug auf den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2006, der schon bei Erscheinen von der Friedensbewegung heftig kritisiert wurde (siehe: Kleinwaffenexporte aus Deutschland auf Rekordhöhe).
Im Folgenden dokumentieren wir die Pressemitteilung der GKKE sowie die Zusammenfassung aus dem 90-seitigen Bericht.*
Deutsche Rüstungsexporte weiter steigend
GKKE fordert grundlegenden Wandel in der Genehmigungspraxis
Berlin/Bonn, 17.12.2007 – Deutliche Kritik an den weiter gestiegenen deutschen
Rüstungsexporten übt die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) in ihrem neuen Bericht, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Nach den Berechnungen der GKKE sind
die Genehmigungen für Einzel- und Sammelausfuhren im Jahr 2006 auf 7,7 Milliarden Euro
gestiegen. Im Jahr zuvor hatten sie sich auf 6,2 Milliarden Euro belaufen. Grund für den
steilen Anstieg ist der Zuwachs bei den Sammelausfuhrgenehmigungen für Waffen und
Bauteile, die zunächst in andere Staaten der EU und des NATO-Bündnisses exportiert
werden. Über den endgültigen Verbleib dieser Exporte macht die Bundesregierung jedoch
keine Angaben. Es sei nicht auszuschließen, dass dadurch vermehrt Rüstungsgüter aus
deutscher Produktion in Entwicklungsländer gelangten, sagte Prälat Karl Jüsten, der
katholische Vorsitzende der GKKE. Der Anteil direkter Lieferungen in Entwicklungsländer
liegt weiterhin bei über 20 Prozent.
Bernhard Moltmann, Vorsitzender der Fachgruppe Rüstungesexporte der GKKE, kritisierte
die Lieferungen in zahlreiche Länder, in denen Menschenrechte nicht gewährleistet sind und
die in Spannungsgebieten liegen. Der EU-Verhaltenskodex, den auch die Bundesregierung
akzeptiert, schließt Lieferungen in solche Länder, etwa im Nahen Osten, aus. Dass sich die
Bundesregierung über diese Regelung hinwegsetze, zeige, dass sie „keine Abkehr von einem
für Expansion offenen Kurs“ verfolge, so Karl Jüsten.
Für einen grundlegenden Wandel in der Genehmigungspraxis plädierte Prälat Stephan
Reimers. „Nicht die Ablehnung von Exportanträgen in „Drittländer“, sondern deren
Genehmigung muss begründungspflichtig sein“, forderte der evangelische Vorsitzende der
GKKE. Nötig sei mehr Transparenz und politische Kontrolle, insbesondere auch auf
parlamentarischer Ebene. Das Berichtswesen der Bundesregierung sei wenig transparent und
nicht aktuell. Größere Anträge auf Exportgenehmigungen sollten zeitnah zur Entscheidung im
Parlament diskutiert werden. Vor dem Hintergrund, dass sich die Parlamentarier mit den
letzten drei Berichten der Bundesregierung nicht befasst hätten, sprach Reimers von einem
„Armutszeugnis des Bundestags“.
Zustimmend äußerte sich die GKKE zu den Anstrengungen, auf internationaler Ebene zu
einem Vertrag zur Regelung des Handels mit konventionellen Waffen zu kommen (Arms
Trade Treaty).
Rüstungsexportbericht 2007 der GKKE
Zusammenfassung
Die Berichterstattung durch die Gemeinsame Konferenz Kirche und
Entwicklung
(0.01) Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) legt
zum elften Mal seit 1997 einen Rüstungsexportbericht vor. Der Bericht
wird von der GKKE-Fachgruppe „Rüstungsexporte“ erstellt. Ihr gehören
Vertreter der Kirchen und Fachleute wissenschaftlicher Einrichtungen, der
kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit und aus Nichtregierungsorganisationen
an. Der Bericht stellt öffentlich verfügbare Informationen über
die deutschen Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern des Vorjahres
(2006) bzw. deren Genehmigungen zusammen und bewertet sie im
Zusammenhang der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Die
ethisch angeleitete Beurteilung soll den Dialog mit den Trägern politischer,
gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verantwortung fördern.
Deutsche Rüstungsexporte im Jahr 2006
Anhaltend steigender Trend
(0.02) Im Jahr 2006 haben die Genehmigungen für deutsche Rüstungsausfuhren
(Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter, Sammelausfuhrgenehmigungen)
in der Summe einen Wert von 7,7 Mrd. € erreicht. In
den Jahren 2005 und 2004 hatte dieser Wert jeweils 6,2 Mrd. € betragen.
Die GKKE stellt fest, dass sich der auch in den Vorjahren bereits ansteigende
Trend der Werte für Rüstungsausfuhrgenehmigungen stabilisiert
hat, wenn auch mit Schwankungen in Teilbereichen. Insbesondere die
Werte für Sammelausfuhrgenehmigungen haben zugenommen (2006: 3,5
Mrd. €; 2005: 2,0 Mrd. €; 2004: 2,4 Mrd. €). Der Anstieg zeugt von dem
wachsenden Maß der Rüstungskooperation in Europa und dem hohen Stellenwert
deutscher Zulieferung an Rüstungsproduzenten in andere EU- und
NATO-Staaten. Dadurch gelangen vermutlich vermehrt auch Waffenbauteile
aus Deutschland in Entwicklungsländer; verlässliche Zahlen darüber
gibt es allerdings nicht.
Eine allgemeine Änderung in der Genehmigungspraxis der jetzigen Bundesregierung
gegenüber ihrer Vorgängerin ist nicht zu erkennen, vor allem
keine Abkehr von einem für Expansion offenen Kurs.
Deutschland war im Jahr 2006 gemessen an den Genehmigungswerten für Rüstungsausfuhren der größte Exporteur in der Europäischen Union, vor
Frankreich (Exportwerte: 3,9 Mrd. €) und Großbritannien (Genehmigungswerte:
2,38 Mrd. €).
Ausfuhrgenehmigungen an Entwicklungsländer
(0.03) Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Jahr 2006 an
Staaten, die offizielle Entwicklungshilfe erhalten, haben einen Wert von
etwa 933 Mio. € und damit 22% aller Genehmigungswerte erreicht.
Darin sind die umfangreichen Rüstungsexporte deutscher Herkunft an die
Türkei enthalten (Ausfuhrgenehmigungen: 311,7 Mio. €, darunter Genehmigungen
für Exporte von Kleinwaffen und Munition: 50,6 Mio. €). Das
Land ist einerseits NATO-Mitglied. Damit hat die Türkei nach den gültigen
Grundsätzen der Bundesregierung fast unbeschränkten Zugang zu deutschen
Rüstungslieferungen. Andererseits ordnet die OECD die Türkei als
Entwicklungsland mit hohem mittlerem Einkommen ein. Bei ihrer Darstellung
weicht die Bundesregierung diesem Faktum aus, indem sie die von
ihr angeführte Sonderkategorie der „klassischen Entwicklungsländer“ verwendet.
Zu dieser werden allerdings neben der Türkei auch weitere wichtige
Empfänger deutscher Rüstungslieferungen wie Malaysia, Oman, Südafrika
oder Saudi-Arabien nicht gerechnet. Der Verdacht, die Rüstungsexportstatistiken
auf diese Weise schönzureden, sollte ausgeräumt und diese
Kategorie nicht mehr benutzt werden.
(0.04) Bei den Genehmigungen für Rüstungslieferungen an Entwicklungsländer
liegen die Werte des Jahres 2006 unter jenen des Vorjahres. Aber
die Werte für die ärmsten (LDCs) und andere Länder mit niedrigem Einkommen
(other LDCs) sind von 65 Mio. € im Jahr 2003 auf 252 Mio. € im
Jahr 2006 gestiegen. Insofern sieht die GKKE keinen Anlass zur Entwarnung,
denn die absoluten Zahlen spiegeln durchaus die Relevanz der Rüstungsausfuhren
in diese Weltteile. Dass Indien und Pakistan in dieser Ländergruppierung
die wichtigsten Empfänger deutscher Rüstungslieferungen
sind, deckt die Dilemmata einer Rüstungsexportpolitik auf, die sich an den
Normen von Frieden, Sicherheit und Entwicklung orientieren sollte.
Kriegswaffenexporte an Entwicklungsländer
(0.05) Kriegswaffen wurden im Jahr 2006 an Länder, die offizielle Entwicklungshilfe erhalten, im Wert von 313,7 Mio. € geliefert. Dieser Wert entspricht etwa 23% aller ausgeführten Kriegswaffen und ist vor allem durch einzelne Aufträge wie die großen Lieferungen an Südafrika (182,7 Mio. €)
und die Türkei (121,2 Mio. €) geprägt. Schwankungen sind deshalb von
Jahr zu Jahr möglich.
Nach Einschätzung der GKKE sind für ärmere Entwicklungsländer deutsche
Waffen häufig zu teuer und entsprechen nicht ihrem Bedarf. Sie kaufen in
Deutschland, wenn überhaupt, gebrauchte Güter (Beispiel: Schnellbootlieferungen
an Tunesien) oder lassen hier schon vorhandene Rüstungsgüter
modernisieren bzw. reparieren. Dies registriert die deutsche Statistik als
„Veredelungsausfuhren“. Sie machen nach Angaben der Bundesregierung
99% der Werte von Kriegswaffenausfuhren an arme Staaten oder andere
Staaten mit niedrigem Einkommen aus.
Ausfuhren von Kleinwaffen
(0.06) Im Jahr 1996 hatte der Wert der Ausfuhrgenehmigungen für militärische
Kleinwaffen in Länder außerhalb von EU und NATO 1,87 Mio. € betragen
– im Jahr 2006 war er auf 15,6 Mio. € angestiegen. Angesichts der
Genehmigungswerte für die Ausfuhr von Kleinwaffen und Munition stellt
die GKKE fest, dass deutsche Hersteller weltweit attraktive Marktchancen
haben.
Ein differenzierteres Bild zeigt sich bei aktuellen Daten zu den Ausfuhrgenehmigungen von Kleinwaffen für militärische Zwecke an arme oder andere
Länder mit niedrigem Einkommen. Hier sind die Werte von 5,2 Mio. €
im Jahr 2005 auf 0,94 Mio. € im Jahr 2006 gesunken. Ob dies den üblichen
jährlichen Schwankungen geschuldet oder aber das Resultat der „besonders
strengen Maßstäbe“ ist, die nach Feststellung der Bundesregierung
hier angewandt werden, ist, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.
Allerdings sollten die „strengen“ Maßstäbe nach Einschätzung der
GKKE für alle rüstungsexportpolitischen Entscheidungen gelten und kein
Spezifikum der Kleinwaffenexporte sein.
(0.07) Die Bundesregierung bekennt sich zum Prinzip „Alt für Neu“, das
heißt, dass bei Neuanschaffungen vorhandene Bestände zerstört und nicht
weiterverkauft werden dürfen. Sie bleibt aber den Nachweis schuldig, ob
dieses Prinzip zum Beispiel bei Lieferungen an die Ukraine (Genehmigungswert:
2,25 Mio. €), Saudi-Arabien (Genehmigungswert 9,6 Mio. €)
oder Mexiko (Genehmigungswert: 2 Mio. €) durchgesetzt wurde.
(0.08) Deutsche Firmen sind ausweislich der Genehmigungsstatistik weiterhin an der Produktion von Kleinwaffen in Drittländer beteiligt. So wurden
Ausfuhren von 110.755 Bestandteilen von militärischen Kleinwaffen
nach Mexiko und von 234.850 solcher Güter nach Saudi-Arabien genehmigt.
Zum Endverbleib der dort hergestellten Waffen macht die Bundesregierung
keine Angaben.
Begründungspflicht für Exporte von Kriegswaffen
(0.09) Die GKKE erinnert daran, dass der Export von Kriegswaffen an
„Drittländer“, also an Staaten, die nicht der EU bzw. der NATO angehören
oder diesen gleichgestellt sind, nach rechtlichen wie politischen Vorgaben
grundsätzlich ausgeschlossen sind. Sie dürfen nur in sorgfältig begründeten
Fällen gewährt werden. Die vielen positiven Entscheidungen für die
Ausfuhr von Kriegswaffen an diese Ländergruppe im Jahr 2006 signalisieren
dagegen das Umgekehrte: Waffenexporte werden genehmigt, wenn
keine Gründe dagegen sprechen. Eine solche Praxis entspricht nicht den
Verpflichtungen, die auch die gegenwärtige Bundesregierung eingegangen
ist.
Auch die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für sonstige Rüstungsgüter
erfordert eine sorgfältige Prüfung, ob sie den gesetzlichen Vorschriften
und politischen Grundsätzen entsprechen.
(0.10) Die GKKE warnt in diesem Zusammenhang davor, bei neuen Rüstungsprojekten
und militärischen Beschaffungsprogrammen von vornherein
deren Exportpotential einzukalkulieren. Ein dadurch verursachter Automatismus
begünstigt eine Rüstungsexportpolitik, die sich gerade nicht an
Frieden, Sicherheit und Entwicklung orientiert.
Notwendigkeit von Kohärenz
(0.11) Die GKKE beobachtet bei rüstungsexportpolitischen Entscheidungen
einen anhaltenden Mangel an Kohärenz von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.
Die Bundesregierung stellt diesen Grundsatz allein bei ihrer
Handhabung von Ausfuhranträgen für Kleinwaffen und Munition heraus,
ergänzt durch Verweis auf außenwirtschaftliche Aspekte. Abgesehen
davon, dass wirtschaftliche Gesichtspunkte nach den Grundsätzen der
Bundesregierung bei rüstungsexportpolitischen Entscheidungen nicht
maßgebend sein sollen, fordert die GKKE, die Kohärenz als Leitlinie für die
gesamte deutsche Rüstungsexportpolitik durchzuhalten.
Dies schließt nach Einschätzung der GKKE auch ein, die Rüstungsexportpolitik stärker als bisher als Instrument der Rüstungskontrolle sowie der
Krisen- und Konfliktprävention zu nutzen. Ein zurückhaltender Transfer
von Waffen und Rüstungsgütern hat sich immer wieder als bestes Mittel
bewährt, gewaltsamen Konflikten vorzubeugen. Dies gilt nicht nur für einzelstaatliches
Verhalten, sondern sollte angesichts der europäischen Rüstungskooperation
auch Eingang in internationale Zusammenhänge finden.
(0.12) Die Kriterien des EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte sollen
ein übereinstimmendes Handeln der EU-Mitgliedsstaaten anleiten. Aber
selbst der ausdifferenzierte Katalog leitet die politische Handhabung nicht
ausreichend an, bzw. wird in der Anwendung zu wenig berücksichtigt. Insgesamt
erteilte die Bundesregierung im Jahr 2006 Ausfuhrgenehmigungen
an 53 Staaten, die den Kriterien nicht zweifelsfrei und in vollem Umfang
gerecht wurden. Der Wert dieser Genehmigungen betrug 1,28 Mrd. €. 44
Länder, die internationale Menschenrechtsstandards nicht oder nur teilweise
erfüllten, erhielten Importlizenzen. In 19 Ländern waren innere Gewaltkonflikte
im Gange. Bei 15 Staaten ist fraglich, ob Rüstungsimporte deutscher
Herkunft mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie
vereinbar sind.
Plädoyer für mehr Transparenz
(0.13) Für eine politische Beurteilung der Rüstungsexportpolitik ist Transparenz
unabdingbar. Doch weist die deutsche Praxis nach Einschätzung
der GKKE noch erhebliche Lücken auf. Diese zeigen sich beispielsweise
beim Komplex der Sammelausfuhrgenehmigungen, wo Umfang, Adressat
und Gegenstände im Dunkeln bleiben.
Das Gleiche offenbart sich im Umgang mit Voranfragen bei sich anbahnenden
Rüstungsgeschäften. Die Bundesregierung hält Angaben darüber für
besonders schützenswert, um Wettbewerbern keine Vorteile zu verschaffen.
Diese Position überzeugt jedoch nicht. Der Rüstungsmarkt hat sich
ohnehin zu weiten Teilen zu einem „Käufermarkt“ gewandelt, wo potentielle
Käufer Anbieter gegeneinander ausspielen, um günstige Konditionen
auszuhandeln. Außerdem hält es die GKKE für unakzeptabel, dass das Gebot
der Transparenz auf dem politisch so sensiblen Feld der Rüstungsexportpolitik
nachrangig gegenüber dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
behandelt wird. Im Umgang mit dem UN-Waffen-register
ist dagegen bereits ein Weg für eine ausgeglichene Lösung vorgezeichnet.
(0.14) Mängel sind auch bei der Erfassung der tatsächlich getätigten deutschen
Rüstungstransfers zu konstatieren. Derzeit wird nur der Wert für
ausgeführte Kriegswaffen erhoben, aber nicht jener für sonstige Rüstungsgüter.
Hier sind nur die Werte für Ausfuhrgenehmigungen im Umlauf. So
weiß niemand genau, wie viele Rüstungsgüter tatsächlich jährlich aus
Deutschland exportiert werden.
Ferner enthält der Rüstungsexportbericht keinerlei Angaben über relevante
Exporte aus anderen Ländern, die als Ganzes weiter transferiert werden
oder Zulieferungen deutscher Hersteller enthalten. Die Bundesregierung
sollte über solche Angaben verfügen, da sie zumindest seit dem Jahr 2000
Exporte von Kriegswaffen und Rüstungsgütern nach eigener Aussage nur
genehmigt, wenn der Endverbleib sichergestellt ist. Diese Informationen
werden jedoch nicht veröffentlicht.
Akzente in der deutschen Rüstungsexportpolitik
Parlamentarisches Desinteresse
(0.15) Der Deutsche Bundestag hat die Rüstungsexportberichte für die
Jahre 2004, 2005 und 2006 bisher nicht im Plenum erörtert. Die GKKE
sieht darin eine Entwertung der Berichtstätigkeit und deren politischer
Würdigung. Damit schleift sich eine Vernachlässigung dieses Themenfeldes
deutscher Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik ein, die seinem
internationalen politischen Stellenwert nicht angemessen ist.
Um die parlamentarische Beteiligung zu stärken und Fehlentwicklungen
gegenzusteuern, schlägt die GKKE vor, Fälle, die im zuständigen Kabinettsausschuss, dem Bundessicherheitsrat, kontrovers diskutiert werden,
zeitnah der Beratung im Parlament oder seinen Ausschüssen zugänglich
zu machen.
(0.16) Das Interesse der Parlamentarier leidet darunter, dass der Zeitpunkt
der Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts der Bundesregierung
im Ungewissen bleibt. Angesichts dessen dringt die GKKE darauf,
einen verlässlichen Termin für die jährliche Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts der Bundesregierung festzulegen. Dies sollte möglichst
zeitnah zum Berichtsjahr geschehen.
Aufwertung des EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte von 1998
(0.17) Die Überarbeitung des EU-Verhaltenskodex für Waffenexporte ist
schon im Jahr 2005 abgeschlossen worden. Dennoch steht dessen Aufwertung
zu einem Gemeinsamen Standpunkt, der ihn für die nationale Gesetzgebung
in allen Mitgliedsstaaten verbindlich macht, aus. Die GKKE
drängt darauf, diesen Schritt umgehend in die Wege zu leiten. Die Beilegung
politischer Kontroversen, wie zum Beispiel über den Fortbestand des
Waffenembargos gegenüber China, sollte von der Implementierung der erreichten
Fortschritte und Präzisierungen eines EU-weiten Rüstungsexportkontrollregimes
abgekoppelt werden.
Hermes-Bürgschaften und Rüstungsexporte
(0.18) In der ersten Jahreshälfte 2007 hatte die Bundesregierung deutschen
Rüstungsherstellern die Erteilung einer Genehmigung für den Export
von drei U-Booten an Pakistan in Aussicht gestellt und angeboten, diesen
mit einer staatlichen Ausfallbürgschaft („Hermes-Bürgschaft“) abzusichern.
Das Geschäft kam schließlich nicht zustande.
Bereits in früheren Jahren waren Rüstungstransfers durch staatliche Ausfallbürgschaften abgesichert worden. Daraus hatten nicht nur NATO-Staaten
wie Griechenland und die Türkei Nutzen gezogen, sondern auch Entwicklungsländer
wie Brasilien, Südafrika, Südkorea, Tunesien und ölexportierende
Staaten auf der arabischen Halbinsel.
(0.19) Die GKKE wertet das Instrument der Hermes-Bürgschaften als
staatliche Subventionierung von Rüstungsausfuhren. Auch Empfänger
werden in gewisser Hinsicht subventioniert. Die GKKE hält an ihrer Forderung
fest, keine Hermes-Bürgschaften für Rüstungsexporte zu gewähren.
Die Richtlinien für die Gewährung von Hermes-Krediten sollten um eine
entsprechende Klausel ergänzt werden.
Internationale Entwicklungen
Auf dem Wege zu einem weltweiten Waffenhandelsvertrag
(0.20) Auf UN-Ebene wird die Ausarbeitung eines Vertrages zur Regelung
des Handels mit konventionellen Waffen vorbereitet (Arms Trade Treaty).
Das Vertragswerk soll den Transfer von Waffen und Rüstungsgütern verhindern,
die humanitäres Völkerrecht verletzen, Menschenrechte gefährden und nachhaltige Entwicklung beeinträchtigen. Die Bundesregierung
wie auch die EU unterstützen das Anliegen eines solchen Vertrages. Sie
erkennen das Engagement aus der Zivilgesellschaft dafür an und verweisen
auf gute Erfahrungen mit regionalen Kontrollregimen, wie mit dem
EU-Verhaltenskodex für Waffenexporte.
(0.21) Die GKKE begrüßt, dass die Verbreitung von konventionellen Waffen,
Munition und entsprechenden Fertigungsanlagen auf die weltweite
Agenda gerückt ist. Sie plädiert dafür, sich auf die Kriterien der Genehmigung
von Rüstungstransfers, die Modalitäten der Kontrolle und mögliche
Reaktionen bei Verstößen gegen das Regelwerk zu konzentrieren. Entscheidend
wird letztlich sein, wie das Abkommen umgesetzt und überprüft
werden kann.
Die GKKE rät den Staaten zur breiten Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen
Akteuren, die sich zu vehementen Fürsprechern des Vorhabens gemacht
haben. Ferner ist die Basis zustimmender Staaten zu erweitern.
Streubomben
(0.22) In mindestens 23 Staaten ist Streumunition bisher zum Einsatz gekommen,
unter anderem im Kosovo, in Afghanistan, im Irak und im Libanon.
Weltweit leben etwa 400 Millionen Menschen in Gebieten, die nach
Ende der Kampfhandlungen mit nicht explodierten Streubomben verseucht
sind. Derzeit wird über ihre Einschränkung oder gar ein Verbot auf zwei
verschiedenen Foren verhandelt - einem, das sich dem UN-Waffenabkommen
von 1980 angliedert und einem, das von der Regierung Norwegens
initiiert worden ist („Oslo-Prozess“).
Im positiven Fall kann das Nebeneinander der beiden Foren zu einem
Wettbewerb um die beste Vorgehensweise und Lösung führen. Im negativen
Fall können Blockaden und Verzögerungen eintreten. Dies birgt auch
das Risiko, dass das gesellschaftliche Engagement in dieser Sache zerrieben
wird.
(0.23) Die Bundesregierung beteiligt sich am Oslo-Prozess wie auch an
der Überprüfungskonferenz zum UN-Waffenabkommen. Hier bemüht sie
sich, auch bisherige Verweigerer ins Boot zu holen.
Die GKKE begrüßt das Engagement der Bundesregierung und rät, auf beiden
Foren für einen Verzicht bzw. für eine restriktive Politik einzutreten.
Um des Erfolges willen erfordern beide Foren verschiedene Strategien. Sie
sollten aber in jedem Fall dafür sorgen, dass nicht der Wunsch einiger
Staaten, an dieser Waffe festzuhalten, gegenüber der Durchsetzung des
humanitären Anliegens obsiegt.
Die Nichtregierungsorganisationen sollten die unterschiedlichen Ansätze
und Gegenstände beider Foren anerkennen und dies in ihrer Meinungsbildung
und ihren Aktionen deutlich machen.
Ferner begrüßt die GKKE die Bereitschaft der Bundesregierung, für die
Bundeswehr auf diese Waffen zu verzichten. Dies kann beispielhaft auch
für andere Staaten im Bündniszusammenhang sein.
Afrika: Sicherheit und Rüstungstransfers
(0.24) Anhaltende Krisen und Gewaltkonflikte in Afrika fordern eine zurückhaltende Rüstungsexportpolitik in zweierlei Weise heraus: Zum einen
kommt die überwiegende Zahl an Waffen und Munition, die in den gewaltsamen
Auseinandersetzungen eingesetzt werden, von außen. Deshalb befürworten
afrikanische Staaten, die ohnehin kaum größere konventionelle
Waffen importieren, einen weltweiten Vertrag zum Waffenhandel. Zum anderen
bedürfen afrikanische Friedensmissionen auf dem Kontinent einer
angemessenen Ausstattung mit Waffen, Logistik und Transportmitteln von
Außen.
Ein Rüstungstransfer, der verlässliche Empfänger erreicht und die Sicherheit
der bedrohten Menschen und Völker erhöht, wäre Voraussetzung und
Beitrag zur Friedenssicherung. Das entwertet nicht die Warnung der GKKE
davor, angesichts von politischen Krisen und Instabilitäten allein Zuflucht
beim Aufbau einer starken Militärgewalt zu suchen. Die Schaffung einer
starken zivilen Komponente in der entstehenden afrikanischen Sicherheitsarchitektur ist ebenso notwendig wie die Verbreitung ziviler Streitschlichtung.
Dies hilft, um in zwischen- und innerstaatlichen Konflikten eine
Eskalation der Gewalt zu vermeiden.
Quelle: Rüstungsexportbericht 2007 der GKKE. Vorgelegt von der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte. Redaktion: Gertrud Casel / Dr. Jürgen Hambrink, Seite 5-13
Den ganzen Bericht (90 Seiten) können Sie hier herunterladen:
www3.gkke.org (pdf-Datei) (externer Link!)
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