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Krieg und ökonomische Interessen

Beitrag auf der Friedenspolitischen Konferenz der GEW "Europa MACHT Frieden" am 18./19. März 2005 in Berlin

Von Lühr Henken

„Mögliches Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die ganze Welt“. Markanter als es Verteidigungsminister Struck am 13.1.2004 tat, lässt sich die Dimension deutscher Militärpolitik kaum umreißen. Von 2006 bis 2010 will Struck die Bundeswehr so radikal umbauen wie noch nie. Sie soll in drei völlig neue Kategorien unterteilt werden, die ihr neue Offensivkraft verleihen soll: in sogenannte Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte
  • 35.000 Mann „Eingreifkräfte“. Das sind Hightech-Soldaten aller drei Teilstreitkräfte mit entsprechender Ausrüstung für die schnellen Eingreiftruppen von EU und NATO.
  • 70.000 Mann „Stabilisierungskräfte“ sind für längerfristige Einsätze vorgesehen, also KFOR, SFOR, ISAF etc..
  • 210.000 Soldaten und ziviles Personal „Unterstützungskräfte“,
Die umfassende Orientierung weg von der Landesverteidigung hin zu weltweiten Kampfeinsätzen ging selbst dem Militärfachmann der CDU-nahen FAZ, Feldmeyer, wohl zu weit. Er kommentierte: „Seine (Strucks /d. Verf.) Weisung, die Landesverteidigung faktisch aus dem Aufgabenkatalog zu streichen, steht in klarem Widerspruch zu dem, was das Grundgesetz festlegt: ‚Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf’. [...] Sie (die Weisung /d. Verf.) kommt einer Absage an den ethisch einzig legitimen Daseinszweck einer Armee gleich.“[1] Ich habe dieses Zitat von Feldmeyer gewählt, um die Bedeutung des Paradigmenwechseln der deutschen Außenpolitik nach dem Ende der Bipolarität in seiner ganzen Tragweite bewusst zu machen.

Nun besteht der Drang zur Umorientierung der Bundeswehr auf Interventionismus nicht erst seitdem Peter Struck das Amt im Juli 2002 von Rudolf Scharping übernahm, sondern nahm seinen Anfang bereits in den Jahren 1991/92 unter den CDU-Ministern Stoltenberg und Rühe. Allerdings fallen in die Ära Struck einige bedeutende Entscheidungen: Neue Verteidigungspolitische Richtlinien (VPR), sehr teuere Beschaffungsentscheidungen offensivfähiger Waffen und die Bereitschaft, sich an schnellen Eingreiftruppen zu beteiligen – und die Entschlossenheit der Bundesregierung, Ernst zu machen mit dem Streben nach einem ständigen UN-Sicherheitsratssitz – mit Vetorecht.

Priorität: Schnelle Eingreiftruppen im Rahmen von NATO und EU

Die Schnelle Eingreiftruppe der NATO, NRF, soll, 21.000 Mann stark, in zwei Jahren stehen. Der faktische deutsche Anteil wird mit 6.200 Mann sehr groß sein. Binnen fünf bis dreißig Tagen soll die Truppe weltweit vor Ort sein können.

Die Europäische Union schafft sich eine Schnelle Eingreiftruppe, die spätestens nach 60 Tagen vor Ort sein soll. Von den 80.000 Soldaten dafür stellt Deutschland das größte nationale Kontingent aller Staaten: 18.000 Mann. Die vorgesehene Bewaffnung der Schnellen Eingreiftruppen der EU ist kein Pappenstiel. Die Ausrüstung der 60.000 Mann des Heeres ist öffentlich nicht bekannt. Entsprechend dem „European Headline Goal“ sollen den 20.000 Soldaten von Marine und Luftwaffe rund 100 Schiffe bzw. 400 Kampfflugzeuge zur Verfügung stehen. Zu den 100 Schiffen gehören 4 Flugzeugträger, 7 U-Boote, 17 Fregatten und 2 Korvetten [2]. Mit 13 Schiffen will die deutsche Marine einen eher bescheidenen Anteil stellen. Der deutsche Schwerpunkt liegt auf der Luftwaffe: Aus dem Pool von rund 400 Kampfflugzeugen der Schnellen Eingreiftruppe stellt die deutsche Luftwaffe 6 Staffeln,[3] entsprechend 108 Tornados bzw. Eurofighter (nach anderen Quellen: „90 Kampfflugzeuge und 15 Schiffe und Boote“[4] bzw. u.a. 93 Kampf- und 35 Transportflugzeuge sowie 20 Schiffe [5]) Die Speerspitze dieser EU-Truppe sollen 13 superschnelle Einsatztruppen bilden. Diese sogenannten Battle-Groups, jeweils 1.500 Mann stark, können schon innerhalb von zwei Tagen am Einsatzort sein. Ihre Aufstellung soll bis 2007 erfolgen. Die erste „Battlegroup“ soll bereits jetzt im Sommer einsatzbereit sein. Ihr Einsatzradius: 6.000 km um Brüssel und zwar „vor allem in Afrika“.

Der Schluss liegt nahe, dass sich die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung von dem Grundsatz leiten lässt: Je mehr deutsche Soldaten und deutsches Kriegsgerät bei Militärinterventionen eingesetzt werden, desto größer ist der deutsche Anteil an Macht, Einfluss und den Ressourcen der Welt.

Neue Waffen und Ausrüstungen

Zur Umsetzung der Fähigkeit, weltweit interventionsfähig und damit angriffsfähig zu werden, wurden für die Bundeswehr neue Waffensysteme in Auftrag gegeben. Der Charakter neuer Waffensysteme und Ausrüstungen verrät etwas über das mit ihnen umzusetzende Einsatzkonzept. Die neuen Waffensysteme und Ausrüstungen stellen unter qualitativem Gesichtspunkt in der Regel internationale Spitzentechnologien dar.

Beginnen wir im Weltraum

Die Bremer Firma OHB-Systems AG stellt für die Bundeswehr ein System von fünf Radarsatelliten samt Bodenstation her. Ab 2006 ermöglicht dies der Bundeswehr erstmalig eine weltweite wetterunabhängige Tag- und Nachtaufklärung. Die Gesamtkosten für dieses hochauflösende System, es kann weltweit noch Objekte bis zu 50 cm Länge identifizieren, werden inklusive Zulieferungen, Forschungs- und Entwicklungskosten etwa 750 Mio. Euro betragen. Die nationale weltweite Aufklärungsfähigkeit aus dem Weltraum ist die Voraussetzung für die weltweite Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. Ab Mitte 2006 wird der Systemverbund mit dem französischen optischen Satellitensystem HELIOS II angestrebt.

Luftwaffe

Seit dem vierten Quartal des letzten Jahres erhält die deutsche Luftwaffe erstmalig Marschflugkörper, die TAURUS getauft wurden. Bis 2009 sollen für TORNADOS und EURO-FIGHTER insgesamt 600 TAURUS angeschafft werden. TAURUS (lat. Stier) kann, selbst noch aus einer Entfernung von bis zu 350 km abgesetzt, mittels der 500 kg schweren Gefechtsladung noch vier Meter dicken Beton durchschlagen. Die Marschflugkörper machen die luftbetankbaren Kampfbomber zu regionalstrategischen Waffen, die in sehr hohem Maße zur Angriffsfähigkeit der Bundeswehr beitragen.

Die deutsche Luftwaffe erhält 60 strategische Transportflugzeuge A 400 M. Die Bundeswehr erhält damit das größte nationale Kontingent aller 180 Maschinen, die die europäischen Partner bei EADS bestellt haben. Der Military-AIRBUS ist ein Schlüsselprojekt und dient offiziell der „Strategischen Verlegefähigkeit in der Luft“. Er kann Kampfhubschrauber TIGER, Transporthubschrauber NH-90, Schützenpanzer PUMA oder das Gepanzerte Transportkraftfahrzeug (GTK) BOXER oder alternativ 116 Soldaten mit Ausrüstung transportieren. Die AIRBUSSE werden so konzipiert, dass fünf PUMA inkl. Schutzmaterial in sechs dieser Propellermaschinen transportierbar sind. Da 10 der 60 Kampfzonentransporter für die Luftbetankbarkeit ausgelegt sind, wäre damit sogar nonstop der weltweite Lufttransport gewährleistet. Die ersten 12 Maschinen sollen 2012 an die Bundeswehr ausgeliefert werden.

Ende Juni 2003 gingen die EUROFIGHTER in Serienproduktion. Bis zu 180 Maschinen sollen für die deutsche Luftwaffe in drei Tranchen bis 2015 beschafft werden. Der Haushaltsauschuss des Bundestages bewilligte nach einem Jahr Verzögerung die zweite Tranche über 68 Maschinen Anfang Dezember 2004. Der Bundesrechnungshof ermittelte für die 180 EUROFIGHTER einen Systempreis inkl. Bewaffnung in Höhe von 24,5 Mrd. Euro. Ein Exemplar des „Eurofressers“ kostet somit 136,1 Mio. Euro. Der Haushaltsausschuss band seine Zusage an Auflagen, wonach „in den Verträgen Regelungen zu vermeiden (seien), die eine Vorentscheidung zur Tranche 3 bedeuten könnten.“[6] Es besteht also durchaus die Möglichkeit, wenigstens die dritte Tranche zu verhindern. Die Vertragsunterzeichnung dürfte etwa im Jahr 2008 anstehen.

Marine

Das konzeptionelle Ziel der Deutschen Marine beschreibt anschaulich der dafür zuständige Referatsleiter im Führungsstab der Marine,[7] Jürgen Mannhardt:

„Die Marine muss befähigt sein, langandauernd sowohl auf offener See als auch in fremden Küstengewässern durchsetzungsfähig operieren zu können. [...] Darüber hinaus wird der Feuerunterstützung von See an Land eine zunehmende Bedeutung zukommen. Durch sie kann der Zugang zum Operationsgebiet von See aus erkämpft werden. [...] Die Marine muss deshalb zur präzisen Bekämpfung von Landzielen auch auf größere Distanz von der Küste befähigt sein.“[8] Neue Fregatten, Korvetten und U-Boote sollen dieses offensive Konzept umsetzen.

Seit Mitte Dezember 2004 sind zwei der drei Fregatten der Klasse F 124 im Dienst. Mit rund 700 Mio. Euro ist jede Fregatte dieser SACHSEN-Klasse (143 m lang, 5.600 tdw) die teuerste deutsche Waffe aller Zeiten. Zum Vergleich, das größte und teuerste Kreuzfahrtschiff der Welt, die 345 m lange Queen Mary 2, kostet nur unwesentlich mehr: 785 Mio. Euro. Die dritte Fregatte soll 2005 in Dienst gestellt werden. Als Führungsschiff wird dieser Fregattentyp erstmalig befähigt sein, eine umfassende Flugabwehr eines Einsatzverbandes, bestehend aus U-Booten, Korvetten, Mineneinheiten und Versorgungsschiffen, zu gewährleisten. Jede Fregatte für sich kann gleichzeitig ca. 250 Luftziele in einem Radius von rund 400 km exakt er-fassen. Vizeadmiral Wolfgang Nolting, der Befehlshaber der Flotte, bezeichnete die SACHSEN als „eines der modernsten und durchsetzungsfähigsten Seekriegsmittel der Welt.“[9] v In engem Zusammenhang damit wurden im Dezember 2001 fünf hochseegängige Korvetten (88 m lang, 1.600 tdw) in Auftrag gegeben. Sie werden – in Umsetzung des Einsatzkonzepts – speziell für den Beschuss fremden Territoriums aus dem küstennahen Seeraum heraus mit einem deutsch-schwedischen Marschflugkörper (RBS 15-Mk3) bewaffnet. Noch hat er eine Reichweite von 200 km, soll aber später auch noch nach 400 km Überlandflug seinen 200 kg-Sprengkopf zur Detonation bringen können. Die Militärzeitschrift Soldat und Technik schwärmt: „Der RBS-15 Mk 3 ist ein vielseitig einsetzbarer und höchst wirkungsvoller Flugkörper mit Landzielbekämpfungs-Fähigkeit, der seinesgleichen sucht.“[10] Die erste Korvette der sogenannten BRAUNSCHWEIG-Klasse ist seit Dezember 2004 im Bau. In den Jahren 2007 und 2008 soll die Indienststellung aller fünf Korvetten erfolgen.

Mitte September 2004 wurde das dritte von vier U-Booten des Typs 212 getauft. Je zwei wer-den bei HDW in Kiel und den Nordseewerken in Emden gebaut. Die U-212 werden die kampfstärksten konventionellen U-Boote der Welt, ermöglicht ihre Brennstoffzellenantriebstechnik doch eine weitgehende Außenluftunabhängigkeit, so dass sie nicht nur quasi lautlos, sondern auch lange, nämlich bis zu drei Wochen, unter Wasser bleiben und dabei 22.000 km zurücklegen können. Ihre Kampfstärke wird erreicht durch sechs neuartige deutsche Schwergewichtstorpedos SEEHECHT, die eine Reichweite von 50 km und eine Geschwindigkeit von 90 km/h haben. Das stellt einen dramatischen Qualitätssprung gegenüber dem Vorgängermodell dar, das lediglich Schiffe in 20 km Entfernung treffen konnte. Zudem – und das ist ein weiteres Novum – kann der SEEHECHT nicht nur Überwasserschiffe, sondern auch U-Boote versenken. Die Verträge für 70 SEEHECHTE, die in Wedel/Holstein gefertigt werden, wurden Mitte 2004 unterzeichnet. Alle vier U-212 sollen bis September 2006 in Dienst gestellt werden. Ein 2. Los mit zwei U-212 ist Bestandteil der Ausrüstungsplanung der Marine.

Heer

Mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2003 wurde vom Kerngedanken der klassischen Landesverteidigung abgerückt hin zur Ausrichtung auch des Heeres auf eine weltweite Interventionsfähigkeit. Die offizielle Namensänderung der Heeresstruktur unterstreicht die Hast, in der die Umstrukturierung nach dem Ende der Bipolarität vor sich geht: Die derzeitige nennt sich offiziell: „Das Heer der Zukunft“, sie soll 2006 abgelöst werden durch „Das neue Heer“. Demnach wird das Heer, das als größte Teilstreitkraft der Bundeswehr die meisten Soldaten in Auslandseinsätzen stellt, künftig auch die meisten Soldaten für die „Eingreifkräfte“ und die „Stabilisierungskräfte“ stellen: 20.700 von 35.000 Mann der „Eingreifkräfte“ und 36.300 der 70.000 Mann „Stabilisierungskräfte“ sollen vom Heer kommen.

Es wird neu eine „Division Eingreifkräfte“ geschaffen, die nach offiziellem Sprachgebrauch „über die speziellen Fähigkeiten verfügen (wird), die sie zur erfolgreichen Führung des Gefechts der verbundenen Waffen im hochintensiven Gefecht befähigt.“[11] Mit anderen Worten: sie sind für den Angriff zuständig. Die „Division Eingreifkräfte“ in Hannover befehligt unter anderem eine Panzer- und eine Panzergrenadierbrigade und ist „aus dem Stand heraus einsetzbar“.[12] Auffällig ist in diesem neuen Konzept die hohe Bedeutung der Artillerie. Dazu der Kommandeur der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein, Brigadegeneral Heinrich Fischer: „Auch im Neuen Heer ist die Artillerie wesentlicher Träger der Feuerunterstützung, des Kampfes mit Feuer und der Aufklärung im gesamten Aufgabenspektrum. Die sowohl für die Eingreif- als auch für die Stabilisierungskräfte geforderte Fähigkeit nach präziser Abstandswirkung zur Vermeidung von verlustreichen Duellsituationen wird durch die Artillerie nahezu unabhängig von Wetter und Tageszeit im gesamten Verantwortungsbereich des Truppenführers echtzeitnah bereitgestellt.“[13] Allein zu den Panzer- und der Raketenartilleriebataillone der „Eingreifkräfte“ zählen 80 „Panzerhaubitzen 2000“ und 40 Raketenwerfer MARS. „Die Panzerhaubitze 2000 ist das zurzeit modernste Rohrwaffensystem der Welt.“[14] Diese Bewertung Fischers spricht für sich. Die Reichweite der Haubitze beträgt 36 km. Sie kann 20 Schüsse in drei Minuten abgeben. Der Mehrfachraketenwerfer MARS „kann Bomblet- und Minenraketen bis zu einer Entfernung von 38,5 km verschießen.“[15] Bombletmunition richtet sich im offiziellen Sprachgebrauch gegen weiche und halbharte Ziele. Zu den Vokabeln ist zu sagen: Soldaten töten keine Menschen, sondern „weiche Ziele“. Die Reichweitensteigerung dieser deutschen Stalinorgeln MARS auf 70 km ist entwickelt und steht vor der Einführung in der Bundeswehr.

Weitere zentrale Verbände der neuen Heeresstruktur stellen die „Division Spezielle Operationen“ DSO (7.300 Mann) und die „Division Luftbewegliche Operationen“ DLO (10.500 Mann) dar. Die DSO, künftig im hessischen Stadtallendorf stationiert, setzt sich aus dem „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) in Calw und den beiden Luftlandebrigaden in Oldenburg und Saarlouis zusammen. Je eine Luftlandebrigade ist für die „Eingreifkräfte“ und eine für die „Stabilisierungskräfte“ vorgesehen. Die DLO in Veitshöchheim umfasst die „Luftbewegliche Brigade“ in Fritzlar mit 80 High-Tech-Kampfhubschraubern TIGER und Infanteriekräften. Die Bundeswehr rühmt sich, mit dieser „Luftbeweglichen Brigade“ „eine deutlich bessere Reaktionsfähigkeit und Wirksamkeit im gesamten Aufgabenspektrum“ geschaffen zu haben. „Mit dieser Aufstellung schaffen wir etwas Neues und stehen damit qualitativ auch international an der Spitze.“[16] So Oberstleutnant i.G. Hans-Jörg Voll, Referent für Grundsatz Struktur und Kampfunterstützung im Führungsstab des Heeres.

Die spezialisierten Elitesoldaten der DSO, die in den Schnellen Eingreiftruppen von NATO (NRF) und den "Battle-Groups" der EU eingesetzt werden, werden digital vernetzt. Diese „Infanteristen der Zukunft“ genannten Elitesoldaten erhalten Kartenmaterial in Minicomputern, GPS, G-36-Gewehr, Restlichtverstärker, Granatwerfer, Wärmebildgerät und Laserentfernungsmesser, das sie wie Science-Fiction-Krieger aussehen lassen. Als „Soldaten der ersten Stunde“ sollen sie zusammen mit gepanzerten Fahrzeugen von der DLO „aus dem Stand heraus“ an die Einsatzorte geflogen werden können. Bis 2008 sollen 1.600 „Infanteristen der Zukunft“ ausgebildet und ausgerüstet sein.

Das wohl kostspieligste Rüstungsprojekt nach dem EUROFIGHTER ist das taktische Luftverteidigungssystem MEADS (Medium Extended Air Defense Systems), das kurz vor dem Aus stand, und wo Struck nun doch „einsteigen“ will. Die Beschaffungsvorlage sieht Kosten von 1 Milliarde Euro für die Entwicklung und 2,85 Milliarden Euro für die Beschaffung von zwölf Einheiten des Systems vor, das von 2012 an das Waffensystem Patriot ersetzen soll.“[17] So die FAZ. Der Bundesrechnungshof legte Anfang März 2005 einen Bericht vor, nach dem er erwarte, „dass die ‚Vollbefähigung’ des Luftabwehrsystems schon nach jetziger Stückzahlplanung ‚mindestens rund sechs Milliarden Euro’ kosten werde. Sollte der Vorrat an Haupt-flugkörpern vermehrt werden, so könne sich diese Summe schnell auf acht bis neun Milliarden Euro erhöhen.“ So der Bundesrechnungshof. Andere Expertenschätzungen gehen sogar von Kosten zwischen 10 und 15 Mrd. Euro aus. Das in den Military-Airbussen transportierbare System wird entwickelt für die Abwehr von Raketen und Marschflugkörpern, die eine Reichweite bis zu 1.000 km haben. Für die Landesverteidigung ist MEADS deshalb sinnlos, weil im Umkreis von bis zu 1.000 km um unser Land herum niemand Raketen auf uns abfeu-ern würde. Die eigene Reichweite der MEADS-Raketen beträgt 30 km. MEADS dient lediglich dem Schutz von Bundeswehrtruppen im Ausland. Der Produktionsbeginn ist für 2012 geplant.

Kostenflut durch Militärische Beschaffungen

Der folgende zusammenfassende Überblick über die kostspieligsten militärischen Beschaffungsprogramme basiert noch auf dem Bundeswehrplan 2002, obwohl Generalinspekteur Schneiderhan im Juni 2004 den Bundeswehrplan 2005 (BwPl05) herausgegeben hat. Er bleibt jedoch unter Verschluss. Es sind die 30 teuersten Projekte aus einer Liste des ehemaligen Generalinspekteurs Kujat, die 213 Militärprojekte umfasst und im März 2001 erstellt wurde. Die Beträge beinhalten Kosten für die Beschaffung inkl. Forschung, Entwicklung und Erprobung (FEE) für die Jahre 2005 bis 2014 in Millionen Euro, Preisstand 9/2001 [18]

Waffen u. AusrüstungenZeitraum Kosten in Mio. Euro Bemerkungen
Satellitenkommunikationssystem SATCOM Bw2005 bis 20141.000--
Integriertes Datenverbundsystem HERKULES 2005 bis 2014 6.665 Vertragsverhandlungen zunächst geplatzt
Militärische Führungsinformationssysteme2005 bis 20141.640--
Radarsatellitenaufklärungssystem SAR Lupe2005 bis 2010470Nutzung ab 2006
Luft/Boden-Überwachungssystem AGS2007 bis 2011850--
6 Strategische Aufklärungsdrohnen EUROHAWK2005 bis 2010610--
152 Transporthubschrauber NH/MH 902005 bis 20144.690nach 2014: 723 Mio.
80 Kampfhubschrauber TIGER2005 bis 20101.700--
PARS LR 2005 bis 2010 160 TIGER-Bewaffnung
410 Schützenpanzer PUMA2005 bis 20123.500Am 17.8.04 wurde bekannt, dass das Herstel-lerangebot statt bei knapp 2 Mrd. um 1,5 Mrd. € höher liegt
600 BOXER (GTK)2005 bis 2009485 luftverladbares Infanteriefahrzeug
6 Drohnensysteme KZO2005 bis 2008 155 60 Aufklärungsdrohnen
LKW 2005 bis 2010 350--
Feldlager 2005 bis 2009 80 --
Sanitätsmodule2005 bis 2014545--
180 EUROFIGHTER2005 bis 20149.864--
1.250 Luft-Luft-Raketen IRIS-T2005 bis 2011 510für EUROFIGHTER
600 Luft-Luft-Raketen METEOR2005 bis 2014 300nach 2014: 267 Mio. für EUROFIGHTER
600 Marschflugkörper TAURUS2005 bis 2011627 --
60 A 400 M2005 bis 20146.610nach 2014: > 1 Mrd.
Taktisches Luftverteidigungssystem MEADS2005 bis 2012 995 reine Entwicklungskosten
8 MarineaufklärungsflugzeugeORION 2005/06 340--
3 Fregatten F 1242004 bis 200685 Restkosten (insgesamt ca. 2,1 Mrd.)
4 Fregatten F 1252008 bis 2014 nach 2014: 200 Mio. Struck befürwortet ein Vorziehen auf 2006
5 Korvetten K 1302005 bis 2008580--
60 Marschflugkörper RBS-15 Mk 32005 bis 2011210Für Korvetten
2 U-Boote 2122005 bis 20115602. Los
3. Einsatzgruppenversorger2007 bis 2010250--
Zusammen--45.671 --


Für die zehn Jahre von 2005 bis 2014 ergibt sich dafür eine Gesamtsumme von 45,7 Mrd. Euro. Die Summe für sämtliche militärischen Beschaffungen dürfte erfahrungsgemäß etwa um die Hälfte höher liegen. Es muss also nach derzeitigem Wissenstand bis 2014 mit Ausgaben für neue Waffen und Ausrüstungen inkl. FEE in Höhe von knapp 70 Mrd. Euro gerechnet werden. Der tatsächliche Betrag wird höher liegen, weil Preissteigerungen, die bei Rüstungsinvestitionen erfahrungsgemäß oberhalb der Inflationsrate liegen, dazu kommen werden.

Fußnoten
  1. FAZ 21.1.04
  2. ebenda
  3. The Military Balance 2002/2003, S. 30
  4. http://www.bmvg.de/sicherheit/europa/040331_milit_strukturen.php
  5. Gerald Oberansmayr, Auf dem Weg zur Supermacht, Wien 2004, 143 Seiten, S. 87
  6. Strategie und Technik Januar 2005, S. 6
  7. Im Bundesverteidigungsministerium für „Operative Grundsatzangelegenheiten der Marine zuständige Referatsleiter“, Kapitän zur See Jürgen Mannhardt.
  8. Soldat und Technik, Juni 2004, S. 50
  9. Soldat und Technik 12/2004, S. 5
  10. Soldat und Technik, 11/2002, S. 50
  11. Hans Jörg Voll, Oberstleutnant i. G., Das Neue Heer, Strategie und Technik März 2005, S. 21; im weiteren: Voll
  12. ebenda
  13. Heinrich Fischer, Die Artillerie im Neuen Heer, Strategie und Technik März 2005, S. 25
  14. ebenda
  15. ebenda
  16. Voll, S. 20
  17. FAZ 7.3.05; Der deutsche Anteil an den Entwicklungskosten des US-deutsch-italienischen Projekts beträgt 28 % (Das Parlament 1.11.2004)
  18. Quelle meist: http://www.geopowers.com/Machte/Deutschland/Rustung/Rustung_2004/R_-2005__.pdf
* Lühr Henken, Jahrgang 1953, ist Vorstandsmitglied des Hamburger Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V., Mitglied im SprecherInnenrat des Bundesausschusses Friedenratschlag und Beirat der Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI), Tübingen.


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