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Richtlinien für Rüstungsexporte aus europäischen Ländern

Die großen sechs Staaten vereinbaren einen Rahmen

Im Folgenden dokumentieren wir wichtige Teile aus dem Vertragsentwurf, den die Verteidigungsminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Schwedens, Italiens und Spaniens im Juli 2000 unterschreiben wollen. Es geht in diesem Vertrag um den künftigen Umgang mit dem Export von Waffen, die in internationaler Co-Produktion hergestellt werden. Der Text, der auch Bestimmungen zur Geheimnisweitergabe und zum Technologietransfer enthält, soll nach der noch ausstehenden formellen Zustimmung durch die Regierungen am 24. Juli von den Verteidigungsministern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Schwedens, Italiens und Spaniens unterschrieben werden.

Wir folgen einer Dokumentation der Frankfurter Rundschau vom 6. Juli 2000. Die FR druckte jene Passagen aus dem Rahmenvertrag ab, "die auf deutscher Seite neben den verschärften nationalen Exportrichtlinien stehen werden".


ARTIKEL 12

(1) Dieser Artikel befasst sich mit der Weitergabe von Wehrmaterial und zugehörigen leistungsbezogenen Dienstleistungen zwischen den Vertragsparteien im Zusammenhang mit einem kooperativen Rüstungsprogramm.
(2) Als notwendige Genehmigungen werden, sofern solche auf Grund der innerstaatlichen Vorschriften jeder Vertragspartei erforderlich sind, umfassende Projektlizenzen verwendet, wenn die Weitergabe zur Durchführung des Programms nötig ist oder wenn sie für die nationale militärische Nutzung durch eine der Vertragsparteien bestimmt ist.
(3) Die Erteilung einer umfassenden Projektlizenz entbindet für die Dauer der Gültigkeit der Lizenz von der Notwendigkeit besonderer Genehmigungen für die Weitergabe des betreffenden Wehrmaterials und der zugehörigen rüstungsbezogenen Dienstleistungen zu den durch diese Lizenz zugelassenen Bestimmungsorten.
(4) Die Bedingungen für die Erteilung, die Rücknahme und den Widerruf der umfassenden Projektlizenz werden von jeder Vertragspartei unter Berücksichtigung ihrer Verpflichtungen im Rahmen dieses Übereinkommens festgelegt.

ARTIKEL 13

(1) Dieser Artikel befasst sich mit Exporten von Wehrmaterial und den zugehörigen leistungsbezogenen Dienstleistungen, die im Rahmen eines nach Artikel 12 durchgeführten kooperativen Rüstungsprogramms entwickelt oder hergestellt wurden, an eine Nichtvertragspartei.
(2) Die ein kooperatives Rüstungsprogramm durchführenden Vertragsparteien vereinbaren grundsätzliche Richtlinien zur Regelung von Exporten aus diesem Programm an Nichtvertragsparteien sowie Verfahren für diesbezügliche Exportentscheidungen. In diesem Zusammenhang legen die teilnehmenden Vertragsparteien für jedes Programm einvernehmlich Folgendes fest:
a) Die Merkmale des betreffenden Geräts. Diese können die endgültigen Spezifikationen umfassen oder einschränkende Klauseln für bestimmte funktionale Zwecke enthalten. Erforderlichenfalls werden die vereinbarten Beschränkungen, die im Hinblick auf Funktion, Instandhaltung oder -setzung für Exporte nach verschiedenen Bestimmungsorten aufzuerlegen sind, einzeln aufgeführt. Sie werden aktualisiert, um den technischen Verbesserungen des im Rahmen des Programms hergestellten Wehrmaterials Rechnung zu tragen.
b) Die zulässigen Export-Bestimmungsorte, die nach dem in Absatz 3 dargelegten Verfahren festgelegt und überprüft wurden.
c) Bezugnahmen auf Embargos. Diese Bezugnahmen werden vor dem Hintergrund jeder Ergänzung oder Änderung einschlägiger Resolutionen der Vereinten Nationen und/oder Entscheidung der Europäischen Union automatisch aktualisiert. Andere internationale Embargos könnten, wenn Einvernehmen hierüber besteht, einbezogen werden.
(3) Die Festlegung und die Überprüfung zulässiger Export-Bestimmungsorten erfolgen nach den nachstehenden Grundsätzen und Verfahren:
a) Die Festlegung zulässiger Export-Bestimmungsorte und spätere Ergänzungen hierzu obliegen den am kooperativen Rüstungsprogramm teilnehmenden Vertragsparteien. Diesbezügliche Entscheidungen werden im Anschluss an entsprechende Konsultationen durch Konsens getroffen. Bei diesen Konsultationen werden unter anderem die nationale Exportkontrollpolitik der Vertragsparteien, die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen, einschließlich der Kriterien des EU-Verhaltenskodex, und der Schutz der Verteidigungsinteressen der Vertragsparteien, einschließlich der Erhaltung einer starken und wettbewerbsfähigen europäischen rüstungsindustriellen Basis, berücksichtigt. Wünscht die Industrie zu einem späteren Zeitpunkt die Aufnahme eines weiteren zulässigen Bestimmungsorts, so soll sie diese Forderung so früh wie möglich an die betroffenen Vertragsparteien herantragen, um in den Vorteil der in diesem Artikel niedergelegten Verfahren zu gelangen.
b) Ein zulässiger Export-Bestimmungsort darf nur gestrichen werden, wenn in dem betreffenden Land einschneidende Veränderungen der inneren Lage eintreten beispielsweise bei Ausbruch eines allgemeinen Bürgerkriegs oder bei einer ernsthaften Verschlechterung der Menschenrechtslage oder wenn das Verhalten des Landes eine Bedrohung des regionalen Friedens oder des Weltfriedens sowie der regionalen oder internationalen Sicherheit und Stabilität darstellt, zum Beispiel als Folge einer Aggression oder der Androhung einer Aggression gegen andere Staaten. Können sich die am Programm teilnehmenden Vertragsparteien über die Streichung eines zulässigen Export-Bestimmungsorts auf Arbeitsebene nicht einigen, so wird die Angelegenheit den Ministern zur Entscheidung vorgelegt. Dieser Vorgang soll nicht mehr als drei Monate - gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Streichung des zulässigen Bestimmungsorts erstmals vorgeschlagen wurde - in Anspruch nehmen. Jede an dem Programm beteiligte Vertragspartei kann für die Dauer dieses Vorgangs ein Moratorium für den Export des Produkts zu dem betreffenden zulässigen Bestimmungsort verlangen. Nach Ablauf dieser Frist wird dieser Bestimmungsort aus der Liste der zulässigen Bestimmungsorte gestrichen, es sei denn, es wurde Einvernehmen über seine Beibehaltung erzielt.
(4) Sobald Einigung über die in Absatz 2 genannten Exportgrundsätze erzielt worden ist, obliegt es der Vertragspartei, in deren Gerichtsbarkeit der Exportvertrag fällt, eine Exportlizenz für die zulässigen Export-Bestimmungsorte zu erteilen.
(5) Nicht am kooperativen Rüstungsprogramm teilnehmende Vertragsparteien holen vor Genehmigung eines Reexports von ihm Rahmen dieses Progamms hergestelltem Wehrmaterial an Nichtvertragsparteien die Zustimmung hierfür von den an diesem Programm teilnehmenden Vertragsparteien ein.
(6) Die Vertragsparteien verpflichten sich, Endnutzerzusicherungen für Exporte von Wehrmaterial an zulässige Bestimmungsorte einzuholen und bei Eingang von Reexport-Ersuchen Konsultationen mit den betreffenden Vertragsparteien aufzunehmen. Gehört der angestrebte Reexport-Bestimmungsort nicht zu den zulässigen Export-Bestimmungsorten, so finden die in Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe a erläuterten Verfahren auf diese Konsultationen Anwendung.
(7) Die Vertragsparteien verpflichten sich ferner, von Fall zu Fall bestehende Übereinkünfte über kooperative Rüstungsprogramme und die mit derzeit laufenden kooperativen Rüstungsprogrammen einhergehenden Verpflichtungen mit dem Ziel zu überprüfen, nach Möglichkeit dahingehend Einvernehmen zu erzielen, die in Artikel 12 und in diesem Artikel niedergelegten Grundsätze und Verfahren auf diese Programme anzuwenden.

ARTIKEL 14

(1) Dieser Artikel befasst sich mit Weitergaben und Exporten in Bezug auf ein Programm, das im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Herstellern innerhal der Gerichtsbarkeit von zwei oder mehr Vertragsparteien duchgeführt worden ist.
(2) Führen übernationale Rüstungsunternehmen oder sonstige Rüstungsunternehmen ein Programm zur Entwicklung oder Herstellung von Wehrmaterial im Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Vertragsparteien durch, das nicht im Rahmen eines zwischenstaatlichen Programms verwirklicht wird, so können sie ihre zuständigen innerstaatlichen Behörden um Genehmigung und Bestätigung ersuchen, dass dieses Programm für die in den Artikeln 12 und 13 dargelegten Verfahren geeignet ist.
(3) Liegt diese Genehmigung von allen betroffenen Vertragsparteien vor, so finden die in Artikel 12 und in Artikel 13 Absätze 2, 3, 4 und 6 genannten Verfahren auf das betreffende Programm uneingeschränkt Anwendung. Die betroffenen Vertragsparteien unterrichten die anderen Vertragsparteien über den Stand des Programms infolge der Genehmigung. Diese anderen Vertragsparteien sind dann dazu verpflichtet, Artikel 13 Absatz 5 anzuwenden.

ARTIKEL 15

Im Frühstadium der Entwicklung einer industriellen Zusammenarbeit können Weitergaben zwischen den Vertragsparteien für die ausschließliche Nutzung durch die betroffenen Industrien auf der Grundlage von umfassenden Projektlizenzen genehmigt werden, die von den entsprechenden Vertragsparteien gewährt werden.

ARTIKEL 16

(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, vereinfachte Lizenzverfahren für die außerhalb eines zwischenstaatlichen Kooperationsprogramms oder eines genehmigten Industriekooperationsprogramms erfolgende Weitergabe von Bauteilen oder Teilsystemen anzuwenden, die im Rahmen von Unterauftragsverhältnissen zwischen den in den Hoheitsgebieten der Vertragsparteien befindlichen Industrien hergestellt wurden.
(2) Die Vertragsparteien beschränken die Verwendung der von staatlicher Seite ausgestellten Endnutzerbescheinigungen und das Erfordernis internationaler Importbescheinigungen für die Weitergabe von Bauteilen auf ein Mindestmaß; dies geschieht möglichst zu Gunsten der Verwendung von Unternehmensnutzungsbescheinigungen.

ARTIKEL 17

(1) Dieser Artikel befasst sich mit der Weitergabe von Wehrmaterial und zugehörigen rüstungsbezogenen Dienstleistungen, das/die innerstaatlich hergestellt beziehungsweise erbracht wurde(n) und nicht in den Anwendungsbereich der Artikel 12 oder 13 bis 16 fällt/fallen, zwischen den Vertragsparteien.
(2) Als Beitrag zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bemühen sich die Vertragsparteien nach besten Kräften um Straffung der innerstaatlichen Lizenzvergabeverfahren für diese Weitergaben von Wehrmaterial und zugehörigen rüstungsbezogenen Dienstleistungen an eine andere Vertragspartei.

ARTIKEL 18

Die Erteilung einer umfassenden Projektlizenz befreit die betreffenden Weitergaben von Wehrmaterial zwischen den Vertragsparteien nicht von anderen einschlägigen Vorschriften wie zum Beispiel Transitvorschriften oder Vorschriften in Bezug auf Zollpapiere. Die Vertragsparteien stimmen darin überein, die Möglichkeit der Vereinfachung oder Verringerung von Verwaltungsvorschriften für Weitergaben im Rahmen dieses Übereinkommens zu prüfen.

Aus: FR, 06.07.2000

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