Der Dollar-Thron wackelt
China und Russland einigen sich auf eigenes System zum grenzüberschreitenden Finanzhandel. US-Währung verliert immer mehr an Bedeutung
Von Rainer Rupp *
Vor dem Hintergrund der Krisen in der Ukraine und in Griechenland ist am Mittwoch die Meldung des auf Finanz- und Wirtschaftsnachrichtern spezialisierten Internetportals Zero Hedge kaum wahrgenommen worden, wonach sich nicht nur die »Entdollarisierung« des internationalen Handels- und Zahlungsverkehrs »weiter beschleunigt«, sondern Russland auch »drei Monate früher als erwartet« den Start der russisch-chinesischen Alternative zum westlichen SWIFT-System (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) angekündigt hat. Russland und China scheinen fest entschlossen, die Dominanz des US-Dollars als Weltwährungsreserve zu brechen.
Das in Belgien beheimatete westliche SWIFT bietet mehr als zehntausend Finanzinstituten rund um die Welt ein bis 2013 für sicher gehaltenes Kommunikationsnetzwerk, über das alltäglich Transaktionen von Billionen US-Dollar abgewickelt werden. Die UdSSR trat diesem globalen Interbankensystem im Jahr 1989 bei. Seit Auflösung der Union wurde die Russische Föderation zu einem der aktivsten Nutzer. Im Jahr 2013 wurde dann bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA alle über SWIFT laufenden Geschäftsbeziehungen und Geldtransaktionen elektronisch ausspionierte.
Moskau und Peking haben nicht nur miteinander, sondern inzwischen auch mit einer ganzen Reihe von wichtigen Drittländern wie Brasilien, Südafrika, Indien, Iran, Vietnam, den zentralasiatischen Staaten Abkommen geschlossen, wonach bilateraler Handel einschließlich Energielieferungen und Finanztransaktionen statt wie bisher in US-Dollar künftig in den jeweils nationalen Währungen abgewickelt werden. Kaum ein Staatsbesuch oder internationales Treffen vergeht, ohne dass die Entdollarisierung vorangetrieben würde, wie etwa jüngst beim Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Kairo, der laut Westmedien angeblich »weltweit total isoliert« ist.
Je mehr Länder solche Vereinbarungen unterzeichnen, desto deutlicher geht der internationale Bedarf an US-Dollar zurück und umso näher rückt der Zeitpunkt, wo das Zahlungsmittel von seinem Thron als Weltwährungsreserve gestürzt wird. Das hätte eine nachhaltige Schwächung der politischen und militärischen Macht des US-Hegemons zur Folge. Denn der brauchte bisher nur grünes Papier mit dem Dollar-Zeichen zu bedrucken, und schon nahmen andere Länder die Zettel als Bezahlung für die Lieferung realer Produkte, beispielsweise Öl und Maschinen, oder als Miete für die weltweiten US-Militärbasen entgegen. Auch wickelten fast alle Länder ihren internationalen Zahlungsverkehr mit dem US-Dollar ab. Sie behandelten zugleich die US-Dollarscheine wie Gold, und ihre Zentralbanken horteten sie als Reserve für schlechte Tage. Nur deshalb konnten die USA in der Vergangenheit auf ihrem viel zu großen Fuß leben.
Aber inzwischen wächst das Misstrauen. Seit Beginn der US-Finanz- und Wirtschaftskrise hat die faktisch bankrotte Notenbank frisch gedruckte Scheine im Wert von vielen Billionen US-Dollar in den weltweiten Umlauf gebracht, die durch nichts gedeckt sind. Zugleich trägt die Schuldenlast der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika in Höhe von inzwischen mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nicht gerade zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Währung bei. Wenn aber der US-Dollar erst einmal seinen Status als Reservewährung verloren hat, dann können die USA nicht länger »als Parasit« am Körper der Weltwirtschaft saugen, wie das der russische Präsident Putin unlängst beschrieben hat. Statt dessen müssten sie das Geld für ihre Importe erst einmal durch Export verdienen. Damit aber sieht es angesichts des riesigen Handelsbilanzdefizits der USA düster aus.
Auch die US-Haushaltsdefizite, die zu einem guten Teil von den gigantischen Militärausgaben verursacht werden, werden inzwischen nur noch zu einem geringeren Teil durch den Verkauf von US-Schatzbriefen im Ausland gedeckt. Das heißt, dass die US-Amerikaner zunehmend ihre Kriege selbst bezahlen müssen. Das ginge nur über eine Erhöhung der Steuern, was innenpolitisch schwer durchzusetzen wäre und dadurch zu einem Rückgang der Kriegslüsternheit der Regierung führen könnte. Auch ein entdollarisiertes SWIFT-System könnte diese Entwicklung beschleunigen.
Der letzte Tropfen nach den Ausspähenthüllungen im Jahr 2013, der das Fass der russischen und chinesischen Geduld zum Überlaufen brachte, fiel 2014, als der britische Regierungschef David Cameron wegen der Ukraine-Krise den Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System forderte. Daraufhin kündigten Russland und China an, bis Mai 2015 ihre eigene Organisation einzuführen. Früher als erwartet gab Moskau am Mittwoch bekannt, dass bereits 91 der etwa 600 russischen international operierenden Kreditinstitute mit dem neuen sino-russischen »SWIFT«-System arbeiten.
* Aus: junge Welt, Samstag, 21. Februar 2015
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