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Drohnen für die Heimatfront

INDECT-Programm: EU unterstützt Hochtechnologieforschung für Überwachung europäischer Städte

Von Stefan Inführ *

Es hätte ein wichtiger Erfolg der europäischen Drohnenlobby sein sollen: In der vergangenen Woche spürte die britische Polizei nach eigenen Aussagen erstmals einen Verdächtigen mit Hilfe eines unbemannten Fluggeräts (UAV) auf. Allerdings sind UAV-Flüge im zivilen Luftraum rechtlich nicht gedeckt, weswegen die britische Luftfahrtbehörde CAA inzwischen Ermittlungen gegen die verantwortliche Polizeidienststelle aufgenommen hat.

Tatsächlich sind die vorgeblich einer »Sicherheit der Bevölkerung« dienenden Fluggeräte selbst ein Sicherheitsrisiko. Generell sind Drohnenflüge vor allem wegen der stark eingeschränkten Sicht, der Zeitverzögerung und der fehlenden Kommunikation mit Luftleitstellen in Europa nicht erlaubt. Dagegen macht nun ein Bündnis aus Europäischer Verteidigungsagentur (EDA) und Rüstungskonzernen mobil. So wurden kürzlich zwei Tochterunternehmen des EADS-Konzerns mit der Erstellung einer Studie beauftragt, die noch in diesem Jahr die Sicherheit von UAVs im zivilen Luftraum nachweisen soll. Der Hersteller mehrerer Drohnen wird diesen »Beweis« wohl gerne erbringen.

Trotz fehlender Rechtsgrundlagen forscht die EU seit Jahren an der Entwicklung unbemannter Überwachungsfluggeräte. So beschäftigen sich allein drei Projekte im Bereich »Sicherheit« des 7. Forschungsrahmensprogramms mit dem Einsatz von UAVs im zivilen Luftraum. Das vielleicht bekannteste von ihnen, INDECT, erforscht Grundlagen zu einem dauerhaften Einsatz von Drohnen insbesondere über Ballungszentren. Ein erster »Probelauf« ist bereits für die Olympischen Spiele in London 2012 geplant.

Zwei weitere Programme befassen sich mit dem drohnengestützten Aufspüren von Flüchtlingen an den Grenzen der »Festung Europa«: TALOS im Landbereich und WIMA²S, das insbesondere im Mittelmeer gegen afrikanische Flüchtlinge eingesetzt werden soll. In einem der britischen Tageszeitung Guardian vorliegenden Bericht wurde jüngst das Ausmaß der geplanten Überwachungsorgien erahnbar. Die Drohnenflüge sollen demnach »routinemäßig« stattfinden. Über den Verkauf der gewonnenen Daten an Unternehmen sei zumindest diskutiert worden. Die mit Infrarotkameras und Sensoren ausgestatteten UAVs sollen vollautomatisch auf zuvor festgelegten Routen unterwegs sein, die gewonnenen Daten werden in einer zentralen Leitstelle ausgewertet.

Unbemannte Fluggeräte sind allerdings nur ein Teil des INDECT-Programms. Dessen Ziel ist es, Informationen zu vernetzen und auszuwerten, die aus unterschiedlichen Quellen stammen - unter anderem Überwachungskameras, Mailverkehr, Suchabfragen im Internet, Auswertung von Geldüberweisungen. Anstatt zu konkreten Tatbestände zu ermitteln soll die gesamte Bevölkerung systematisch durchleuchtet werden.

Das Konzept ist nicht neu, sondern die zivile Ausführung dessen, was im militärischen Bereich C4ISR genannt wird. Dieses von den US-Streitkräften entwickelte Abkürzung (»Führung und Steuerung, Kommunikation, Computer, Informationsbeschaffung, Überwachung und Aufklärung«) steht für die Vernetzung sämtlicher Überwachungs- und Führungssysteme zur Schaffung eines umfassenden Lagebilds in Kriegsgebieten.

Allein das INDECT-Programm läßt sich die EU 15 Millionen Euro kosten. Ein guter Teil davon fließt direkt in die Forschungsabteilungen großer Rüstungkonzerne wie BAE, Thales oder EADS. Praktischerweise sitzen ebendiese Konzerne im Beratungsgremium des EU-Sicherheitsforschungsprogrammes und können sich so selbst Aufträge zuschanzen. Schließlich sollen neue Absatzmärkte für die für Kriegseinsätze entwickelten Fluggeräte geschaffen werden.

* Aus: junge Welt, 19. Februar 2010

Siehe auch:
Brisante Drohnen über Europa
EU-Forschungsgelder für Rüstungszwecke.


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