Brisante Drohnen über Europa
EU-Forschungsgelder für Rüstungszwecke
Von David Cronin (IPS), Brüssel *
Die zivile Luftfahrt wird sich demnächst wohl den Himmel über Europa mit
sogenannten Drohnen teilen müssen. Wenn es nach den Plänen der
Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) geht, dann soll es schon 2012
die ersten Testflüge mit den unbemannten Flugkörpern (Unmanned Aerial
Vehicles - UAV) geben. Bürgerrechtsorganisationen üben massive Kritik an
dem Projekt, das viele Millionen Euro EU-Forschungsgelder verschlingt.
Mit Raketen bestückt, sind Drohnen gefürchtete, tödliche Waffen, die
etwa in Pakistan Aufständische ins Visier nehmen und dabei auch viele
Zivilisten treffen. Etliche hochrangige Militärs wie der australische
General David Kilcullen, einst Berater der US-Streitkräfte in Irak,
raten inzwischen vom weiteren Kriegseinsatz der UAV ab. Sie hätten seit
2006 in Pakistan zwar 14 Al-Qaida-Führer getötet, doch mussten rund 700
unschuldige Zivilisten diesen militärischen Erfolg mit ihrem Leben bezahlen.
Als Alexander Weis, der Direktor der Europäischen Verteidigungsagentur,
vor dem Europäischen Parlament das von etlichen EU-Regierungen
geförderte UAV-Projekt erläuterte, räumte er ein, dass Drohnen bislang
den Luftraum in ihrer Umgebung nicht beobachten können. Das Problem
möglicher Kollisionen mit Flugzeugen sei jedoch durch den Einbau
zusätzlicher Technik lösbar, betonte der deutsche Rüstungsexperte. Er
hat vor seinem Wechsel nach Brüssel im Verteidigungsministerium in
Berlin die Hauptabteilung Rüstung geleitet.
EDA-Quellen versichern, die neuen Drohnen seien unbewaffnet und sollten
vorrangig Überwachungs- und Rettungszwecken dienen. Doch eine im Auftrag
der Europäischen Kommission 2006 durchgeführte Studie der Beratungsfirma
Frost & Sullivan kam zu dem Schluss, dass sich zivile und militärische
Zwecke beim Einsatz von UAV nicht säuberlich trennen lassen. Mit Hilfe
der zunehmend in Europa eingekauften Drohnen ließen sich sowohl
öffentliche Menschenansammlungen wie Seegebiete überwachen. So setzte
die italienische Regierung im Vorjahr solche UAV zur Sicherung des G
8-Gipfels in Avila ein.
Aus zuverlässigen Quellen in Brüssel ist zu erfahren, dass man auch im
Pentagon die Drohnen-Pläne der EU mit großem Interesse beobachtet.
Washington hoffe, dass mit ihnen der Weg für globale Standards geebnet
wird, die den Einsatz in allen Lufträumen erlauben würden. Wie Frank
Slijper von der Nichtregierungsorganisation »Dutch Campaign Against the
Arms Trade« kritisiert, folgten immer mehr Länder dem Bespiel der USA
und kauften Drohnen für militärische Zwecke. Zudem muss man davon
ausgehen, dass im Drohnen-Programm der EDA auch Technologien verwendet
werden, die Israel, das zu den marktführenden Herstellern gehört, in den
besetzten Palästinensergebieten und in Libanon eingesetzt hat. Im Juni
dieses Jahres hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
(HRW) in einer detaillierten Dokumentation nachgewiesen, wie beim
Angriff gegen Gaza vor einem Jahr zahlreiche zivile Ziele wie Wohnhäuser
oder eine UN-Schule mit israelischen Drohnen zerstört worden sind.
Inzwischen stocken etliche EU-Länder ihre Rüstungsarsenale mit solchen
Flugkörpern auf. Drohnen im Wert von 53 Millionen Dollar hat z.B. das
holländische Verteidigungsministerium im März bei »Aeronautics« in
Israel bestellt. Sie sind für die Truppen in Afghanistan bestimmt.
Die Europäische Verteidigungsagentur finanziert ihr Drohnen-Programm aus
dem für 2007 bis 2013 mit 53 Milliarden Euro ausgestatteten
EU-Haushaltsposten für wissenschaftliche Forschung. Nach Ansicht des
Aktivisten Ben Hayes von der Bürgerrechtsbewegung »Statewatch« ist die
Unterstützung der Rüstungsindustrie durch EU-Forschungsmittel
außerordentlich bedenklich.
* Aus: Neues Deutschland, 22. Dezember 2009
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