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Aufklärungsdrohne Eurohawk - Sicherheitsrisiko für den zivilen Luftverkehr über Deutschland?

Ein Beitrag von Axel Schröder aus der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *

Andreas Flocken (Moderator):

In den Luftstreitkräften sind ferngesteuerte Flugzeuge und Flugkörper auf dem Vormarsch. Die Bundeswehr versucht, bei dieser Entwicklung nicht den Anschluss zu verlieren. Schon demnächst soll der sogenannte Eurohawk über Norddeutschland kreisen. Die neuen Flugsysteme - sind sie ein Sicherheitsrisiko für den zivilen Luftverkehr? Axel Schröder ist dieser Frage nachgegangen:

Manuskript Axel Schröder

Immer öfter kommen in bewaffneten Konflikten unbemannte, ferngesteuerte Fluggeräte zum Einsatz. Die kleineren heißen Drohnen: Sie gehören bereits zum Arsenal der Bundeswehr und werden inzwischen auch in Afghanistan eingesetzt. Die größeren Systeme werden UAVs genannt: Unmanned Aerial Vehicles, unbemannte Luftfahrzeuge. - Das erste eigens für die deutsche Luftwaffe entwickelte UAV soll der Eurohawk werden. Luftwaffen-Sprecher Hartmut Beilmann:

O-Ton Beilmann
"Der Eurohawk basiert auf dem so genannten Global Hawk, also eines US-produzierten Fluggerätes. Er ist aber ansonsten eine Eigenproduktion, die in Amerika gebaut wird. Und der Erstflug hierfür ist für den Jahreswechsel vorgesehen. Der Testbetrieb läuft bereits, er wurde aufgenommen am 15. Juni diesen Jahres in Palmdale/Kalifornien."
Mit 40 Metern Spannweite ist der Eurohawk eines der größten UAVs weltweit, ein Rolls-Royce-Düsentriebwerk kann die Maschine auf über 600 Kilometer pro Stunde beschleunigen. 1,4 Tonnen Aufklärungstechnik kann der Eurohawk in 20 Kilometer Höhe tragen. Und dort wesentlich länger verweilen als das alte bemannte Aufklärungssystem, die Propellermaschine Breguet Atlantic:

O-Ton Beilmann
"Der Eurohawk wird Stunden - wir sprechen hier von über einem Tag - im Einsatz sein können und über einem bestimmten Einsatzgebiet ständig aktuelle Bilder und Daten liefern können."
Der Zeitplan für die Einführung des Eurohawks scheint allerdings sehr ambitioniert: ginge es nach den Wünschen der Luftwaffe, würde sich das System bereits in knapp zwei Jahren den Himmel über Deutschland mit der zivilen Luftfahrt teilen. Obwohl das Luftverkehrsgesetz einen gemischten Verkehr von bemannten und unbemannten Jets bisher verbietet. Und obwohl die technischen Sicherheitssysteme des Eurohawks noch keineswegs ausgereift sind - so sieht es der ehemalige Phantomjetpilot Werner Schweizer. Er setzt sich schon seit Ende der 80er Jahre für mehr Sicherheit am Himmel ein. Sieben Jahre lang hat er im Auftrag der Luftwaffe Flugzeugkatastrophen am deutschen Himmel untersucht. Heute arbeitet er für die Firma GFD, die Gesellschaft für Flugzieldarstellung. Schweizer und seine Kollegen inszenieren fast täglich Trainingsluftkämpfe für die deutsche Luftwaffe. Er macht klar: das wichtigste Sicherheitsprinzip über den Wolken ist "See and Avoid" - "Die Gefahr - zum Beispiel ein heranrasendes Flugzeug - sehen und ausweichen". An 80 Prozent aller Flugunfälle ist nach Schweizers Angaben der Pilot schuld, aber dies spricht keineswegs für unbemannte Luftfahrzeuge:

O-Ton Schweizer
"Man müsste aber umgekehrt die Statistik auch mal betrachten: wie viele Unfälle verhindert der Pilot? Also, beim französischen Safety-Management-System der Air-France hat sich klar herausgestellt, dass der Pilot die größte und wichtigste Sicherheitseinrichtung im Gesamtsystem Luftfahrt einfach ist. Und das finde ich schon eine interessante Aussage auch im Hinblick auf UAVs!"
Denn im Eurohawk gibt es keinen Piloten. Das System wird vom Boden aus ferngesteuert. "See and Avoid" soll deshalb durch "Sense and Avoid" ersetzt werden: statt wacher Pilotenaugen sollen Sensoren auf drohende Kollisionen hinweisen. Aber die sind zurzeit noch viel zu kurzsichtig, erklärt Werner Schweizer:

O-Ton Schweizer
"Also ,Sense and Avoid' kann derzeit noch nicht so weit sehen wie es das menschliche Auge kann. Man spricht momentan von circa 400 bis 500 Metern. Innerhalb dieses Bereiches wäre dann dieses unbemannte Luftfahrzeug in der Lage, einem Hindernis oder einem anderen Flugzeug auch auszuweichen."
Und diese maximal 500 Meter sind viel zu wenig, um rechtzeitig auf drohende Kollisionen oder Abstürze zu reagieren, so der Luftfahrtexperte. Denn schon bei Geschwindigkeiten von rund 120 Metern pro Sekunde blieben den Piloten der aufeinander zu rasenden Luftfahrzeuge nur rund 3 Sekunden, um zu reagieren. Dabei sitzt der Pilot des Eurohawks weit entfernt in der Bodenstation und ist per Funk, Datenlink, per Satellit mit dem Fluggerät verbunden. Und allein die Datenübertragung vom Himmel zur Erde dauert über eine Sekunde. Weil die elektronischen Augen kaum einen Sicherheitsgewinn bringen, haben die Amerikaner im baugleichen Global Hawk ein zweites Sicherheitsinstrument verbaut: das so genannte "TCAS". TCAS steht für "Traffic Collision Avoidance System":

O-Ton Schweizer
"Das erste Sicherheitslayer ist natürlich das ,Sense and Avoid-System'. Und dann kommt schon das TCAS-System, das ,Traffic Collision and Avoidance-System'. Anders wäre das gar nicht akzeptabel. Und sie müssen ja Akzeptanz finden bei der bemannten Luftfahrt."
Das von Werner Schweizer für den Eurohawk geforderte TCAS-System ist mittlerweile weltweit Standard auch in Linienjets: ein Transponder sendet während des Fluges die eigene Höhe, den Standort und die Geschwindigkeit an alle anderen Luftfahrzeuge. Und das TCAS-System macht in gefährlichen Situationen sogar Ausweichvorschläge. Aber statt das bewährte TCAS auch im Eurohawk zu nutzen, soll ein deutsches, noch nicht zertifiziertes, dem TCAS ähnliches System zum Einsatz kommen. Mehr Sicherheit brächte dieses System allerdings nur, wenn es wie z. B. in den Niederlanden eine Transpondereinschaltpflicht für alle Luftfahrzeuge über Deutschland gäbe. Ohne eine solche Regelung bliebe das TCAS des Eurohawks nutzlos.

Ob der Eurohawk, der voraussichtlich Mitte nächsten Jahres von den USA zum EADS-Standort im süddeutschen Manching überführt werden soll, am Ende für flugtüchtig erklärt wird, entscheidet das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung. Dort wird entschieden, ob der unbemannte Jet tatsächlich die gleichen Sicherheitsanforderungen erfüllt wie ein bemannter Flieger. Nur dann ist, aus technischer Sicht, ein gemischter Verkehr von UAVs und zivilen Luftfahrzeugen möglich. - Dem Zeitplan der Luftwaffe, diesen Mischverkehr schon 2011 zu starten, stehen aber neben den technischen Unwägbarkeiten noch komplexe rechtliche Hürden entgegen. Das weiß auch Luftwaffensprecher Hartmut Beilmann:

O-Ton Beilmann
"Im Moment sagt das internationale Recht hierzu noch nichts aus. Das heißt: es muss erst angepasst werden und danach müssen dann nationale Vorschriften diesem internationalen Recht untergeordnet werden."
In die Verhandlungen eingebunden ist an erster Stelle die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO, die hohe Anforderungen an die UAV-Nutzung stellt. Ihr Regelwerk gilt weltweit, entsprechend langsam kommen die Verhandlungen voran. Und erst, wenn auf dieser Ebene ein Durchbruch erzielt ist, müssen die nationalen Gesetze und Verordnungen, allen voran das deutsche Luftverkehrsgesetz geändert werden. - Die Arbeitsgruppen im Bundesverteidigungs- und -verkehrsministerium arbeiten bereits an entsprechenden Novellierungen. Obwohl nach Aussagen des Luftfahrtbundesamtes noch gar nicht klar ist, wie die Einsätze des Systems Eurohawk am Ende praktisch durchgeführt werden. Bisher, so Hartmut Beilmann, ist klar:

O-Ton Beilmann
"Generell brauchen sie eine Crew von mindestens drei Mann: das ist der Führer, das ist der Operator selbst, das ist der Mission Commander und das ist derjenige, der die Sensortechnik bedient. Also, die drei Mann: das ist die Mindestvoraussetzung."
... und während der ersten Flüge über Norddeutschland soll für alle Fälle ein zweites Team bereitstehen, so Beilmann. - Seit dem Jahr 2000 kam es auf Übungsplätzen und in abgesperrten Lufträumen über Deutschland zu 19 Abstürzen von Drohnen des Heeres. Eine neue Bundeswehr-Studie hält das Unfallrisiko bei UAV-Einsätzen aber trotzdem für gering. Also kein Grund zur Beunruhigung? Der ehemalige Jet-Pilot Werner Schweizer:

O-Ton Schweizer
"Das Ergebnis ist ja sehr vielversprechend: dass die erste Kollision ja - nach 30.000 Jahren auftreten wird. Also eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit. Kann man nur hoffen, dass es nicht am ersten Tag passiert!"

* Aus: NDR-Sendereihe Streitkräfte und Strategien, 5. September 2009; www.ndrinfo.de


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