"... die Souveränität des Volkes Iraks so bald wie möglich wiederherzustellen"
UN-Generalsekretär Kofi Annan legt seinen Jahresbericht vor. Keine Kritik am Krieg, wohl aber am Nachkrieg.
Vor Beginn der 58. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen (ab 16. September 2003) legte UN-Generalsekretär Kofi Annan seinen Rechenschaftsbericht vor.
Im Folgenden dokumentieren wir die Abschnitte aus dem Bericht des UN-Generalsekretärs Kofi Annan, die sich mit dem Irak befassen. Wie schon die Resolution 1483 (2003) des UN-Sicherheitsrats vom 22. Mai 2003 jegliche Kritik an dem völkerrechtswidrigen Krieg der USA und Großbritanniens gegen Irak vermissen ließ, findet sich auch hier kein Wort des Bedauerns. Der Rechenschaftsbericht stellt lediglich lapidar fest: "Mitte März war jedoch klar, dass einige Mitgliedstaaten die Position eingenommen hatten, eine Lösung der Krise sei ohne Anwendung von Gewalt nicht möglich." (siehe Ziffer 15) Der Krieg selbst findet in dem Dokument nicht statt. Zwischen dem Abzug der UN-Waffeninspekteure am 18.März (Ende Ziffer 15) und dem "Ende der Kampfhandlungen" (Annan vermeidet das Wort "Krieg") Ende April (Anfang Ziffer 16) steht kein einziger Satz.
Im Gegensatz dazu fand Kofi Annan deutliche Worte bei seiner Rede in der Generalversammlung der VN am 23. September 2003, in der er - ohne indessen die USA zu erwähnen - die "neue Doktrin der präemptiven Gewalt" scharf kritisierte.
Die vorliegenden Ausschnitte aus dem Bericht stammen aus Kapitel I: "Herbeiführung von Frieden und Sicherheit", Abschnitt "Irak" (Ziffern 14-18) sowie aus dem Abschnitt "Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung" (Ziffer 46).
Der ganze Bericht in deutscher Sprache ist im Internet unter www.uno.de zu erhalten. Das englische Original unter: www.un-org.
Vereinte Nationen
Bericht des Generalsekretärs über die Tätigkeit der Vereinten Nationen
- Auszug -
Generalversammlung
Offizielles Protokoll
Achtundfünfzigste Tagung
Beilage 1 (A/58/1)
Irak
14. Am 16. September 2002 unterrichtete mich der Außenminister
Iraks davon, dass seine Regierung beschlossen
habe, die Rückkehr der VN-Waffeninspektoren ohne Vorbedingungen
zu akzeptieren. Dies geschah im Anschluss an eine
Reihe von Gesprächen, die ich mit der irakischen Seite im
März, Mai und Juli 2002 geführt hatte, sowie meinen
Appell
vor der Generalversammlung im September 2002, in dem
ich Irak eindringlich aufforderte, seinen Verpflichtungen
nach den Resolutionen des Sicherheitsrats nachzukommen.
Ich begrüßte die Wiederaufnahme der Inspektionen durch
die Überwachungs-, Verifikations- und Inspektionskommission
der Vereinten Nationen (UNMOVIC) in Irak im November
2002 im Anschluss an die einstimmige Annahme der
Resolution 1441 (2002) des Sicherheitsrats. Mit Bedauern
stellte ich in dem Bericht des Exekutivvorsitzenden der
UNMOVIC vom 27. Januar 2003 fest, dass Irak zwar kooperierte,
was den Prozess betraf, aber offenbar noch nicht so
weit gekommen war, seine Verpflichtungen wirklich zu akzeptieren.
15. Anfang März 2003 gab es Spaltungen im Sicherheitsrat
hinsichtlich der Frage des weiteren Vorgehens. In einem täglichen
Meinungsaustausch mit den Ratsmitgliedern, der Liga
der arabischen Staaten, der UNMOVIC und anderen Stellen,
sowohl in New York als auch in den Regierungssitzen, drängte
ich weiterhin auf ein vereintes internationales Handeln und
die Ausübung ständigen und beharrlichen Drucks auf die Führung
Iraks. Mitte März war jedoch klar, dass einige Mitgliedstaaten
die Position eingenommen hatten, eine Lösung der
Krise sei ohne Anwendung von Gewalt nicht möglich. Am
17. März unterrichtete ich den Sicherheitsrat, dass ich die Aktivitäten
der Vereinten Nationen in Irak suspendieren und
das gesamte noch verbleibende VN-Personal am folgenden
Tag abziehen würde.
16. Nach dem Ende der Hauptkampfhandlungen, die zur
Besetzung Iraks durch eine Koalition unter der Führung der
Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs
Großbritannien und Nordirland führten, verabschiedete
der Sicherheitsrat am 22. Mai 2003 nach langwierigen
Beratungen die
Resolution 1483 (2003). In Ziffer 8 der
Ratsresolution wurde ich aufgefordert, einen Sonderbeauftragten
zu ernennen, der unter anderem die Aufgabe haben
sollte, die Tätigkeiten der Vereinten Nationen in Irak zu koordinieren
und in Abstimmung mit der Provisorischen Behörde
der Koalition dem Volk Iraks in Bereichen wie der
humanitären Hilfe, dem Wiederaufbau und der Entwicklung,
den Menschenrechten, der Rechts- und Justizreform und der
Wiederherstellung einer international anerkannten und repräsentativen
Regierung Iraks behilflich zu sein. In der Folge
ernannte ich einen Sonderbeauftragten für einen ersten
Zeitraum von vier Monaten.
17. Mein Sonderbeauftragter unternahm ausführliche Reisen
im gesamten Irak und traf mit einem breiten und vielfältigen
Spektrum von Vertretern der irakischen Gesellschaft
zusammen. Mit seinem Team stellte er auch regelmäßige
Kontakte mit dem Administrator und anderen Mitarbeitern
der Provisorischen Behörde der Koalition her. Ich selbst leitete
mit meinem Sonderbeauftragten einen Dialog mit
Staatsführern der Nachbarländer Iraks und der internationalen
Gemeinschaft im Allgemeinen ein. In meinem ersten Bericht
an den Sicherheitsrat (S/2003/715) unterstrich ich die
wesentlichen Prinzipien, die den Tätigkeiten der Vereinten
Nationen nach Resolution 1483 (2003) zugrunde lagen -
darunter die Notwendigkeit, die Souveränität des Volkes
Iraks so bald wie möglich wiederherzustellen und das Recht
des irakischen Volkes, seine politische Zukunft zu bestimmen,
zu achten -, sowie unseren Wunsch, bei unseren Hilfsaktivitäten
zuallererst an die Interessen des irakischen Volkes
zu denken. Der Bericht enthielt eine erste Einschätzung
des Umfangs der Herausforderungen, die mit der Umsetzung
des in Resolution 1483 (2003) erteilten Mandats verbunden
waren, und eine Darstellung der Bereiche, in denen die Vereinten
Nationen nach meiner Auffassung auf Grund ihres
Sachverstands und ihres komparativen Vorteils eine nützliche
Rolle spielen können. Zu diesem Zweck schlug ich die
Schaffung einer Hilfsmission der Vereinten Nationen für
Irak (UNAMI) vor. Am 14. August beschloss der Sicherheitsrat
mit
Resolution 1500 (2003), die UNAMI für einen
ersten Zeitraum von 12 Monaten einzurichten. Der Rat begrüßte
außerdem die am 13. Juli 2003 erfolgte Einrichtung
des weitgehend repräsentativen Regierungsrats Iraks als wichtigen
Schritt auf dem Weg zur Bildung einer international anerkannten,
repräsentativen und souveränen Regierung Iraks.
18. Der mutwillige Anschlag auf das Hauptquartier der
Vereinten Nationen in Bagdad am 19. August 2003 versetzte
den Bemühungen der Organisation, bei der Wiederherstellung
der Normalität in Irak behilflich zu sein, einen schweren Schlag. Mein Sonderbeauftragter, Sergio Vieira de Mello, sowie mehrere internationale und lokale Mitarbeiter verloren
bei diesem feigen Akt ihr Leben, und zahlreiche weitere
Menschen wurden verletzt. Ihr Opfer wird nicht vergeblich
sein. Die Vereinten Nationen werden dem irakischen
Volk weiter dabei behilflich sein, sein Land wieder aufzubauen
und seine Souveränität unter von ihm selbst gewählten
Führern wiederzuerlangen. Bis dahin werde ich auch
weiterhin betonen, dass es unerlässlich ist, dass dem Volk
Iraks ein klarer Zeitplan mit einer konkreten Abfolge von
Ereignissen gegeben wird, die zur möglichst baldigen vollen
Wiederherstellung seiner Souveränität führen. Das bedeutet,
dass auf die Einrichtung des Regierungsrats ein konstitutioneller
Prozess folgen muss, der von Irakern für Iraker geleitet
wird. Zu diesem Zweck werden die Vereinten Nationen
auch künftig eine aktive Rolle dabei spielen, den politischen
Prozess zu erleichtern und zu unterstützen. Mein neuer Sonderbeauftragter
wird die Zusammenarbeit mit dem Regierungsrat
und der Provisorischen Behörde der Koalition fortsetzen
und den Dialog mit Staatsführern der Länder der Region
und darüber hinaus weiter verfolgen.
Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung
(...)
46. Im März 2003, unmittelbar vor der Invasion Iraks von
Kuwait aus unter der Führung der Vereinigten Staaten von
Amerika, wurde das Mandat der Beobachtermission der Vereinten
Nationen für Irak und Kuwait (UNIKOM) suspendiert,
und die meisten der Mitarbeiter wurden evakuiert. Die
UNIKOM behielt eine kleine Zentrale in Kuwait-Stadt, die
eine Friedenssicherungspräsenz wahren, politische und militärische
Verbindungsaufgaben wahrnehmen und die VN-Programme
für humanitäre Hilfe an Irak unterstützen sollte.
Obwohl der Großteil der UNIKOM-Zentrale in Umm Qasr
sowie andere Infrastrukturen in dem Konflikt zerstört wurden,
konnte Camp Khor an der kuwaitischen Seite der Grenze
im Mai wieder zur Unterstützung der humanitären Maßnahmen
geöffnet werden. Am 3. Juli stellte der Sicherheitsrat
in
Resolution 1490 (2003) fest, dass die UNIKOM ihr
Mandat von 1991 bis 2003 erfolgreich erfüllt hatte, und verlängerte
es um einen letzten Zeitraum von drei Monaten. Die
verbleibenden Mitarbeiter der Mission bereiten jetzt die Liquidation
der UNIKOM vor und senden viele ihrer beweglichen
Vermögensgegenstände zu anderen Missionen.
Quelle: www.uno.de
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