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"Es wird natürlich einige Zeit beanspruchen, ein Krebsgeschwür wie den IS auszumerzen"

US-Präsident Obama begründet in einer Rede an die Nation die Strategie zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (im Wortlaut)


Im Folgendden dokumentieren wir die Rede von US-Präsident Barack Obama vom 10. September 2014, in der er die Strategie der US-Regierung zur Schwächung und Zerstörung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) darlegt.Eine Kurzfassung einiger Zitate daraus und anderer Reden (z.B. von US-Außenminister Kerry) hatten wir vorab hier veröffentlicht: "Amerika wird eine breite Koalition anführen .... Die Übersetzung der ganzen Rede besorgte der Amerika Dienst.

Rede des US-Präsidenten

Liebe amerikanische Mitbürger, heute möchte ich Sie darüber informieren, was die Vereinigten Staaten und ihre Freunde und Bündnispartner tun werden, um die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ zu schwächen und letztlich zu zerstören.

Meine größte Verantwortung als Oberbefehlshaber ist es, das amerikanische Volk zu schützen. In den vergangenen Jahren haben wir den Kampf konsequent bei den Terroristen geführt, die unser Land bedrohen. Wir haben Osama bin Laden und einen Großteil der Al-Kaida-Führung in Afghanistan und Pakistan unschädlich gemacht. Wir haben die Partnerorganisation von Al Kaida im Jemen im Visier und kürzlich den höchsten Kommandeur ihrer Partnerorganisation in Somalia außer Gefecht gesetzt. Gleichzeitig haben wir über 140.000 amerikanische Soldaten aus dem Irak nach Hause geholt und unsere Truppen in Afghanistan reduziert, wo unser Kampfeinsatz Ende dieses Jahres abgeschlossen sein wird. Dank unserer Experten beim Militär und in der Terrorismusbekämpfung sind die Vereinigten Staaten sicherer.

Dennoch werden wir weiterhin von Terroristen bedroht. Wir können nicht alles Böse auf dieser Welt ausmerzen, und kleine Gruppen von Mördern sind in der Lage, großen Schaden anzurichten. Das war vor dem 11. September der Fall, und das gilt auch heute noch. Deshalb müssen wir wachsam bleiben, wenn Bedrohungen auftreten. Dieser Tage kommen die größten Bedrohungen aus dem Nahen Osten und Nordafrika, wo radikale Gruppen aus Missständen Profit schlagen. Eine dieser Gruppen ist ISIL, die sich selbst „Islamischer Staat“ nennt.

Ich möchte zwei Dinge klarstellen. Der IS ist nicht „islamisch“. Keine Religion duldet das Töten Unschuldiger. Und die große Mehrheit der Opfer des IS waren Muslime. Außerdem ist der IS eindeutig kein Staat. Die Organisation war ehemals der Al-Kaida-Ableger im Irak und nutzte religiös motivierte Gewalt und den Bürgerkrieg in Syrien, um auf beiden Seiten der irakisch-syrischen Grenze Territorium zu erobern. Die Organisation wird weder von einer Regierung, noch von den Menschen anerkannt, die sie unterjocht. Der IS ist ganz einfach eine terroristische Vereinigung. Sie hat keine Vision für die Zukunft, außer der Tötung all derer, die sich ihr in den Weg stellen.

In einer Region, in der es so viel Blutvergießen gibt, ist die Brutalität dieser Terroristen dennoch ohne Gleichen. Sie exekutieren Gefangene. Sie töten Kinder. Sie versklaven und vergewaltigen Frauen und zwingen sie zur Ehe. Sie haben einer religiösen Minderheit mit Völkermord gedroht. Und sie haben in barbarischen Akten zwei amerikanische Journalisten ermordet – Jim Foley und Steven Sotloff.

Der IS stellt also eine Bedrohung für die Bürger des Irak und Syriens und auch für den Nahen und Mittleren Osten dar – also auch für amerikanische Staatsbürger, Angestellte und Einrichtungen. Wenn die Terroristen weiterhin unkontrolliert agieren können, kann daraus eine zunehmende Bedrohung über diese Region hinaus entstehen, die bis in die Vereinigten Staaten reicht. Wir haben noch keine konkreten Angriffspläne gegen unser Heimatland ausgemacht, aber die IS-Führung hat die Vereinigten Staaten und ihre Bündnispartner bedroht. Unsere Nachrichtendienste gehen davon aus, dass sich ihr Tausende Ausländer, darunter auch Europäer und einige Amerikaner, angeschlossen haben. Diese Kämpfer könnten trainiert und kampfgestählt in ihre Heimatländer zurückkehren und dort tödliche Angriffe verüben.

Ich weiß, dass viele Amerikaner sich wegen dieser Gefahr sorgen. Ich möchte Ihnen heute Abend versichern, dass die Vereinigten Staaten dieser Bedrohung mit Stärke und Entschlossenheit die Stirn bietet. Vorigen Monat habe ich unser Militär angeordnet, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um das Vordringen des IS zu stoppen. Seither haben wir mehr als 150 erfolgreiche Luftschläge im Irak durchgeführt. Durch diese Luftschläge wurden amerikanische Angestellte und Einrichtungen geschützt, IS-Kämpfer getötet, Waffen zerstört und Raum für die irakischen und kurdischen Truppen geschaffen, ihr Territorium zurückzuerobern. Sie haben auch geholfen, das Leben Tausender unschuldiger Männer, Frauen und Kinder zu retten.

Aber dies ist nicht nur unser Kampf. Die Stärke der Vereinigten Staaten kann Entscheidendes bewirken, aber wir können den Irakern nicht abnehmen, was sie selbst tun müssen, und wir können auch nicht unsere arabischen Partner ersetzen, wenn es darum geht, die Sicherheit in ihrer Region sicherer zu gewährleisten. Deshalb habe ich für weitere amerikanische Maßnahmen die Bedingung gestellt, dass die Iraker eine integrative Regierung bilden, was sie nun, in den letzten Tagen, getan haben. Mit einer neuen irakischen Regierung im Amt und nach der Absprache mit den Bündnispartnern, kann ich heute Abend also ankündigen, dass die Vereinigten Staaten eine umfassende Koalition anführen werden, um diese terroristische Bedrohung zu bekämpfen.

Unser Ziel ist klar: Wir werden den IS mit einer umfassenden und dauerhaften Strategie zur Terrorismusbekämpfung schwächen und letztlich zerstören.

Erstens werden wir systematisch Luftschläge gegen die Terroristen durchführen. In Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung werden wir unsere Bestrebungen über den Schutz der eigenen Bevölkerung und humanitäre Missionen hinaus ausdehnen, sodass wir Stellungen der IS-Terrormiliz angreifen, wenn die irakischen Truppen in die Offensive gehen. Zudem habe ich klar und deutlich geäußert, dass wir Terroristen, die unser Land bedrohen, aufspüren werden, wo auch immer sie sind. Das bedeutet, ich werde nicht zögern, Maßnahmen gegen den IS in Syrien als auch im Irak zu ergreifen. Ein Kernprinzip meiner Präsidentschaft lautet: Wer die Vereinigten Staaten von Amerika bedroht, wird keine Zuflucht finden.

Zweitens werden wir die Truppen, die am Boden gegen diese Terroristen kämpfen, stärker unterstützen. Im Juni habe ich mehrere Hundert amerikanische Soldaten im Irak stationiert um zu sondieren, wie wir die irakischen Sicherheitskräfte am besten unterstützen können. Jetzt, da diese Teams ihre Arbeit abgeschlossen haben und der Irak eine neue Regierung gebildet hat, werden wir weitere 475 Soldaten in den Irak entsenden. Wie ich bereits sagte, erhalten diese amerikanischen Truppen keinen Kampfauftrag. Wir werden uns nicht in einen weiteren Bodenkrieg im Irak hineinziehen lassen. Sie werden allerdings gebraucht, um die irakischen und kurdischen Truppen durch Aufklärung, Ausbildung und Ausrüstung zu unterstützen. Wir werden außerdem die irakischen Bestrebungen unterstützen, eine Nationalgarde aufzustellen, um den sunnitischen Gemeinden zu helfen, sich davor zu bewahren, unter die Kontrolle des IS zu gelangen.

Jenseits der Grenze, in Syrien, haben wir unsere militärische Unterstützung der syrischen Opposition verstärkt. Heute Abend rufe ich den Kongress erneut auf, uns zusätzliche Befugnisse und Ressourcen für die Ausbildung und Ausstattung dieser Kämpfer zu gewähren. Im Kampf gegen den IS können wir uns nicht auf ein Assad-Regime verlassen, das sein eigenes Volk terrorisiert, ein Regime, das die verlorene Legitimität nie wieder zurückgewinnen wird. Stattdessen müssen wir die Opposition als bestes Gegengewicht zu den Extremisten der IS-Terrormiliz stärken, während wir gleichzeitig die politische Lösung anstreben, die notwendig ist, um die Krise in Syrien ein für alle Mal beizulegen.

Drittens werden wir weiterhin unsere beträchtlichen Fähigkeiten im Bereich der Terrorismusbekämpfung nutzen, um Anschläge des IS zu verhindern. In Zusammenarbeit mit unseren Partnern werden wir unsere Bemühungen verdoppeln, die Finanzierung der Terrormiliz zu unterbinden, unsere nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zu verbessern, unsere Verteidigungssysteme zu stärken, ihrer abartigen Ideologie entgegenzustellen und den Zustrom an ausländischen Kämpfern in und aus dem Nahen Osten einzudämmen. In zwei Wochen werde ich einem Treffen des Sicherheitsrats Vereinten Nationen vorsitzen, das der weiteren Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft für diese Anstrengungen dienen soll.

Viertens werden wir weiter humanitäre Unterstützung für unschuldige Zivilisten leisten, die von der Terrororganisation vertrieben wurden. Dazu zählen sunnitische und schiitische Muslime, die in ernster Gefahr sind, sowie Zehntausende Christen und andere religiöse Minderheiten. Wir können es nicht zulassen, dass diese Menschen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben werden.

Das ist also unsere Strategie. Und in jedem dieser vier Teile unserer Strategie haben die Vereinigten Staaten die Unterstützung einer breiten Koalition von Partnern. Flugzeuge der Bündnispartner fliegen bereits jetzt mit uns über dem Irak, es werden Waffen und Unterstützung für die irakischen Sicherheitskräfte und die syrische Opposition geliefert, nachrichtendienstliche Erkenntnisse ausgetauscht und Milliarden von Dollar an humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt. US-Außenminister Kerry war heute im Irak und traf sich mit der neuen Regierung, um ihre Einheitsbestrebungen zu unterstützen. In den kommenden Tagen wird er im Nahen Osten und in Europa um mehr Partner für diesen Kampf werben, insbesondere in den arabischen Nationen, die dabei behilflich sein können, die sunnitischen Gemeinden im Irak und Syrien zu mobilisieren, diese Terroristen aus ihrer Heimat zu vertreiben. Dies ist das beste Beispiel für amerikanische Führungsstärke: Wir stehen Menschen zur Seite, die für ihre Freiheit kämpfen, und wir mobilisieren andere Länder im Namen unserer gemeinsamen Sicherheit und Menschlichkeit.

Meine Regierung hat außerdem die Unterstützung beider Parteien hier in den Vereinigten Staaten für diese Vorgehensweise gewonnen. Ich habe die Befugnis, gegen die Bedrohung durch den IS vorzugehen, aber ich bin der Meinung, dass wir als Nation am stärksten sind, wenn der Präsident und der Kongress zusammenarbeiten. Ich begrüße also die Unterstützung des Kongresses für diese Bestrebungen. So zeigen wir der Welt, dass sich die Amerikaner geeint gegen diese Gefahr zur Wehr setzen.

Es wird natürlich einige Zeit beanspruchen, ein Krebsgeschwür wie den IS auszumerzen. Jedes Mal, wenn wir militärische Maßnahmen ergreifen, geht das auch mit Risiken einher – insbesondere für die Soldatinnen und Soldaten, die diese Einsätze ausführen. Ich möchte allerdings, dass die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger verstehen, dass sich diese Bestrebungen von den Kriegen im Irak und in Afghanistan unterscheiden. Es werden keine amerikanischen Kampftruppen auf ausländischem Boden kämpfen. Dieser Feldzug gegen den Terrorismus wird geleitet von dem dauerhaften, unnachgiebigen Streben, IS-Stellungen durch Luftangriffe und die Unterstützung der Truppen unserer Partner am Boden zu zerstören, wo auch immer sie sich befinden mögen. Diese Strategie, Terroristen, die uns bedrohen, außer Gefecht zu setzen, während wir unsere Partner an vorderster Front unterstützen, haben wir im Jemen und in Somalia bereits jahrelang erfolgreich verfolgt. Sie stimmt außerdem mit der Vorgehensweise überein, die ich Anfang des Jahres erläutert habe: Gewalt einzusetzen, wenn die Kerninteressen der Vereinigten Staaten bedroht werden, allerdings, wo auch immer möglich, Partner zu mobilisieren, um die umfassenderen Herausforderungen für die Weltordnung zu bewältigen.

Meine amerikanischen Mitbürger, wir leben in einer Zeit rasanter Veränderungen. Morgen jährt sich der Angriff auf unser Land zum 13. Mal. Nächste Woche ist es sechs Jahre her, dass unsere Wirtschaft den schlimmsten Rückschlag seit der Weltwirtschaftskrise erlitten hat. Trotz dieser Schockerlebnisse sind die Vereinigten Staaten durch den Schmerz, den wir gefühlt haben, und durch die zermürbende Arbeit, die zur Überwindung der Krise erforderlich war, heute besser in der Lage, die Zukunft anzugehen als jedes andere Land der Welt.

Unsere Technologieunternehmen und Universitäten suchen ihresgleichen. Unsere Fertigungs- und Autoindustrie boomen. Die Energieunabhängigkeit ist so greifbar wie seit Jahrzehnten nicht. Trotz all der Arbeit, die uns noch bevorsteht, erleben unsere Unternehmen gerade die längste Phase ununterbrochener Arbeitsplatzschaffung unserer Geschichte. Trotz all der Gräben und Unstimmigkeiten in unserer Demokratie sehe ich jeden einzelnen Tag das Durchhaltevermögen und die Entschlossenheit sowie die Anständigkeit, die die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger auszeichnet, und das gibt mir mehr Vertrauen als je zuvor in die Zukunft unseres Landes.

Im Ausland gilt die amerikanische Führungsstärke als die Konstante in einer unsicheren Welt. Es sind die Vereinigten Staaten, die die Fähigkeit und den Willen haben, die Welt gegen Terroristen zu mobilisieren. Es sind die Vereinigten Staaten, die die Welt gegen die Aggression Russlands und zur Unterstützung des Rechts der Ukrainer, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, zusammengeführt haben. Es sind die Vereinigten Staaten – unsere Wissenschaftler, unsere Ärzte und unsere Kenntnisse, die helfen können, den Ausbruch von Ebola einzudämmen und die Krankheit zu heilen. Es sind die Vereinigten Staaten, die dazu beigetragen haben, die deklarierten syrischen Chemiewaffen zu beseitigen und zu zerstören, sodass sie keine Bedrohung mehr für das syrische Volk und die Welt darstellen. Und es sind die Vereinigten Staaten, die muslimischen Gemeinden überall auf der Welt nicht nur im Kampf gegen den Terrorismus unterstützen, sondern auch im Kampf um Chancen, Toleranz und eine hoffnungsvollere Zukunft.

Amerika, deine unendlichen Segnungen sind auch eine dauerhafte Bürde. Aber als Amerikaner begrüßen wir die Führungsverantwortung. Von Europa bis Asien, von den entlegensten Orten in Afrika bis zu den kriegsgeschüttelten Hauptstädten des Nahen Ostens stehen wir für Freiheit, Gerechtigkeit und Würde. Dies sind die Werte, die unser Land seit seiner Gründung leiten.

Heute Abend bitte ich Sie um Ihre Unterstützung dabei, diese Führungsrolle fortzusetzen. Ich tue dies als Oberbefehlshaber, der auf unsere Soldatinnen und Soldaten nicht stolzer sein könnte – auf die Piloten, die sich beim Überflug des Nahen Ostens mutig in Gefahr begeben, und auf die Soldaten, die unsere Partner am Boden unterstützen.

Als wir dabei geholfen haben, das Massaker an Zivilisten zu verhindern, die in einem entlegenen Gebirge gefangen waren, sagte einer von ihnen: „Wir verdanken unseren amerikanischen Freunden unser Leben. Unsere Kinder werden sich immer daran erinnern, dass es jemanden gab, der unseren Überlebenskampf erkannt und eine lange Reise angetreten hat, um unschuldige Menschen zu schützen.“

Das ist es, was wir auf der Welt bewirken. Unsere eigene Sicherheit hängt von der Bereitschaft ab, das zu tun, was notwendig ist, um diese Nation zu verteidigen und für die Werte einzutreten, die es noch lange geben wird, nachdem diejenigen, die nur Hass und Zerstörung zu bieten haben, besiegt und vom Angesicht der Erde vertrieben wurden.

Gott schütze unsere Truppen, und möge Gott die Vereinigten Staaten von Amerika schützen.

Originaltext: Statement by the President on ISIL.

Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten; http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/



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