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Ausnahmsweise verurteilt

USA: Einmal lebenslänglich und dreimal 30 Jahre gegen vier ehemalige Blackwater-Leute. Sie töteten 2007 in Bagdad mindestens 14 Menschen

Von Knut Mellenthin *

Tausende US-Soldaten und Söldner, die im Irak Zivilisten töteten, gingen straffrei aus. Doch am Montag wurden drei frühere Mitarbeiter der inzwischen mehrfach umbenannten »Sicherheitsfirma« Blackwater von einem Gericht in Washington zu Gefängnisstrafen von 30 Jahren verurteilt. Gegen einen weiteren Angeklagten wurde lebenslängliche Haft verhängt. Alle vier haben angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Einer der Exsöldner sprach von einer »Pervertierung der Justiz«. Ein Verteidiger des Hauptangeklagten beschwerte sich darüber, dass der Prozess ausgerechnet in Washington stattfand, wo man gegenüber der »Waffenkultur« und dem Militär voreingenommen sei.

In dem Prozess, der vermutlich noch nicht abgeschlossen ist, geht es um ein Blutbad, das die vier Angeklagten und andere Blackwater-Leute am 16. September 2007 an einer stark befahrenen Kreuzung in der irakischen Hauptstadt Bagdad angerichtet hatten. Sie erschossen mindestens 14 Menschen und verletzten zwanzig weitere. Die irakischen Behörden gehen sogar von 17 Toten aus. Die Söldnergruppe hatte den Auftrag, einem nachfolgenden, ebenfalls bewaffneten Konvoi den Weg zu bahnen, in dem ein hochrangiger US-Funktionär nach der Explosion einer Autobombe »aus der Gefahrenzone gebracht« wurde. Die Schutzbehauptung der Angeklagten, sie hätten in Selbstverteidigung geschossen, wurde vom Gericht als unglaubwürdig zurückgewiesen, da sie den Aussagen der zahlreich geladenen irakischen Augenzeugen widersprach.

Offenbar hatten sich die Blackwater-Leute übernervös und unangemessen verhalten. Bei zahlreichen ähnlichen Vorfällen wurden Zivilisten von Soldaten oder Söldnern getötet, weil die US-Streitkräfte eigene Regeln aufgestellt hatten, wie nahe Iraker ihren Konvois kommen und wie schnell irakische Autos fahren durften, wenn sich ein Konvoi auf der Straße befand. Generell galt, dass die Sicherheit von US-Bürgern höchste Priorität hatte und zivile Opfer von untergeordneter Bedeutung waren. Insofern ist nachvollziehbar, dass die jetzt verurteilten Todesschützen – alles ehemalige Soldaten – vor Gericht jammerten, sie seien von ihrer Regierung im Stich gelassen worden.

Ihre Chancen, in der nächsten Instanz mit milderen Strafen davonzukommen, stehen nicht schlecht. Das Verfahren gegen die vier Männer begann schon im Dezember 2008, wurde aber im ersten Durchgang ein Jahr später wegen angeblicher Formfehler abgebrochen. Erst im April 2011 wurde diese Entscheidung als unbegründet aufgehoben und die Anklage wieder in Kraft gesetzt. Ein Widerspruch gegen dieses Urteil wurde im Juni 2012 vom Obersten Gerichtshof verworfen.

Das Massaker vom 16. September 2007 unterschied sich im wesentlichen nur durch sein Ausmaß vom menschenverachtenden Schusswaffenbrauch vieler Polizisten in den USA. Die Washington Post berichtete am 11. April, dass in den letzten zehn Jahren mehrere tausend Menschen – das Blatt nannte keine genauere Zahl – von Polizeiangehörigen getötet worden seien, aber nur 54 Schützen überhaupt vor Gericht gestellt wurden. Nur elf wurden als schuldig verurteilt, 21 wurden freigesprochen. 19 Verfahren seien noch nicht abgeschlossen. Was mit den drei übrigen ist, wurde aus dem Bericht nicht klar. Unter den Todesopfern in den verhandelten Fällen seien 33 Schwarze, 14 Weiße und zwei »andere« gewesen.

Der Firma Blackwater wurde nach dem Blutbad in Bagdad kurzzeitig die Lizenz entzogen, doch konnten ihre Leute schon wenige Tage später ihre »Arbeit« wieder aufnehmen. Weitere Vorwürfe, unter anderem Waffenschmuggel und -verkauf, kamen später hinzu. Das Unternehmen benannte sich 2009 in Xe Services um und heißt heute, nachdem der Gründer Erik Prince es verkaufte, Academi. Es ist die größte private Firma ihrer Art in den USA und wohl auch weltweit.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 16. April 2015


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