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Mit Rosen gegen Kriegsmanöver

Frauentag rund um das Gefechtsübungszentrum in der Colbitz-Letzlinger Heide

Von Uta Müller *

Eine Soldatin in Uniform sitzt im Rollstuhl – ein Baby und ein Maschinengewehr auf dem Schoß, zu ihren Knien eine beschriebenes Blatt Papier. »Die ist ja gar nicht echt«, stellt die sechsjährige Amira fest, als sie die Schaufensterpuppe anfaßt. Ihr Bruder liest den Text des Schildchens vor: »Familienfreundlich töten.« Amira will es genau wissen und wendet sich an die »echte« Frau, die auf der Bank daneben sitzt und offensichtlich etwas mit der Soldatin im Rollstuhl zu tun hat: »Warum machst du das?« Sie bekommt zur Antwort: »Ich mag Krieg nicht und möchte nicht, daß Frauen da mitmachen.« Nach kurzem Nachdenken geht dem Mädchen ein Licht auf: »Stimmt, heute ist Muttertag.« »Frauentag«, nickt die Frau verbessernd.

Diese Szene spielte sich am Nachmittag des 8. März mitten in der Innenstadt von Magdeburg ab. Frauen waren unterwegs und verschenkten Rosen mit Flyern, auf denen »Nie wieder Krieg« stand, und Spruchbändchen mit Antikriegszitaten. Das Gedicht »Fantasie von übermorgen« von Erich Kästner und Plakate, die sich gegen Kriegsvergewaltigungen richteten, wurden aufgehängt. Postkarten mit antimilitaristischen Slogans und Streichholzschachteln mit Friedenswünschen wurden unter die Leute gebracht. Am Morgen hatten sich Frauen aus der Bürgerinitiative (BI) Offene Heide und Feministinnen aus unterschiedlichen Organisationen vor einem Supermarkt in Gardelegen zusammengefunden, um in Ortschaften rund um den Truppenübungsplatz in der Colbitz-Letzlinger Heide ihre Vorstellungen zu Krieg und Militarisierung zu verbreiten und mit Frauen ins Gespräch zu kommen.

»Unsere Aktion war ein voller Erfolg«, freute sich eine der BI-Frauen, »zuerst hatten wir Angst, daß wir nur ganz wenige werden. Aber heute sind wir 18 Frauen. Aus allen möglichen Richtungen der BRD. Und die meisten Frauen auf der Straße haben sich gefreut, angesprochen zu werden.« Es habe viele spannende Gespräche gegeben.

Die Idee dazu entstand bei einem Treffen von Friedensfrauen aus der BI und Feministinnen von der »Pinken Barkasse«, die letztes Jahr auf dem Wasserweg von Hamburg nach Magdeburg zum »War starts here Camp« gefahren war. Sie hatten festgestellt, daß vor der sogenannten Wende der 8. März in der DDR als Tag, an dem die Frauen geehrt und gewürdigt wurden, im Westen eher als Internationaler Frauenkampftag eine politische Bedeutung hatte.

Warum haben sie sich am 8. März gerade hier getroffen? »Für mich ist das Gefechtsübungszentrum ein Symbol für den aktiven deutschen Krieg, und den will die Frau Kriegsministerin jetzt noch als familienfreundlich verkaufen«, erklärte eine Wendländerin mit Zorn in der Stimme. Sie bezieht sich damit auf die Erklärungen der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen, die Militäreinsätze der Bundeswehr auszuweiten und Tagesmütter in die Kasernen zu holen. Unter Einheimischen hat das Manövergelände immer noch Befürworter. »Und wir leben hier«, sagte eine der BI-Frauen, »und müssen uns ständig mit dem Argument herumschlagen, daß die Bundeswehr Arbeitsplätze schaffe.«

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 12. März 2014


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